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ORCHESTEREINLEITUNG
(Mäßig bewegt 4/4) DRITTER AUFZUG Burggarten Zur einen Seite hohe Burggebäude, zur andren eine niedrige Mauerbrüstung, von einer Warte unterbrochen; im Hintergrunde das Burgtor. Die Lage ist auf felsiger Höhe anzunehmen; durch Öffnungen blickt man auf einen weiten Meereshorizont. Das Ganze macht den Eindruck der Herrenlosigkeit, übel gepftegt, hie und da schadhaft und bewachsen. Im Vordergrunde, an der inneren Seite, liegt Tristan, unter dem Schatten einer großen Linde, auf einem Ruhebett schlafend, wie leblos ausgestreckt. Zu Häupten ihm sitzt Kurwenal, in Schmerz über ihn hin gebeugt und sorgsam seinem Atem lauschend. Von der Außenseite her hört man, beim Aufziehen des Vorhanges, einen Hirtenreigen, sehnsüchtig und traurig auf einer Schalmei geblasen. Endlich erscheint der Hirt selbst mit dem Oberleibe über der Mauerbrüstung und blickt teilnehmend herein. |
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ERSTER AUFTRITT
Der Hirt. Kurwenal: Tristan: Hirt (leise): Kurwenal! He! Sag, Kurwenal! Hör doch, Freund! (Kurwenal wendet ein wenig das Haupt nach ihm.) Wacht er noch nicht? Kurwenal (schüttelt traurig mit dem Kopf): Erwachte er, wär's doch nur, um für immer zu verscheiden: erschien zuvor die Ärztin nicht, die einz'ge, die uns hilft. – Sahst du noch nichts? Kein Schiff noch auf der See? Hirt. Eine andre Weise hörtest du dann, so lustig, als ich sie nur kann. Nun sag auch ehrlich, alter Freund: was hat's mit unserm Herrn? Kurwenal: Laß die Frage: du kannst's doch nie erfahren. Eifrig späh, und siehst du ein Schiff, so spiele lustig und hell! (Der Hirt wendet sich und späht, mit der Hand überm Auge, nach dem Meer aus.) Hirt. Öd und leer das Meer! (Er setzt die Schalmei an den Mund und entfernt sich blasend.) Tristan: (bewegungslos, dumpf): Die alte Weise – was weckt sie mich? |
Kurwenal (fährt erschrocken auf):
Ha! Tristan (schlägt die Augen auf und wendet das Haupt ein wenig): Wo bin ich? Kurwenal: Diese Stimme! Seine Stimme! Tristan! Herre! Mein Held! Mein Tristan! Tristan (mit Anstrengung): Wer ruft mich? Kurwenal: Endlich! Endlich! Leben,oLeben! Süßes Leben, meinem Tristan neu gegeben! Tristan (ein wenig auf dem Lager sich erhebend, matt): Kurwenal – du? Wo war ich? Wo bin ich? Kurwenal: Wo du bist? In Frieden, sicher und frei! Kareol, Herr: kennst du die Burg der Väter nicht? Tristan: Meiner Väter? Kurwenal: Sieh dich nur um! Tristan: Was erklang mir? Kurwenal: Des Hirten Weise hörtest du wieder; am Hügel ab hütet er deine Herde. Tristan: Meine Herde? Kurwenal: Herr, das mein ich! Dein das Haus, Hof und Burg! Das Volk, getreu dem trauten Herrn, so gut es konnt', hat's Haus und Hof gepflegt, das einst mein Held zu Erb und Eigen an Leut und Volk verschenkt, als alles er verließ, in fremde Land' zu ziehn. Tristan: In welches Land? Kurwenal: Hei! Nach Kornwall: kühn und wonnig, was sich da Glanzes, Glückes und Ehren Tristan, mein Held, hehr ertrotzt! Tristan: Bin ich in Komwall? Kurwenal: Nicht doch: inKareol! Tristan: Wie kam ich her? Kurwenal: Hei nun! Wie du kamst? Zu Roß rittest du nicht; ein Schifflein führte dich her. Doch zu dem Schifflein hier auf den Schultern trug ich dich; die sind breit, sie trugen dich dort zum Strand. Nun bist du daheim, daheim zu Land: im echten Land, im Heimatland; auf eigner Weid und Wonne, im Schein der alten Sonne, darin von Tod und Wunden du selig sollst gesunden. (Er schmiegt sich an Tristans Brust.) |
