Feire Fiz: Gottfried von Straßburg : Tristan XVII : Minne-Exkurs
Gottfried von Straßburg
 
Tristan
 
XVIIb : Minne-Exkurs
 
12156-12434
mittelhochdeutscher Text nach Friedrich Ranke (Berlin 1930)
Übersetzung ungeglättet "krude" dicht am Wortlaut ("untersetzt")
durch Feire Fiz
 
Gottfried von Straßburg, Tristan:
XIV Der Splitter * XVI Der Liebestrank
XVIIa Das Geständnis * XVIIb Minne-Exkurs
 
Richard Wagner, Tristan und Isolde
 
Liebe=Arznei * Exkurs * auf der Straße * unverhohlen
 
Des nahtes, dô diu schoene lac, 
ir triure unde ir trahte pflac 
nach ir trûtamîse, 
nu kam geslichen lîse 
zuo der kemenâten în 
ir amîs unde ir arzatîn, 
Tristan und diu Minne. 
Minne diu arzatinne 
si vuorte ze handen 
ir siechen Tristanden. 
ouch vant s'Îsôte ir siechen dâ. 
die siechen beide nam si sâ 
und gab in ir, im sîe 
ein ander z'arzatîe. 
wer haete ouch dise beide 
von dem gemeinem leide 
vereinet unde bescheiden 
wan einunge an in beiden, 
der stric ir beider sinne? 
Minne diu strickaerinne 
diu stricte zwei herze an in zwein 
mit dem stricke ir süeze in ein 
mit alsô grôzer meisterschaft, 
mit alsô wunderlîcher craft, 
daz si unreloeset wâren 
in allen ir jâren. 
Des Nachts, als die Schöne dalag 
ihrer Trauer und ihren Gedanken nachhing 
über ihren vertrauten Freund, 
da kamen leise hereingeschlichen 12160 
in ihre Kemenate 
ihr Freund und ihre Ärztin, 
Tristan und die Liebe. 
Liebe, die Ärztin, 
die führte an der Hand 12165 
ihren Kranken, Tristan, 
und fand auch Isolde, ihre Kranke, dort. 
Sie nahm die beiden Kranken dann 
und gab ihn ihr, ihm sie 
einander als Arznei. 12170 
Was hätte auch diese beiden 
von ihrem gemeinsamen Leid 
gesondert und geschieden 
als die Vereinigung der beiden, 
der Strick ihrer beider Sinne? 12175 
Liebe, die Verstrickerin, 
die strickte die zwei Herzen an den beiden 
mit dem Strick ihrer Süße in eins 
in so großer Meisterschaft, 
mit so wunderbarer Kraft, 12180 
daß sie unlösbar verbunden waren 
für all ihre weiteren Lebensjahre. 
in langiu rede von minnen 
diu swaeret höfschen sinnen. 
kurz rede von guoten minnen 
diu guotet guoten sinnen. 12160 
 
Swie lützel ich in mînen tagen 
des lieben leides habe getragen, 
des senften herzesmerzen, 
der innerhalp des herzen 
sô rehte sanfte unsanfte tuot, 
mir wîsaget doch mîn muot, 
des ich im wol gelouben sol, 
den zwein gelieben waere wol 
und sanfte in ir muote, 
dô si die leiden huote, 
die wâren suht der minne, 
der Minnen vîendinne 
von ir stîgen haeten brâht. 
 
ich hân von in zwein vil gedâht 
und gedenke hiute und alle tage. 
swenne ich liebe und senede clage 
vür mîniu ougen breite 
und ir gelegenheite 
in mînem herzen ahte, 
sô wahsent mîne trahte 
und muot, mîn hergeselle, 
als er in diu wolken welle. 
 
swenne ich bedenke sunder 
daz wunder und daz wunder, 
daz man an liebe vünde, 
der ez gesuochen künde; 
waz vröude an liebe laege, 
der ir mit triuwen pflaege: 
sô wirt mîn herze sâ zestunt 
groezer danne Setmunt 
und erbarmet mich diu minne 
von allem mînem sinne, 
daz meistic alle, die der lebent, 
an minnen hangent unde clebent 
und ir doch nieman rehte tuot. 
wir wellen alle haben muot 
und mit minnen umbe gân. 
nein, minne ist niht alsô getân, 
als wir s'ein ander machen 
mit velschlîchen sachen. 
 
