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PERSONEN
Tristan (Tenor) König Marke (Baß) Isolde (Sopran) Kurwenal (Bariton) Melot (Tenor) Brangäne (Sopran) Ein Hirt (Tenor) Ein Steuermann (Bariton) Ein junger Seemann (Tenor) Schiffsvolk. Ritter und Knappen Frauen aus Isoldes Gefolge SCHAUPLATZ Erster Aufzug: Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der Überfahrt von Irland nach Komwall. Zweiter Aufzug: In der königlichen Burg Markes in Kornwall. Dritter Aufzug: Tristans Burg in der Bretagne. URAUFFÜHRUNG: 10.Juni 1865 im Hof- und Nationaitheater in München ORIGINAL-ORCHESTERBESETZUNG: Streichinstrumente:
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Als "organisch", wenn auch eher im menschlichen Empfindungsraum als im Feld der biologischen Struktur, kann man wohl die Zielgerichtetheit, die Erwartung einer Spannungslösung durch die Motivdurchführung, die Melodien und die zugrundeliegende Harmonik hindurch ansehen, wobei gerade die "unendliche Melodie" diese Ziele und Erwartungen systematisch offenhält... so daß gerade dieses Kriterium der Zielgerichtetheit mehr am hörenden Subjekt als an der Musik selbst Geltung hat. Die akustischen Ereignisse, die als musikalische Motive gestaltet sind, haben weniger eine materiale als eine Empfindungs- Erregungs- und Handlungs-Füllung ihrer zeitlichen Gestalt, wie auch sprachliche Äußerungen im Gesprächswechsel. So können keine reizbaren oder räumlich bewegbaren (äußeren) Substanzen zugrundeliegen, sondern die Reize, Bewegungen und Empfindungen selbst bilden die (unterste, materiale) Basis. Es knospen auch keine stofflichen Gebilde aus, sondern Motive aus Motiven, nämlich aus der offengehaltenen Erwartungsspannung im funktionalen Gefüge der Harmonien, wie Sätze aus den ungesättigten Valenzen der Prädikate vorhergehender Sätze bzw. wie Antworten aus der Fragespannung, aber im Sprecherwechsel bzw. im Wechsel der Hin- und Her-Überlegungen des inneren Sprechens, des Denkens. Bloß durchtönende Tonika, vielleicht noch mit etwas Dominante, das wäre ein "Klangkristall", nicht besonders organisch; aber die seelische Erregung, die empfindungsgesättigte und erwartungsgespannte Handlung, die in Motiven gestaltet ist, kann durch Modulationsschritte und gesprächsartige Kontrapunktik zu einer Art Fortpflanzung gebracht werden, ist selbst bewegt und bewegend, geht aus Spannung hervor und reizt weitere Spannung an, ja enthält in den Modulationswendeltreppen (so insbesondere bei Isoldes "Liebestod"-Verwandlung in die reine Musik des "Weltatems") oft genug einen immer weitertreibenden KEIMKEGEL ihres Wachtums, gerade durch die unendliche Melodie. Die klangliche "Übergangs"-Arbeit, durch die Instrumentalgruppen des Orchesters fließend, entkoppelt diese endlos sich steigernde, aufblühende, sich fortpflanzende Offenhaltung der harmonisch-funktionalen Erwartung allerdings von den materialen Instrumentalisten. Aber vielleicht ist auch eine Pflanze primär ein zeitliches Geschehen, und was wir als räumliche Ausprägung dieses Geschehens von ihr sehen, wäre dann nur der stehengebliebene Rest des permanenten Sprießens, Sichwandelns, Sichentwickelns aus dem Lebenszentrum des Keimkegels? Die Formung saugt sich ihre Materien gewissermaßen an, läßt sie durch sich hindurchströmen. Auf jeden Fall ist der Genotyp stabiler als der Phänotyp. Und vielleicht sind Tiere primär Empfindungswesen, an Materien organisiert? Ganz gewiß ("selbst-verständlich") sind wir Menschen Bewußtseinswesen, die sich der Körper bedienen und ihre Handlungsziele geistig, willentlich, veränderungskräftig frei setzen können. |
ORCHESTERVORSPIEL
(Langsam und schmachtend 6/8) ERSTER AUFZUG
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Handlungsbewußtsein
erfüllt uns ganz, daraus bestehen wir, aus diesem Ozean steigen die
Wogen, Wellen und Luftperlen der Musik auf.