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Tristan (nach einem kleinen Schweigen):
Dünkt dich das? Ich weiß es anders, doch kann ich's dir nicht sagen. Wo ich erwacht – weilt' ich nicht; doch, wo ich weilte, das kann ich dir nicht sagen. Die Sonne sah ich nicht, noch sah ich Land und Leute: doch, was ich sah, das kann ich dir nicht sagen. Ich war, wo ichvon je gewesen, wohin auf je ich geh: im weiten Reich der Weltennacht. Nur ein Wissen dort uns eigen: göttlich ew'ges Urvergessen! Wie schwand mir seine Ahnung? Sehnsücht'ge Mahnung, nenn ich dich, die neu dem Licht des Tags mich zugetrieben? Was einzig mir geblieben, ein heiß-inbrünstig Lieben, aus Todes-Wonne-Grauen jagt's mich, das Licht zu schauen, das trügend hell und golden noch dir, Isolden, scheint! (Kurwenal birgt, von Grausen gepackt, sein Haupt. Tristan richtet sich allmählich immer mehr auf.) Isolde noch im Reich der Sonne! Im Tagesschimmer noch Isolde! Welches Sehnen! Welches Bangen! Sie zu sehen, welch Verlangen! Krachend hört' ich hinter mir schon des Todes Tor sich schließen: weit nun steht es wieder offen, der Sonne Strahlen sprengt' es auf; mit hell erschloss'nen Augen mußt' ich der Nacht enttauchen: sie zu suchen, sie zu sehen; sie zu finden, in der einzig zu vergehen, zu entschwinden Tristan ist vergönnt. Weh, nun wächst, bleich und bang, mir des Tages wilder Drang; grell und täuschend sein Gestirn weckt zu Trug und Wahn mir das Hirn! Verfluchter Tag mit deinem Schein! Wachst du ewig meiner Pein? Brennt sie ewig, diese Leuchte, die selbst nachts von ihr mich scheuchte? Ach, Isolde, süße Holde! Wann endlich, wann, ach wann löschest du die Zünde, daß sie mein Glück mir künde? Das Licht – wann löscht es aus? (Er sinkt erschöpft leise zurück.) Wann wird es Nacht im Haus? Kurwenal (nach großer Erschütterung aus der Niedergeschlagenheit sich aufraffend): Der einst ich trotzt', aus Treu' zu dir, mit dir nach ihr nun muß ich mich sehnen. Glaub meinem Wort: du sollst sie sehen hier und heut; den Trost kann ich dir geben ist sie nur selbst noch am Leben. Tristan (sehr matt): Noch losch das Licht nicht aus, noch ward's nicht Nacht im Haus: Isolde lebt und wacht; sie rief mich aus der Nacht. |
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Kurwenal:
Lebt sie denn, so laß dir Hoffnung lachen! Muß Kurwenal dumm dir gelten, heut sollst du ihn nicht schelten. Wie tot lagst du seit dem Tag, da Melot, der Verruchte, dir eine Wunde schlug. Die böse Wunde, wie sie heilen? Mir tör'gem Manne dünkt' es da, wer einst dir Morolds Wunde schloß, der heilte leicht die Plagen, von Melots Wehr geschlagen. Die beste Ärztin bald ich fand; nach Kornwall hab ich ausgesandt: ein treuer Mann wohl übers Meer bringt dir Isolden her. Tristan (außer sich) Isolde kommt! Isolde naht! (Er ringt gleichsam nach Sprache.) O Treue! Hehre, holde Treue! (Er zieht Kurwenal an sich und umarmt ihn.) Mein Kurwenal, du trauter Freund! Du Treuer ohne Wanken, wie soll dir