Text,
Übersetzung und über hundert
kommentierende Anmerkungen
zum Herrscherbild
der
OTIA IMPERIALIA
von Gervasius von Tilbury
Inhaltsverzeichnis mit links zu den einzelnen Kapiteln
unterhalb der Einleitung
oder hier am
Ende der prefatio
Einleitende prefatio
des Werkes: collatio sacerdotii et regni
herausgegeben nach dem Manuskript
Vat.Lat.933,
übersetzt aus dem Lateinischen
und
kommentiert mit Bezug auf die
Belegstellen und Quellen des
Gervasius
Constitutum Constantini, Honorius
Augustod.: Imago Mundi
und
Petrus Comestor:
Historia Scholastica
von
Hans Zimmermann – bibliographische und weitere Angaben s.
Kopf und Ende der Einleitung
1.
Teilseite:
A) invocatio,
intitulatio, inscriptio
B) COLLATIO
SACERDOTII ET REGNI
I.
Körper und Seele
II.
Salbung der Schulter und Stab-Typologie
2.
Teilseite:
III. Typologie
des rex-sacerdos-Verhältnisses
a) Petrus als Protokaiser
b) Ninus als Protokönig
3.
Teilseite:
IV.
Alttestamentliche Prototypen
a) Moses und Aaron
b) Saul und Samuel
4.
Teilseite:
V.
Der Stifter steht über dem Beschenkten
a) Petrus-Constantin und Silvester
b) Synthese in Christus
5.
Teilseite:
C) Umwidmung des Werkes
auf Otto IV., Segensgruß
D) Kapitelüberschriften
des Werkes
Text
Manuskript Vat.Lat.933 (= N) mit autoriellen Marginalien (= Nc),
verglichen mit Leibnizens
Edition (= L).
Übersetzung
abschnittweise; Kommentar und Stellenangaben
in durchnummerierten Anmerkungen.
II. Salbung der Schulter und Stab-Typologie
Has
quippe virgas regales innuit propheta cum diceret. (33)
Reges
eos in virga ferrea.
et
alibi. Virgam vigilantem ego video;
Et
iterum. Virgam virtutis tue emitte Dominus ex Sion.
dominare
in medio inimicorum tuorum.
Von daher kommt es, daß Aaron und Saul mit der gleichen Handlung
zu Priester und König gesalbt wurden, auf ihrem Haupt; (26)
doch seit es heißt: "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben;
seine Herrschaft ist gelegt auf seine Schulter", (27)
steigt die priesterliche Salbung, wie das Salböl vom Haupt,
bei den Königen auf die Schulter hinab, (28)
auf daß sie, die das Volk lenken, die Bürde der Vergeltung in
Tapferkeit tragen.
Jetzt mit eisernem Stabe, wenn das Volk hartnäckig wird, (29)
jetzt mit der Stabe der Wachen, wenn es trägen Herzens wird,
(30)
und jetzt mit dem Stabe der Tugend, den der Herr vom Sion aussendet,
(31)
herrsche inmitten Deiner Feinde, heiligster Kaiser! (32)
Denn diese königlichen Stäbe meint der Prophet, wenn er sagt:
(33)
"Du wirst sie mit eisernem Stabe lenken!",
und an anderer Stelle: "Einen Stab, einen wachenden, schaue ich",
und auch: "Entsende den Stab deiner Tugend vom Sion, mein Herr,
herrsche inmitten deiner Feinde!".
26) In der Tat werden alle biblischen Könige auf dem
Haupt gesalbt, wobei dieser Akt die sakramentale Einsetzung bedeutet: der
König ist der Christus Domini, Messias, mit dem (in
Mt 3,4; Mc 1,11; 9,6 Lc 3,22; 9,35 angedeuteten) Psalmwort 2,7 von
der Salbung an als der Sohn Gottes sanktioniert: "heute habe ich dich geboren",
s. auch 2Rg (Sam) 7,14. – Hebr
5,5 deutet diesen Akt zudem als Priesterweihe in der Melchisedech-Ordnung.
- Die Nennung Sauls, mit dem Otto IV. durch seine Körpergröße
besonders vergleichbar ist, in der Prefatio
dreimal (s. Anm.66 und 105).
27) Is 9,6, vgl. vorige
Anm. S. auch unten, Anm.100.
