omnia autem ista debes Deo quae dicis
A.: Wenn du etwas gibst, was du Gott schuldig bist,
auch wenn du nicht gesündigt hast,
so darfst du das nicht vorrechnen für das Geschuldete, das du
für die Sünde schuldest;
all das aber, was du nennst, schuldest du Gott.
tantus namque debet esse in hac mortali vita
amor
et ad quod pertinet oratio desiderium perveniendi
ad id ad quod factus es
et dolor quia nondum ibi es
et timor ne non pervenias
ut nullam laetitiam sentire debeas
nisi de iis quae tibi aut auxilium aut spem dant
perveniendi
Denn so groß muß in diesem sterblichen Leben die Liebe
sein
und, wozu auch das Gebet gehört, das Verlangen nach dem, wozu
du geschaffen bist,
und der Schmerz darüber, daß du noch nicht dort bist,
und die Furcht, du möchtest nicht hingelangen:
daß du keine Freude fühlen darfst,
außer über das, was dir entweder eine Hilfe oder die Hoffnung
gibt, dahin zu gelangen.
non enim mereris habere
quod non secundum
quod est amas et desideras
et de quo
quia nondum habes
et adhuc utrum habiturus sis an non in tanto
es periculo
non doles
Denn du verdienst nicht zu besitzen,
was du nicht, entsprechend dem, was es wert ist, liebst und ersehnst
und worüber du,
weil du es noch nicht besitzt
und weil du noch in so großer Gefahr schwebst, ob du es besitzen
wirst oder nicht,
keinen Schmerz empfindest.
ad quod etiam pertinet quietem et delectationes
mundanas
quae animum ab illa vera quiete et delectatione
revocant fugere
nisi quantum ad intentionem illuc perveniendi
cognoscis sufficere
Wozu auch gehört, die Ruhe und die weltlichen Genüsse,
die den Geist von jener wahren Ruhe und Freude ablenken, zu fliehen,
außer soweit du erkennst, daß sie für dein Streben,
dorthin zu gelangen, hinreichen.
dationem vero ita considerare debes
te facere ex debito
sicut intelligis quia quod das non a te habes
sed ab illo cuius
servus es tu et ille cui das
Das Schenken aber mußt du so anschauen,
daß du es aus Schuldigkeit tust,
wie du einsiehst, daß du das, was du gibst, nicht von dir hast,
sondern von dem, dessen Knecht sowohl du bist wie der, dem du gibst.
et natura te docet
ut conservo tuo id
est homo homini facias
quod tibi ab illo vis fieri (cf mat
7,12)
et quia qui non vult dare quod habet
non debet accipere quod non habet
Und die Natur lehrt dich,
deinem Mitknechte, das heißt der Mensch dem Menschen, zu tun,
wie du willst, daß dir von ihm geta werde;
und daß, wer nicht geben will, was er hat,
nicht erhalten darf, was er nicht hat.
de dimissione vero breviter dico
quia nullatenus pertinet ad te vindicta
sicut supra diximus
quoniam nec tu tuus es
nec ille tuus aut suus qui tibi fecit iniuriam
sed unius domini servi facti ab illo de nihilo
estis
et si de conservo tuo te vindicas
iudicium quod proprium domini et iudicis omnium
est super illum superbe praesumis
Über die Verzeihung jedoch sage ich nur kurz,
daß die Rache keineswegs dir zusteht, wie wir oben bemerkt haben;
denn weder gehörst du dir selber
noch gehört jener dir oder sich selber, der dir Unrecht getan
hat,
sondern ihr seid Knechte des einen Herrn, von ihm aus dem Nichts gemacht;
und wenn du an deinem Mitknechte Rache nimmst,
so maßest du dir hochmütig über ihn das Gericht an,
das dem Herrn und Richter aller zusteht.
in oboedientia vero quid das Deo quod non debes
cui iubenti totum quod es et quod habes et quod
potes debes?
Im Gehorsam aber was gibst du Gott, was du nicht schuldest,
dem du, sobald er befiehlt, alles, was du bist und hast und kannst,
schuldig bist?
B.: nihil iam audeo in omnibus his dicere
me dare Deo quod non debeo
B.: Ich wage nicht mehr zu behaupten,
daß ich in all dem Gott etwas gebe, was ich nicht schuldig bin.
A.: quid ergo solves Deo pro peccato tuo?
A.: Was erstattest du folglich Gott für die Sünde?
B.: si me ipsum et quidquid possum
etiam quando non pecco
illi debeo ne peccem
nihil habeo quod pro peccato reddam
B.: Wenn ich mich selber und alles, was ich kann,
auch wenn ich nicht sündige,
ihm schuldig bin, um nicht zu sündigen,
dann habe ich nichts, was ich für die Sünde erstatten könnte.
A.: quid ergo erit de te?
quomodo poteris salvus esse?
A.: Was wird folglich mit dir geschehen?
Wie wirst du gerettet werden können?
B.: si rationes tuas considero
non video quomodo
B.: Wenn ich deine Vernunftgründe erwage,
weiß ich nicht, wie.
si autem ad fidem meam recurro:
in fide Christiana quae
per dilectionem operatur (gal 5,6)
spero me posse salvari
et quia legimus: si
iniustus conversus fuerit ab iniustitia et fecerit iustitiam (ez
18,27)
omnes iniustitias eius tradi oblivioni (cf
ib 18,22 33,16)
Wenn ich aber auf meinen Glauben zurückgehe,
hoffe ich, im christlichen Glauben, «der durch die Liebe wirkt»,
gerettet werden zu können;
und weil wir ja lesen «wenn sich der Ungerechte von seiner Ungerechtigkeit
bekehrt und Gerechtigkeit übt»,
daß alle seine Ungerechtigkeiten dem Vergessen anheimgegeben
werden.
