Tertia interpretatio qua
dicitur aliquid esse factum de nihilo est
cum intelligimus esse quidem factum
sed non esse aliquid vnde
sit factum.
Die
dritte Auslegung der Behauptung, daß etwas aus dem Nichts gemacht
sei, ist gegeben,
wenn
wir erkennen, daß es zwar gemacht wurde,
daß
aber nicht ein Etwas existiert, aus dem es gemacht wurde.
Per similem significationem dici videtur
cum homo contristatus sine causa dicitur
contristatus de nihilo.
In
einer ähnlichen Bedeutung scheint gesprochen zu werden,
wenn
man von einem Menschen, der ohne Grund betrübt ist, sagt, er sei über
nichts betrübt.
Secundum igitur hunc sensum si intelligatur
quod supra conclusum est
quia preter summam essentiam cuncta que
sunt
ab eadem ex nihilo
facta sunt
id est non ex aliquo:
sicut ipsa conclusio precedentia conuenienter
consequetur
ita ex eadem conclusione nihil inconuenieus subsequetur.
Wenn
man also in diesem Sinne versteht, was oben geschlossen wurde,
(nämlich)
daß außer der höchsten Wesenheit alles, was ist,
von
ebendieser aus dem Nichts gemacht wurde,
das
heißt nicht aus etwas,
dann
wird, wie dieser Schluß aus dem Vorhergehenden zutreffend gefolgert
werden wird,
genauso
auch aus ebendiesem Schluß dann nichts Ungereimtes gefolgert werden.
quamuis non inconuenienter et sine omni repugnantia
ea que facta sunt a creatrice substantia
dici possint esse ex nihilo facta eo
modo
quo dici solet diues factus ex paupere
et recepisse quis sanitatem ex egritudine:
id est qui prius pauper erat nunc
est diues quod antea non erat
et qui prius habebat egritudinem nunc
habet sanitatem quam antea non habebat.
Obwohl
man nicht unangemessen und ohne jeden Widerspruch
von
dem, was von der schöpferischen Substanz gemacht wurde,
sagen
kann, daß es in der Weise aus dem Nichts geschaffen wurde,
in
der man zu sagen pflegt, "ein Reicher sei aus einem Armen geworden"
und
"jemand habe die Gesundheit aus einer Krankheit empfangen".
Das
heißt "der
früher arm war, ist jetzt reich, was er vorher nicht war",
und
"der früher
eine Krankheit hatte, hat jetzt die Gesundheit, die er vorher nicht hatte".
Hoc igitur modo non inconuenienter intelligi
potest
si dicatur creatrix essentia vniuersa fecisse
de nihilo
siue quod vniuersa per illam facta sint de nihilo:
id est que prius nihil erant nunc sunt aliquid.
Auf
diese Weise also kann es nicht ungereimt gedacht werden,
wenn
es heißt, daß die schöpferische Wesenheit alles aus dem
Nichts gemacht hat
oder
daß alles durch sie aus dem Nichts gemacht wurde;
das
heißt: was früher nichts war, ist jetzt etwas.
Hac ipsa quippe uoce qua dicitur
quia illa fecit siue
quia ista facta sunt
intelligitur quia cum illa fecit aliquid
fecit
et cum ista facta sunt nonnisi
aliquid facta sunt.
Denn
mit diesem Worte, mit dem gesagt wird,
daß
jene es gemacht hat, oder daß jenes gemacht worden ist,
ist
gemeint, daß, als jene etwas machte, sie etwas machte;
und
daß, als dieses gemacht wurde, es da erst zu etwas gemacht wurde.
Sic enim aspicientes aliquem
de valde humili fortuna multis
opibus honoribusue ab aliquo exaltatum
dicimus: Ecce ille
fecit istum de nihilo
aut factus est iste ab illo de nihilo:
id est ipse qui prius quasi nihilum reputabatur
nunc illo faciente vere aliquid estimatur.
So
nämlich, wenn wir jemanden sehen,
der
aus sehr niedriger Lage zu großen Reichtümern oder Ehren von
jemandem emporgehoben wurde,
sagen
wir: seht, jener hat diesen aus dem Nichts gemacht,
oder:
dieser ist von jenem aus dem Nichts gemacht worden;
das
heißt: ebendieser, der früher gleichsam für nichts erachtet
wurde,
wird
jetzt durch das Tun von jenem wirklich als etwas angesehen.
cap. IX
Quod ea que facta sunt ex nihilo
nonnihil erant antequam fierent
quantum ad rationem facientis
Verum videor mihi videre quiddam quod
non negligenter discernere cogit
secundum quid ea que facta sunt
antequam fierent dici
possint fuisse nihil.
Ich
meine aber etwas zu sehen, was zwingt, nicht nachlässig zu untersuchen,
unter
welchem Gesichtspunkte man von dem, was gemacht wurde,
sagen
kann, es sei nichts gewesen, bevor es wurde.