Also ja: Das "fragende" Motiv des Tristanvorspiels ist organisch, wenn der permanente, immerfort lebendige Keimkegel der harmonischen Modulationen von Variation zu Variation, von Metamorphose zu Metamorphose (na, wenn das nicht schon organische Ausgestaltung heißt!), von Öffnung zu Öffnung, von Fortpflanzung zu Fortpflanzung das eigentliche Kriterium ist. Es ist nicht organisch, wenn Plasmagelee das Kriterium ist (obwohl die weichen Klangwandlungen gelegentlich etwas davon an sich haben...) Wenn musikalische Motive organisch sein können, dann desweiteren auch sprachliche Wachstümlichkeiten und Knospungen, etwa in Fragen, oder überhaupt im sinnfortpflanzenden Verstehen, sei es zwischen den Menschen, sei es im lebendigen Denken. Anorganisch, mineralisch, unlebendig, tot – sind sie jedenfalls nicht. |
ERSTER AUFTRITT
Isolde: Brangäne: Stimme eines jungen Seemanns. Stimme eines jungen Seemanns (aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar):
schweift der Blick: ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! Irische Maid, du wilde, minnige Maid! Isolde (jäh auffahrend):
Brangäne (an der Öffnung):
stiegen im Westen auf; sanft und schnell segelt das Schiff: auf ruhiger See vor Abend erreichen wir sicher das Land. WelchesLand? Brangäne: Kornwalls grünen Strand. Isolde: Nimmermehr! Nicht heut noch morgen! Brangäne (läßt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde): Was hör ich? Herrin! Ha! Isolde (wild vor sich hin):
Unwert der Ahnen! Wohin, Mutter, vergabst du die Macht, über Meer und Sturm zu gebieten? O zahme Kunst der Zauberin, die nur Balsamtränke noch braut! Erwache mir wieder, kühne Gewalt; herauf aus dem Busen, wo du dich bargst! Hört meinen Willen, zagende Winde! Heran zu Kampf und Wettergetös! Zu tobender Stürme wütendem Wirbel! Treibt aus dem Schlaf dies träumende Meer, weckt aus dem Grund seine grollende Gier! Zeigt ihm die Beute, die ich ihm biete! Zerschlag es dies trotzige Schilf, des zerschellten Trümmer, verschling's! Und was auf ihm lebt, den wehenden Atem, den laß ich euch Winden zum Lohn! Brangäne (im außersten Schreck, um Isolde sich bemühend):
Ach! Ach des Übels, das ich geahnt! Isolde! Herrin! Teures Herz! Was bargst du mir so lang? Nicht eine Träne weintest du Vater und Mutter; kaum einen Gruß den Bleibenden botest du. Von der Heimat scheidend kalt und stumm, bleich und schweigend auf der Fahrt; ohne Nahrung, ohne Schlaf; starr und elend, wild verstört: wie ertrug ich, so dich sehend, nichts dir mehr zu sein, fremd vor dir zu stehn? Oh, nun melde, was dich müht? Sage, künde, was dich quält? Herrin Isolde, trauteste Holde, soll sie wert sich dir wähnen, vertraue nun Brangänen! Isolde:
Mir erstickt das Herz! Öffne! Öffne dort weit! (Brangäne zieht eilig die Vorhange in der Mitte auseinander.) |
"... Diese freudige Notwendigkeit der Traumerfahrung ist gleichfalls von den Griechen in ihrem Apollo ausgedrückt worden: Apollo, als der Gott aller bildnerischen Kräfte, ist zugleich der wahrsagende Gott. Er, der seiner Wurzel nach der "Scheinende", die Lichtgottheit ist, beherrscht auch den schönen Schein der inneren Phantasie-Welt. Die höhere Wahrheit, die Vollkommenheit dieser Zustände im Gegensatz zu der lückenhaft verständlichen Tageswirklichkeit, sodann das tiefe Bewußtsein von der in Schlaf und Traum heilenden und helfenden Natur ist zugleich das symbolische Analogon der wahrsagenden Fähigkeit und überhaupt der Künste, durch die das