»jâ
jâ« sprach aber diu schoene dô
»ist disen maeren danne sô,
disen valsch und dise trügeheit 10125
hât mir mîn herze wol geseit.
wie wol ich wiste al dise vart,
sît ich in merkende wart,
sît ich an ime lîp unde gebar
und sîn dinc allez alsô gar 10130
besunder in mîn herze las,
daz er gebürte ein hêrre was!
wer haete ouch diz getân wan er,
daz er von Curnewâle her
ze sinen tôtvînden vert 10135
und wir in zwirnt haben ernert!
ernert? er ist nû vil ungenesen.
diz swert daz muoz sîn ende wesen!
Nu île, rich dîn leit, Îsôt!
geht er von dem swerte tôt, 10140
dâ mite er dînen oeheim sluoc,
sô ist der râche genuoc!«
si nam daz swert ze handen,
si gienc über Tristanden,
dâ er in einem bade saz. 10145
»jâ« sprach si »Tristan, bistu daz?«
»nein vrouwe, ich bin'z Tantris.«
»sô bistu, des bin ich gewis,
Tantris unde Tristan.
die zwêne sint ein veiger man. 10150
daz mir Tristan hât getân,
daz muoz ûf Tantrîsen gan.
du giltest mînen oehein!«
»nein süeziu juncvrouwe, nein!
durch gotes willen, waz tuot ir? 10155
gedenket iuwers namen an mir.
ir sît ein vrouwe unde ein maget.
swâ man den mort von iu gesaget,
dâ ist diu wunneclîche Îsôt
iemer an den êren tôt. 10160
diu sunne, diu von Îrlant gât,
diu manic herze ervröuwet hat,
â, diu hât danne ein ende!
owê der liehten hende,
wie zimet daz swert dar inne?« 10165
Nu gie diu küniginne,
ir muoter, zuo den türen în:
»wie nû?« sprach sî »waz sol diz sîn?
tohter, waz tiutest dû hie mite?
sint diz schoene vrouwen site? 10170
hastu dînen sin verlorn?
weder ist diz schimpf oder zorn?
waz sol daz swert in dîner hant?«
ȉ vrouwc muoter, wis gemant
unser beider herzeswaere. 10175
diz ist der mordaere,
Tristan, der dînen bruoder sluoc.
nu habe wir guoter state genuoc,
daz wir uns an im rechen
und diz swert durch in stechen. 10180
ez enkumet uns beiden niemer baz.«
»ist diz Tristan? wie weistu daz?«
»ich weiz ez wol, ez ist Tristan.
diz swert ist sîn, nu sich ez an
und sich die scharten dar bî 10185
und merke danne, ob er'z sî.
ich sazte iezuo diz stuckelîn
ze dirre veigen scharten în.
owê, dô sach ich, daz ez schein
einbaerelîche und rehte als ein.« 10190
»â« sprach diu muoter zehant,
»Îsôt, wes hastu mich gemant?
daz ich mîn leben je gewan!
und ist diz danne Tristan,
wie bin ich dar an sô betrogen!« 10199
nu haete ouch Îsôt ûf gezogen
daz Swert und trat hin über in.
ir muoter kêrte zuo z'ir hin:
»lâ stân, Îsôt« sprach sî
»lâ stân!
weist iht, waz ich vertriuwet hân?« 10200
»ine ruoche, zwâre ez ist sîn tôt.«
Tristan sprach: »merzî, bêle Îsôt!«
»î übeler man«, sprach Îsôt »î,
unde vorderstû merzî?
merzî gehoeret niht ze dir. 10205
dîn leben daz lâzest dû mir!«
»Nein tohter« sprach diu muoter dô
»ez enstât nû leider niht alsô,
daz wir uns mügen gerechen,
wir enwellen danne brechen 10210
unser triuwe und unser êre.
engâhe niht ze sêre.
er ist in mîner huote
mit lîbe und mit guote.