Nullo namque pacto fieri potest aliquid rationabiliter
ab aliquo
nisi in facientis ratione
precedat aliquod rei faciende quasi exemplum
siue (ut aptius dicitur) forma vel
similitudo aut regula.
Denn
auf keine Weise kann etwas vernünftig von jemandem gemacht werden,
wenn
nicht im Denken dessen, der es macht,
gleichsam
eine Art Modell des zu machenden Dinges vorausgeht,
oder
passender gesagt, eine Form oder Ahnlichkeit oder Norm.
Patet itaque quoniam priusquam fierent uniuersa
erat in ratione summe nature
quid aut qualia aut quomodo futura essent:
Es
ist somit offenbar, daß, bevor das All wurde,
im
Denken der höchsten Natur bereits da war,
was
oder wie oder auf welche Weise es sein würde.
quare cum ea que facta sunt clarum
sit nihil fuisse antequam fierent
quantum ad hoc quia
non erant quod nunc sunt
nec erat ex quo fierent;
non tamen nihil erant
quantum ad rationem facientis per
quam et secundum quam fierent.
Da
es deshalb klar ist, daß einerseits das, was gemacht wurde, bevor
es wurde, nichts war
in
Hinsicht darauf, daß es nicht war, was es jetzt ist,
und
daß es andererseits nichts gab, woraus es wurde,
so
war es dennoch nicht nichts,
sofern
es das Denken dessen angeht, der es gemacht, durch das und gemäß
dem es wurde.
cap. X
Quod illa ratio sit quedam rerum locutio
sicut faber dicit prius apud se quod facturus
est
Illa autem forma rerum que
in eius ratione res creandas precedebat
quid aliud est quam rerum quedam in ipsa ratione
locutio
veluti cum faber facturus aliquod sue artis opus
prius illud intra se dicit mentis conceptione?
Jene
Form der Dinge aber, die in seinem Denken den zu schaffenden Dingen vorausging:
was
ist sie anderes als eine Art von Sprechen der Dinge in diesem Denken,
wie
wenn ein Künstler, der ein Werk seiner Kunst schaffen will,
es
zuerst in seinem Innern durch eine Empfängnis des Geistes spricht?
Mentis autem siue rationalis locutionem hic intelligo
non cum voces rerum significatiue cogitantur
sed cum res ipse vel future vel iam existentes
acie cogitationis in mente conspiciuntur.
Unter
dem Sprechen des Geistes oder des Denkens verstehe ich hier
nicht,
daß die Laute, welche die Dinge bezeichnen, gedacht werden,
sondern
daß die Dinge selbst, seien es die künftigen, seien es die schon
existierenden,
durch
die Schärfe des Denkens im Geiste geschaut werden.
Frequenti namque vsu cognoscitur
quia rem vnam tripliciter loqui possumus.
Denn
durch häufigen Gebrauch läßt sich erkennen,
daß
wir einen Sachverhalt auf dreifache Art formulieren können.
Aut enim res loquimur
signis sensibilibus
id est que sensibus corporeis sentiri possunt
sensibiliter vtendo;
aut eadem signa que
foris sensibilia sunt
intra nos insensibiliter cogitando;
aut nec sensibiliter nec
insensibiliter his signis vtendo
sed res ipsas vel
corporum imaginatione vel rationis intellectu
pro rerum ipsarum diuersitate
intus in nostra mente dicendo.
Entweder
nämlich formulieren wir die Sachverhalte,
indem
wir uns sinnlicher Zeichen,
das
heißt solcher, die mit den körperlichen Sinnen wahrgenommen
werden können,
sinnfällig
bedienen;
oder
indem wir dieselben Zeichen, die draußen sinnfällig sind,
in
unserem Innern auf nicht sinnfällige Weise denken;
oder
indem wir diese Zeichen weder sinnlich noch unsinnlich gebrauchen,
sondern
die Dinge selbst entweder durch die Vorstellung von Körpern oder durch
die Einsicht der Vernunft –
je
nach der Verschiedenheit dieser Dinge –
inwendig
in unserem Geiste sprechen.
Aliter namque hominem dico
cum eum hoc nomine quod
est homo significo
aliter cum idem nomen tacens cogito;
aliter cum eum ipsum hominem mens
aut per corporis imaginem aut
per rationem intuetur.
Anders
nämlich formuliere ich den "Menschen",
wenn
ich ihn mit diesem Namen, das heißt "Mensch", bezeichne;
anders,
wenn ich diesen Namen stillschweigend denke;
anders,
wenn der Geist eben diesen Menschen
entweder
durch das Bild seines Körpers oder durch das Denken schaut.
Per corporis quidem imaginem
vt cum eius sensibilem figuram imaginatur:
per rationem vero
vt cum vniuersalem eius essentiam que
est animal rationale mortale cogitat.
