Hans Zimmermann : Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
Aristoteles : Metaphysik
L
(Buch 12) : Kap. 6 und 7
Aristoteles
to
kinoun akinêton – das unbewegt Bewegende
–
die
erste Ursache, die alles bewegt, indem sie von allem angestrebt wird
–
besteht in der göttlichen
noêsis
noêseôs
– im Sich-Erkennen
des Erkennens
TA META TA PHUSIKA (Prôtê
Philosophia) L
Metaphysik
(Erste Philosophie), Buch 12
griechisch
/ lateinisch / deutsch
bitte
wählen: Schriftart des griechischen Textes –
Symbol
(griechische Schrift, zum Symbol-Font: symbol.ttf) oder Times
New Roman (in lateinische Schrift transliteriert)
mit der
lateinischen Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke (1215-1286)
(ohne
krit. App.) nach der Edition von.Gudrun Vuillemin-Diem in Aristoteles Latinus
XXV 3.2, 1995
griech.(transliteriert)
/ deutsch nach der Übersetzung von Hermann
Bonitz, Berlin 1890
satzstrukturell gegliedert
und ins Netz gestellt durch Hans
Zimmermann, Görlitz
2001
Kapitel 6 und 7: das unbewegte
Bewegende als erste Ursache
– 1071 b bis
1073 a –
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6, und 7,
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8, 9,
10
epei
d' êsan treis ousiai, duo men hai phusikai mia d' hê akinêtos,
peri tautês
lekteon
hoti
anankê einai aidion [5] tina ousian akinêton.
[6] quoniam
autem tres erant substantie, due quidem que phisice et una que immobilis,
de hac dicendum
quia necesse
esse sempiternam aliquam substantiam immobilem.
6 (a) Da nun der Wesen
drei waren, nämlich zwei natürliche und eine unbewegte,
so wollen wir nun von dieser handeln
und zeigen,
daß es notwendig ein ewiges
unbewegtes Wesen geben muß.
hai te
gar ousiai prôtai tôn ontôn,
kai ei
pasai phthartai, panta phtharta:
all' adunaton
kinêsin ê genesthai ê phtharênai
nam substantie
prime entium,
et si omnes
corruptibiles, omnia corruptibilia.
sed impossibile
motum aut fieri aut corrumpi
Denn die Wesen sind von dem Seienden
das Erste,
und wenn alle vergänglich sind,
so ist alles vergänglich.
Unmöglich aber kann die Bewegung
entstehen oder vergehen;
oude
chronon.
ou gar
hoion te to proteron kai husteron einai mê ontos chronou:
kai hê
kinêsis ara houtô sunechês hôsper kai ho chronos:
[10] ê
gar to auto ê kinêseôs ti pathos.
kinêsis
d' ouk esti sunechês all' ê hê kata topon,
nec tempus.
nec enim possibile
prius et posterius esse, cum non sit tempus.
et motus ergo
sic est continuus ut tempus;
aut enim idem
aut motus est aliqua passio.
motus autem
non est continuus nisi qui secundum locum,
Ebensowenig die Zeit;
denn das Früher und Später
ist selbst nicht möglich, wenn es keine Zeit gibt.
Die Bewegung ist also ebenso stetig
wie die Zeit,
da diese entweder dasselbe ist wie
die Bewegung oder eine Affektion derselben.
Stetige Bewegung aber ist einzig die
Ortsveränderung,
und zwar unter dieser die Kreisbewegung.
alla
mên ei esti kinêtikon ê poiêtikon,
ouk estai kinêsis:
endechetai
gar to dunamin echon mê energein.
at uero si
erit motiuum aut effectiuum,
non operans
autem aliquid,
non erit motus;
contingit
enim potentiam habens non agere.