Tristan danken? Mein Schild, mein Schirm in Kampf und Streit, zu Lust und Leid mir stets bereit: wen ich gehaßt, den haßtest du; wen ich geminnt, den minntest du. Dem guten Marke, dient' ich ihm hold, wie warst du ihm treuer als Gold! Mußt' ich verraten den edlen Herrn, wie betrogst du ihn da so gern! Dir nicht eigen, einzig mein, mit leidest du, wenn ich leide: nur was ich leide, das kannst du nicht leiden! Dies furchtbare Sehnen, das mich sehrt; dies schmachtende Brennen, das mich zehrt; wollt' ich dir's nennen, könntest du's kennen: nicht hier würdest du weilen, zur Warte müßtest du eilen – mit allen Sinnen sehnend von hinnen nach dorten trachten und spähen, wo ihre Segel sich blähen, wo vor den Winden, mich zu finden, von der Liebe Drang befeuert, Isolde zu mir steuert! – Es naht! Es naht mit mutiger Hast! Sie weht, sie weht – die Flagge am Mast. Das Schiff! Das Schiff! Dort streicht es am Riff! Siehst du es nicht? (Heftig.) Kurwenal, siehst du es nicht? (Als Kurwenal, um Tristan nicht zu verlassen, zögert, und dieser in schweigender Spannung auf ihn blickt, ertönt, wie zu Anfang, näher, dann ferner, die klagende Weise des Hirten.) Kurwenal (niedergeschlagen): Noch ist kein Schiff zu sehn! |
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Tristan (hat mit ahnehmender Aufregung gelauscht und beginnt
nun mit wachsender Schwermut):
Muß ich dich so verstehn, du alte ernste Weise, mit deiner Klage Klang? Durch Abendwehen drang sie bang, als einst dem Kind des Vaters Tod verkündet. Durch Morgengrauen bang und bänger, als der Sohn der Mutter Los vernahm. Da er mich zeugt' und starb, sie sterbend mich gebar. Die alte Weise sehnsuchtbang zu ihnen wohl auch klagend drang, die einst mich frug und jetzt mich frägt: zu welchem Los erkoren ich damals wohl geboren? Zu welchem Los? Die alte Weise sagt mir's wieder: mich sehnen – und sterben! Nein! Ach nein! So heißt sie nicht! Sehnen! Sehnen! Im Sterben mich zu sehnen, vor Sehnsucht nicht zu sterben! Die nie erstirbt, sehnend nun ruft um Sterbens Ruh sie der fernen Ärztin zu. – Sterbend lag ich stumm im Kahn, der Wunde Gift dem Herzen nah: Sehnsucht klagend klang die Weise; den Segel blähte der Wind hin zu Irlands Kind. Die Wunde, die sie heilend schloß, riß mit dem Schwert sie wieder los; das Schwert dann aber – ließ sie sinken; den Gifttrank gab sie mir zu trinken: wie ich da hoffte ganz zu genesen, da ward der sehrendste Zauber erlesen: daß nie ich sollte sterben, mich ew'ger Qual vererben! Der Trank! Der Trank! Der furchtbare Trank! Wie vom Herz zum Hirn er wütend mir drang! Kein Heil nun kann, kein süßer Tod je mich befrein von der Sehnsucht Not; nirgends, ach nirgends find ich Ruh: mich wirft die Nacht dem Tage zu, um ewig an meinen Leiden der Sonne Auge zu weiden. O dieser Sonne sengender Strahl, wie brennt mir das Hirn seine glühende Qual! Für dieser Hitze heißes Verschmachten, ach, keines Schattens kühlend Umnachten! Für dieser Schmerzen schrechliche Pein, welcher Balsam sollte mir Lindrung verleihn? Den furchtbaren Trank, der der Qual mich vertraut, ich selbst – ich selbst, ich hab ihn gebraut! Aus Vaters Not und Mutterweh, aus Liebestränen eh und je – aus Lachen und Weinen, Wonnen und Wunden hab ich des Trankes Gifte gefunden! Den ich gebraut, der mir geflossen, den wonneschlürfend je ich genossen – verflucht sei, furchtbarer Trank! Verflucht, wer dich gebraut! (Er sinkt ohnmächtig zurück.) |