ich hân in, swie'z dar zuo sî komen, 10215
genzlîche in mînen vride genomen.«
»genâde vrouwe« sprach Tristan,
»vrouwe, gedenket wol dar an,
daz ich iu guot unde leben
an iuwer êre han ergeben 10220
unde enpfienget mich also.«
»du liugest!« sprach diu junge dô
»ich weiz wol, wie diu rede ergie.
sine gelobete Tristande nie
weder vride noch huote 10225
an lîbe noch an guote.«
hie mite sô lief s'in aber an.
hie mite rief aber Tristan:
»â bêle Îsôt, merzî, merzî!«
ouch was diu muoter ie dâ bî,
diu durnehte künigîn.
er mohte sunder sorge sîn.
Ouch waere er zuo den stunden
in daz bat gebunden, 10235
und Îsôt eine dâ gewesen:
er waere doch vor ir genesen.
diu süeze, diu guote,
diu siure an wîbes muote
noch herzegallen nie gewan, 10240
wie solte diu geslahen man?
wan daz s'et von ir leide
und ouch von zorne beide
solhe gebaerde haete,
als ob si'z gerne taete,
und haete ouch lîhte getân,
möhte sî daz herze hân.
daz was ir aber tiure
ze sus getâner siure.
doch was ir herze nie sô guot,
sine haete zorn und unmuot,
wan sî den hôrte unde sach,
von dem ir leide geschach.
si hôrte ir vînt unde sahen
und mohte sîn doch niht geslahen.
diu süeze wîpheit lag ir an
unde zucte sî dâ van.
an ir striten harte
die zwô widerwarte,
die widerwarten conterfeit
zorn unde wîpheit,
diu übele bî ein ander zement,
swâ si sich ze handen nement.
sô zorn an Îsolde
den vînt slahen wolde,
sô gie diu süeze wîpheit zuo.
»nein« sprach si suoze »niene tuo!«
sus was ir herze in zwei gemuot,
ein herze was übel unde guot.
diu schoene warf daz swert dernider
und nam ez aber iesâ wider. 10270
sine wiste in ir muote
under übel und under guote,
ze wederem si solte:
si wolte unde enwolte;
si wolte tuon unde lân. 10275
sus lie der zwîvel umbe gân,
biz doch diu süeze wîpheit
an dem zorne sige gestreit,
sô daz der tôtvînt genas
und Môrolt ungerochen was. 10280
Hie mite warf sî daz swert von ir,
weinende sprach si: »ouwê mir,
daz ich ie disen tac gesach!«
diu wîse, ir muoter, zuo z'ir sprach:
»herzetohter mîne, 10285
die herzeswaere dîne,
die selben die sint leider mîn
baz unde harter danne dîn.
nach gotes genâden sî engânt dir
niht alse nâhen alse mir. 10290
mîn bruoder leider der ist tôt.
daz was biz her mîn meistiu nôt.
nu vürhte ich eine nôt von dir,
entriuwen tohter, diu gât mir
vil nâher danne jeniu tuo. 10295
mir wart nie niht sô liep sô duo.
ê daz mir iht an dir geschehe,
daz ich rehte ungerne sehe,
ich lâze ê gerne disen haz.
ich lîde sanfter unde baz 10300
eine swaere danne zwô.
mîn dinc daz stât mir iezuo sô
umbe den unsaeligen man,
der uns mit kampfe sprichet an.
wir ensehen genôte dar zuo, 10305
dîn vater, der künec, ich unde duo
wir haben iemer mêre
verloren unser êre
und enwerden niemet mêre vrô.« |
»Ja, ja«, sprach die Schöne da wieder,
»wenn diese Geschichte daher stammt,
dann hat diesen Falsch und diesen Betrug 10125
mein Herz mir richtig vorausgesagt.
Wie gut erkannte ich schon immer diese Tour,
seit ich auf ihn aufmerksam wurde
und seit ich seinen Leib und sein Gebahren
und seine Sache, all das so gar 10130
besonders in meinem Herzen durchmusterte,
daß er von Geburt ein adliger Herr war!
