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Urloup nam dô
Tristan 11480
und al sîn hut hie unde dort. si schieden ze Weisefort mit michelen vröuden abe. nu volgete ime unz in die habe durch Îsôte minne 11485 künec unde küniginne und al ir massenîe. sîn unverwinde amîe, sîn unverwantiu herzenôt, diu liehte wunneclîche Îsôt 11490 diu was im z'allen zîten weinende an der sîten. ir vater, ir muoter beide vertriben mit manegem leide die selben kurzen stunde. 11495 manec ouge dâ begunde riezen unde werden rôt. Îsôt was maneges herzen nôt. si bar vil manegem herzen tougenlîchen smerzen. 10500 diu weineten genôte ir ougen wunne, Îsôte. dâ was gemeine weine. dâ weineten gemeine vil herzen und vil ougen 11505 offenlîchen unde tougen. und aber Îsôt und aber Îsôt, diu sunne unde ir morgenrôt, und ouch daz volmaene, diu schoene Brangaene, dô si sich muosen scheiden, diu eine von den beiden, dô sach man jâmer unde leit. diu getriuwelîche sicherheit schiet sich mit manegem leide. Îsôt kuste si beide dicke und ze manegem mâle. Nu die von Curnewâle unde ouch Îrlandaere, der vrouwen volgaere, 11520 alle ze schiffe wâren komen und haeten urloup genomen. Tristan der gie ze jungest în. diu liehte junge künigîn, diu bluome von Îrlant, 11525 Îsôt diu gieng im an der hant trûric unde sêre unvrô. si zwei si nigen dem lande dô und bâten den gotes segen der liute unde des landes pflegen. 11530 si stiezen an und vuoren dan. mit hôher stimme huoben s'an und sungen eines unde zwir: »in gotes namen varen wir« und strichen allez hinewart. 11535 |
Dann verabschiedeten sich Tristan 11480
und all seine Mannschaft hier und da. Sie schieden von Wexford mit großer Freude. Bis zum Hafen folgten ihm aus Liebe zu Isolde 11485 König und Königin und ihr ganzes Gefolge. Seine unvermutete Geliebte, seine beständige Herzensqual, die lichte, wonnigliche Isolde, 11490 die war ihm zu allen Zeiten weinend an der Seite. Ihr Vater und ihre Mutter, beide verbrachten mit vielem Leid diesen kurzen Augenblick. 11495 Viele Augen begannen da, zu tränen und sich zu röten. Isolde bekümmerte viele im Herzen. Sie bereitete sehr vielen Herzen heimlichen Schmerz. Sie weinten unablässig um die Wonne ihrer Augen. Es erhob sich allgemeines Weinen. Gemeinsam weinten da viele Herzen und Augen öffentlich und in der Stille. Und als Isolde und Isolde, die Sonne und ihr Morgenrot, und auch das Vollmondlicht, die schöne Brangäne, sich trennen mußten, die eine von den beiden, da sah man Jammer und Leid. Die treuen Freundinnen trennten sich unter großem Leid. Isolde küßte sie beide oft und viele Male. Als die aus Cornwall und auch die Iren, das Gefolge der Damen 11520 alle an Bord der Schiffe gestiegen waren und Abschied genommen hatten, ging Tristan als letzter hinauf. Die strahlende junge Königin, die Blüte von Irland, 11525 Isolde, die ging an seiner Hand traurig und sehr unglücklich. Die beiden verbeugten sich zum Ufer hin und erbaten Gottes Segen für das Volk und das Wohl des Landes. 11530 Sie stießen ab und fuhren fort. Mit lauter Stimme huben sie an und sangen einmal und noch einmal »In Gottes Namen fahren wir« und segelten alle davon. 11535 |
Nu was den vrouwen
zuo z'ir vart
mit Tristandes râte ein kielkemenâte nâch heinlîcher sache gegeben zuo z'ir gemache. 11540 dâ was diu küniginne mit ir juncvrouwen inne und mit in lützel kein man wan underwîlen Tristan. der gîe wîlent dar în 11545 und trôste die künigîn, dâ sie weinende saz. diu weinde unde clagete daz, daz s'alsô von ir lande, dâ sî die liute erkande, 11550 und von ir vriunden allen schiet und vuor mit der unkunden diet, sine wiste war oder wie. sô trôste sî Tristan ie, 11555 sô er suozeste kunde. ze iegelîcher stunde, alse er zuo z'ir triure kam, zwischen sîn arme er si nam vil suoze unde lîse und niuwan in der wîse, 11560 als ein man sîne vrouwen sol. der getriuwe der versach sich wol, daz er der schoenen waere ein senfte zuo z'ir swaere. |
Nun war den Damen zu ihrer Fahrt