Leben möglich und lebenswert gemacht wird. Aber auch jene zarte Linie, die das Traumbild nicht überschreiten darf, um nicht pathologisch zu wirken, widrigenfalls der Schein als plumpe Wirklichkeit uns betrügen würde – darf nicht im Bilde des Apollo fehlen: jene maßvolle Begrenzung, jene Freiheit von den wilderen Regungen, jene weisheitsvolle Ruhe des Bildnergottes. Sein Auge muß "sonnenhaft", gemäß seinem Ursprunge, sein; auch wenn es zürnt und unmutig blickt, liegt die Weihe des schönen Scheines auf ihm. Und so möchte von Apollo in einem exzentrischen Sinne das gelten, was Schopenhauer von dem im Schleier der Maja befangenen Menschen sagt. Welt als Wille und Vorstellung I, S. 416:
heulend Wellenberge erhebt und senkt,
An derselben Stelle hat uns Schopenhauer das ungeheure Grausen geschildert, welches den Menschen ergreift, wenn er plötzlich an den Erkenntnisformen der Erscheinung irre wird, indem der Satz vom Grunde, in irgend einer seiner Gestaltungen, eine Ausnahme zu erleiden scheint. Wenn wir zu diesem Grausen die wonnevolle Verzückung hinzunehmen, die bei demselben Zerbrechen des principii individuationis aus dem innersten Grunde des Menschen, ja der Natur emporsteigt, so tun wir einen Blick in das Wesen des Dionysischen, das uns am nächsten noch durch die Analogie des Rausches gebracht wird. Entweder durch den Einfluss des narkotischen Getränkes, von dem alle ursprünglichen Menschen und Völker in Hymnen sprechen, oder bei dem gewaltigen, die ganze Natur lustvoll durchdringenden Nahen des Frühlings erwachen jene dionysischen Regungen, in deren Steigerung das Subjektive zu völliger Selbstvergessenheit hinschwindet..." |
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ZWEITER AUFTRITT
Die Vorigen. Tristan: Kurwenal: Schiffsvolk, Ritter und Knappen. Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert; von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal: Stimme des jungen Seemanns (vom Maste her, aus der Höhe):
der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! Isolde (deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheflet blieb, dumpf für sich):
mir verloren, hehr und heil, kühn und feig! Todgeweihtes Haupt! Todgeweihtes Herz! Was hältst du von dem Knechte? Brangäne (ihrem Blicke folgend): Wen meinst du? Isolde
der meinem Blick den seinen birgt, in Scham und Scheue abwärts schaut. Sag, wie dünkt er dich? Brangäne
teure Frau, dem Wunder aller Reiche, dem hochgepriesnen Mann, dem Helden ohne Gleiche, des Ruhmes Hort und Bann? Isolde (sie verhöhnend):
sich flüchtet, wo er kann, weil eine Braut er als Leiche für seinen Herrn gewann! Dünkt es dich dunkel, mein Gedicht? Frag ihn denn selbst, den freien Mann, ob mir zu nahn er wagt? Der Ehren Gruß und zücht'ge Acht vergißt der Herrin der zage Held, daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche, den Helden ohne Gleiche! Oh, er weiß wohl, warum! Zu dem Stolzen geh, meld ihm der Herrin Wort: Meinem Dienst bereit, schleunig soll er mir nahn. Brangäne: Soll ich ihn bitten, dich zu grüßen? Isolde:
dem Eigenholde Furcht der Herrin ich, Isolde! |
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(Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne
und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den
arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht
sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während
des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet.)