A.: hoc non dicitur nisi illis
qui aut expectaverunt Christum antequam veniret
aut credunt in eum postquam venit
A.: Das wird nur denen gesagt,
die entweder Christus erwartet haben, bevor er kam,
oder an ihn glauben, nachdem er gekommen ist.
sed Christum et Christianam fidem quasi numquam
fuisset posuimus
quando sola ratione
utrum adventus eius ad salvationem hominum esset
necessarius
quaerere proposuimus
Wir haben aber Christus und den christlichen Glauben angesetzt, als
ob sie nie gewesen wären,
als wir uns vornahmen,
ob seine Ankunft zur Rettung der Menschen notwendig sei,
einzig mit der Vernunft zu erforschen.
B.: ita fecimus
B.: So taten wir.
A.: sola igitur ratione procedamus
A.: So wollen wir folglich mit der bloßen Vernunft weiterfahren.
B.: quamvis me in angustias quaedam ducas
desidero tamen multum
ut sicut incepisti
progrediaris
B.: Wenn du mich auch in eine gewisse Enge treibst,
so wünsche ich doch sehr,
daß du weiterfährst, wie du begonnen hast.
capitulum xxi
quanti ponderis sit peccatum
21. Kapitel
Von welcher Schwere die Sünde ist
A.: ponamus omnia illa quae modo posuisti te
pro peccato posse solvere
te non debere
et videamus utrum possint sufficere ad satisfactionem
unius tam parvi peccati
sicuti est unus aspectus contra voluntatem Dei
A.: Nehmen wir an, daß du all das, was du eben angesetzt hast,
daß du es für die Sünde zahlen kannst,
nicht schuldig bist,
und sehen wir, ob das genügen kann zur Genugtuung einer einzigen
so kleinen Sünde,
wie es ein einziger Blick gegen den Willen Gottes ist.
B.: nisi quia audio te hoc ponere in quaestionem
putarem me hoc peccatum una sola compunctione
delere
B.: Hörte ich nicht, wie du das zur Untersuchung stellst,
würde ich meinen, daß ich diese Sünde durch einen einzigen
Reueakt tilgte.
A.: nondum considerasti
quanti ponderis sit peccatum
A.: Du hast noch nicht erwogen,
von welcher Schwere die Sünde ist.
B.: nunc ostende mihi
B.: Jetzt zeige es mir.
A.: si videres te in conspectu Dei et
aliquis tibi diceret:
'aspice illuc' et
Deus econtra: 'nullatenus volo ut aspicias':
quaere tu ipse in corde tuo quid sit in omnibus
quae sunt
pro quo contra voluntatem Dei deberes illum aspectum
facere
A.: Wenn du dich im Angesichte Gottes sähest und jemand sagte
zu dir:
«blicke dorthin», und Gott dagegen: «keineswegs will
ich, daß du hinschaust»:
frage du selber in deinem Herzen, was es unter allem, was da ist, gibt,
wofür du gegen den Willen Gottes jenen Blick tun dürftest.
B.: nihil invenio propter quod hoc debeam
nisi forte sim in ea necessitate positus
ut sit necesse me aut hoc aut maius facere peccatum
B.: Ich finde nichts, um dessentwillen ich dies dürfte,
es sei denn, ich sei in solch eine Notwendigkeit versetzt,
daß es notwendig sei, daß ich diese oder eine größere
Sünde begehe.
A.: remove hanc necessitatem et de solo hoc peccato
considera
si possis illud facere pro te ipso redimendo
A.: Entferne diese Notwendigkeit und erwäge nur von dieser Sünde,
ob du jenes tun kannst, um dich selber zu erlösen.
B.: aperte video quia non possum
B.: Klar sehe ich, daß ich es nicht tun kann.
A.: ne te diutius protraham:
quid si necesse esset aut totum mundum et quidquid
Deus non est perire et in nihilum redigi
aut te facere tam parvam rem contra voluntatem
Dei?
A.: Um dich nicht länger hinzuhalten:
was dann, wenn es notwendig wäre,
daß entweder die ganze Welt und alles, was nicht Gott ist, zugrunde
gehe und ins Nichts zurückgeführt werde,
oder daß du eine so kleine Sache gegen den Willen Gottes tätest?
B.: cum considero actionem ipsam
levissimum quiddam video esse
sed cum intueor quid sit contra voluntatem Dei
gravissimum quiddam et nulli damno comparabile
intelligo
B.: Wenn ich die Handlung selber erwäge,
sehe ich, daß sie etwas ganz Geringfügiges ist;
betrachte ich aber, was das heißt: gegen den Willen Gottes,
so erkenne ich, daß es etwas sehr Schweres und mit keinem Schaden
Vergleichbares ist.
sed solemus aliquando facere contra voluntatem
alicuius non reprehensibiliter
ut res eius serventur
quod postea illi placet contra cuius voluntatem
facimus
Jedoch pflegen wir manchmal ohne Tadel etwas gegen jemandes Willen
zu tun,
um sein Eigentum zu retten,
was nachher dem recht ist, gegen dessen Willen wir es tun.
A.: hoc fit homini qui aliquando non intelligit
quid sibi sit utile
aut non potest quod perdit restaurare
sed Deus nullo indiget
et omnia si perirent
posset sicut ea
fecit restituere
A.: Das geschieht dem Menschen, der manchmal nicht erkennt, was ihm
von Nutzen ist,
oder nicht wiederherstellen kann, was er verliert;
Gott aber braucht niemanden,
und wenn alles zugrundeginge,
könnte er es, so wie er es geschaffen, wieder herstellen.
B.: fateri me necesse est
quia pro conservanda tota creatura nihil deberem
facere contra voluntatem Dei
B.: Notgedrungen gestehe ich,
daß ich um der Erhaltung der ganzen Kreatur willen nichts gegen
den Willen Gottes tun dürfte.
A.: quid si plures essent mundi pleni creaturis
sicut iste est?