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Kurwenal (der vergebens Tristan zu mäßigen suchte,
schreit entsetzt auf):
Mein Herre Tristan! Schrecklicher Zauber! O Minnetrug! O Liebeszwang! Der Welt holdester Wahn, wie ist's um dich getan! Hier liegt er nun, der wonnige Mann, der wie keiner geliebt und geminnt. Nun seht, was von ihm sie Dankes gewann, was je Minne sich gewinnt! (Mit schluchzender Stimme.) Bist du nun tot? Lebst du noch? Hat dich der Fluch entführt? (Er lauscht seinem Atem.) O Wonne! Nein! Er regt sich, er lebt! Wie sanft er die Lippen rührt! Tristan (langsam wieder zu sich kommend): Das Schiff? Siehst du's noch nicht? Kurwenal: Das Schiff? Gewiß, es naht noch heut; es kann nicht lang mehr säumen. Tristan: Und drauf Isolde, wie sie winkt, wie sie hold mir Sühne trinkt. Siehst du sie? Siehst du sie noch nicht? Wie sie selig, hehr und milde wandelt durch des Meers Gefilde? Auf wonniger Blumen lichten Wogen kommt sie sanft ans Land gezogen. Sie lächelt mir Trost und süße Ruh, sie führt mir letzte Labung zu. Ach, Isolde, Isolde! Wie schön bist du! Und Kurwenal, wie, du sähst sie nicht? Hinauf zur Warte, du blöder Wicht! Was so hell und licht ich sehe, daß das dir nicht entgehe! Hörst du mich nicht? Zur Warte schnell! Eilig zur Warte! Bist du zur Stell'? Das Schiff? Das Schiff? Isoldens Schiff? Du mußt es sehen, mußt es sehen! Das Schiff? Sähst du's noch nicht? |
(Wahrend Kurwenal noch zögernd mit Tristan ringt,
läßt der Hirt von außen die Schalmei ertönen. Kurwenal
springt freudig auf.)
Kurwenal: OWonne! Freude! (Er stürzt auf die Warte und späht aus.) Ha! Das Schiff! Von Norden seh ich's nahen. Tristan (in wachsender Begeisterung): Wußt' ich's nicht? Sagt' ich's nicht, daß sie noch lebt, noch Leben mir webt? Die mir Isolde einzig enthält, wie wär' Isolde mir aus der Welt? Kurwenal (von der Warte zurückrufend, jauchzend): Heiha! Heiha! Wie es mutig steuert! Wie stark der Segel sich bläht! Wie es jagt, wie es fliegt! Tristan: Die Flagge? Die Flagge? Kurwenal: Der Freude Flagge am Wimpel lustig und hell! Tristan (auf dem Lager hoch sich aufrichtend): Hahei! Der Freude! Hell am Tage zu mir Isolde! Isolde zu mir! Siehst du sie selbst? Kurwenal: Jetzt schwand das Schiff hinter dem Fels. Tristan: Hinter dem Riff? Bringt es Gefahr? Dort wütet die Brandung, scheitern die Schiffe! Das Steuer, wer führt's? Kurwenal: Der sicherste Seemann. Tristan: Verriet' er mich? Wär' er Melots Genoß? Kurwenal: Trau ihm wie mir! Tristan: Verräter auch du! Unsel'ger! Siehst du sie wieder? Kurwenal: Noch nicht. Tristan: Verloren! Kurwenal (jauchzend): Heiha! Hei ha ha ha ha! Vorbei! Vorbei! Glücklich vorbei! Tristan (jauchzend): Kurwenal, hei ha ha ha, treuester Freund! Kur wenal. Tristan: All mein Hab und Gut vererb ich noch heut. Kurwenal: Sie nahen im Flug. Tristan: Siehst du sie endlich? Siehst du Isolde? Kurwenal: Sie ist's! Sie winkt! Tristan: O seligstesWeib! Kurwenal: Im Hafen der Kiel! Isolde, ha! Mit einem Sprung springt sie vom Bord ans Land. Tristan: Herab von der Warte, müßiger Gaffer! Hinab! Hinab an den Strand! Hilf ihr! Hilf meiner Frau! Kurwenal: Sie trag ich herauf: trau meinen Armen! Doch du, Tristan, bleib mir treulich am Bett. (Kurwenal eilt fort.) |