Kurwenal (der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande): Hab acht, Tristan! Botschaft von Isolde: Tristan (auffahrend): Was ist? Isolde? – (Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt.) Von meiner Herrin? Ihr gehorsam was zu hören meldet höfisch mir die traute Magd? Brangäne: Mein Herre Tristan, Euch zu sehen wünscht Isolde, meine Frau. Tristan:
die geht zu End'; eh noch die Sonne sinkt, sind wir am Land. Was meine Frau mir befehle, treulich sei's erfüllt. Brangäne: So mög' Herr Tristan zu ihr gehn: das ist der Herrin Will'. Tristan:
dem Blick noch blau sich färben, harrt mein König meiner Frau: zu ihm sie zu geleiten, bald nah ich mich der Lichten; keinem gönnt' ich diese Gunst. Brangäne: Mein Herre Tristan, höre wohl: deine Dienste will die Frau, daß du zur Stell' ihr nahtest dort, wo sie deiner harrt. Tristan:
wo ich steh, getreulich dien ich ihr, der Frauen höchster Ehr'; ließ' ich das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' ich sicher den Kiel zu König Markes Land? Brangäne:
was höhnst du mich? Dünkt dich nicht deutlich die tör'ge Magd, hör meiner Hernn Wort! So, hieß sie, sollt' ich sagen: Befehlen ließ' dem Eigenholde Furcht der Herrin sie, Isolde: Kurwenal (aufspringend): Darf ich die Antwort sagen? Tristan (ruhig): Was wohl erwidertest du? Kurwenal:
der Frau Isold'! Wer Komwalls Kron' und Englands Erb' an Irlands Maid vermacht, der kann der Magd nicht eigen sein, die selbst dem Ohm er schenkt. Ein Herr der Welt Tristan der Held! Ich ruf's: du sag's, und grollten mir tausend Frau Isolden!
in Komwall Zins zu haben; ein Eiland schwimmt auf ödem Meer, da liegt er nun begraben! Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: Hei! Unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann!' Alle Männer.
im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: Hei! Unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann! |
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DRITTER AUFTRITT
Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. – Isolde erhebt sich mit verzweiflungsvoller Wutgebärde. Brangäne stürzt ihr zu Füßen. Brangäne: Weh,ach wehe! Dies zu dulden! Isolde (dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend): Doch nun von Tristan! Genau will ich's vernehmen. Brangäne: Ach, frage nicht! Isolde: Frei sag's ohne Furcht! Brangäne: Mit höf'schen Worten wich er aus. Isolde: Doch als du deutlich mahntest? Brangäne:
ihn zu dir rief: wo er auch steh', so sagte er, getreuhlich dien' er ihr, der Frauen höchster Ehr'; ließ' er das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land? Isolde (schmerzlich bitter): "Wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land?" (Grell und heflig.) Den Zins ihm auszuzahlen, den er aus Irland zog! Brangäne: Auf deine eignen Worte, als ich ihm die entbot, ließ seinen Treuen Kurwenal – |
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Isolde:
kein Wort, das mir entging. Erfuhrest du meine Schmach, nun höre, was sie mir schuf. Wie lachend sie mir Lieder singen, wohl könnt' auch ich erwidern von einem Kahn, der klein und arm an Irlands Küste schwamm, darinnen krank ein siecher Mann elend im Sterben lag. Isoldes Kunst ward ihm bekannt; mit Heilsalben und Balsamsaft der Wunde, die ihn plagte, getreulich pflag sie da. Der "Tantris" mit sorgender List sich nannte, als Tristan Isold' ihn bald erkannte, da in des Müß'gen Schwerte eine Scharte sie gewahrte, darin genau sich fügt' ein Splitter, den einst im Haupt des Iren-Ritter, zum Hohn ihr heimgesandt, mit kund'ger Hand sie fand. Da schrie's mir auf aus tiefstem Grund! Mit dem hellen Schwert ich vor ihm stund, an ihm, dem Überfrechen, Herrn Morolds Tod zu rächen. Von seinem Lager blickt' er her – nicht auf das Schwert, nicht auf die Hand – er sah mir in die Augen. Seines Elendes jammerte mich! – Das Schwert – ich ließ es fallen! Die Morold schlug, die Wunde, sie heilt' ich, daß er gesunde und heim nach Hause kehre, mit dem Blick mich nicht mehr beschwere! Brangäne: O Wunder! Wo hatt' ich die Augen? Der Gast, den einst ich pflegen half? Isolde:
"Hei! Unser Held Tristan" – der war jener traur'ge Mann. Er schwur mit tausend Eiden mir ew'gen Dank und Treue! Nun hör, wie ein Held Eide hält! Den als Tantris unerkannt ich entlassen, als Tristan kehrt' er kühn zurück; auf stolzem Schiff, von hohem Bord, Irlands Erbin begehrt' er zur Eh' für Komwalls müden König, für Marke, seinen Ohm. Da Morold lebte, wer hätt' es gewagt uns je solche Schmach zu bieten? Für der zinspflicht'gen Kornen Fürsten um Irlands Krone zu werben! Ach, wehe mir! Ich ja war's, die heimlich selbst die Schmach sich schuf! Das rächende Schwert, statt es zu schwingen, machtlos ließ ich's fallen! Nun dien ich dem Vasallen! Brangäne: Da Friede, Sühn' und Freundschaft von allen ward beschworen, wir freuten uns all' des Tags; wie ahnte mir da, daß dir es Kummer schüf'? Isolde:
blöde Herzen! Zahmer Mut, verzagtes Schweigen! Wie anders prahlte Tristan aus, was ich verschlossen hielt! Die schweigend ihm das Leben gab, vor Feindes Rache ihn schweigend barg; was stumm ihr Schutz zum Heil ihm schuf – mit ihr gab er es preis! Wie siegprangend heil und hehr, laut und hell wies er auf mich: "Das wär' ein Schatz, mein Herr und Ohm; wie dünkt Euch die zur Eh'? Die schmucke Irin hol ich her; mit Steg' und Wegen wohlbekannt, ein Wink, ich flieg nach Irenland: Isolde, die ist Euer! Mir lacht das Abenteuer!" Fluch dir, Verruchter! Fluch deinem Haupt! Rache! Tod! Tod uns beiden! |
FÜNFTER AUFTRITT
Tristan: Isolde: Brangäne: Später Kurwenal, Schiffsvolk, Ritter und Knappen. Kurwenal geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund. Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich stützend sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. – Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingange stehen. – lsolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick versunken. – Langes Schweigen. Tristan: Begehrt, Herrin, was Ihr wünscht. Isolde: Wüßtest du nicht, was ich begehre, da doch die Furcht, mir's zu erfüllen fern meinem Blick dich hielt? Tristan: Ehrfurcht hielt mich in Acht. Isolde: Der Ehre wenig botest du mir; mit offnem Hohn verwehrtest du Gehorsam meinem Gebot. Tristan: Gehorsam einzig hielt mich in Bann. Isolde: So dankt' ich Geringes deinem Herrn, riet dir sein Dienst Unsitte gegen sein eigen Gemahl? Tristan: Sitte lehrt, wo ich gelebt: zur Brautfahrt der Brautwerber meide fern die Braut. Isolde: Aus welcher Sorg'? Tristan: Fragt die Sitte! Isolde: Da du so sittsam, mein Herr Tristan, auch einer Sitte sei nun gemahnt: den Feind dir zu sühnen soll er als Freund dich rühmen. Tristan: Und welchen Feind? Isolde: Frag deine Furcht! Blutschuld schwebt zwischen uns. Tristan: Die ward gesühnt. Isolde: Nicht zwischen uns! Tristan: Im offnen Feld vor allem Volk ward Urfehde geschworen. Isolde: Nicht da war's, wo ich Tantris barg, wo Tristan mir verfiel. Da stand er herrlich, hehr und heil; doch was er schwur, das schwur ich nicht: zu schweigen hatt' ich gelernt. Da in stiller Kammer krank er lag, mit dem Schwerte stumm ich vor ihm stund: schwieg da mein Mund, bannt' ich meine Hand – doch was einst mit Hand und Mund ich gelobt, das schwur ich schweigend zu halten. Nun will ich des Eides walten. Tristan: Was schwurt Ihr, Frau? Isolde: Rache für Morold! Tristan: Müht Euch die? Isolde: Wagst du zu höhnen? Angelobt war er mir, der hehre Irenheld; seine Waffen hatt' ich geweiht; für mich zog er zum Streit. Da er gefallen, fiel meine Ehr': in des Herzens Schwere schwur ich den Eid, würd' ein Mann den Mord nicht