A.: Was dann, wenn es mehrere Welten voller Kreaturen gäbe,
wie es diese ist?
B.: si infinito numero multiplicarentur et similiter
mihi obtenderentur
id ipsum responderem
B.: Wenn sie in unendlicher Zahl vermehrt würden und sie mir in
ähnlicher Weise vorgeführt würden,
würde ich dasselbe antworten.
A.: nihil rectius potes
A.: Du kannst nichts Richtigeres sagen.
sed considera etiam
si contingeret ut
contra voluntatem Dei illum aspectum faceres
quid posses pro hoc peccato solvere
Aber erwäge noch,
wenn es geschähe, daß du gegen den Willen Gottes jenen Blick
tätest:
was könntest du für diese Sünde erstatten?
B.: non habeo aliquid maius quam quod supra dixi
B.: Ich habe nichts Größeres, als was ich oben angeführt.
A.: sic graviter peccamus
quotienscumque scienter aliquid quamlibet parvum
contra voluntatem Dei facimus
quoniam semper sumus in conspectu eius
et semper ipse praecipit nobis ne peccemus
A.: So schwer sündigen wir,
sooft wir wissentlich etwas noch so Geringfügiges gegen den Willen
Gottes tun,
denn stets stehen wir vor seinem Angesichte
und stets befiehlt er uns, nicht zu sündigen.
B.: ut audio
nimis periculose vivimus
B.: Wie ich vernehme,
leben wir allzu gefahrvoll.
A.: patet quia secundum quantitatem peccati exigit
Deus satisfactionem
A.: Es ist klar, daß Gott die Genugtuung nach der Größe
der Sünde fordert.
B.: non possum negare
B.: Das kann ich nicht leugnen.
A.: non ergo satisfacis
si non reddis aliquid maius
quam sit id pro quo peccatum facere non debueras
A.: Du tust folglich nicht genug,
wenn du nicht etwas Größeres wiedererstattest,
als das ist, um dessentwillen du die Sünde nicht hattest begehen
dürfen.
B.: et rationem video sic exigere
et omnino esse impossibile
B.: Ich sehe ein, daß es sowohl die Vernunft so verlangt,
als auch, daß es ganz unmöglich ist.
A.: nec Deus ullum obligatum aliquatenus debito
peccati assumere potest ad beatitudinem
quia non debet
A.: Und Gott kann keinen, der irgendwie der Schuld der Sünde verpflichtet
ist, in die Seligkeit aufnehmen,
weil er es nicht darf.
B.: nimis est gravis haec sententia
B.: Allzu hart ist dieser Satz.
capitulum xxii
quam contumeliam fecit homo Deo cum
se permisit vinci a diabolo
pro qua satisfacere non potest
22. Kapilel
Welche Schmach der Mensch Gott antat, als er sich vom Teufel überwinden
ließ,
wofür er doch keine Genugtuung leisten kann.
A.: audi adhuc aliud
cur non minus sit difficile hominem reconciliari
Deo
A.: Vernimrn noch etwas anderes,
warum es nicht weniger schwierig ist, daß der Mensch mit Gott
wiederversöhnt werde.
B.: nisi fides me consolaretur
hoc solum me cogeret desperare
B.: Wenn der Glaube mich nicht tröstete,
zwänge mich das allein zu verzweifeln.
A.: audi tamen
A.: Höre dennoch!
B.: dic
B.: Sprich!
A.: homo in paradiso sine peccato factus quasi
positus est pro Deo inter Deum et diabolum
ut vinceret diabolum non consentiendo suadenti
peccatum
ad excusationem et honorem Dei et ad confusionem
diaboli
cum ille infirmior in terra non peccaret eodem
diabolo suadente
qui fortior peccavit in caelo nullo suadente
A.: Der Mensch, im Paradies ohne Sünde erschaffen, wurde für
Gott gleichsam zwischen Gott und Teufel gestellt,
daß er den ihn zur Sünde verleitenden Teufel, indem er nicht
zustimmte, überwände;
und zwar zur Rechtfertigung und Verherrlichung Gottes und zur Beschämung
des Teufels,
da jener, der Schwächere, auf Erden nicht sündigte, obwohl
ihn eben dieser Teufel überredete,
der, obgleich stärker und von niemandem verleitet, im Himmel sündigte.
et cum hoc facile posset efficere
nulla vi coactus sola se suasione sponte vinci
permisit
ad voluntatem diaboli et contra voluntatem et
honorem Dei
Und obwohl er das leicht hätte ausführen können,
ließ er sich, durch keine Gewalt genötigt, nur auf Zureden
hin, freiwillig überwinden,
nach dem Willen des Teufels und entgegen dem Willen und der Ehre Gottes.
B.: ad quid vis tendere?
B.: Auf was willst du hinaus?
A.: iudica tu ipse si
non est contra honorem Dei
ut homo reconcilietur illi cum calumnia huius
contumeliae Deo irrogatae
nisi prius honoraverit Deum vincendo diabolum
sicut illum inhonoravit victus a diabolo
A.: Urteile du selber, ob es nicht gegen die Ehre Gottes ist,
wenn der Mensch samt der Schande dieser Gott zugefügten Schmach
mit ihm versöhnt würde,
außer er würde vorher durch Besiegung des Teufels Gott ehren,
wie er ihn verunehrte, indem er sich vom Teufel überwinden ließ.
victoria vero talis debet esse
ut sicut fortis ac potestate immortalis consensit
facile diabolo ut peccaret
unde iuste incurrit poenam mortalitatis
ita infirmus et mortalis qualem
ipse se fecit
per mortis difficultatem vincat diabolum
ut nullo modo peccet
Der Sieg muß aber von der Art sein:
wie der Starke und seinem Vermögen nach Unsterbliche dem Teufel
leicht zugestimmt, so daß er sündigte,
weshalb er gerechterweise in die Strafe der Sterblichkeit hineinlief,
so soll der Schwache und Sterbliche, zu dem er sich selber gemacht
hat,
durch die Beschwerde des Todes den Teufel besiegen,
so daß er in keiner Weise sündigt.
quod facere non potest
quamdiu ex vulnere primi peccati concipitur et
nascitur in peccato (cf ps 50,7)
Das vermag er nicht zu leisten,
solange er wegen der Wunde der ersten Sünde in Sünde empfangen
und geboren wird.