wir nemen der dinge unrehte war. 
wir saejen bilsensâmen dar 
und wellen danne, daz uns der 
 liljen unde rôsen ber. 12230 
entriuwen des mac niht gewesen. 
wir müezen daz her wider lesen, 
daz dâ vor gewerket wirt, 
und nemen, daz uns der sâme birt. 
wir müezen snîden unde maen 12235 
daz selbe, daz wir dar gesaen. 
wir bûwen die minne 
mit gegelletem sinne, 
mit valsche und mit âkust 
und suochen danne an ir die lust 12240 
des lîbes unde des herzen. 
sone birt si niuwan smerzen, 
unguot und unvruht unde unart, 
als ez an ir gebûwen wart. 12245 
 
als ez uns danne riuwe birt 
und innerthalp des herzen swirt 
und toetet uns dar inne, 
sô zîhen wir's die minne 
und schuldegen sî dar an, 12250 
diu schulde nie dar an gewan. 
wir saejen alle valscheit, 
sô snîden laster unde leit. 
tuo uns daz leit iht sêre wê, 
sô bedenken ez ê: 
saejen bezzer unde baz 
unde snîden ouch daz. 
wir, die zer werlde haben muot, 
swie sô er sî boese oder guot, 
wie tuon wir unseren tagen, 
die wir vertrîben und verjagen 12260 
in dem namen der minne 
und vinden niht dar inne 
niwan die selben arbeit, 
die wir haben an sî geleit: 12265 
misselinge und ungeschiht! 
des guoten vinde wir dâ niht, 
des unser jegelîcher gert 
und des wir alle sîn entwert: 
daz ist der staete vriundes muot, 12270 
der staeteclîche sanfte tuot, 
der die rôsen bî dem dorne treit, 
die senfte bî der arbeit; 
an dem ie lît verborgen 
diu wunne bî den sorgen; 12275 
der an dem ende ie vröude birt, 
als ofte als er beswaeret wirt. 
den vindet lützel jeman nuo; 
alsô vorwerke wir dar zuo. 
Mit langer Rede von Minne, 
damit belastet man vornehme Sinne. 
Kurzrede von guter Minne, 12185 
die tut gut gutem Sinne. 
 
Wie wenig ich in meinen Tagen 
der Verliebtheit Leid getragen habe, 
den süßen Herzensschmerz, 
der innerhalb des Herzens 12190 
so recht sanft unsanft tut, 
so weissagt mir doch mein Gemüt, 
dem ich wohl glauben muß, 
daß den beiden Liebenden glücklich 
und besänftigt in ihrem Gemüt waren, 
daß sie die leidige Bewachung, 
die wahre Verseuchung der Liebe 
der Liebe Feindin, 
aus dem Wege geräumt hatten. 12200 
 
Ich habe über die beiden viel nachgedacht 
und denke heute und alle Tage an sie. 
Wann immer ich Liebe und Sehnsuchtsklage 
mir vor Augen halte 
und über ihre Beschaffenheit 12205 
im Inneren nachsinne, 
dann wachsen meine Gedanken 
und Seelendrang, mein Weggefährte, 
als ob er in die Wolken wolle. 
 
Wenn ich im besonderen bedenke 12210 
dieses und jenes Wunder, 
das man in der Verliebtheit finden kann, 
wenn man es richtig zu suchen versteht, 
welche Freude für den in der Verliebtheit liegt, 
der sie mit Treue durchlebt, 12215 
dann wird mein Herz sogleich 
größer als Setmunt, 
und ich bedaure die Liebe 
aus tiefstem Herzen, 
weil die meisten alle, die da leben, 12220 
an der Liebe hängen und kleben 
und ihr doch niemand gerecht wird. 
Wir wollen alle die Gemütsregung haben 
und Liebe erfahren. 
Nein, Liebe wird nicht so durchlebt, 12225 
wie wir sie miteinander betreiben 
auf falsche Weise. 
 
Wir greifen es falsch an. 
Wir säen Bilsensamen aus 
und wollen dann, daß er für uns 
Lilien und Rosen hervorbringe. 
Das geht gewiß nicht. 
Wir müssen das ernten, 
das da zuvor erarbeitet wird, 
und hinnehmen, was die Saat uns hervorbringt. 
Wir müssen schneiden und mähen, 
eben das, was wir ausgesät haben. 
Wir bauen die Liebe an 
mit gallebitterem Gemüt, 
mit Falschheit und Betrug, 
und suchen dann an ihr die Lust 
des Leibes und des Herzens. 
Sie trägt aber nichts als Schmerzen, 
Ungut, Unfrucht und Unart, 
so wie sie angebaut wurde. 
 