sühnen, wollt' ich Magd mich des erkühnen. Siech und matt in meiner Macht, warum ich dich da nicht schlug? Das sag dir selbst mit leichtem Fug. Ich pflag des Wunden, daß den Heilgesunden rächend schlüge der Mann, der Isolden ihm abgewann. Dein Los nun selber magst du dir sagen! Da die Männer sich all ihm vertragen, wer muß nun Tristan schlagen? Tristan (bleich und düster): War Morold dir so wert, nun wieder nimm das Schwert und führ es sicher und fest, daß du nicht dir's entfallen läßt! (Er reicht ihr sein Schwert dar.) Isolde: Wie sorgt' ich schlecht um deinen Herren; was würde König Marke sagen, erschlug' ich ihm den besten Knecht, der Kron' und Land ihm gewann, den allertreusten Mann? Dünkt dich so wenig, was er dir dankt, bringst du die Irin ihm als Braut, daß er nicht schölte, schlüg' ich den Werber, der Urfehde-Pfand so treu ihm liefert zur Hand? Wahre dein Schwert! Da einst ich's schwang, als mir die Rache im Busen rang, als dein messender Blick mein Bild sich stahl, ob ich Herrn Marke taug als Gemahl: Das Schwert – da ließ ich's sinken Nun laß uns Sühne trinken' |
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(Sie winkt Brangäne: Diese schaudert schwankt und
zögert in ihrer Bewegung. Isolde treibt sie mit gesteigerter Gebärde
an. Brangäne laßt sich zur Bereitung des Trankes an.)
Schiffsvolk (von außen): Ho! He! Ha! Hei Am Obermast die Segel ein! Hoi Hei Hai Hei Tristan (aus düsterem Brüten auffahrend): Wo sind wir? Isolde: Hart am Ziel! Tristan, gewinn ich Sühne? Was hast du mir zu sagen? Tristan (finster): Des Schweigens Herrin heißt mich schweigen: faß ich, was sie verschwieg, verschweig ich, was sie nicht faßt. Isolde: Dein Schweigen faß ich, weichst du mir aus. Weigerst du die Sühne mir? Schiffsvolk (vonaußen): Hoi Hei Hai Hei (Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht Brangäne ihr die gefüllteTrinkschale.) Isolde (mit dem Becher zu Tristan tretend, der ihr starr in die Augen blickt): Du hörst den Ruf? Wir sind am Ziel. In kurzer Frist stehn wir (mit leisem Hohne) vor König Marke: Geleitest du mich, dünkt dich's nicht lieb, darfst du so ihm sagen: "Mein Herr und Ohm, sieh die dir an: ein sanfires Weib gewännst du nie. Ihren Angelobten erschlug ich ihr einst, sein Haupt sandt' ich ihr heim; die Wunde, die seine Wehr mir schuf, die hat sie hold geheilt. Mein Leben lag in ihrer Macht: das schenkte mir die holde Magd, und ihres Landes Schand und Schmach die gab sie mit darein, dein Ehgemahl zu sein. So guter Gaben holden Dank schuf mir ein süßer Sühnetrank; den bot mir ihre Huld, zu sühnen alle Schuld." Schiffsvolk (außen): Auf das Tau! Anker los! Tristan (wild auffahrend): Los den Anker! Das Steuer dem Strom! Den Winden Segel und Mast! (Er entreißt ihr die Trinkschale.) Wohl kenn ich Irlands Königin und ihrer Künste Wunderkraft. Den Balsam nützt' ich, den sie bot: den Becher nehm ich nun, daß ganz ich heut genese. Und achte auch des Sühneeids, den ich zum Dank dir sage! Tristans Ehre – höchste Treu'! Tristans Elend – kühnster Trotz! Trug des Herzens! Traum der Ahnung! Ew'ger Trauer einz'ger Trost: Vergessens güt'ger Trank, dich trink ich sonder Wank! (Er setzt an und trinkt.) Isolde: Betrug auch hier? Mein die Hälfte! (Sie entwindet ihm den Becher.) Verräter! Ich trink sie dir! |
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(Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. Beide, von
Schauer erfaßt, blicken sich mit höchster Aufregung, doch mit
starrer Haltung, unverwandt in die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz
bald der Liebesglut weicht. Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhafl
an das Herz und führen die Hand wieder an die Stirn. Dann suchen sie
sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften ihn wieder mit
steigender Sehnsucht aufeinander.)