B.: iterum dico quia et ratio probat quod dicis
et impossibile est
B.: Wiederum sage ich, daß es sowohl die Vernunft beweist, was
du sagst,
als auch, daß es unmöglich ist.
capitulum xxiii
quid abstulit Deo cum peccavit quod
reddere nequit
23. Kapitel
Was er Gott nahm, als er sündigte, was er doch nicht wiedererstatten
kann.
A.: adhuc accipe unum sine quo iuste non reconciliatur
homo
nec minus impossibile
A.: Vernimm noch eines, ohne das der Mensch gerechterweise nicht versöhnt
wird,
und das nicht weniger unmöglich ist.
B.: tot iam proposuisti nobis quae facere debemus
ut quidquid superaddas non me magis terrere possit
B.: So vieles schon hast du vorgebracht, was wir zu tun haben,
daß alles, was du noch hinzufügst, mich nicht nch stärker
erschrecken kann.
A.: audi tamen
A.: Höre dennoch!
B.: audio
B.: Ich höre.
A.: quid abstulit homo Deo
cum vinci se permisit a diabolo?
A.: Was hat der Mensch Gott genommen,
als er sich vom Teufel überwinden ließ?
B.: dic tu ut incepisti
quia ego nescio quid super haec mala quae ostendisti
potuit addere
B.: Sprich du, wie du angefangen hast,
denn ich weiß nicht, was er zu den Übeln, die du aufzeigtest,
hätte noch hinzufügen können.
A.: nonne abstulit Deo
quidquid de humana natura facere proposuerat
?
A.: Nahm er Gott nicht alles,
was er mit der menschlichen Natur zu tun vorgenommen hatte?
B.: non potest negari
B.: Das kann man nicht leugnen.
A.: intende in districtam iustitiam et
iudica secundum illam
utrum ad aequalitatem peccati homo satisfaciat
Deo
nisi id ipsum quod permittendo se vinci a diabolo
Deo abstulit
diabolum vincendo restituat
ut quemadmodum per hoc quod victus est
rapuit diabolus quod Dei erat et Deus perdidit
ita per hoc quod vincat perdat
diabolus et Deus recuperet
A.: Achte auf die strenge Gerechtigkeit und urteile ihr gemäß,
ob der Mensch bis zur Gleichheit mit der Sünde Gott Genugtuung
leistet,
wenn er nicht dasselbe, was er Gott nahm, als er sich vom Teufel besiegen
ließ,
indem er den Teufel besiegt, zurückerstattet,
damit, wie dadurch, daß er besiegt wurde, der Teufel raubte,
was Gott gehörte, und Gott verlor,
so dadurch, daß er siege, der Teufel verlöre und Gott zurückgewönne?
B.: nec districtius nec iustius potest aliquid
cogitari
B.: Man kann weder etwas Strengeres noch Gerechteres denken.
A.: putasne summam iustitiam hanc iustitiam posse
violare?
A.: Glaubst du, daß die höchste Gerechtigkeit diese Gerechtigkeit
verletzen kann?
B.: non audeo cogitare
B.: Ich wage es nicht zu denken.
A.: nullatenus ergo debet aut potest accipere
homo a Deo
quod Deus illi dare proposuit
si non reddit Deo totum quod illi abstulit
ut sicut per illum Deus perdidit ita
per illum recuperet
A.: Folglich darf oder kann der Mensch keinesfalls von Gott erhalten,
was Goft ihm zu geben vorhatte,
wenn er Gott nicht das Ganze, das er ihm weggenommen hat, wiedergibt,
damit Gott, wie er durch ihn verlor, so durch ihn zurückgewönne.
quod non aliter fieri valet nisi ut
quemadmodum per victum tota humana natura corrupta
et quasi fermentata est peccato
cum quo nullum Deus assumit ad perficiendam illam
civitatem caelestem
ita per vincentem iustificentur a peccato tot
homines
quot illum numerum completuri erant ad
quem complendum factus est homo
Das kann aber nicht anders geschehen, außer daß,
wie durch den Besiegten die ganze menschliche Natur verdorben
und gleichsam mit der Sünde fermentiert wurde,
mit der Gott keinen zur Vollendung jener himmlischen Stadt annimmt,
so durch den Sieger so viele Menschen von der Sünde gerechtfertigt
werden,
als jene Zahl erfüllen sollten, zu deren Erfüllung der Mensch
geschaffen wurde.
sed hoc facere nullatenus potest peccator homo
quia peccator peccatorem iustificare nequit
Das aber kann niemals der sündige Mensch,
weil ein Sünder einen Sünder nicht rechtfertigen kann.
B.: et nihil iustius et nihil impossibilius
B.: Nichts ist sowohl gerechter als auch unmöglicher.
sed ex his omnibus videtur misericordia Dei et
spes hominis perire
quantum ad beatitudinem spectat
ad quam factus est homo
Aber nach all dem scheint die Barmherzigkeit Gottes und die Hoffnung
des Menschen zugrunde zu gehen,
soweit es die Seligkeit betrifft,
zu der der Mensch geschaffen wurde.
capitulum xxiv
quod quamdiu non reddit Deo quod debet
non possit esse beatus
nec excusetur impotentia
24. Kapitel
Daß er, solange er Gott nicht zurückerstattet, was er schuldig
ist, nicht selig sein kann
und daß er nicht durch seine Ohnmacht entschuldigt ist.
A.: expecta adhuc parum
A.: Warte noch ein wenig!
B.: quid habes amplius?