Wenn es uns dann Kummer trägt, 
und innerhalb des Herzens schwärt 
und uns darinnen tötet, 
dann zeihen wir die Liebe 
und beschuldigen sie dessen, 
die nie daran schuld war. 
Wir säen alle Falschheit, 
so ernten wir Schande und Leid. 
Damit uns dieses Leid nicht heftig schmerzt, 
sollten wir vorher bedenken, 
daß, wenn wir besser und besser aussäen, 
wir auch entsprechend ernten. 
Wir, die wir unsere Gedanken auf Weltliches richten 
(ob sie nun gut sind oder schlecht), 
wie vertun wir unsere Lebenstage, 
die wir uns vertreiben und durchjagen 
im Namen der Liebe, 
und finden doch nichts darin 
außer eben derselben Mühsal, 
die wir hineingelegt haben: 
Mißlingen und Mißgeschick! 12265 
Das Gute finden wir da nicht, 
das jeder von uns begehrt 
und das uns allen versagt ist: 
das ist die dauerhafte Freundschaft, 
die uns beständig besänftigt, 12270 
die neben Dornen Rosen trägt 
und Besänftigung neben Mühen, 
in der schon immer verborgen liegt 
die Wonne neben den Sorgen, 
die am Ende immer Freude hervorbringt, 12275 
sooft sie überschattet ist. 
Die findet jetzt kaum einer. 
So gehen wir damit um. 
 
Ez ist vil war, daz man dâ saget: 12280 
»Minne ist getriben unde gejaget 
in den endelesten Ort.» 
wirn haben an ir niwan daz wort. 
uns ist niwan der name beliben 
und han ouch den alsô zetriben, 12285 
alsô verwortet und vernamet, 
daz sich diu müede ir namen schamet 
und ir daz wort unmaeret. 
si swachet unde swaeret 
ir selber ûf der erde. 12290 
diu êrelôse unwerde, 
si slîchet under hûsen biten 
und treit von lasterlîchen siten 
gemanicvaltet einen sac, 
in dem s'ir diube und ir bejac 12295 
ir selbes munde verseit 
und ez ze strâze veile treit. 
ôwê! den market schaffen wir. 
daz wunder trîbe wir mit ir 
und wellen des unschuldic sîn. 
 
Minne, aller herzen künigîn, 12300 
diu vrîe, diu eine 
diu ist umbe kouf gemeine! 
wie habe wir unser hêrschaft 
an ir gemachet zinshaft! 
wir haben ein boese conterfeit 
in daz vingerlîn geleit 
und triegen uns dâ selbe mite. 
ez ist ein armer trügesite, 
der vriunden alsô liuget, 
daz er sich selben triuget. 
wir valschen minnaere, 
der Minnen trügenaere, 
wie vergânt uns unser tage, 
daz wir unserre clage 
sô selten liebez ende geben! 
wie vertuon wir unser leben 
âne liep und âne guot! 
 
nu gît uns doch daz guoten muot, 
daz uns ze nihte bestât. 12320 
swaz jeman schoener maere hât 
von vriuntlîchen dingen, 
swaz wir mit rede vür bringen 
von den, die wîlent wâren 
vor manegen hundert jâren, 12325 
daz tuot uns in dem herzen wol 
und sîn der selben state sô vol, 
daz lützel ieman waere 
getriuwe unde gewaere 
und wider den vriunt âne âkust, 12330 
ern möhte sus getâne lust 
von sîn selbes sachen 
in sînem herzen machen. 
 
wan uns daz selbe z'aller zît 
mit jâmer under vüezen lît, 
dâ von ez allez ûf erstât: 
deist triuwe, diu von herzen gât. 
diu treit sich uns vergebene an. 
sô kêre wir daz ouge dan 
und trîben die süezen 
unruochlîch under vüezen. 
wir haben si mit unwerde 
vertreten in der erde. 
ob wir si gerne suohten dâ, 
wirn wizzen alles gâhes wâ. 
sô guot, sô lônbaere 
triuwe under vriunden waere, 
war umbe lieben wir si niht? 
ein blic, ein inneclîch gesiht 
ûz herzeliebes ougen, 
der leschet âne lougen 
hundert tûsent smerzen 
des lîbes unde des herzen. 
ein kus in liebes munde, 
der von des herzen grunde 
her ûf geslichen kaeme, 
ôhî waz der benaeme 
seneder sorge und herzenôt! 
Es ist völlig wahr, was man da sagt: 
»Die Liebe ist vertrieben und verjagt 12280 
an den entlegensten Ort.» 
Wir haben von ihr nur noch den Begriff. 
Nichts als der Name ist uns geblieben. 
Aber auch den haben wir so zerredet, 
so verwortet und vernamt, 12285 
daß sich die Müde ihres Namens schämt 
und ihr das Wort zuwider ist. 
Sie schwächelt und ist bekümmert 
über sich selbst auf Erden. 
Die Ehrelose, Unwerte, 12290 
sie schleicht bettelnd von Haus zu Haus 
und trägt von schmachvollen Sitten 
buntscheckig einen Sack, 
in dem sie ihr Diebesgut und ihre Beute 
ihrem eigenen Munde vorenthält 12295 
und es auf der Straße feilhält. 
O weh! Den Markt schaffen wir selbst. 
Wir treiben Seltsames mit ihr 
und wollen daran auch noch unschuldig sein. 
 
