Des nahtes, dô diu schoene
lac,
ir triure unde ir trahte pflac
nach ir trûtamîse,
nu kam geslichen lîse
zuo der kemenâten în
ir amîs unde ir arzatîn,
Tristan und diu Minne.
Minne diu arzatinne
si vuorte ze handen
ir siechen Tristanden.
ouch vant s'Îsôte ir siechen dâ.
die siechen beide nam si sâ
und gab in ir, im sîe
ein ander z'arzatîe.
wer haete ouch dise beide
von dem gemeinem leide
vereinet unde bescheiden
wan einunge an in beiden,
der stric ir beider sinne?
Minne diu strickaerinne
diu stricte zwei herze an in zwein
mit dem stricke ir süeze in ein
mit alsô grôzer meisterschaft,
mit alsô wunderlîcher craft,
daz si unreloeset wâren
in allen ir jâren. |
Des Nachts, als die Schöne dalag
ihrer Trauer und ihren Gedanken nachhing
über ihren vertrauten Freund,
da kamen leise hereingeschlichen 12160
in ihre Kemenate
ihr Freund und ihre Ärztin,
Tristan und die Liebe.
Liebe, die Ärztin,
die führte an der Hand 12165
ihren Kranken, Tristan,
und fand auch Isolde, ihre Kranke, dort.
Sie nahm die beiden Kranken dann
und gab ihn ihr, ihm sie
einander als Arznei. 12170
Was hätte auch diese beiden
von ihrem gemeinsamen Leid
gesondert und geschieden
als die Vereinigung der beiden,
der Strick ihrer beider Sinne? 12175
Liebe, die Verstrickerin,
die strickte die zwei Herzen an den beiden
mit dem Strick ihrer Süße in eins
in so großer Meisterschaft,
mit so wunderbarer Kraft, 12180
daß sie unlösbar verbunden waren
für all ihre weiteren Lebensjahre. |
in langiu rede von minnen
diu swaeret höfschen sinnen.
kurz rede von guoten minnen
diu guotet guoten sinnen. 12160
Swie lützel ich in mînen tagen
des lieben leides habe getragen,
des senften herzesmerzen,
der innerhalp des herzen
sô rehte sanfte unsanfte tuot,
mir wîsaget doch mîn muot,
des ich im wol gelouben sol,
den zwein gelieben waere wol
und sanfte in ir muote,
dô si die leiden huote,
die wâren suht der minne,
der Minnen vîendinne
von ir stîgen haeten brâht.
ich hân von in zwein vil gedâht
und gedenke hiute und alle tage.
swenne ich liebe und senede clage
vür mîniu ougen breite
und ir gelegenheite
in mînem herzen ahte,
sô wahsent mîne trahte
und muot, mîn hergeselle,
als er in diu wolken welle.
swenne ich bedenke sunder
daz wunder und daz wunder,
daz man an liebe vünde,
der ez gesuochen künde;
waz vröude an liebe laege,
der ir mit triuwen pflaege:
sô wirt mîn herze sâ zestunt
groezer danne Setmunt
und erbarmet mich diu minne
von allem mînem sinne,
daz meistic alle, die der lebent,
an minnen hangent unde clebent
und ir doch nieman rehte tuot.
wir wellen alle haben muot
und mit minnen umbe gân.
nein, minne ist niht alsô getân,
als wir s'ein ander machen
mit velschlîchen sachen.
wir nemen der dinge unrehte war.
wir saejen bilsensâmen dar
und wellen danne, daz uns der
liljen unde rôsen ber. 12230
entriuwen des mac niht gewesen.
wir müezen daz her wider lesen,
daz dâ vor gewerket wirt,
und nemen, daz uns der sâme birt.
wir müezen snîden unde maen 12235
daz selbe, daz wir dar gesaen.
wir bûwen die minne
mit gegelletem sinne,
mit valsche und mit âkust
und suochen danne an ir die lust 12240
des lîbes unde des herzen.
sone birt si niuwan smerzen,
unguot und unvruht unde unart,
als ez an ir gebûwen wart. 12245
als ez uns danne riuwe birt
und innerthalp des herzen swirt
und toetet uns dar inne,
sô zîhen wir's die minne
und schuldegen sî dar an, 12250
diu schulde nie dar an gewan.
wir saejen alle valscheit,
sô snîden laster unde leit.
tuo uns daz leit iht sêre wê,
sô bedenken ez ê:
saejen bezzer unde baz
unde snîden ouch daz.