28) Hier noch als "Herabfließen" vom gesalbten
Haupt gemäß Ps 132 (133),2f:
sicut unguentum in capite
quod descendit in barbam, barbam Aaron
quod descendit in ora vestimenti eius
sicut ros Hermon
qui descendit in montes Sion;
später (s. Anm.40)
Ausschluß der Salbung des Hauptes; die gleiche Begründungsschwierigkeit
wie bei Innocenz III. (Dekretale von 1204 c.un.X
1,15): sakrale Salbung sei den Priestern vorbehalten (gemäß
Ex 30,31ff). In Ps 2
und 44 (45) steht sie allerdings dem Christus
Domini, dem König zu, entsprechend der Praxis bei Samuel
1Rg 10,1, und dort immer als Salbung des Hauptes; die Weihnachtstypologie
der Is-Stelle (9,6) wird durch die ausschließende
Interpretation des descendit gefährdet,
die rex-sacerdos-Synthese des filius
Dei geradezu zerrissen.
29)
virga ferrea Ps 2,9;
Apoc 2,27; 12,5; 19,15; populus durae cervicis
Ex 32,9; 33,3ff; 34,9; Dt 9,6 u.13; u.ö: topisches Attribut
des "Volkes".
30)
virga vigiliarum aus virgam
vigilantem ego video Ier 1,11; cordis
pigri wohl aus stulti et tardi corde ad credendum
Lc 24,25; biblisch sonst üblicher induratum
cor.
31)
Ps 109 (110),2
32)
Imperativ deutlich an Otto IV. apostrophiert, insofern wird die virga
directionis durchaus auf das Königtum bezogen, dieses also
auch nicht von der Salbung des Hauptes ausgeschlossen; s. aber Anm.36.
- Zum Symbolmotiv des "Kaisers" und seiner sakralen Herrschaftslegitimation,
der virga virtutis,
müssen wir Sigmund Freud, Traumdeutung VI E,
Abschn.7: "Der Kaiser und die Kaiserin (König
und Königin) stellen wirklich zumeist die Eltern des Träumers
dar; (...) alle in die Länge reichenden Objekte, Stöcke, Baumstämme,
Schirme (...), alle länglichen und scharfen Waffen: Messer, Dolche,
Piken, wollen das männliche Glied vertreten." hier selbstverständlich
übergehen.
33)
Der propheta idealtypisch wie in der Formel
"lex et prophetae" (Mt
7,12; 22,40; Act 13,15; 24,14; 28,23; Rom 3,21); Stellen s. Anm.29-32
de
qua iniquitate.
que
est quasi contra communionem legis naturalis equitas /
deprauata f.1va
dicit
Dominus in euangelio. (38)
Facite
vobis amicos de mammona iniquitatis quasi
de diuiciis
contra
equitatem iuris. et communionis naturalis
congregatis.(39)
Aber die Priestersalbung verbleibt immer unveränderlich und in
gleichbleibender Gestalt (34)
auf dem Haupt und hat mit dem Stab der Rechtweisung zu tun,
über den jener König und Prophet David spricht: (35)
"Du thronst, Gott, in Ewigkeit
mit dem Stab der Rechtweisung, dem Stab deines Königtums.
Du hast die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehaßt;
deshalb hat dich, Gott, dein Gott gesalbt
mit dem Öl der Freude, vor allen deinen Standesgenossen."
Da es sich also auf die Priestersalbung erstreckt, (36)
die Gerechtigkeit zu lieben und die Ungerechtigkeit zu hassen,
indem man jedem sein Recht erteilt,
und gegen die Gleichheit des Naturrechts nichts Eigenes einzusetzen, -
wer wird da durch Ungerechtigkeit dieses mein, jenes dein nennen, wie c
12, q 1, c 2 ... ? (37)
Von dieser Ungerechtigkeit,
die gleichsam gegen die Gemeinschaft des Naturrechtes eine verformte Gerechtigkeit
ist,
spricht der Herr im Evangelium: (38)
"Macht euch Freunde von dem Mammon der Ungerechtigkeit, der
gleichsam von dem Reichtum
gegen die Gleichheit des Rechts und der natürlichen Gemeinschaft angehäuft
ist. (39)
34)
Für das levitische Priesteramt: Ex 29,9; 40,13;
Num 25,13 (für Pinchas); zu Hebr 5,6
(typologische Deutung von Ps 110,4: sacerdos
in aeternum secundum ordinem Melchisedech) s. Anm.24.