B.: Was hast du weiteres?
A.: si homo dicitur iniustus qui
homini non reddit quod debet:
multo magis iniustus est qui
Deo quod debet non reddit
A.: Wenn der Mensch ungerecht heißt, der dem Menschen nicht zurückgibt,
was er schuldig ist,
so ist noch mehr ungerecht, wer Gott nicht zurückgibt, was er
schuldig ist.
B.: si potest et non reddit
vere iniustus est
B.: Wenn er dazu imstande ist und es nicht zurückgibt,
ist er wirklich ungerecht.
si vero non potest:
quomodo iniustus est?
Wenn er es aber nicht kann:
wieso ist er dann ungerecht?
A.: forsitan si nulla est in illo causa impotentiae
aliquatenus excusari potest
A.: Vielleicht, wenn bei ihm keinerlei Ursache für sein Unvermögen
vorliegt,
kann er in etwa entschuldigt werden.
sed si in ipsa impotentia culpa est:
sicut non levigat peccatum
ita non excusat non reddentem debitum
Wenn aber in dem Unvermögen selber die Schuld liegt:
wie es die Sünde nicht mildert,
so entschuldigt das auch den nicht, der die Schuld nicht einlöst.
nam si quis iniungat opus aliquod servo suo
et praecipiat illi
ne se deiciat in foveam quam illi monstrat
unde nullatenus exire possit
et servus ille contemnens mandatum et monitionem
domini sui
sponte se in monstratam mittat foveam
ut nullatenus possit opus iniunctum efficere:
putasne illi aliquatenus impotentiam istam ad
excusationem valere
cur opus iniunctum non faciat?
Denn wenn jemand einem Knecht eine Arbeit auferlegt und ihm befiehlt,
sich nicht in die Grube, die er ihm zeigt und aus der er keineswegs
mehr herauskommen kann, zu stürzen,
und dieser Knecht unter Mißachtung des Befehls und der Warnung
seines Herrn
sich freiwillig in die bezeichnete Grube stürzt,
sodaß er die auferlegte Arbeit in keiner Weise ausführen
kann:
glaubst du, dieses Unvermögen diene ihm auch nur ein wenig zur
Entschuldigung dafür,
daß er die auferlegte Arbeit nicht ausführt?
B.: nullo modo
sed potius ad augmentum culpae
quoniam ipse impotentiam illam sibi fecit
B.: Keineswegs,
sondern eher zur Vermehrung der Schuld,
weil er selber sich dieses Unvermögen geschaffen hat.
dupliciter namque peccavit
quia et quod iussus est facere non fecit
et quod praeceptum est ne faceret fecit
Denn auf doppelte Art hat er gesündigt,
weil er sowohl, was ihm zu tun aufgetragen wurde, nicht tat,
als auch tat, was nicht zu tun ihm befohlen wurde.
A.: ita homo
qui se sponte obligavit illo debito quod solvere
non potest
et sua culpa deiecit se in hanc impotentiam
ut nec illud possit solvere quod debebat ante
peccatum id est ne peccaret
nec hoc quod debet quia
peccavit
inexcusabilis est
A.: So ist auch der Mensch, der sich aus freien Stücken jener
Schuld, die er nicht einlösen kann, verpflichtete
und durch seine Schuld sich in dieses Unvermögen stürzte,
so daß er weder das, was er vor der Sünde schuldete, nämlich
nicht zu sündigen, leisten kann,
noch das, was er schuldete, weil er gesündigt hat,
unentschuldbar.
ipsa namque impotentia culpa est
quia non debet eam habere
immo debet eam non habere
Das Unvermögen selber nämlich ist eine Schuld,
weil er es nicht haben darf,
vielmehr schuldig ist, es nicht zu haben.
nam sicut culpa est non habere quod habere debet
ita culpa est habere quod debet non habere
Denn wie es eine Schuld ist nicht zu haben, was er haben muß,
so ist es Schuld zu haben, was er nicht zu haben schuldig ist.
sicut igitur culpa est homini non habere potestatem
illam
quam accepit ut posset cavere peccatum
sic culpa est illi habere impotentiam
qua nec iustitiam tenere et peccatum cavere
nec quod pro peccato debet reddere potest
Wie es also dem Menschen eine Schuld ist, jenes Vermögen nicht
zu haben,
welches er empfing, damit er die Sünde meiden könne,
so ist es ihm eine Schuld, das Unvermögen zu haben,
durch das er weder die Gerechtigkeit bewahren und die Sünde meiden
kann
noch erstatten, was er für die Sünde schuldig ist.
sponte namque fecit
unde perdidit illam potestatem et devenit in
hanc impotentiam
Denn freiwillig tat er,
wodurch er jenes Vermögen verlor und in dieses Unvermögen
geriet.
idem enim est non habere potestatem quam debet
habere
et habere impotentiam quam debet non habere
Dasselbe nämlich ist es, das Vermögen, das er haben muß,
nicht zu haben,
und das Unvermögen zu besitzen, das nicht zu haben er schuldig
ist.
quapropter impotentia reddendi Deo quod debet
quae facit ut non reddat
non excusat hominem si
non reddit
quoniam effectum peccati non excusat peccatum
quod facit
Deshalb entschuldigt das Unvermögen, Gott zu erstatten, was er
schuldig ist,
das bewirkt, daß er nicht wiedererstattet,
den Menschen nicht, wenn er nicht wiedererstattet;
denn die Wirkung der Sünde entschuldigt nicht die Sünde,
die er begeht.
B.: et grave nimis est
et ita esse necesse est
B.: Es ist einerseits allzu hart
und andererseits ist es notwendig so.
A.: iniustus ergo est homo
qui non reddit Deo quod debet
A.: Ungerecht folglich ist der Mensch,
der Gott nicht erstattet, was er schuldig ist.
B.: nimis est verum
nam iniustus est quia
non reddit
et iniustus est quia
reddere nequit
B.: Allzu wahr ist es.