wir, die zer werlde haben muot,
swie sô er sî boese oder guot,
wie tuon wir unseren tagen,
die wir vertrîben und verjagen 12260
in dem namen der minne
und vinden niht dar inne
niwan die selben arbeit,
die wir haben an sî geleit: 12265
misselinge und ungeschiht!
des guoten vinde wir dâ niht,
des unser jegelîcher gert
und des wir alle sîn entwert:
daz ist der staete vriundes muot, 12270
der staeteclîche sanfte tuot,
der die rôsen bî dem dorne treit,
die senfte bî der arbeit;
an dem ie lît verborgen
diu wunne bî den sorgen; 12275
der an dem ende ie vröude birt,
als ofte als er beswaeret wirt.
den vindet lützel jeman nuo;
alsô vorwerke wir dar zuo. |
Mit langer Rede von Minne,
damit belastet man vornehme Sinne.
Kurzrede von guter Minne, 12185
die tut gut gutem Sinne.
Wie wenig ich in meinen Tagen
der Verliebtheit Leid getragen habe,
den süßen Herzensschmerz,
der innerhalb des Herzens 12190
so recht sanft unsanft tut,
so weissagt mir doch mein Gemüt,
dem ich wohl glauben muß,
daß den beiden Liebenden glücklich
und besänftigt in ihrem Gemüt waren,
daß sie die leidige Bewachung,
die wahre Verseuchung der Liebe
der Liebe Feindin,
aus dem Wege geräumt hatten. 12200
Ich habe über die beiden viel nachgedacht
und denke heute und alle Tage an sie.
Wann immer ich Liebe und Sehnsuchtsklage
mir vor Augen halte
und über ihre Beschaffenheit 12205
im Inneren nachsinne,
dann wachsen meine Gedanken
und Seelendrang, mein Weggefährte,
als ob er in die Wolken wolle.
Wenn ich im besonderen bedenke 12210
dieses und jenes Wunder,
das man in der Verliebtheit finden kann,
wenn man es richtig zu suchen versteht,
welche Freude für den in der Verliebtheit liegt,
der sie mit Treue durchlebt, 12215
dann wird mein Herz sogleich
größer als Setmunt,
und ich bedaure die Liebe
aus tiefstem Herzen,
weil die meisten alle, die da leben, 12220
an der Liebe hängen und kleben
und ihr doch niemand gerecht wird.
Wir wollen alle die Gemütsregung haben
und Liebe erfahren.
Nein, Liebe wird nicht so durchlebt, 12225
wie wir sie miteinander betreiben
auf falsche Weise.
Wir greifen es falsch an.
Wir säen Bilsensamen aus
und wollen dann, daß er für uns
Lilien und Rosen hervorbringe.
Das geht gewiß nicht.
Wir müssen das ernten,
das da zuvor erarbeitet wird,
und hinnehmen, was die Saat uns hervorbringt.
Wir müssen schneiden und mähen,
eben das, was wir ausgesät haben.
Wir bauen die Liebe an
mit gallebitterem Gemüt,
mit Falschheit und Betrug,
und suchen dann an ihr die Lust
des Leibes und des Herzens.
Sie trägt aber nichts als Schmerzen,
Ungut, Unfrucht und Unart,
so wie sie angebaut wurde.
Wenn es uns dann Kummer trägt,
und innerhalb des Herzens schwärt
und uns darinnen tötet,
dann zeihen wir die Liebe
und beschuldigen sie dessen,
die nie daran schuld war.
Wir säen alle Falschheit,
so ernten wir Schande und Leid.
Damit uns dieses Leid nicht heftig schmerzt,
sollten wir vorher bedenken,
daß, wenn wir besser und besser aussäen,
wir auch entsprechend ernten.
Wir, die wir unsere Gedanken auf Weltliches richten
(ob sie nun gut sind oder schlecht),
wie vertun wir unsere Lebenstage,
die wir uns vertreiben und durchjagen
im Namen der Liebe,
und finden doch nichts darin
außer eben derselben Mühsal,
die wir hineingelegt haben:
Mißlingen und Mißgeschick! 12265
Das Gute finden wir da nicht,
das jeder von uns begehrt
und das uns allen versagt ist:
das ist die dauerhafte Freundschaft,
die uns beständig besänftigt, 12270
die neben Dornen Rosen trägt
und Besänftigung neben Mühen,
in der schon immer verborgen liegt
die Wonne neben den Sorgen,
die am Ende immer Freude hervorbringt, 12275
sooft sie überschattet ist.
Die findet jetzt kaum einer.
So gehen wir damit um. |