35)
Ps 44 (45),7f; zitiert in Hebr 1,8f, aber virga
aequitatis: vgl. die folgende Argumentation.
36)
Hier wieder Vertauschung des Subjekts der in Ps
44 zuerteilten Gerechtigkeitsattribute: ursprünglich carmen
nuptiale des Königs, der mit der messianischen Gottessohnschaft
auch priesterlich "in der Ordnung des Melchisedech" steht, s. Anm.24.
Die Umpolung von Ps 44,8 auf das Priestertum
(gegen das Königtum) und die hier deduzierte Ausschließlichkeit
der Salbung des Hauptes basiert u.a. auf der christozentrisch-pneumatischen
Deutung Augustins, s. Migne PL 38 Sp.505:
O tu Deus, unxit te Deus tuus und Sp.507:
unctus Deus = Christus; vgl. auch Civ
17,16; und auch das schon zitierte Dekret
Innocenz III. Quod sacerdotium maius sit regno, Migne 216 Sp.1179 D.
37)
Gratian, 2.pars "causa 12 questio 1 cap.2"
(zit. Clemens epist.4): Communis enim usus
omnium, que sunt in hoc mundo, omnibus hominibus esse debuit. Sed per iniquitatem
alius hoc dixit esse suum, et alius istud, et sic inter mortales facta
est divisio. ... Ut enim bene nostis, erat multitudinis eorum cor unum
et anima una; benutzt also Act 4,32:
Multitudinis autem credentium erat cor unum et anima
una:
nec quisquam eorum quae possidebat,
aliquid suum esse dicebat,
sed erant illis omnia communia.
S. auch Gratian
1.pars dist.8 c.1.
38)
Lc 16,9-11:
Facite vobis amicos de Mammona iniquitatis,
ut cum defeceritis recipiant vos in aeterna tabernacula.
Qui fidelis est in minimo, et in maiori fidelis est;
et qui in modico iniquus est, et in maiori iniquus est.
Si ergo in iniquo mammona fideles non fuistis,
quod verum est, quis credet vobis? (...)
und 13:
Nemo servus potest duobus dominis servire (...)
Non potestis Deo servire et Mammonae.
39) Zitaterweiterung wie unten bei Zitat der "Schlüsselvergabe",
s. Anm. 47.
Zu Recht steigt die Priestersalbung nicht von der Salbung des Hauptes
auf die Schulter herab,
weil diese dem Herrn nicht in männlicher Tapferkeit wohlgefällig
sein soll, (40)
sondern auf dem Demütigen, Sanften, der die Worte des Herrn fürchtet,
ruht sein Geist (41)
wie du, wenn dich einer auf die eine Wange schlägt, du ihm auch die
andere darbieten sollst, (42)
dem Wort gemäß:
"Ich habe meine Wangen denen geboten, die mich schlugen und bespuckten."
(43)
40) S. Ps 146 (147),10f; vgl.
1Rg (Sam) 2,9; Agg 2,23. - Innocenz' Argumentation
zur Minderung der Königssalbung als Ausbau der (zu Beginn der prefatio
zitierten) Gelasianischen Funktionen-Aufteilung der beiden Gewalten s.
Dekretale von 1204 c.un.X 1,15: die sakramentale
consecratio super caput gemäß 1Rg
(Sam) 10,1 wird auf eine delibutio
(nur symbolisch für den principatus super humerum
eius Is 9,6) reduziert, s. Eichmann,
Die Kaiserkrönung S.147f. – Vgl. Anm.46
(zur Ableitung Kephas-caput).
41) digne ambuletis (...) cum omni humilitate
et mansuetudine (...) servare unitatem spiritus Eph
4,2; requiescit super eum spiritus Domini
Is 11,2; eius spiritus super vos requiescit
1Petr 4,14; audite verbum
Domini, qui tremitis ad verbum eius Is 66,5
42)
Mt 5,39; Lc 6,29; vgl. den Zusammenhang 3Rg
22,24 et percussit Michaeam in maxillam et
dixit: Mene ergo dimisit Spiritus Domini, et locutus est tibi?
Lam 3,30; Mich 5,1.
43)
Is 50,6
weiter zur 3.
Teilseite, 4. Teilseite,
5. Teilseite