Durch
das Bild seines Körpers,
so
wenn er sich seine sinnfällige Gestalt vorstellt;
durch
das Denken jedoch,
so
wenn er seine allgemeine Wesenheit, nämlich "vernunftbegabtes, sterbliches
Lebewesen", denkt.
He vero tres loquendi varietates singule verbis
sui generis constant;
sed illius quam
tertiam et vltimam posui locutionis verba
cum de rebus non ignoratis sunt
naturalia sunt et
apud omnes gentes sunt eadem.
Von
diesen drei Sorten der Formulierung besteht jede aus Worten ihrer Art;
die
Worte jener Formulierung aber, die ich an die dritte und letzte Stelle
gesetzt habe,
sind,
wenn sie von nicht unbekannten Dingen
sind,
natürliche
und sind bei allen Völkern dieselben.
Et quoniam omnia alia uerba propter hec sunt
inuenta
vbi ista sunt nullum
aliud verbum est necessarium ad rem cognoscendam
et vbi ista esse non possunt
nullum aliud est vtile ad rem ostendendam.
Und
weil alle anderen Worte um dieser willen erfunden wurden,
so
ist, wo diese vorhanden sind, kein anderes Wort nötig, um das Ding
zu erkennen;
und
wo diese nicht dasein können,
ist
kein anderes von Nutzen, um den Sachverhalt aufzuzeigen.
Possunt etiam non absurde dici tanto veriora
quanto magis rebus quarum
sunt verba similia sunt
et eas expressius significant.
Man
kann auch ohne Widersinn sagen, daß sie umso wahrer sind,
je
mehr sie den Dingen, deren Worte sie sind, ähnlich sind
und
je anschaulicher sie diese bezeichnen.
Exceptis namque rebus illis
quibus ipsis vtimur pro nominibus suis ad easdem
significandas
vt sunt quedam voces velut
A vocalis:
exceptis inquam his nullum
aliud verbum
sic videtur rei simile cuius
est verbum aut sic eam exprimit
quomodo illa similitudo
que in acie mentis rem ipsam cogitantis exprimitur.
Denn
abgesehen von jenen Dingen, die wir gerade als ihre Namen zu ihrer Bezeichnung
gebrauchen –
wie
gewisse Laute, etwa der Vokal "a" –,
von
diesen abgesehen, sage ich, erscheint kein anderes Wort
der
Sache, deren Wort es ist, so ähnlich oder drückt sie so aus,
wie
jenes Ebenbild,
welches
in der Schärfe des die Sache selbst denkenden Geistes ausgedrückt
wird.
Illud igitur iure dicendum est
maxime proprium et principale rei verbum.
Dieses
muß also mit Recht
das
am meisten eigentümliche und ursprüngliche Wort des Dinges genannt
werden.
Quapropter si nulla de qualibet re locutio tantum
propinquat rei
quantum illa que huiusmodi verbis constat
nec aliquid aliud tam simile rei vel future
vel iam existenti
in ratione alicuius potest esse:
non immerito videri potest
apud summam substantiam talem
rerum locutionem
et fuisse antequam
essent ut per eam fierent;
et esse cum facta
sunt vt per eam sciantur.
Wenn
daher kein Sprechen über irgendein Ding so sehr dem Dinge nahekommt
wie
jenes, das aus solchen Worten besteht,
und
nichts anderes so ähnlich dem künftigen oder schon existierenden
Dinge
in
jemandes Denken vorhanden sein kann,
dann
kann nicht mit Unrecht angenommen werden,
daß
bei der höchsten Substanz eine solches Formulieren der Dinge
sowohl
da war, bevor sie waren, damit sie durch diese werden könnten,
als
auch da ist, wenn sie geworden sind, damit sie durch es gewußt werden
können.
cap. XI
Quod tamen multa sit in hac similitudine fabri
dissimilitudo
Sed quamuis summam substantiam constet
prius in se quasi dixisse cunctam creaturam
quam eam secundum eandem
et per eandem suam intimam locutionem conderet;
quemadmodum faber prius mente concipit
quod postea secundum mentis conceptionem opere
perficit.
Multam tamen in hac similitudine intueor dissimilitudinem.
Doch
wenn auch feststeht, daß die höchste Substanz
zuvor
die gesamte Schöpfung in sich gleichsam formuliert hat,
ehe
sie diese gemäß ebendiesem ihrem innersten Formulieren
und
durch ebendieses schuf,
gleichwie
der Künstler vorher im Geiste empfängt,
was
er nachher dem Entwurf seines Geistes gemäß im Werke verwirklicht,
so
sehe ich doch in dieser Ahnlichkeit viel Unähnlichkeit.
Illa namque nihil omnino aliunde assumpsit
vnde vel eorum que factura erat formam
in se ipsa compingeret
vel ea ipsa id quod sunt perficeret.