(b) Gäbe es nun ein Prinzip
des Bewegens und Hervorbringens,
aber ein solches, das nicht in Wirklichkeit
wäre,
so würde keine Bewegung stattfinden;
denn was bloß das Vermögen
(die Möglichkeit) hat, kann auch nicht in Wirklichkeit sein.
outhen
ara ophelos oud' ean ousias poiêsômen aidious, [15] hôsper
hoi ta eidê,
ei mê
tis dunamenê enestai archê metaballein:
ou toinun oud'
autê hikanê,
oud' allê
ousia para ta eidê:
ei gar
mê energêsei, ouk estai kinêsis.
nichil ergo
prodest, nec si substantias faciamus sempiternas, quemadmodum qui species,
si non aliqua
potens inerit principium transmutari.
non igitur neque
ipsa sufficiens,
nec alia substantia
preter species;
nam si non
egerit, non erit motus.
Also würde es nichts nützen,
wenn wir ewige Wesen annehmen wollten, wie die Anhänger der Ideenlehre,
sofern nicht in ihnen ein Prinzip
enthalten wäre, welches das Vermögen der Veränderung hat.
Aber auch dies würde nicht genügen,
noch die Annahme irgendeines anderen
Wesens neben den Ideen;
denn sofern das Wesen nicht in Wirklichkeit
sich befände, so würde keine Bewegung stattfinden.
eti oud'
ei energêsei, hê d' ousia autês dunamis:
ou gar
estai kinêsis aidios:
endechetai
gar to dunamei on mê einai.
dei [20] ara
einai archên toiautên hês hê ousia energeia.
adhuc neque
si aget, substantia autem ipsius potentia;
non enim erit
motus eternus;
contingit
enim quod potentia est non esse.
oportet igitur
esse principium tale cuius substantia actus.
Ja, wenn es selbst in Wirklichkeit
sich befände, sein Wesen aber bloßes Vermögen wäre,
auch dann würde keine ewige
Bewegung stattfinden;
denn was dem Vermögen nach
ist, kann möglicherweise auch nicht sein.
Also muß ein solches Prinzip vorausgesetzt
werden, dessen Wesen Wirklichkeit ist.
eti toinun
tautas dei tas ousias einai aneu hulês:
aidious
gar dei, eiper ge kai allo ti aidion.
energeia ara.
amplius igitur
tales oportet esse substantias sine materia;
sempiternas
enim esse oportet, si et aliud aliquid sempiternum;
actu igitur.
(c) Ferner müssen diese Wesen
ohne Stoff sein;
denn wenn irgend etwas anderes ewig
ist, müssen sie es sein;
also müssen sie der Wirklichkeit
nach sein.
kaitoi
aporia:
dokei gar
to men energoun pan dunasthai
to de dunamenon
ou pan energein,
hôste
proteron einai tên dunamin.
[25] alla
mên ei touto, outhen estai tôn ontôn:
endechetai
gar dunasthai men einai mêpô d' einai.
quamuis dubitatio;
uidetur enim
agens quidem omne posse,
potens uero
non omne agere,
quare prius esse
potentiam
at uero si
hoc, nichil erit entium;
contingit
enim posse quidem esse nondum uero esse.
(d) Doch hier entsteht eine Schwierigkeit.
Denn das Wirkliche, meint man, ist
alles möglich,
das Mögliche nicht alles wirklich,
so daß demnach das Vermögen
(das Mögliche) das Frühere sein würde.
Aber wäre dies wahr, so würde
nichts von dem Seienden sein;
denn es ist möglich, daß
etwas zwar vermag zu sein, aber doch noch nicht ist.
kaitoi
ei hôs legousin hoi theologoi hoi ek nuktos gennôntes,
ê
hôs hoi phusikoi "homou panta chrêmata" phasi,
to auto adunaton.
pôs
gar kinêthêsetai, ei mê estai energeiai ti
aition?
et etiam si
ut dicunt theologi qui ex nocte generant,
aut ut phisici
«erant simul res omnes» dicunt,
idem impossibile.
quomodo enim
mouebuntur, si non fuerit actu aliqua causa?
Stimmt man freilich der Ansicht
der Theologen bei, welche alles aus der Nacht hervorgehen lassen,
oder der der Naturphilosophen, welche
behaupten, daß alle Dinge beisammen waren,
so kommt man auf dieselbe Unmöglichkeit.