auf Tristans Anweisung eine Schiffskemenate als Privatraum als ihr Gemach gegeben worden. 11540 Darin war die Königin mit ihren Mädchen und außer ihnen kein Mann außer zuweilen Tristan. der ging zuweilen hinein 11545 und tröstete die Königin, die weinend dasaß. Sie weinte und jammerte darüber, daß sie so von ihrer´m Lande, wo sie die Menschen kannte, 11550 und von ihren Freunden Abschied nehmen und mit Unbekannten fahren mußte, sie wußte nicht, wohin und wie. Tristan tröstete sie immer, so zartlich er nur konnte. 11555 Zu jeglicher Stunde, wenn er zu ihrer Trauer hinzukam, nahm er sie in seine Arme ganz zart und leise und nicht anders als in der Weise, 11560 wie ein Gefolgsmann es mit seiner Herrin tun soll. Der Getreue trug Sorge, daß er der Schönen sei eine Besänftigung ihres Kummers. |
und alse dicke als ez ergie, 11565
daz er sîn arme an sî verlie, sô gedâhte ie diu schoene Îsôt an ir oeheimes tôt und sprach ie danne wider in: »lât stân, meister, habet iuch hin, 11570 tuot iuwer arme hin dan! ir sît ein harte müelîch man. war umbe rüeret ir mich?« »ei schoene, missetuon ich?« 11575 »jâ ir, wan ich bin iu gehaz.« »saeligiu« sprach er »umbe waz?« »ir sluoget mînen oehein.« »deist doch versüenet.« »des al ein: ir sît mir doch unmaere, wan ich waere âne swaere 11580 und âne sorge, enwaeret ir. ir alterseine habet mir disen kumber allen ûf geleit mit pârât und mit kündekeit. waz hât iuch mir ze schaden gesant 11585 von Curnewâle in Îrlant? die mich von kinde hânt erzogen, den habet ir mich nu an ertrogen und vüeret mich, in weiz wâ hin. ine weiz, wie ich verkoufet bin, 11590 und enweiz ouch, waz mîn werden sol« »Nein schoene Îsôt, gehabet iuch wol. jâ muget ir michel gerner sîn in vremede ein rîchiu künigîn dan in der künde arm unde swach. 11595 in vremedem lande êre unde gemach und schame in vater rîche, diu smeckent ungelîche.« »jâ meister Tristan« sprach diu maget »ich naeme ê, swaz ir mir gesaget, 11600 eine maezlîche sache mit liebe und mit gemache dan ungemach und arbeit bî micheler rîcheit.« »ir redet wâr« sprach Tristan; 11605 »swâ man aber gehaben kan die rîcheit bî gemache, die saeligen zwô sache die loufent baz gemeine dan ietwedere al eine. 11610 nu sprechet, waere ez dâ zuo komen, daz ir müeset hân genomen den truhsaezen ze manne, wie vüere ez aber danne? ich weiz wol, sô waeret ir vrô. 11615 und danket ir mir danne alsô, daz ich iu kam ze trôste und iuch von ime erlôste?« »des wirt iu spâte« sprach diu maget »von mir iemer danc gesaget. 11620 wan lôstet ir mich von im dô, ir habet mich aber sider sô verclüteret mit swaere, daz mir noch lieber waere der truhsaeze ze man genomen, 11625 dan ich mit iu waere ûz komen. wan swie tugendelôs er sî, waere er mir keine wîle bî, er lieze sîne untugent durch mich. got weiz, dar an erkante ouch ich, 11630 daz ich im liep waere.« Tristan sprach: »disiu maere sint mir ein âventiure. daz wider der natiure kein herze tugentlîche tuo, 11635 dâ gehoeret michel arbeit zuo. ez hât diu werlt vür eine lüge, daz iemer unart g'arten müge. schoeniu, gehabet ir iuch wol! in kurzen ziten ich iu sol 11640 einen künec ze hêrren geben, an dem ir vröude und schoene leben, guot unde tugent und êre vindet iemer mêre.« |
Aber besonders dann, wenn es kam, 11565
daß er seine Arme um sie legte, dachte immer die schöne Isolde an den Tod ihres Oheims und sprach dann zu ihm: »Laßt das, Kapitän, bleibt weg! 11570 Nehmt Eure Arme von mir fort! Ihr seid ein ziemlich lästiger Mann. Warum berührt Ihr mich?« »Ach, Schöne, tue ich Unrecht?« »Ja, denn ich hasse Euch.« 11575 Er fragte: »Warum, gesegnete Herrin?« »Ihr erschlugt meinen Oheim.« »Aber das ist doch gesühnt.« »Gleichgültig: Ihr seid mir trotzdem zuwider, denn ich wäre ohne Beschwernis 11580 und ohne Sorge, wenn Ihr nicht wäret. Ihr ganz allein habt mir diesen ganzen Kummer aufgebürdet mit Betrug und Verschlagenheit. Was hat Euch mir zu schaden gesandt 11585 von Cornwall nach Irland? Die mich von Kind auf erzogen haben, denen habt Ihr mich nun betrügerisch abgelistet, und Ihr führt mich nun, ich weiß nicht, wohin. Ich weiß nicht, wofür ich verkauft wurde 11590 und was nun mit mir werden soll.« »Nein, schöne Isolde, seid getrost.