Denn
jene nahm durchaus nichts anderswoher auf,
um
daraus die Gestalt der Dinge, die sie zu schaffen vorhatte, in sich selbst
zusammenzumalen
oder
ebendiese zu dem, was sie sind, zu machen.
faber vero penitus nec mente potest aliquid corporeum
concipere imaginando
nisi id quod aut totum simul aut
per partes ex aliquibus rebus aliquo modo
iam didicit;
nec opus mente conceptum perficere
si desit aut materia aut
aliquid sine quo opus precogitatum fieri non
possit.
Der
Künstler dagegen kann im Geiste durchaus nichts Körperliches
durch Vorstellung empfangen,
außer
was er als Ganzes zusammen oder in Teilen, aus mancherlei Dingen schon
irgendwie kennengelernt hat,
noch
kann er das im Geiste empfangene Werk verwirklichen,
wenn
entweder der Stoff fehlt oder etwas, ohne das das vorgedachte Werk nicht
entstehen kann.
Quanquam enim homo tale aliquod animal
possit cogitando vel pingendo quale
nusquam sit confingere;
nequaquam tamen hoc facere valet
nisi componendo in eo partes
quas ex rebus alias cognitis in memoriam attraxit.
Denn
obwohl der Mensch ein solch geartetes Lebewesen,
durch
Denken oder Malen, wie es nirgends existiert, ersinnen kann,
so
kann er dies doch keineswegs tun,
es
sei denn er setzt in ihm die Teile zusammen,
die
er aus anderwärts bekannten Dingen in sein Gedächtnis aufgenommen
hat.
Quare in hoc differunt ab inuicem
ille in creatrice substantia et
in fabro suorum operum faciendorum intime locutiones
quod illa nec assumpta nec
adiuta aliunde
sed prima et sola causa sufficere potuit suo
artifici ad suum opus perficiendum;
ista vero nec prima nec sola nec
sufficiens est ad suum incipiendum.
Deshalb
unterscheiden sich voneinander
jene
inneren Formulierungen ihrer zu schaffenden Werke bei der schöpferischen
Substanz und beim Künstler
dadurch,
daß jene nicht anderswoher genommen oder unterstützt werden,
sondern
als erste und einzige Ursache seinem Künstler zur Vollendung seines
Werkes genügen konnte,
diese
dagegen weder die erste noch einzige ist noch auch ausreicht, um sein Werk
anzufangen.
Quapropter ea que per illam creata sunt
omnia non sunt quod non sunt per illam
que vero per istam fiunt
penitus non essent nisi
essent aliquid quod non sunt per ipsam.
Darum
ist das, was durch jenes geschaffen wurde,
durchaus
nicht etwas, was es nicht durch es ist;
was
aber durch dieses geschieht,
wäre
überhaupt nicht, wenn es nicht etwas wäre, was es nicht durch
es selbst ist.
cap. XII
Quod hec summe essentie locutio sit summa
essentia
Sed cum pariter ratione docente sit certum
quia quidquid summa substantia fecit
non fecit per aliud quam per semetipsam;
et quidquid fecit per
suam intimam locutionem fecit
siue singula singulis verbis
siue potius vno verbo simul omnia dicendo:
quid magis necessarium videri potest
quam hanc summe essentie locutionem non esse
aliud quam summam essentiam?
Da
aber, wie die Vernunft lehrt, in gleicher Weise sicher ist,
daß
alles, was die höchste Substanz gemacht hat,
sie
nicht durch etwas anderes gemacht hat als durch sich selbst
und
alles, was sie gemacht hat, durch ihr inneres Formulieren gemacht hat,
sei
es, daß sie jedes einzelne durch je ein Wort,
sei
es besser, daß sie durch ein Wort alles zugleich sprach:
was
kann da für notwendiger erachtet werden,
als
daß dieses Sprechen der höchsten Wesenheit nichts anderes ist
als die höchste Wesenheit?
Non igitur negligenter pretereundam huius locutionis
considerationem puto:
sed priusquam de illa possit tractari
diligenter eiusdem summe substantie proprietates
aliquas studiose inuestigandas existimo.
Ich
glaube daher, daß die Betrachtung dieses Formulierens nicht nachlässig
übergangen werden darf;
aber
bevor über es sorgfältig gehandelt werden kann,
müssen
nach meiner Meinung einige Eigentümlichkeiten ebendieser höchsten
Substanz eifrig untersucht werden.
cap. XIII
Quod sicut omnia per summam essentiam facta
sunt
ita vigeant per ipsam
Constat ergo
per summam naturam esse factum
quidquid non est idem illi.
Es
steht folglich fest,
daß
durch die höchste Natur geschaffen wurde,
was
immer nicht dasselbe ist wie sie.
Dubium autem nonnisi rationali menti esse potest
quod cuncta que facta sunt eodem
ipso sustinente
vigent et perseuerant esse quandiu sunt
quo faciente de nihilo habent esse quod sunt.