Denn wie soll etwas bewegt werden,
wenn nicht eine Ursache in wirklicher Tätigkeit vorhanden wäre?
ou gar
hê ge [30] hulê kinêsei autê heautên,
oude ta epimênia
oud' hê gê,
alla ta
spermata kai hê gonê.
non enim materia
ipsa se ipsam mouebit,
nec menstrua nec
terra,
Denn es kann ja doch der Stoff nicht
sich selbst in Bewegung setzen,
sondern dies tut die Baukunst,
und ebensowenig kann die Menstruation
oder die Erde sich selbst bewegen,
sondern das tut der Same oder der
Keim.
diho enioi
poiousin aei energeian, hoion Leukippos kai Platôn:
aei gar
einai phasi kinêsin.
propter quod
faciunt quidam semper actum, ut Leucippus et Plato;
semper enim
dicunt esse motum.
Darum setzen einige eine ewige wirkliche
Tätigkeit voraus, z. B. Leukippos und Platon;
denn sie behaupten, es existiere
immer Bewegung.
alla dia
ti kai tina ou legousin,
oude <tou>
hôdi <ê> hôdi tên aitian.
ouden gar hôs
[35] etuche kineitai,
alla dei
ti aei huparchein,
hôsper
nun phusei men hôdi,
biai
de ê hupo nou
ê
allou hôdi.
sed quare
et quem non dicunt,
nichil enim ut
contingit mouetur,
sed oportet
aliquid semper existere,
quemadmodum
nunc natura quidem sic,
ui uero aut
ab intellectu
aut alio sic.
Aber warum dies so ist, und welche
Bewegung es ist,
warum sich dies so, jenes anders
bewegt, davon geben sie keinen Grund an;
denn es bewegt sich ja nichts so, wie
es sich eben trifft,
sondern es muß immer etwas
zugrunde liegen,
wie sich ja jetzt etwas von Natur
auf diese Weise,
durch Gewalt aber oder durch Wirkung
der Vernunft
oder durch etwas anderes auf eine
andere Weise bewegt.
eita poia
prôtê? diapherei gar amêchanon hoson.
alla mên
oude Platôni ge hoion te legein ên oietai eniote archên
einai,
[1072a][1]
to auto heauto kinoun:
husteron
gar kai hama tôi ouranôi
deinde qualis
prior? differt enim inaptabile quantum .
at uero neque
Platoni possibile dicere quod existimat aliquando principium esse,
quod ipsum
se ipsum mouens;
posterius
enim et simul cum celo
Ferner, welche Art von Bewegung
ist die erste? Denn darauf kommt gar sehr viel an.
Für Platon aber würde
es öfters gar nicht möglich sein zu sagen, welches er für
das Prinzip hält,
nämlich das sich selbst bewegende;
denn, wie er sich ausspricht,
müßte die Seele später
sein (als die Bewegung) und doch auch zugleich mit dem Himmel.
to men
dê dunamin oiesthai energeias proteron
esti men
hôs kalôs esti d' hôs ou
(eirêtai
de pôs).
potentiam
quidem igitur existimare priorem actu
est quidem
ut bene, est autem ut non;
dictum est autem
quomodo.
(e) Die Ansicht nun, daß die
Möglichkeit der Wirklichkeit vorausgehe,
ist gewissermaßen richtig,
gewissermaßen auch nicht;
wie dies gemeint, ist früher erklärt.
hoti d'
[5] energeia proteron,
marturei
Anaxagoras (ho gar nous energeia)
kai Empedoklês
philian kai to neikos,
kai hoi
aei legontes kinêsin einai, hôsper Leukippos:
quod autem
actus prius,
testatur Anaxagoras
(intellectus enim actus),
et Empedocles
amicitiam et litem,
et semper
dicentes motum esse, ut Leucippus.
