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Leserbrief zu: "verdiente Ehrung für zwei Böhme-Experten" (Sebastian Beutler), Sächsische Zeitung 9.9.2024, S. 8
Kein Prophet gilt etwas in seiner Heimat, sagte einst Jesus, und ganz besonders gilt das für Jakob Böhme in Görlitz. Ich las mit Begeisterung die "Morgenröte im Aufgang", vor allem während einer Arbeit über Schelling, staunte während meines Studiums über die Hochschätzung, die der Theosoph bei den Philosophen Leibniz, Hegel und Bloch, vor allem aber bei Novalis erfuhr, und musste dann, als ich vor fast 30 Jahren nach Görlitz zog, hören, die Sprache dieses bedeutendsten Bürgers der Stadt sei heute "nur noch schwer zu verstehen". Darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Das Besondere gerade dieser "Sprache" ist doch, dass Böhme einen geradezu sinnlichen Ausdruck für seelische Erlebnisse und geistige Strukturen gefunden hat, die bei den Mystikern des Mittelalters als unbeschreiblich galten. Die "sieben Qualitäten", in denen sich die innergöttlich-ewige Geburt des "Sohnes" im "Vater" zur Natur entfaltet wie die Crescendi in Bruckners Sinfonien, bleiben eben nicht abstrakt, beschränken sich eben nicht auf das eigenschaftslos-ewige "Licht" älterer Mysiker, für das wir Unerleuchtete blind bleiben müssen, sondern werden in der "Morgenröte" sprachlich mit einer Deutlichkeit zur Musik der Natur ausgestaltet, die besonders dadurch noch an Eindringlichkeit gewinnt, dass eine kräftige Bewegung durch sie hindurchgeht wie durch die Bildwerke seiner barocken Zeitgenossen. Nicht starre Schemata, sondern Bewegung und sinnlich-konkrete Entfaltung bestimmen und beschreiben die Geburt der Natur in Gott, so verständlich wie sonst bei keinem anderen, nicht einmal bei den von ihm begeisterten Philosophen Leibniz, Schopenhauer und Hegel.
Hans Zimmermann |
Das bedeutet: Ich bin in den Schriften der Philosophie und in den Basissprachen der Hochkulturen (Hebräisch, Sanskrit, Griechisch, Latein), also in der klassischen Philologie (das ist griechisch für "Zuvielrede, Phrasenliebe, Geschwätz") zuhause. Also in all dem, was die zwölf Körbe dieser 1600 Internetseiten füllt.
Von Platons Dialogen zu Kant, von altindischen Texten, von Buddhareden und Vedanta-Scholastik zu Novalis; erst ganz spät bemerkte ich die Mitte, die zentrale Person in der Synthese von Kant-Exegese und Maya-Theorie, von Erscheinungswelt und Vishnus Traum: Schopenhauer. Musik als Zeitstruktur der Gefühls-Substanz, des erscheinenden Dings an sich, also des Willens selbst. Eine Form der Willenswogen und Wellen. Der alte Wagnerianer des Parsifal-Kommentars im "lapsitexillis" kannte und genoß die Maya-Diskussion im zweiten Akt des Tristan, und das Verwehen Isoldes im Nichts, "in des Weltatems wehendem All, versinken, ertrinken, unbewußt, höchste Lust"; dieser berauschte Hörer las doch lange schon Shankara, übersetzte Buddha, die Mystik der Bhagavad-Gita, rückte Nietzsches "Geburt der Tragödie" in den Korb ein, der "mosaiken" heißt. Die Mitte von all dem ist Schopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung", das Richard Wagner in einem einzigen Jahr viermal hintereinander gelesen hat. Und dann schrieb er den Tristan: "SELBST dann bin ich die Welt!" Und eben nur eines, dasselbe Selbst beider (wie aller): In dem sehnsüchtigen Sog der Magd auf dem Bewußtseins-Wachturm, wie Isolde und Tristan sie hören: als hörten wir Brangänes "Wache" in der todestief-berauschten Trance der dahinschmelzenden Liebenden.
und mit über 2000 Gedichten aus den
letzten zehn Jahren
http://12koerbe.de/hansz/dicht.htm
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