Es
kann aber nur einem unvernünftigen Geiste zweifelhaft sein,
daß
alles, was geschaffen wurde, durch die erhaltende Kraft eben desselben
Bestand
hat und, solange es ist, im Sein verharrt,
durch
dessen Schöpfung aus dem Nichts es eben hat, daß es ist, was
es ist.
Simili namque per omnia ratione
qua collectum est omnia que sunt esse
per vnum aliquid
vnde ipsum solum est per seipsum et
alia per aliud
simili inquam ratione potest probari
quia quecunque vigent per vnum aliquid vigeant:
unde illud solum viget per seipsum et
alia per aliud.
Mit
einem in allem ähnlichen Vernunftgrunde,
mit
dem geschlossen wurde, daß alles, was ist, durch ein einziges Etwas
sei –
weshalb
dieses allein durch sich selbst ist und das andere durch ein anderes –,
mit
einem ähnlichen Vernunftgrunde, sage ich, kann bewiesen werden,
daß
alles, was Bestand hat, durch ein einziges Etwas Bestand hat,
weshalb
dieses allein durch sich selbst Bestand hat und das andere durch ein anderes.
Quod quoniam aliter esse non potest
nisi vt ea que sunt facta per
aliud uigeant
et id a quo facta sunt vigeat
per seipsum
necesse est vt
sicut nihil factum est nisi per creatricem presentem
essentiam
ita nihil vigeat nisi
per eiusdem seruatricem presentiam.
Weil
das nicht anders sein kann,
als
daß das, was geschaffen wurde, durch ein anderes Bestand hat
und
das, von dem es geschaffen wurde, durch sich selbst Bestand hat,
darum
ist es notwendig, daß,
wie
nichts geschaffen wurde außer durch die schöpferische gegenwärtige
Wesenheit,
so
nichts Bestand hat, es sei denn durch ebenderen erhaltende Gegenwart.
cap. XIV
Quod illa sit in omnibus
et per omnia et omnia sint ex illa
et per illam
et in illa
Quod si ita est
immo quia ex necessitate sic est
consequitur vt vbi ipsa non est nihil
sit.
Wenn
dem so ist,
ja
weil es notwendig so ist,
folgt,
daß, wo sie nicht ist, nichts ist.
vbique igitur est
et per omnia
et in omnibus.
Überall
also ist sie
und
durch alles
und
in allem.
At quoniam absurdum est vt
scilicet
quemadmodum nullatenus aliquid creatum
potest exire creantis et fouentis immensitatem;
sic creans et fouens nequaquam
valeat aliquo modo excedere factorum vniuersitatem;
liquet quoniam ipsa est
que cuncta alia portat et superat
claudit et penetrat.
Weil
es aber widersinnig wäre, daß etwa so,
wie
nirgends etwas Geschaffenes
herauszutreten
fähig sei aus der Unermeßlichkeit
der erschaffenden und hegenden Kraft,
so
die erschaffende und hegende Kraft an keiner Stelle
auf
irgendeine Weise die Gesamtheit des Geschaffenen zu überschreiten
fähig sei:
so
erhellt, daß ebensie es ist,
die
alles andere trägt und überragt,
umschließt
und durchdringt.
Si igitur hec illis que
superius sunt inuenta iungantur
eadem est que in omnibus est et
per omnia
et ex qua et per
quam et in qua omnia.
Fügt
man dies also dem, was weiter oben gefunden wurde, hinzu,
so
ist ebensie es, die in allem ist und durch alles
und
aus der und durch die und in der alles ist.
cap. XV
Quid possit aut non possit de illa dici substantialiter
Iam non immerito valde moueor quam studiose possum
inquirere
quid omnium que
de aliquo dici possunt
huic tam admirabili nature queat conuenire substantialiter.
Jetzt
werde ich nicht unbegründet dazu angeregt, so eifrig, als ich kann,
zu erforschen,
was
von allem, was von etwas ausgesagt werden kann,
dieser
so wunderbaren Natur wesenhaft zukommen kann.
Quanquam enim mirer si possit in nominibus vel
verbis
que aptamus rebus factis de nihilo
reperiri quod digne dicatur de creatrice vniuersorum
substantia;
tentandum tamen est
ad quid hanc indagationem ratio perducet.
Wenn
es mich auch Wunder nimmt, ob in den Namen oder Worten,
die
wir den aus dem Nichts gemachten Dingen beilegen,
etwas
zu finden ist, was von der das All schaffenden Substanz angemessen ausgesagt
werden kann,
so
ist dennoch zu erproben,
zu
welchem Ergebnis die Vernunftüberlegung diese Untersuchung hinführen
wird.
Itaque de relatiuis quidem nulli dubium
quia nullum eorum substantiale est illi
de quo relatiue dicitur.