Denn ungerecht ist er, weil er nicht wiedererstattet,
und ungerecht, weil er nicht wiedererstatten kann.
A.: nullus autem iniustus admittetur ad beatitudinem
quoniam quemadmodum beatitudo est sufficientia
in qua nulla est indigentia
sic nulli convertit
nisi in quo ita pura est iustitia
ut nulla in eo sit iniustitia
A.: Kein Ungerechter aber wird zur Seligkeit zugelassen werden;
denn wie die Seligkeit Genüge ist, in dem es keinen Mangel gibt,
so wendet sie sich niemandem zu,
es sei denn, die Gerechtigkeit ist in ihm so rein vorhanden,
daß in ihm keine Ungerechtigkeit ist.
B.: non audeo aliter credere
B.: Ich wage nicht anders zu glauben.
A.: qui ergo non solvit Deo quod debet
non poterit esse beatus
A.: Wer folglich Gott nicht zahlt, was er schuldig ist,
wird nicht selig sein können.
B.: nec hoc consequi negare possum
B.: Auch diese Folgerung kann ich nicht leugnen
A.: quod si vis dicere:
misericors Deus dimittit supplicanti quod debet
idcirco quia reddere nequit:
non potest dici dimittere
nisi aut hoc quod homo sponte reddere debet nec
potest
id est quod recompensari possit peccato
quod fieri non deberet pro conservatione omnis
rei quae Deus non est
aut hoc quod puniendo ablaturus erat invito
sicut supra dixi
id est beatitudinem
A.: Wenn du sagen willst:
der barmherzige Gott erläßt dem Bittenden, was er schuldig
ist, deshalb,
weil er es nicht zurückgeben kann:
so kann man nicht sagen, er erlasse etwas,
es sei denn, entweder das, was der Mensch freiwillig leisten muß
und nicht kann,
das heißt, was er für die Sünde aufwiegen könnte,
die nicht begangen werden dürfte um der Erhaltung jedes Dinges
willen, das nicht Gott ist;
oder das, was er ihm aus Strafe gegen seinen Willen wegnehmen wollte,
wie ich oben gesagt habe,
nämlich die Seligkeit.
sed si dimittit quod sponte reddere debet homo
ideo quia reddere non potest
quid est aliud quam: dimittit
Deus quod habere non potest?
Aber wenn er das, was der Mensch freiwillig leisten muß, deshalb
erläßt,
weil er es nicht leisten kann:
was ist das anders als: Gott erläßt, was er nicht haben
kann?
sed derisio est
ut talis misericordia Deo attribuatur
Es wäre aber eine Verhöhnung,
wollte man Gott eine solche Barmherzigkeit zuschreiben.
at si dimittit quod invito erat ablaturus
propter impotentiam reddendi quod sponte reddere
debet:
relaxat Deus poenam et facit beatum hominem propter
peccatum
quia habet quod debet non habere
Wenn er aber das, das er ihm gegen seinen Willen wegnehmen wollte,
erläßt wegen seines Unvermögens zu erstatten, was er
freiwillig erstatten muß:
so erläßt Gott die Strafe und macht den Menschen selig wegen
der Sünde,
weil er hat, was er schuldig ist, nicht zu haben.
nam ipsam impotentiam debet non habere
et idcirco quamdiu
illam habet sine satisfactione peccatum est
illi
Denn das Unvermögen selber schuldet er nicht zu haben,
und deshalb wird es ihm, solange er es ohne Genugtuung hat, zur Sünde.
verum huiusmodi misericordia Dei nimis est contraria
iustitiae illius
quae non nisi poenam permittit reddi propter
peccatum
Jedoch eine derartige Barmherzigkeit Gottes ist allzu entgegengesetzt
seiner Gerechtigkeit,
welche nur zuläßt, daß wegen der Sünde Buße
gezahlt wird.
quapropter quemadmodum Deum sibi esse contrarium
ita hoc modo illum esse misericordem impossibile
est
Wie es daher unmöglich ist, daß Gott sich selber entgegen
ist,
so auch, daß er auf diese Weise barmherzig ist.
B.: aliam misericordiam Dei video esse quaerendam
quam istam
B.: Ich sehe, daß man eine andere Barmherzigkeit Gottes als diese
suchen muß.
A.: verum esto:
dimittit Deus ei qui
non solvit quod debet
idcirco quoniam
non potest
A.: Es sei als wahr angenommen:
Gott erläßt es dem, der nicht einlöst, was er schuldig
ist,
deshalb, weil er es nicht kann.
B.: ita vellem
B.: So wünschte ich es.
A.: at quamdiu non reddet
aut volet reddere aut non volet
A.: Aber solange er es nicht erstatten wird,
wird er es erstatten wollen oder nicht wollen.
sed si volet quod non poterit
indigens erit
Wenn er aber wollen wird, was er nicht können wird,
wird er bedürftig sein.
si vero non volet
iniustus erit
Wenn er es aber nicht wollen wird,
wird er ungerecht sein.
B.: hoc nihil clarius
B.: Nichts einleuchtender als das.
A.: sive autem indigens sive iniustus sit
beatus non erit
A.: Sei er aber bedürftig oder sei er ungerecht:
selig wird er nicht sein.
A.: quamdiu ergo non reddet
beatus esse non poterit
A.: Solange er also nicht wiedererstatten wird,
wird er nicht selig sein können.
B.: et hoc apertum
B.: Auch das ist klar.
B.: si rationem sequitur Deus iustitiae
non est qua evadat miser homuncio
et misericordia Dei perire videtur
B.: Wenn Gott der Regel der Gerechtigkeit folgt,
so ist kein Weg, auf dem das arme Menschlein entweichen kann,
und die Barmherzigkeit Gottes scheint zugrunde zu gehen.