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ZWEITER AUFTRITT
Tristan: Isolde: Kurwenal: Tristan (in höchster Aufregung mühend): O diese Sonne! Ha, dieser Tag! Ha, dieser Wonne sonnigster Tag! Jagendes Blut, jauchzender Mut! Lust ohne Maßen, freudiges Rasen! Auf des Lagers Bann wie sie ertragen? Wohl auf und daran, wo die Herzen schlagen! Tristan der Held, in jubelnder Kraft, hat sich vom Tod emporgerafft! (Er richtet sich hoch auf.) Mit blutender Wunde bekämpft' ich einst Morolden, mit blutender Wunde erjag ich mir heut Isolden! (Er reißt sich den Verband der Wunde auf.) Heia, mein Blut! Lustig nun fließe! (Er springt vom Lager herab und schwankt vorwärts.) Die mir die Wunde auf ewig schließe – sie naht wie ein Held, sie naht mir zum Heil! Vergeh die Welt meiner jauchzenden Eil'! (Er taumelt nach der Mitte der Bühne.) Isolde: (von außen): Tristan! Geliebter! Tristan: (in der furchtbarsten Aufregung): Wie, hör ich das Licht? Die Leuchte, ha! Die Leuchte verlischt! Zu ihr! Zu ihr! (lsolde eilt atemlos herein. Tristan, seiner nicht mächtig, stürzt sich ihr schwankend entgegen. In der Mitte der Bühne begegnen sie sich; sie empfängt ihn in ihren Armen. Tristan sinkt langsam in ihren Armen zu Boden.) Isolde: Tristan!Ha! Tristan (sterbend zu ihr aufblickend): Isolde! (Er stirbt.) Isolde: Ha! Ich bin's, ich bin's, süßester Freund! Auf, noch einmal hör meinen Ruf! Isolde ruft: Isolde kam, mit Tristan treu zu sterben. Bleibst du mir stumm? Nur eine Stunde, nur eine Stunde bleibe mir wach! So bange Tage wachte sie sehnend um eine Stunde mit dir noch zu wachen: betrügt Isolden, betrügt sie Tristan um dieses einzige, ewig kurze letzte Weltenglück? Die Wunde? Wo? Laß sie mich heilen! Daß wonnig und hehr die Nacht wir teilen; nicht an der Wunde, an der Wunde stirb mir nicht: uns beiden vereint erlösche das Lebenslicht! Gebrochen der Blick! Still das Herz! Nicht eines Atems flücht'ges Wehn! – Muß sie nun jammernd vor dir stehn, die sich wonnig dir zu vermählen mutig kam übers Meer? Zu spät! Trotziger Mann! Strafst du mich so mit härtestem Bann? Ganz ohne Huld meiner Leidensschuld? Nicht meine Klagen darf ich dir sagen? Nur einmal, ach! nur einmal noch! – Tristan! – Ha! – Horch! Er wacht! Geliebter! (Sie sinkt bewußtlos über der Leiche zusammen.) (Kurwenal war sogleich hinter Isolde zurückgekommen; sprachlos in furchtbarer Erschütterung hat er dem Auftritte beigewohnt und bewegungslos auf Tristan hingestarrt. Aus der Tiefe hört man jetzt dumpfes Gemurmel und Waffengeklirr. Der Hirt kommt über die Mauer gestiegen.) |
DRITTER AUFTRITT