Hinsichtlich
der beziehungsweisen Dinge nun ist es zwar niemandem zweifelhaft,
daß
keines von ihnen dem wesenhaft zukommt,
von
dem es beziehungsweise ausgesagt wird.
Quare si quid de summa natura dicitur relatiue
non est eius significatiuum substantie.
Wenn
daher von der höchsten Natur etwas beziehungsweise ausgesagt wird,
so
bezeichnet es nicht ihre Substanz.
vnde hoc ipsum
quod summa omnium siue maior omnibus
que ab illa facta sunt vel
aliud aliquid similiter relatiue dici potest
manifestum est quoniam non eius naturalem designat
essentiam.
Daher
ist von diesem,
daß
sie die höchste von allem oder größer als alles,
was
von ihr geschaffen wurde oder etwas anderes in ähnlicher Art beziehungsweise
genannt werden kann,
offensichtlich,
daß es nicht ihre natürliche Wesenheit bezeichnet.
Si enim nulla earum rerum vnquam esset
quarum relatione summa et maior dicitur
ipsa nec summa nec
maior intelligeretur:
nec tamen idcirco minus bona esset
aut essentialis sue magnitudinis in aliquo detrimentum
pateretur.
Denn
wenn es niemals eines jener Dinge gäbe,
in
Beziehung zu denen sie als höchste und als größer bezeichnet
wird,
so
würde sie weder als höchste noch als größer verstanden
werden,
wäre
deshalb dennoch nicht weniger gut
oder
würde an ihrer wesentlichen Größe in irgendeinem Punkte
eine Minderung erleiden.
Quod ex eo manifeste cognoscitur
quoniam ipsa quidquid boni vel magni est
non est per aliud quam per seipsam.
Das
wird daraus klar erkannt,
daß
sie, was immer sie Gutes oder Großes ist,
nicht
durch ein anderes als sich selber ist.
Si igitur summa natura sic potest intelligi non
summa
vt tamen nequaquam sit maior aut minor
quam cum intelligitur summa omnium:
manifestum est quoniam summum non simpliciter
significat illam essentiam
que omnino maior et melior est
quam quidquid non est quod ipsa est.
Wenn
also die höchste Natur in der Weise als nichthöchste verstanden
werden kann,
daß
sie dennoch keineswegs größer oder kleiner ist,
als
wenn sie als die höchste von allen gedacht wird,
dann
ist klar, daß das "Höchste« nicht schlechthin jene Wesenheit
bezeichnet,
die
in jeder Weise größer und besser ist
als
alles, was nicht ist, was sie ist.
Quod autem ratio docet de summo
non dissimiliter inuenitur in similiter relatiuis.
Was
aber die Vernunft vom Höchsten lehrt,
das
ermittelt man nicht unähnlich an ähnlich beziehungsweisen Dingen.
Illis itaque que relatiue dicuntur omissis
quia nullum eorum simpliciter demonstrat alicuius
essentiam
ad alia discutienda se conuertat intentio.
Mit
Beiseitesetzung also derjenigen Dinge, die beziehungsweise ausgesagt werden
–
weil
keines davon die Wesenheit eines Dinges schlechthin aussagt –,
soll
sich unser Augenmerk der Erörterung von anderem zuwenden.
Et quidem si quis singula diligenter intueatur
quidquid est preter relatiua
aut tale est vt
ipsum omnino melius sit quam non ipsum;
aut tale vt non
ipsum in aliquo melius sit quam ipsum.
Wenn
nun jemand das einzelne aufmerksam betrachtet,
so
ist alles, was es außerhalb der Beziehungsdinge gibt,
entweder
so beschaffen, daß das "Es" durchweg besser ist als das "Nicht-Es";
oder
so, daß das "Nicht-Es" in einem Stücke besser ist als das "Es«.
Ipsum autem et non ipsum non
aliud hic intelligo
quam verum non verum corpus
non corpus et his similia.
Unter
"Es" und "Nicht-Es" aber verstehe ich hier nichts anderes
als
wahr, nicht-wahr; Körper, Nicht-Körper; und dem ähnliches.
Melius quidem est omnino aliquid quam non ipsum:
vt sapiens quam non ipsum sapiens
id est melius est sapiens quam non sapiens.
Besser
ist ja überhaupt Etwas als nicht-Es,
wie
das Weise als das nicht-Es, das Weise nämlich;
das
heißt: besser ist das Weise als das Nicht-Weise.
Quamuis enim iustus non sapiens melior videatur
quam non iustus sapiens
non tamen melius simpliciter est non
sapiens quam sapiens:
omne enim non sapiens simpliciter
inquantum non sapiens est minus quam sapiens;
quia omne non sapiens melius esset si
esset sapiens.
Denn
obwohl der nicht weise Gerechte besser zu sein scheint als der nicht gerechte
Weise,
so
ist dennoch das Nicht-Weise nicht schlechthin besser als das Weise.