Isolde (mit bebender Stimme): Tristan! Tristan (überströmend): Isolde! Isolde (an seine Brust sinkend): Treuloser Holder! Tristan (mit Glut sie umfassend): Seligste Frau! (Sie verbleiben in stummer Umarmung. Aus der Ferne vernimmt man Trompeten.) Ruf der Männer (von außen auf dem Schiffe): Heil! König Marke Heil! Brangäne (die, mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung versunkenen Paares zu und stürzt händeringend voll Verzweißung in den Vordergrund): Wehe! Weh! Unabwendbar ewge Not für kurzen Tod! Tör'ger Treue trugvolles Werk blüht nun jammernd empor! (Tristan und Isolde fahren aus der Umarmung auf) Tristan (verwirrt): Was träumte mir von Tristans Ehre? Isolde: Was träumte mir von Isoldes Schmach? Tristan: Du mir verloren? Isolde: Du mich verstoßen? Tristan: Trügenden Zaubers tückische List! Isolde: Törigen Zürnens eitles Dräun! Tristan: Isolde! Isolde: Tristan! Tristan: Süßeste Maid! Isolde: Trautester Mann! Beide. Wie sich die Herzen wogend erheben! Wie alle Sinne wonnig erbeben! Sehnender Minne schwellendes Blühen, schmachtender Liebe seliges Glühen! jach in der Brust jauchzende Lust! Isolde! Tristan! Welten-entronnen, du mir gewonnen! Du mir einzig bewußt, höchste Liebeslust! (Die Vorhange werden weit auseinandergerissen; das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk bedeckt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt. – Tristan und Isolde bleiben, in ihrem gegenseitigen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie Vorgehenden.) Brangäne (zu den Frauen, die auf ihren Wink aus dem Schiffsraum heraufsteigen): Schnell, den Mantel, den Königsschmuck! (Zwischen Tristan und Isolde stürzend.) Unsel'ge! Auf! Hört, wo wir sind! (Sie legt Isolde, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an.) Alle Männer. Heil! Heil! Heil! König Marke Heil! Heil dem König! Kurwenal (lebhafl herantretend): Heil Tristan, glücklicher Held! Mit reichem Hofgesinde dort auf Nachen naht Herr Marke: Hei, wie die Fahrt ihn freut, daß er die Braut sich freit! Tristan (in Verwirrung aufblickend): Wer naht? Kurwenal: DerKönig! Tristan: Welcher König? (Kurwenal deutet über Bord.) Alle Männer (die Hüte schwenkend): Heil! König Marke Heil! (Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande.) Isolde (in Verwirrung): Was ist, Brangäne? Welcher Ruf? Brangäne: Isolde! Herrin! Fassung nur heut! Isolde: Wo bin ich? Leb ich? Ha! Welcher Trank? Brangäne (verzweiflungsvoll): Der Liebestrank. Isolde (starrt entsetzt auf Tristan): Tristan! Tristan: Isolde! Isolde: – Muß ich leben? (Sie stürzt ohnmachtig an seine Brust.) Brangäne (zu den Frauen): Helft der Herrin! Tristan: O Wonne vollerTücke! O truggeweihtes Glücke! Alle Männer (Ausbruch allgemeinen Jauchzens): Heil dem König! Kornwall Heil! (Trompeten vom Lande her.) (Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Brücke ausgelegt, und die Haltung aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten, als der Vorhang schnell fallt.) |