A.: rationem postulasti
rationem accipe
A.: Einen Grund hast du gefordert,
nimm denn den Grund an!
misericordem Deum esse non nego
qui homines et iumenta salvat
quemadmodum multiplicavit misericordiam suam
(ps 35,7 s)
Daß Gott barmherzig ist, leugne ich nicht,
der «Mensch und Tier» errettet,
«wie er seine Barmherzigkeit» vervielfältigt hat.
nos autem loquimur de illa ultima misericordia
qua post hanc vitam beatum facit hominem
Wir aber sprechen von jener letzten Barmherzigkeit,
durch die er nach diesem Leben den Menschen selig macht.
hanc beatitudinem nulli dari debere
nisi illi cui penitus
dimissa sunt peccata
nec hanc dimissionem fieri nisi debito reddito
quod debetur pro peccato secundum magnitudinem
peccati
supra positis rationibus puto me sufficienter
ostendisse
Daß diese Seligkeit niemandem gegeben werden darf,
es sei denn, dem die Sünden vollständig erlassen sind,
und daß dieser Nachlaß nicht erfolgen darf, es sei denn:
die Schuld ist bezahlt,
die für die Sünde gemäß der Größe der
Sünde geschuldet wird:
das glaube ich mit den oben dargelegten Gründen zur Genüge
gezeigt zu haben.
quibus si quid tibi videtur posse rationibus
obici
dicere debes
Wenn du meinst, es könnte diesen Gründen etwas entgegengehalten
werden,
mußt du es sagen.
B.: ego utique nullam tuarum rationum aliquatenus
infirmari posse video
B.: Ich sehe allerdings, daß keiner deiner Gründe irgendwie
entkräftet werden kann.
A.: neque ego si
bene considerentur existimo
A.: Noch glaube ich es, wenn sie gut überdacht werden.
verumtamen si vel
una de omnibus quas posui
inexpugnabili veritate roboratur
sufficere debet
Wenn jedoch auch nur einer von all denen, die ich vorgebracht habe,
durch die unwiderlegliche Wahrheit bekräftigt wird,
muß es genügen.
sive namque uno
sive pluribus argumentis veritas inexpugnabiliter
monstretur
aequaliter ab omni dubitatione defenditur
Denn sei es, daß die Wahrheit durch einen,
sei es, daß sie durch mehrere Beweise unwiderleglich bewiesen
wird,
wird sie gleicher Weise gegen jeden Zweifel geschützt.
B.: ecce ita est
B.: Siehe, so ist es.
capitulum xxv
quod ex necessitate per Christum salvetur homo
25. Kapitel
Daß notwendigerweise durch Christus der Mensch gerettet wird.
quomodo ergo salvus erit homo
si ipse nec solvit quod debet
nec salvari si non
solvit debet?
Wie wird folglich der Mensch gerettet werden,
wenn er weder selbst einlöst, was er schuldig ist,
noch gerettet werden darf, wenn er nicht einlöst?
aut qua fronte asseremus
Deum in misericordia divitem (cf eph
2,4) supra intellectum humanum
hanc misericordiam facere non posse?
Oder mit welcher Kühnheit werden wir behaupten,
Gott, der an Barmherzigkeit reich ist über alles menschliche Begreifen
hinaus,
könne diese Barmherzigkeit nicht anwenden?
A.: hoc debes ab illis nunc exigere
qui Christum non esse credunt necessarium ad
illam salutem hominis
quorum vice loqueris
ut dicant qualiter homo salvari possit sine Christo
A.: Das mußt du jetzt von denen verlangen,
die nicht glauben, daß Christus zu diesem Heil des Menschen notwendig
sei
und an deren Stelle du sprichst,
daß sie erklären: wie der Mensch ohne Christus gerettet
werden könne.
quod si non possunt ullo modo
desinant nos irridere et
accedant et iungant se nobis
qui non dubitamus hominem per Christum posse
salvari
aut desperent hoc ullo modo fieri posse
Wenn sie es auf keine Weise können,
mögen sie aufhören, uns zu verspotten, und herbeikommen und
sich mit uns vereinigen,
die wir nicht zweifeln, daß der Mensch durch Christus gerettet
werden kann;
oder sie mögen daran verzweifeln, daß dies überhaupt
möglich ist.
quod si horrent
credant nobiscum in Christum ut
possint salvari
Wenn sie davor zurückschrecken,
mögen sie mit uns an Christus glauben, um gerettet zu werden.
B.: a te quaeram sicut
incepi
ut ostendas mihi qua ratione salvetur homo per
Christum
B.: Von dir will ich erfragen, wie ich begonnen habe,
daß du mir zeigst, auf welche Weise der Mensch durch Christus
gerettet wird.
A.: nonne sufficienter probatur
per Christum hominem posse salvari
cum etiam infideles non negent hominem ullo modo
fieri posse beatum
et satis ostensum sit quia
si ponimus Christum non esse
nullo modo potest inveniri salus hominis ?
A.: Wird nicht genügend bewiesen,
daß der Mensch durch Christus gerettet werden kann,
da auch die Ungläubigen nicht leugnen, daß der Mensch irgendwie
selig werden kann,
und zur Genüge aufgezeigt wurde, daß,
wenn wir annehmen, Christus sei nie gewesen,
die Rettung des Menschen auf keine Weise gefunden werden kann?
aut enim per Christum
aut alio aliquo
aut nullo modo poterit homo salvus esse
Denn entweder durch Christus,
oder auf irgendeine andere Weise,
oder überhaupt nicht wird der Mensch gerettet werden können.
quapropter si falsum est quia nullo aut alio
aliquo modo potest hoc esse
necesse est fieri per Christum
Wenn es demnach falsch ist, daß dies auf keine oder auf andere
Weise möglich ist,
dann ist es notwendig, daß es durch Christus geschieht.
B.: si quis videns rationem quia
alio modo non potest esse
et non intelligens qua ratione per Christum esse
valeat
asserere velit quia nec per Christum nec ullo
modo queat hoc esse:
quid huic respondebimus ?