Denn
alles Nicht-Weise ist schlechthin, sofern es nicht weise ist, geringer
als das Weise,
weil
alles Nicht-Weise besser wäre, wenn es weise wäre.
Similiter omnino melius est verum quam non ipsum
id est quam non verum;
et iustum quam non iustum;
et viuit quam non viuit.
Ähnlich
ist durchaus besser das Wahre als nicht-Es,
das
heißt als das Nicht-Wahre;
und
das Gerechte als das Nicht-Gerechte;
und
"es lebt" besser als "es lebt nicht".
Melius autem est in aliquo non ipsum quam ipsum
vt non aurum quam aurum.
Besser
aber ist in manchem das "Nicht-Es" als das "Es",
wie
Nicht-Gold als Gold.
Nam melius est homini esse non aurum quam aurum;
quamuis forsitan melius esset alicui aurum esse
quam non aurum esse
vt plumbo.
Denn
besser ist es für den Menschen nicht Gold zu sein als Gold,
wenn
es auch vielleicht für manches besser wäre Gold zu sein, als
Nicht-Gold,
wie
für das Blei.
Cum enim vtrumque scilicet
homo et plumbum sit non aurum
tanto melius aliquid est homo quam aurum
quanto inferioris nature esset si
esset aurum:
et plumbum tanto vilius est quanto pretiosius
esset si aurum esset.
Da
nämlich beides, Mensch und Blei, nicht Gold ist,
so
ist der Mensch etwas um soviel Besseres als das Gold,
als
er von geringerer Natur wäre, wenn er Gold wäre;
und
das Blei um soviel minderwertiger, als es kostbarer wäre, wenn es
Gold wäre.
Patet autem ex eo quod summa natura sic intelligi
potest non summa
vt nec summum omnino melius sit quam non summum
nec non summum alicui melius quam summum:
multa relatiua esse
que nequaquam hac contineantur diuisione.
Aber
aus dem Sachverhalt, daß die höchste Natur in der Art als nicht-höchste
verstanden werden kann,
daß
weder das Höchste durchaus besser ist als das Nicht-Höchste,
noch
das Nicht-Höchste für etwas besser ist als das Höchste,
eben
daraus erhellt, daß es viele Beziehungsdinge gibt,
die
in keiner Weise in dieser Einteilung enthalten sind.
vtrum autem aliqua contineantur inquirere
supersedeo
cum ad propositum sufficiat quod de illis notum
est
nullum scilicet
eorum simplicem summe nature substantiam designare.
Ob
aber einige darin enthalten sind, erspare ich mir zu untersuchen,
da
für den Zweck genügt, was von ihnen bekannt ist,
daß
nämlich keines von ihnen das einfache Wesen der höchsten Natur
bezeichnet.
Cum igitur quidquid aliud est si
singula dispiciantur
aut ipsum sit melius quam non ipsum
aut non ipsum in aliquo sit melius quam ipsum:
sicut nefas est putare quod substantia summe
nature sit aliquid
quo melius sit aliquo modo non ipsum;
sic necesse est vt sit quidquid omnino melius
est quam non ipsum.
Da
nun was immer es sonst noch gibt, wenn das einzelne unterschieden wird,
entweder
besser ist als das "Nicht-Es"
oder
das "Nicht-Es" in irgendeinem Stücke besser ist als das "Es":
so
wie es Frevel ist zu meinen, daß die Wesenheit der höchsten
Natur etwas sei,
dem
gegenüber das Nicht-Es irgendwie besser wäre,
so
ist es notwendig, daß sie all das sei, was durchaus besser ist als
das Nicht-Es.
Illa enim sola est qua
penitus nihil est melius;
et que melior est omnibus
que non sunt quod est ipsa.
Denn
sie allein ist es, über der es gar nichts Besseres gibt
und
die besser ist als alles,
was
nicht ist, was sie ist.
Non est igitur corpus
vel aliquid eorum que corporei sensus discernunt.
Sie
ist also nicht Körper
oder
etwas von dem, was die körperlichen Sinne unterscheiden.
Quippe his omnibus melius est aliquid
quod non est quod ipsa sunt.
Denn
über dem allen ist etwas Besseres,
das
nicht ist, was die Dinge sind.
Mens enim rationalis
que nullo corporeo sensu quid vel
qualis vel quanta sit percipitur;
quanto minor esset
si esset aliquid eorum que corporeis sensibus
subiacent
tanto maior est quam
quodlibet eorum.
Denn
der vernünftige Geist,
der
durch keinen körperlichen Sinn in seiner Wesenheit oder Beschaffenheit
oder Größe erfaßt wird,
wäre
nämlich umso geringer,
wenn
er etwas von dem wäre, was den körperlichen Sinnen unterworfen
ist,
und
umso größer ist er als irgend etwas davon.