Die Liebe, Königin aller Herzen, 12300 
die freie, die einzigartige, 
ist käuflich zu haben. 
Wie haben wir unsere Herrschaft 
über sie zur Tributpflicht gemacht! 
Wir haben ein böses Gegenbild 12305 
als Stein in den Fingerring eingesetzt 
und betrügen uns selbst damit. 
Es ist ein armseliger Betrug, 
wenn man einen Freund so belügt, 
daß man sich selbst betrügt. 12310 
Wir falschen Liebenden, 
der Liebe Betrüger, 
wie vergehen uns unsere Tage, 
daß wir unsere Klage 
so selten zu einem lieblichen Ende bringen! 12315 
Wie vertun wir unser Leben 
ohne Zuneigung und ohne Gut! 
 
Nun gibt uns doch das guten Mut, 
was uns doch nichts angeht. 
Wenn einer eine schöne Geschichte erzählt, 12320 
die von Freundschaft handelt, 
was wir mit Rede vorbringen 
von denen, die dereinst lebten 
vor vielen hundert Jahren, 
dann tut uns das im Herzen wohl, 12325 
und wir sind so erfüllt von dieser Begebenheit, 
daß kaum jemand 
getreu und ehrlich wäre 
und gegenüber dem Freunde ohne Trug, 
der nicht auch solche Lust 12330 
für sich selbst 
in seinem Herzen schaffen möchte. 
 
Und doch liegt uns eben das zu aller Zeit 
mit Jammer unter unseren Füßen, 
wovon all das entsteht: 12335 
die Treue, die aus dem Herzen kommt. 
Sie bietet sich uns vergebens an. 
Wir aber wenden unsere Augen ab 
und treten die Wertvolle 
geringschätzig mit Füßen. 12340 
Wir haben sie verächtlich 
in den Boden getreten. 
Wenn wir sie da suchen wollten, 
so wüßten wir in der Eile nicht, wo. 
Wenn so gut, so segensreich 12345 
Treue unter Freunden ist, 
warum lieben wir sie dann nicht? 
Ein Blick, ein innigliches Schauen 
aus Herzliebes Augen, 
das löscht mit Sicherheit 12350 
hunderttausend Schmerzen 
des Leibes und des Herzens. 
Ein Kuß im des Geliebten Mund, 
der von des Herzens Grund 
heraufgeschlichen käme, 12355 
oh, wie der wegnähme 
sehnenende Sorge und Herzensnot! 
Ich weiz wol, Tristan unde Îsôt, 
die gebitelôsen beide 
benâmen ouch ir leide 
unde ir triure ein ander vil, 
dô sî begriffen daz zil 
gemeines willen under in. 
jener gelange was dô hin, 
der die gedanken anget. 
swes gelieben gelanget, 
des triben s'under in genuoc, 
sô sich diu zît alsô getruoc. 
 
sô sî z'ir state kâmen, 
si gâben unde nâmen 
mit getriuwelîchem sinne 
in selben unde der minne 
willegen zins unde zol. 
in was vil inneclîche wol 
an der reise und an der vart. 
dô diu vremede hine wart, 
dô was ir heinlîche 
rîlîch unde rîche. 
und was daz wîsheit unde sin. 
wan die sich helent under in, 
sît daz si sich enbârent 
und danne ir schame vârent 
und gestent sich an liebe, 
die sint ir selber diebe. 
sô sî sich danne ie mêre helent, 
sô s'ie mêre in selben stelent 
und mischent liep mit leide. 
 