»Ja, Kapitän Tristan», sprach das Mädchen,
»Ihr habt recht», sagte Tristan, 11605
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Hie
mite strichen die kiele hin. 11645
si beide haeten under in guoten wint und guote var. nu was diu vrouwîne schar, Îsôt und ir gesinde, in wazzer unde in winde des ungevertes ungewon. unlanges kâmen sî dâ von in ungewonlîche nôt. Tristan ir meister dô gebôt, daz man ze lande schielte und eine ruowe hielte. nu man gelante in eine habe, nu gie daz volc almeistic abe durch banekîe ûz an daz lant. nu gienc ouch Tristan zehant begrüezen unde beschouwen die liehten sîne vrouwen. und alse er zuo z'ir nider gesaz und redeten diz unde daz von ir beider dingen, er bat im trinken bringen. Nune was dâ nieman inne âne die küniginne wan cleiniu juncvrouwelîn. der einez sprach: »seht, hie stât wîn in disem vezzelîne.« nein, ezn was niht mit wîne, doch ez ime gelîch waere. ez was diu wernde swaere, diu endelôse herzenôt, von der si beide lâgen tôt. nu was aber ir daz unerkant. si stuont ûf und gie hin zehant, dâ daz tranc und daz glas verborgen unde behalten was. Tristande ir meister bôt si daz. er bôt Îsôte vürbaz. si tranc ungerne und über lanc und gap dô Tristande unde er tranc und wânden beide, ez waere wîn. iemitten gienc ouch Brangaene în unde erkande daz glas und sach wol, waz der rede was. si erschrac sô sêre unde erkam, daz ez ir alle ir craft benam und wart reht alse ein tôte var. mit tôtem herzen gie si dar. si nam daz leide veige vaz, si truoc ez dannen und warf daz in den tobenden wilden sê. »owê mir armen!« sprach s' »owê, daz ich zer werlde ie wart geborn! ich arme, wie hân ich verlorn mîn êre und mîne triuwe! daz ez got iemer riuwe, daz ich an dise reise ie kam, daz mich der tôt dô niht ennam, dô ich an dise veige vart mit Îsôt ie bescheiden wart! ouwê Tristan unde Îsôt, diz tranc ist iuwer beider tôt!« |
So segelten die Schiffe dahin.
Sie hatten beide dabei guten Wind und gute Fahrt. 11645 Nun war die Damen-Schar, Isolde und ihr Gesinde, in Wasser und Wind die Reisebeschwerlichkeiten nicht gewohnt. In nicht langer Zeit kamen sie deshalb in ungewöhnliche Bedrängnis. Tristan, ihr Kapitän, befahl, 11655 daß man auf Land zuhielte und eine Ruhepause einlegte. Man gelangte in einen Hafen, und die meisten gingen von Bord, um an Land spazierenzugehen. 11660 Nun ging auch Tristan sogleich, um zu begrüßen und anzuschauen seine strahlende Herrin. Und als er sich zu ihr niedergesetzt hatte und sie dies und das redeten 11665 über ihrer beider Angelegenheiten, bat er, man möge ihm etwas zu trinken bringen. Es war aber niemand da – neben der Königin – außer einigen jungen Hofdamen, 11670 von denen eine sagte: »Seht, hier ist Wein in diesem kleinen Gefäß.« Nein, es war nicht mit Wein gefüllt, wenn es ihm auch glich. Es war das dauernde Leid, 11675 die endlose Herzensnot, an der sie beide sterben sollten. Das aber wußte sie nicht. Sie stand auf und ging gleich hin, wo der Trank und das Glas 10680 verborgen und aufbewahrt waren. Tristan, ihrem Kapitän, bot sie das an, und der bot es zuerst Isolde an. Sie trank widerwillig und erst nach einiger Zeit 11650 und gab es dann Tristan, der davon trank. Sie beide glaubten, es sei Wein. Inzwischen kam auch Brangäne herein und erkannte das Glasgefäß und sah genau, wie die Sache stand. Sie erschrak und fuhr so sehr zusammen, 11690 daß es ihr alle Kraft benahm und sie geradezu totenbleich wurde. Mit totem Herzen ging sie hin, nahm das unselige, todbringende Gefäß, trug es fort und warf es 11695 in die tobende, wilde See. »O weh mir, ich Arme«, rief sie, »o weh, daß ich zur Welt je ward geboren! Ich Arme, wie habe ich verloren meine Ehre und meine Treue! 11700 Daß es Gott erbarmen möge, daß ich je diese Reise antrat, daß mich der Tod nicht daran hinderte, auf diese todbringende Fahrt mit Isolde geschickt zu werden! 11705 O weh, Tristan und Isolde, dieser Trank ist Euer beider Tod!« 11685 |