Wer außer ihm hätte wohl getan,
daß er von Cornwall her
zu seinen Todfeinden fuhr, 10135
und wir ihn zweimal gerettet haben!
Gerettet? Jetzt ist er in großer Gefahr.
Dieses Schwert, das muß sein Ende sein!
Nun eile, räche dein Leiden, Isolde!
Wenn er durch dasselbe Schwert umkommt, 10140
damit er deinen Oheim schlug,
dann ist der Rache Genüge getan!«
Sie nahm das Schwert in die Hände
und stellte sich über Tristan,
da er in einem Bad saß. 10145
»Ja«, sprach sie, »Tristan, bist du's?«
»Nein, Herrin, ich bin's, Tantris!«
»So bist du, dessen bin ich gewiß,
Tantris und Tristan zugleich!
Die beiden sind ein todgeweihter Mann. 10150
Was Tristan mir angetan hat,
das muß nun Tantris zugewiesen sein:
Du büßt mir für meinen Oheim!«
»Nein, süße Jungfrau, nein!
Um Gottes willen, was tut Ihr? 10155
Gedenkt doch eures Names mir gegenüber!
Ihr seid eine Herrin und ein Mädchen zugleich.
Wo man von Euch den Mord kundgibt,
da ist die wonnigliche Isolde
auf ewig in ihrer Ehre tot! 10160
Die Sonne, die in Irland aufgeht
und viele Herzen erfreut hat,
ach, die hat dann ein Ende!
Oh weh, diese hellen Hände,
wie ziemt ihnen das Schwert in ihnen?« 10165
Nun kam die Königin,
ihre Mutter, durch die Tür herein.
»Was denn?« sprach sie. »Was soll das sein?
Tochter, was tust du damit?
Ist das der feinen Damen Sitte? 10170
Hast du den Verstand verloren?
Ist das Hohn oder Zorn?
Was soll das Schwert in deiner Hand?«
»Ach, Frau Mutter, seid gemahnt
an unser beider Herzensnarbe. 10175
Dies ist der Mörder,
Tristan, der deinen Bruder schlug!
Nun haben wir eine gute Gelegenheit,
daß wir uns an ihm rächen
und dieses Schwert durch ihn stechen. 10180
Es kommt für uns beide nie mehr besser!«
»Ist dies Tristan? Wie weißt du das?«
»Ich weiß es wohl. Es ist Tristan.
Dies Schwert ist sein, nun sieh es an
und sie die Scharte dabei. 10185
Und merke daran, ob er es sei.
Ich setzte eben dies Stückelein
in diese todbringende Scharte ein.
O weh, da sah ich, daß es erschien
zusammenpassend und recht als eines.« 10190
Sogleich sprach die Mutter: »Ach,
Isolde, woran hast du mich gemahnt?
Daß ich mein Leben je gewann!
Und wenn dies Tristan ist,
wie bin ich darin so betrogen worden!» 10195
Nun hatte auch Isolde hochgezogen
das Schwert und trat hinüber zu ihm.
Die Mutter kehrte sich ihr zu
und rief: »Laß ab, Isolde, laß ab!
Weißt du nicht, was ich versprochen habe?« 10200
»Das kümmert mich nicht. Wahrlich, er soll sterben.«
Tristan sprach: »Merci, belle Iseut!«
Isolde sprach: »Ih, du übler Mensch, ih!
Und du forderst merci?
Merci steht dir nicht zu. 10205
Dein Leben, das lasse du mir!«
»Nein, Tochter«, sprach die Mutter da,
»es geht nun leider nicht auf solche Weise,
daß wir uns rächen dürfen,
wenn wir nicht brechen wollen 10210
unseren Schwur und unsere Ehre.
Überstürze nichts zu sehr!
Er ist in meiner Hut
mit seinem Leib und seinem Besitz.
Ich habe ihm, wie immer es dazu gekommen sei, 10215
gänzlich in meinen Frieden aufgenommen.«
»Danke, Herrin«, sprach Tristan,
»Herrin, gedenket wohl daran,
daß ich Euch Besitz und Leben
Eurer Ehre übergeben habe 10220
und Ihr mich auch so empfangen habt!«
Da rief die Junge: »Du lügst!