Daß aber die wirkliche Tätigkeit
das Frühere ist,
dafür zeugen Anaxagoras (denn
der Geist ist in wirklicher Tätigkeit)
und Empedokles mit seinen Prinzipien,
Liebe und Haß,
und diejenigen, welche eine ewige
Bewegung annehmen, wie Leukippos.
hôst'
ouk ên apeiron chronon chaos ê nux,
alla tauta
aei ê periodôi ê allôs,
eiper proteron
energeia dunameôs.
quare non
fuit infinito tempore chaos aut nox,
sed eadem
semper aut periodo aut aliter,
si prius est
actus potentia.
Also war nicht eine unendliche Zeit
Chaos oder Nacht,
sondern immer dasselbige, entweder
im Kreislauf oder auf eine andere Weise,
sofern die Wirklichkeit dem Vermögen
vorausgeht.
ei dê
to auto [10] aei periodôi,
dei ti
aei menein hôsautôs energoun.
si itaque
idem semper periodo,
oportet aliquid
semper manere similiter agens.
Wenn nun immer dasselbe im Kreislauf
besteht,
so muß etwas bleiben, das
gleichmäßig in wirklicher Tätigkeit ist.
ei de mellei
genesis kai phthora einai,
allo dei
einai aei energoun allôs kai allôs.
si autem debeat
fore generatio et corruptio,
aliud oportet
agens esse aliter et aliter.
Soll aber Entstehen und Vergehen
vorhanden sein,
so muß etwas anderes existieren,
was in anderer und wieder anderer Weise wirklich tätig ist.
anankê
ara hôdi men kath' auto energein
hôdi
de kat' allo:
êtoi
ara kath' heteron ê kata to prôton.
anankê
dê kata touto:
palin gar
ekeino [15] autôi te aition kakeinôi.
necesse igitur
sic quidem secundum se agere,
sic uero secundum
aliud;
aut ergo secundum
alterum aut secundum primum.
necesse itaque
secundum hoc;
iterum enim
illud ipsique causa et illi.
Es muß also in der einen Weise
in Beziehung auf sich selbst,
in der anderen Weise in Beziehung
auf anderes wirken,
und dies also in Beziehung auf ein
verschiedenes drittes oder auf das erste.
Notwendig auf dies;
denn dies ist wieder sich selbst
wie jenem anderen Ursache der Bewegung.
oukoun
beltion to prôton:
kai gar
aition ên ekeino tou aei hôsautôs:
tou d'
allôs heteron,
tou d' aei
allôs amphô dêlonhoti.
dignius ergo
primum;
et enim causa
erat illud ipsius semper similiter;
et ipsius
aliter alterum,
eius autem quod
est semper aliter palam quod ambo.
Also vorzüglicher ist das erste;
denn es war ja Ursache der ewig
gleichen Bewegung,
der verschiedenen Bewegung Ursache
war das andere;
daß aber immer diese Verschiedenheit
stattfindet, davon sind offenbar beide Ursache.
oukoun
houtôs kai echousin hai kinêseis.
ti oun
allas dei zêtein archas?
ergo si sic
se habent motus,
quid ergo
alia oportet querere principia?
So verhalten sich denn auch die
Bewegungen.
Was braucht man also noch andere
Prinzipien zu suchen?
epei d'
hout t' endechetai,
kai ei
mê houtôs,
ek nuktos
[20] estai kai homou pantôn kai ek mê ontos,
luoit' an tauta,
[7] quoniam
autem ita contingit,
et si non
sic,
ex nocte erit
et «simul omnium» et ex non ente,
soluentur utique
hec.
7 (a)
Da es nun aber angeht, daß sich die Sache so verhalte,
und wenn sie nicht sich so verhielte,
alles aus der Nacht und dem Beisammen
aller Dinge und dem Nicht-Seienden hervorgehen würde,
so lösen sich demnach diese Schwierigkeiten,
kai esti
ti aei kinoumenon kinêsin apauston,
autê
d' hê kuklôi
(kai touto
ou logôi monon all' ergôi dêlon),
et est aliquid
semper motum motu incessabili,
hic autem
qui circulo;
et hoc non
ratione solum sed opere palam.
und es gibt etwas, das sich immer
in unaufhörlicher Bewegung bewegt,
diese Bewegung aber ist die Kreisbewegung.