B.: Wenn jemand, der den Grund einsieht, daß es nicht anders
sein kann,
und nicht versteht, inwiefern es durch Christus zu sein vermag,
behaupten wollte, daß es weder durch Christus noch auf andere
Weise sein könne:
was werden wir diesem antworten?
A.: quid respondendum est illi
qui idcirco astruit esse impossibile quod necesse
est esse
quia nescit quomodo sit?
A.: Was ist dem zu antworten,
der deshalb behauptet, das, was notwendig ist, sei unmöglich,
weil er nicht weiß, wie es ist?
B.: quia insipiens est
B.: Daß er unweise ist.
A.: ergo contemnendum est quod dicit
A.: Folglich ist unbeachtet zu lassen, was er sagt.
B.: verum est
B.: Das ist wahr.
sed hoc ipsum est illi ostendendum
qua ratione sit quod putat impossibile
Aber eben das ist ihm zu zeigen,
aus welchem Grunde das, was er glaubt, unmöglich ist.
A.: an non intelligis ex iis quae supra diximus
quia necesse est aliquos homines ad beatitudinem
pervenire?
A.: Siehst du, nach dem, was wir oben darlegten, nicht ein,
daß es notwendig ist, daß einige Menschen zur Seligkeit
gelangen?
nam si Deo inconveniens est
hominem cum aliqua macula perducere ad hoc
ad quod illum sine omni macula fecit
ne aut boni incepti paenitere aut propositum
implere non posse videatur:
multo magis propter eandem inconvenientiam impossibile
est
nullum hominem ad hoc provehi ad quod factus
est
Denn wenn es Gott unangemessen ist,
den Menschen mit einem Makel zu dem zu führen,
zu dem er ihn ohne Makel erschuf,
damit es nicht so aussähe, als bereue er das begonnene Gute oder
könne sein Vorhaben nicht ausführen:
so ist es wegen derselben Unangemessenheit um vieles mehr unmöglich,
daß kein Mensch zu dem erhoben werde, zu dem er geschaffen wurde.
quapropter aut extra fidem Christianam invenienda
est peccati satisfactio
qualem supra esse debere ostendimus quod ratio
nulla potest ostendere
aut indubitanter in illa esse credenda est
Deshalb muß man entweder außerhalb des christlichen Glaubens
die Genugtuung für die Sünde suchen,
deren Notwendigkeit oben gezeigt wurde, was keine Vernunftüberlegung
erweisen kann,
oder man muß unbezweifelt glauben, daß sie in ihm sei.
quod enim necessaria ratione veraciter esse colligitur
id in nullam deduci debet dubitationem
etiam si ratio quomodo sit non percipitur
Denn was durch einen notwendigen Grund als wahr erschlossen wird,
das darf man nicht in Zweifel ziehen,
auch wenn man den Grund, warum es ist, nicht erkennt.
B.: verum est quod dicis
B.: Es ist wahr, was du sagst.
A.: quid ergo quaeris amplius?
A.: Was suchst du folglich weiteres?
B.: non ad hoc veni ut auferas mihi fidei dubitationem
sed ut ostendas mihi certitudinis meae rationem
B.: Nicht dazu bin ich gekommen, daß du mir einen Glaubenszweifel
nimmst,
sondern daß du mir den Grund meiner Gewißheit aufzeigest.
quapropter sicut me rationabiliter deduxisti
ad hoc ut videam
peccatorem hominem hoc debere Deo pro peccato
quod et reddere nequit
et nisi reddiderit salvari non valet:
ita me volo perducas illuc ut
rationabili necessitate intelligam
esse oportere omnia illa quae
nobis fides catholica de Christo credere praecipit
si salvari volumus et
quomodo valeant ad salutem hominis
et qualiter Deus misericordia salvet hominem
cum peccatum non dimittat illi nisi
reddiderit quod propter illud debet
Wie du mich daher auf dem Vernunftwege dazu geführt hast einzusehen,
wie der Mensch Gott für die Sünde schuldig ist, was er einerseits
nicht einlösen kann,
und wie er andererseits, wenn er es nicht einlöst, nicht gerettet
werden kann:
so möchte ich, daß du mich dazu führst, mit begründeter
Notwendigkeit zu erkennen,
daß all das sein muß, was uns der katholische Glaube von
Christus zu glauben befiehlt,
wenn wir gerettet werden wollen, und wie das zum Heile des Menschen
verhilft,
und wie Gott den Menschen aus Barmherzigkeit rettet,
obwohl er ihm die Sünde nur erläßt, wenn er eingelöst
hat, was er ihretwegen schuldig ist.
et ut certiores sint argumentationes tuae
sic a longe incipe ut
eas super firmum fundamentum constituas
Und damit deine Beweise stichhaltiger seien,
so hole so weit aus, daß du sie auf einen festen Grund stellst.
A.: adiuvet me nunc Deus
quia tu nullatenus mihi parcis nec consideras
imbecillitatem scientiae meae
cui tam magnum opus iniungis
A.: Es helfe mir nun Gott,
weil du mich keineswegs schonst noch die Schwachheit meines Wissens
in Betracht ziehst,
dem du eine so große Arbeit aufhalst.
tentabo tamen
quandoquidem incepi
non in me sed in Deo confidens
et faciam quod ipso adiuvante potero
Ich will es jedoch versuchen,
da ich nun einmal angefangen habe,
mcht im Vertrauen auf mich, sondern auf Gott,
und tun, was ich mit seiner Hilfe kann.
sed ne fastidium haec volenti legere nimis longa
continuatione generetur
a dictis dicenda alio exordio distinguamus
Damit aber kein Überdruß in dem, der dieses liest, wegen
der allzu langen Fortsetzung entstehe,
wollen wir von dem Gesagten das zu Sagende durch einen anderen Beginn
trennen.