Ich weiß wohl, wie die Rede erging.
Sie gelobte Tristan niemals
weder Friede noch ihre Hut 10225
für seinen Leib noch für seinen Besitz.«
Hiermit ging sie erneut auf ihn los.
Hiermit rief aber Tristan:
»Ach, belle Iseut, merci, merci!«
Es war auch die Mutter immer dabei, 10230
die untadelige Königin.
Er konnte ohne Sorge sein.
Wäre er auch zu den Stunden
im Bad gebunden
und Isolde alleine dort gewesen, 10235
hätte er doch eher als sie überlebt.
Die süße, die gute,
die Bitterkeit in ihrem weiblichen Gemüt
und Herzensgalle niemals gewann,
wie sollte die einen Mann schlagen? 10240
Es sei denn, daß sie aus Leiden
und auch aus Zorn, aus diesen beiden Gründen,
solch ein Verhalten gehabt hätte,
als ob sie es gerne täte,
und sie hätte es auch leichhin getan, 10245
hätte sie das Herz dazu gehabt.
Das war ihr aber zu vornehm
zu solcher Härte.
Doch war ihr Herz nicht so gutmütig,
daß sie nicht Zorn und Verdruß verspürt hätte,
10250
als sie den hörte und sah,
von dem ihr Leid geschehen war.
Sie hörte ihren Feind, sie sah ihn,
und konnte ihn dochnicht erschlagen.
Die süße Weiblichkeit bedrängte sie 10255
und hielt sie davon ab.
In ihr stritten hart miteinander
die beiden Widersacher,
die feindlichen Gegensätze:
Zorn und Weiblichkeit, 10260
die so übel zueinander passen,
wo immer sie zusammentreffen.
Sobald der Zorn in Isolde
den Feind schlagen wollte,
so ging die süße Weiblichkeit dazwischen 10265
und sagte sanft: »Nein, tu das nicht!«
So war ihr Herz in zwei Gemüter gespalten,
das eine Herz war zugleich übel und gut.
Die Schöne warf das Schwert zu Boden
und nahm es aber sogleich wieder auf. 10270
Sie wußte nicht, ob sie sich bei ihrem Gemüt
zwischen Übel und Gut
entscheiden sollte.
Sie wollte und wollte nicht.
Sie wollte es tun und lassen. 10275
So schwankte sie zweifelnd hin und her,
bis ihre süße Weiblichkeit
an dem Zorn den Sieg erstritt,
so daß der Todfeind überlebte
und Motold ungerächt blieb. 10280
Hiermit warf sie das Schwert von sich
und sprach weinend: »O weh mir,
daß ich diesen Tag gesehen habe!«
Die weise, ihre Mutter sprach zu ihr:
»Herzenstochter mein, 10285
deine Herzensqual
empfinde ich zu meinem Schmerz auch
heftiger und schlimmer als du deine.
Gottes Barmherzigkeit gehen sie dir
nicht so zu Herzen wie mir. 10290
Mein Bruder ist zu meinem Leide tot.
Bisher war das mein tiefster Schmerz.
Nun fürchte ich einen Schmerz durch dich,
liebste Tochter, der geht mir
viel mehr zu Herzen als jener, 10295
denn nichts ward mir so lieb wie du.
Ehe ich zuließe, daß dir etwas geschehe,
das ich recht ungern sähe,
wollte ich lieber diesen Haß aufgeben.
Ich erleide lieber und leichter 10300
eine Beschwernis als zwei.
Meine Sorge gilt jetzt
dem gräßlichen Mann,
der seinen Anspruch durch Kampf bestätigen will.
Wenn wir uns darum nicht sorgfältig kümmern, 10305
dein Vater, der König, ich und du,
so hätten wir auf immer und ewig
unsere Ehre verloren
und würden nimmermehr froh werden.« |