Dies ist nicht nur durch den Begriff,
sondern auch durch die Sache selbst deutlich.
hôst'
aidios an eiê ho prôtos ouranos.
esti toinun
ti kai ho kinei.
quare sempiternum
utique erit primum celum.
est igitur
aliquid et quod mouet.
Also ist der erste Himmel ewig.
(b) Also gibt es auch etwas, das
bewegt.
epei de
to kinoumenon kai kinoun [kai] meson . . .
toinun
[25] esti ti ho ou kinoumenon kinei,
aidion
kai ousia kai energeia ousa.
quoniam autem
quod mouetur et mouens et medium,
igitur est
aliquid quod non motum mouet,
sempiternum
et substantia et actus ens.
Da aber dasjenige, was bewegt wird
und bewegt, ein Mittleres ist,
so muß es auch etwas geben,
das ohne bewegt zu werden, selbst bewegt,
das ewig und Wesen und Wirklichkeit
ist.
kinei
de hôde to orekton kai to noêton:
kinei ou
kinoumena.
toutôn
ta prôta ta auta.
epithumêton
men gar to phainomenon kalon,
boulêton
de prôton to on kalon:
mouet autem
sic appetibile et intelligibile;
mouent non
mota.
horum autem
prima eadem.
concupiscibile
quidem enim ipsum apparens bonum,
uoluntabile
autem primum ipsum existens bonum.
(c) Auf solche Weise aber bewegt
das Erstrebte und das Intelligible (Erkennbare);
es bewegt, ohne bewegt zu werden.
Von diesen beiden ist das erste
(als Prinzipien) dasselbe.
Denn Gegenstand des Begehrens ist
dasjenige, was als schön erscheint,
Gegenstand des Willens ist an sich
das, was schön ist.
oregometha
de dihoti dokei mallon
ê
dokei dihoti oregometha:
appetimus
autem quia uidetur magis
quam uidetur
quia appetimus;
Wir erstreben aber etwas vielmehr,
weil wir es für gut halten,
als daß wir es für gut
hielten, weil wir es erstreben.
[30] archê
gar hê noêsis.
nous de
hupo tou noêtou kineitai,
noêtê
de hê hetera sustoichia kath' autên:
kai tautês
hê ousia prôtê,
kai tautês
hê haplê kai kat' energeian
principium
enim est intelligentia.
intellectus
autem ab intelligibili mouetur,
intelligibilis
autem altera coelementatio secundum se;
et huius substantia
prima,
et huius que
simplex et secundum actum.
Prinzip ist die Vernunfttätigkeit.
Die Vernunft wird vom Intelligiblen
bewegt,
intelligibel aber an sich ist die
eine Reihe der Zusammenstellung (der Gegensätze);
in ihr nimmt das Wesen die erste
Stelle ein,
und unter dieser die einfache, der
wirklichen Tätigkeit nach existierende.
(esti de
to hen kai to haploun ou to auto:
to men
gar hen metron sêmainei, to de haploun pôs echon auto).
alla mên
kai to kalon kai [35] to di' auto haireton en têi autêi
sustoichiai:
kai estin
ariston aei
est autem
unum et simplex non idem;
unum enim
metrum significat, simplex autem qualiter habens ipsum.
at uero et quod
bonum et quod propter ipsum eligibile in eadem coelementatione;
et est optimum
semper
aut proportionale
quod primum.
(Eines aber und Einfach ist nicht
dasselbe;
denn das Eine bezeichnet ein Maß,
das Einfache aber ein bestimmtes Verhalten),
aber auch das Schöne und das um
seiner selbst willen Erstrebbare findet sich in derselben Reihe,
und das erste (als Prinzip) ist
entweder das beste
[1072b][1]
hoti d' esti to hou heneka en tois akinêtois, hê dihairesis
dêloi:
esti gar
tini to hou heneka <kai> tinos,
hôn
to men esti to d' ouk esti.
kinei dê
hôs erômenon,
kinoumena
de t'alla kinei.
quia autem
est quod cuius gratia in immobilibus, diuisio ostendit.
est enim alicui
quod cuius gratia,
quorum hoc
quidem est, illud uero non est.
mouet autem ut
amatum,
Daß aber der Zweck zu dem
Unbewegten gehört, macht die Unterscheidung deutlich;
denn es gibt einen Zweck für
etwas und von etwas;
jener ist unbeweglich, dieser nicht.