Die Vorigen. Der Hirt. Der Steuermann. Melot. Brangäne: Marke: Ritter und Knappen. Hirt (hastig und leise sich zu Kurwenal wendend): Kurwenal! Hör! Ein zweites Schiff. (Kurwenal fährt heftig auf und blickt über die Brüstung, während der Hirt aus der Ferne erschüttert auf Tristan und Isolde sieht.) Kurwenal (in Wut ausbrechend): Tod und Hölle! Alles zur Hand! Marke und Melot hab ich erkannt. Waffen und Steine! Hilf mir! Ans Tor! (Er eilt mit dem Hirten an das Tor, das sie in der Hast zu verrammeln suchen.) Der Steuermann (stürzt herein): Marke mir nach mit Mann und Volk: vergebne Wehr! Bewältigt sind wir. Kurwenal: Stell dich und hilf! Solang ich lebe, lugt mir keiner herein! Brangänes Stimme (außen, von unten her): Isolde! Herrin! Kurwenal: Brangänes Ruf? (Hinabrufend.) Was suchst du hier? Brangäne: Schließ nicht, Kurwenal! Wo ist Isolde? Kurwenal: Verrät'rin auch du? Weh dir, Verruchte! Melot (außerhalb): Zurück, du Tor! Stemm dich nicht dort! Kurwenal (wütend auflachend): Heiahaha dem Tag, an dem ich dich treffe! (Melot, mit gewaffneten Männern, erscheint unter dem Tor. Kurwenal stürzt sich auf ihn und streckt ihn zu Boden.) Stirb, schändlicher Wicht! Weh mir, Tristan! (Er stirbt.) Brangäne: (noch außerhalb): Kurwenal! Wütender! Hör, du betrügst dich! Kurwenal: Treulose Magd! (Zu den Seinen.) Drauf! Mir nach! Werft sie zurück! (Sie kämpfen.) Marke (außerhalb): Halte, Rasender! Bist du von Sinnen? Kurwenal: Hier wütet der Tod! Nichts andres, König, ist hier zu holen: willst du ihn kiesen, so komm! (Er dringt auf Marke und dessen Gefolge ein.) Marke (unter dem Tor mit Gefolge erscheinend): Zurück! Wahnsinniger! Brangäne (hat sich seitwärts über die Mauer geschwungen und eilt in den Vordergrund): Isolde! Herrin! Glück und Heil! Was seh ich? Ha! Lebst du? Isolde! (Sie müht sich um Isolde: – Marke mit seinem Gefolge hat Kurwenal mit dessen Helfern vom Tore zurückgetrieben und dringt herein.) |
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Marke:
O Trug und Wahn! Tristan, wo bist du? Kurwenal (schwer verwundet, schwankt vor Marke her nach dem Vordergrund): Da liegt er – hier – wo ich – liege. (Er sinkt bei Tristans Füßen zusammen.) Marke: Tristan! Tristan! Isolde! Weh! Kurwenal (nach Tristans Hand lassend): Tristan, Trauter, schilt mich nicht, daß der Treue auch mitkommt! (Er stirbt.) Marke: Tot denn alles! Alles tot! Mein Held, mein Tristan! Trautester Freund, auch heute noch mußt du den Freund verraten? Heut, wo er kommt, dir höchste Treu' zu bewähren? Erwache! Erwache! Erwache meinem Jammer! (Schluchzend über die Leiche sich herabbeugend.) Du treulos treuster Freund! Brangäne (die in ihren Armen Isolde wieder zu sich gebracht): Sie wacht! Sie lebt! Isolde! Hör mich, vernimm meine Sühne! Des Trankes Geheimnis entdeckt' ich dem König: mit sorgender Eil' stach er in See, dich zu erreichen, dir zu entsagen, dir zuzuführen den Freund. Marke: Warum, Isolde, warum mir das? Da hell mir enthüllt, was zuvor ich nicht fassen konnt', wie selig, daß den Freund ich frei von Schuld da fand! Dem holden Mann dich zu vermählen, mit vollen Segeln flog ich dir nach. Doch Unglückes Ungestüm, wie erreicht es, wer Frieden bringt? Die Ernte mehrt' ich dem Tod, der Wahn häufte die Not. Brangäne: Hörst du uns nicht? Isolde! Traute! Vernimmst du die Treue nicht? |
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(Isolde, die nichts um sich her
vernommen, heftet das Auge mit wachsender Begeisterung auf Tristans Leiche.)
Isolde:
Wie das Herz ihm
Hör ich nur
(lsolde sinkt, wie verklärt, in Brangänes Armen sanft auf Tristans Leiche. Rührung und Entrücktheit unter den Umstehenden. Marke segnet die Leichen. Der Vorhang fällt langsam.) |