dise gelieben beide 
die enhâlen sich ze nihte. 12390 
mit rede und mit gesihte 
wâren si heinlîch under in. 
Sus triben sî die reise hin 
mit wunneclîchem lebene 
und doch niht gâr vergebene: 12395 
in tete diu vorvorhte wê. 
sî bevorhten daz ê 
dâ ez ouch sider zuo kam, 
daz in sît vröude vil benam 
und brâhte sî ze maneger nôt: 12400 
daz was daz, daz diu schoene Îsôt 
dem manne werden solte, 
dem sî niht werden wolte. 
ouch twanc si beidiu noch ein leit: 
daz was Îsôte wîpheit. 
hier umbe was in leide. 
diz leidete si beide. 
doch was in disiu swaere 
lîht unde tragebaere, 
wan sî ir willen under in zwein 
vrîlîche haeten in ein 
dicke und ze manegem mâle. 
 
nu daz si Curnewâle 
gevuoren alsô nâhen, 
daz sî daz lant wol sâhen, 
des vröuten sî sich alle dô. 
si wâren sîn alle vrô 
wan eine Tristan unde Îsôt. 
der angest was ez unde ir nôt. 
der wille waere der geschehen, 
sine haeten niemer lant gesehen. 
diu vorhte ir beider êren 
diu begunde ir herze sêren. 
sine kunden sich berâten nie, 
waz sî getaeten oder wie, 
daz Îsôte wîpheit 
dem künege würde verseit. 
und doch swie unrâtbaere 
kindesche minnaere 
in ir kintheite sint, 
der rât geviel doch an daz kint. 
 
sô minne an tumben kinden 
ir spil gerâtet vinden, 
sô muge wir an den kinden 
witze unde liste vinden. 
Ich weiß wohl, Tristan und Isolde, 
die beiden Ungeduldigen, 
nahmen ebenfalls von ihrem Leid 12360 
und ihrer Trauer einander viel ab, 
als sie erreichten das Ziel 
ihres gemeinsamen Wollens. 
Jenes Verlangen war vorüber, 
das die Gedanken angeht. 12365 
Wonach Verliebte verlangen, 
das trieben sie zu Genüge miteinander, 
wenn sich die Zeit dazu fand. 
 
Wann immer sie die Gelegenheit hatten, 
gaben und nahmen sie 12370 
mit getreulichem Sinn 
von sich und der Liebe 
bereitwilligen Zins und Zoll. 
Sie fühlten sich inniglichst wohl 
auf der Reise und auf der Fahrt. 12375 
Jetzt, da die Fremdheit fort war, 
war ihre Vertraulichkeit 
hoch und hehr. 
Und das gab Weisheit und Sinn. 
Denn die sich einander verhehlen, 12380 
nachdem sie sich offenbart haben, 
und die dann auf Scham Wert legen 
und sich der Liebe entfremden, 
berauben sich selbst. 
Je mehr sie sich dann einander verhehlen, 12385 
desto mehr bestehlen sie sich selbst 
und vermischen Verliebtheit mit Leid. 
 
Diese beiden Verliebten 
verhehlten sich nichts. 
Durch Rede und Anschauen 
waren sie vertraulich miteinander. 
So verbrachten sie die Reise 
mit wonniglichem Leben 
und doch nicht ganz umsonst: 
Ihnen tat die Vorfurcht weh. 
Sie befürchteten schon vorher, 
was später auch eintraf, 
das ihnen dann viel Freude nahm 
und sie in viele Not brachte: 
das war das, daß die schöne Isolde 
dem Mann gegeben werden sollte, 
dem sie nicht Frau werden wollte. 
Auch zwang die beiden noch ein Leid: 
Das war Isoldes verlorene Jungfräulichkeit. 
Darüber waren sie bekümmert. 12405 
Darunter litten sie beide. 
Doch war ihnen dieser Kummer 
leicht und erträglich, 
weil sie sich ihren Willen gegenseitig 
freigebig erfüllten 12410 
sehr oft und immer wieder. 
 
Als sie nun Cornwall 
so nahe gekommen waren, 
daß sie das Land wohl sahen, 
da freuten sie sich alle. 12415 
Sie alle waren froh darüber 
außer allein Tristan und Isolde. 
Für sie war es Angst und Not. 
Wäre es nach ihrem Willen gegangen, 
hätten sie niemals Land gesehen. 12420 
Die Angst um ihre Ehre, 
die begann sie im Herzen zu versehren. 
Sie konnten keinen Rat finden, 
was sie tun sollten oder wie, 
daß Isoldes verlorene Jungfräulichkeit 12425 
dem König verheimlicht werde. 
Wie ratlos jedoch 
kindliche Liebende 
in ihrer Kindlichkeit sein mögen, 
so brachte der Zufall dem Kind doch Rat. 
 
Will Liebe an Unerfahrnen 
ihr Spiel mit Klugheit tarnen, 
sehn wir, wie die Unerfahrnen 
mit List ihre Liebe tarnen.
 
 
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