Jenes bewegt wie ein Geliebtes,
und durch das (von ihm) Bewegte
bewegt es das übrige.
ei men
oun ti kineitai, endechetai kai [5] allôs echein,
hôst'
hê phora prôtê hê energeia estin,
ge endechetai
allôs echein,
kata topon,
kai ei mê kat' ousian:
si quidem
igitur aliquid mouetur, contingit aliter habere.
quare latio
que prima et actus est;
hac autem contingit
aliter habere,
secundum locum,
et si non secundum substantiam.
(d) Wenn nun etwas bewegt wird,
so ist es möglich, daß es sich auch anders verhalte.
Wenn also Ortsbewegung die erste
Wirklichkeit (wirkliche Tätigkeit) insofern ist,
als das Bewegte in Bewegung ist,
so ist insofern auch möglich, daß
es sich anders verhalte,
nämlich dem Orte, wenn auch
nicht dem Wesen nach.
epei de
esti ti kinoun auto akinêton on,
touto ouk endechetai
allôs echein oudamôs.
phora gar
hê prôtê tôn metabolôn,
quoniam autem
est aliquid mouens ipsum immobile ens,
hoc non contingit
aliter se habere nullatenus.
latio enim
prima mutationum,
Nun gibt es aber etwas, was ohne
bewegt zu werden selbst bewegt
und in Wirklichkeit (in wirklicher
Tätigkeit) existiert;
bei diesem ist also auf keine Weise
möglich, daß es sich anders verhalte.
Denn Ortsbewegung ist die erste
unter den Veränderungen,
und unter ihr die Kreisbewegung;
tautên
[10] de touto kinei.
ex anankês
ara estin on:
kai hêi
anankêi, kalôs,
kai houtôs
archê.
hac autem
hoc mouet.
rex necessitate
igitur est ens;
et necessitas
bene
et sic principium.
diese Bewegung aber wird von jenem
ersten Bewegenden hervorgebracht.
Also ist es notwendig seiend,
und inwiefern es notwendig ist,
ist es auch so gut
und in diesem Sinne Prinzip.
to gar
anankaion tosautachôs,
to men
biai hoti para tên hormên,
to de hou
ouk aneu to eu,
to de mê
endechomenon allôs all' haplôs.
ek toiautês
ara archês êrtêtai ho ouranos kai hê phusis.
nam necessarium
totiens
hoc quidem
ui quia preter impetum,
illud uero
sine quo non bene,
hoc autem
non contingens aliter sed simpliciter.
ex tali igitur
principio dependet celum et natura.
Notwendig nämlich wird in mehreren
Bedeutungen gebraucht,
einmal als das gegen den eigenen
Trieb mit Gewalt Erzwungene,
dann als das, ohne welches das Gute
nicht sein kann,
drittens als das, was nicht anders
möglich ist, sondern absolut ist.
Von einem solchen Prinzip also hängen
der Himmel und die Natur ab.
diagôgê
d' [15] estin hoia hê aristê mikron chronon hêmin
(houtô
gar aei ekeino: hêmin men gar adunaton),
deductio autem
est qualis optima, paruo tempore nobis;
sic enim semper
illud est, nobis quidem enim impossibile.
(e) Sein Leben aber ist das beste,
und wie es bei uns nur kurze Zeit stattfindet,
da beständige Dauer uns unmöglich
ist, so ist es bei ihm immerwährend.
epei kai
hêdonê hê energeia toutou
(kai dia
touto egrêgorsis aisthêsis noêsis hêdiston,
elpides
de kai mnêmai dia tauta).
hê de
noêsis hê kath' hautên tou kath' hauto aristou,
kai hê
malista tou malista.
quoniam et
delectatio actus huius.
et propter
hoc uigilatio, sensus, intelligentia delectabilissimum.
spes uero
et memorie propter hec.
intelligentia
autem que secundum se eius quod secundum se optimum,
et que maxime
eius quod maxime.
Denn seine Wirklichkeit (wirkliche
Tätigkeit) ist zugleich Lust.
Und deshalb ist Wachen, Wahrnehmen,
Vernunfttätigkeit das Angenehmste,
und durch diese erst Hoffnungen
und Erinnerungen.
Die Vernunfttätigkeit an sich aber
geht auf das an sich Beste,
die höchste auf das Höchste.
auton [20]
de noei ho nous kata metalêpsin tou noêtou:
noêtos
gar gignetai thinganôn kai noôn,
hôste
tauton nous kai noêton.
to gar dektikon
tou noêtou kai tês ousias nous,
ipsum autem
intelligit intellectus secundum transumptionem intelligibilis;
intelligibilis
enim fit attingens et intelligens,
quare idem
intellectus et intelligibile.
susceptiuum enim
intelligibilis et substantie intellectus
Sich selbst erkennt die Vernunft
in Ergreifung des Intelligiblen;
denn intelligibel wird sie selbst,
den Gegenstand berührend und erfassend,
so daß Vernunft und Intelligibles
dasselbe sind.
Denn die Vernunft ist das aufnehmende
Vermögen für das Intelligible und das Wesen.
energei
de echôn,
hôst'
ekeinou mallon touto ho dokei ho nous theion echein,
kai hê
theôria to hêdiston kai ariston.
actuatur autem
habens.
quare illud
magis isto quod uidetur intellectus diuinum habere,
et speculatio
delectabilissimum et optimum.
Sie ist in wirklicher Tätigkeit,
indem sie das Intelligible hat.
Also ist jenes (das Intelligible)
noch in vollerem Sinne göttlich als das, was die Vernunft Göttliches
zu haben scheint,
und die Betrachtung (theoretische
Tätigkeit) ist das Angenehmste und Beste.
ei oun
houtôs eu echei, [25] hôs hêmeis pote, ho theos aei,
thaumaston:
ei de mallon,
eti thaumasiôteron.
echei de hôde.
si igitur
sic bene habet ut nos quandoque, Deus semper, mirabile;
autem magis,
adhuc mirabilius.
habet autem sic.
Wenn sich nun so gut, wie wir zuweilen,
der Gott immer verhält, so ist er bewundernswert,
wenn aber noch besser, dann noch
bewundernswerter.
So verhält er sich aber.
hê gar
nou energeia zôê,
energeia de
hê kath' autên ekeinou zôê aristê kai aidios.
et uita autem
utique existit;
etenim intellectus
actus uita,
actus autem que
secundum se illius uita optima et sempiterna.
denn der Vernunft Wirklichkeit (wirkliche
Tätigkeit) ist Leben,
jener aber ist die Wirklichkeit
(Tätigkeit),
seine Wirklichkeit (Tätigkeit)
an sich ist bestes und ewiges Leben.
phamen
dê ton theon einai zôion aidion ariston,
hôste
zôê kai aiôn sunechês [30] kai aidios huparchei
tôi theôi:
dicimus autem
Deum esse animal sempiternum optimum.
quare uita
et duratio continua eterna existit Deo;
Der Gott, sagen wir, ist das ewige,
beste Lebewesen,
so daß dem Gott Leben und
beständige Ewigkeit zukommen;
hosoi de
hupolambanousin, hôsper hoi Puthagoreioi kai Speusippos
to kalliston
kai ariston mê en archêi einai,
dia to
kai tôn phutôn kai tôn zôiôn tas
archas aitia men einai
to de kalon
kai teleion en tois ek toutôn,
ouk orthôs
oiontai.
quicumque
autem putant, ut Pytagorici et Speusippus,
optimum et
nobilissimum non in principio esse,
quia et plantarum
et animalium principia cause sunt,
bonum uero
et perfectum in his que ex hiis,
non recte existimant.
(f) Alle diejenigen aber, welche,
wie die Pythagoreer und Speusippos, annehmen,
das Schönste und Beste sei
nicht im Prinzip enthalten
– weil ja auch bei den Pflanzen
und Tieren die Prinzipien zwar Ursachen sind,
das Schöne und Vollkommene
aber erst in dem daraus Hervorgehenden sich findet –,
haben keine richtige Ansicht;
[35] to
gar sperma ex heterôn esti proterôn teleiôn,
kai to
prôton ou sperma estin alla to teleion:
[1073a][1]
hoion proteron anthrôpon an phaiê tis einai tou spermatos,
ou ton
ek toutou genomenon
all' heteron
ex hou to sperma.
nam sperma
ex alteris est prioribus perfectis,
et primum
non est sperma sed perfectum;
ut priorem hominem
dicat aliquis esse spermate,
non eum qui
ex hoc fit
sed alterum
ex quo sperma.
denn der Same geht aus anderem,
ihm selbst vorausgehenden Vollendeten hervor,
und das erste ist nicht der Same,
sondern das Vollendete.
So würde man z. B. vom Menschen
sagen, daß er früher sei als der Same,
nämlich nicht von dem Menschen,
der aus diesem Samen wird,
sondern von einem anderen, aus welchem
der Same hervorgegangen ist.
hoti men
oun estin ousia tis aidios kai akinêtos kai kechôrismenê
tôn aisthêtôn,
[5] phaneron
ek tôn eirêmenôn:
quod quidem
igitur est substantia aliqua sempiterna et immobilis, separata a sensibilibus,
(g) Daß es also ein ewiges,
unbewegtes, von dem Sinnlichen getrennt selbständig existierendes
Wesen gibt,
ist aus dem Gesagten klar.
dedeiktai
de kai hoti megethos ouden echein endechetai tautên tên ousian
all' amerês
kai adihairetos estin
(kinei gar
ton apeiron chronon,
ouden d'
echei dunamin apeiron peperasmenon:
ostensum est
autem et quia magnitudinem nullam contingit habere hanc substantiam,
uerum sine
parte et indiuisibilis est.
mouet enim per
infinitum tempus,
et non habet
potentiam infinitam finitum.
Es ist aber auch erwiesen, daß
dieses Wesen keine Größe haben kann,
sondern unteilbar und unzertrennlich
ist.
Denn die unendliche Zeit hindurch bewegt
es,
nichts Begrenztes aber hat ein unbegrenztes
(unendliches) Vermögen.
epei de
pan megethos ê apeiron ê peperasmenon,
peperasmenon
men dia touto ouk [10] an echoi megethos,
apeiron
d' hoti holôs ouk estin ouden apeiron megethos):
quoniam autem
omnis magnitudo aut infinita est aut finita,
finitam quidem
propter hoc utique non habebit magnitudinem,
infinitam
uero quia totaliter non est nulla infinita magnitudo.
Da nun jede Größe begrenzt
oder unbegrenzt sein muß,
so kann es eine begrenzte Größe
aus dem angegebenen Grunde nicht haben,
eine unbegrenzte Größe
aber darum nicht, weil es überhaupt keine unbegrenzte Größe
gibt.
alla mên
kai hoti apathes kai analloiôton:
pasai gar
hai allai kinêseis husterai tês kata topon.
tauta men oun
dêla dihoti touton echei ton tropon.
at uero et
quia impassibilis et inalterabilis;
omnes enim
alii motus posteriores sunt eo qui est secundum locum.
hec quidem igitur
manifesta quia hunc habent modum.
Aber es ist auch ferner erwiesen,
daß es keiner Affektion und keiner Qualitätsveränderung
unterworfen ist;
denn alle übrigen Bewegungen
folgen erst der Ortsbewegung nach.
Von diesem also ist offenbar, warum
es sich so verhält.
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– hier: Kapitel 6,
und 7,
– weiter zu Kapitel 8,
9, 10
Hans Zimmermann : 12 KÖRBE: Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: Aristoteles : Metaphysik L (Buch 12) : Kap. 6 und 7
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