Penitus enim ipsa summa essentia tacenda est
esse aliquid eorum
quibus est aliquid quod
non est quod ipsa sunt superius:
et est omnino sicut
ratio docet dicenda
quodlibet eorum quibus
est omne quod non est quod ipsa sunt
inferius.
Denn
durchaus ist davon zu schweigen, daß die höchste Wesenheit etwas
von dem sei,
dem
gegenüber etwas, das nicht ist, was es ist, höher ist;
und
es ist, wie die Vernunft lehrt, von ihr durchaus zu bejahen,
daß
sie ein jegliches von dem ist, dem gegenüber alles, was nicht ist,
was es ist, niedriger ist.
Quare necesse est
eam esse viuentem sapientem
potentem et omnipotentem
veram iustam beatam eternam
et quidquid similiter absolute melius quam non
ipsum.
Deshalb
ist es notwendig,
daß
sie lebend, weise, mächtig und allmächtig,
wahr,
gerecht, selig und ewig ist
und
was immer ähnlich unbedingt besser ist als das "Nicht-Es".
Quid ergo queratur amplius quid summa illa sit
natura
si manifestum est
quid omnium sit aut
quid omnium non sit?
Was
soll also noch weiter gefragt werden, was diese höchste Natur ist,
wenn
es offensichtlich ist,
was
von allem sie ist oder was sie nicht ist?
cap. XVI
Quod idem sit illi esse iustam
quod est esse iustitiam:
et eodem modo de his que similiter de illa
dici possunt;
et quod nihil horum monstret qualis illa
vel quanta sit
sed quid sit
Sed fortasse cum dicitur iusta vel
magna vel aliquid similium
non ostenditur quid sit
sed potius qualis vel
quanta sit:
per qualitatem quippe vel
quantitatem quodlibet horum dici videtur.
Aber
vielleicht wird, wenn sie gerecht oder groß oder etwas dergleichen
genannt wird,
nicht
aufgezeigt, was sie ist,
sondern
vielmehr, wie beschaffen oder wie groß sie ist;
es
scheint nämlich, daß ein jedes von diesen auf Grund von Beschaffenheit
oder Größe ausgesagt wird.
Omne namque quod iustum est
per iustitiam iustum est;
et alia huiusmodi similiter.
Denn
alles, was gerecht ist,
ist
durch die Gerechtigkeit gerecht.
Und
anderes derartiges in ähnlicher Weise.
Quare ipsa summa natura non est iusta
nisi per iustitiam.
Deshalb
ist die höchste Natur nicht gerecht
außer
durch die Gerechtigkeit.
Videtur igitur participatione qualitatis
iustitie scilicet
iusta dici summe bona substantia:
quod si ita est per
aliud est iusta
non per se.
Es
scheint also durch Teilnahme an einer Beschaffenheit, nämlich der
Gerechtigkeit,
die
höchst gute Substanz gerecht genannt zu werden.
Wenn
dem so ist, ist sie durch ein anderes gerecht,
nicht
durch sich.
At hoc contrarium est veritati perspecte;
quia bona vel magna
vel subsistens quod
est omnino per se est
non per aliud.
Das
aber ist entgegen der durchschauten Wahrheit,
daß
sie gut oder groß oder seiend – was sie ist – ganz und gar durch
sich ist,
nicht
durch ein anderes.
Si igitur non est iusta nisi
per iustitiam
nec iusta esse potest nisi per se:
quid magis conspicuum quid
magis necessarium
quam quod eadem natura est
ipsa iustitia:
et cum dicitur esse iusta per iustitiam
idem est quod per se;
et cum iusta per se dicitur esse
non aliud intelligitur quam per iustitiam.
Wenn
sie also nicht gerecht ist außer durch die Gerechtigkeit
und
nicht gerecht sein kann außer durch sich:
was
ist dann mehr einleuchtend, was mehr notwendig,
als
daß diese Natur die Gerechtigkeit selbst ist;
und
daß, wenn gesagt wird, sie sei durch die Gerechtigkeit gerecht,
es
dasselbe ist wie: durch sich;
und
wenn es heißt, sie sei durch sich gerecht,
nichts
anderes gedacht wird als: durch die Gerechtigkeit?
Quapropter si queratur quid sit ipsa summa natura
de qua agitur;
quid verius respondetur quam iustitia?
Wenn
demnach gefragt wird, was diese höchste Natur sei, um die es sich
handelt:
was
wird wahrer geantwortet als: die Gerechtigkeit?
Videndum igitur quomodo intelligendum sit
quando illa natura que
est ipsa iustitia dicitur iusta.
Man
muß also zusehen, wie es zu verstehen ist,
wenn
diese Natur, die die Gerechtigkeit selbst ist, gerecht genannt wird.
Quoniam enim homo non potest esse iustitia
iustitiam autem habere potest;
non intelligitur iustus homo existens iustitia
sed habens iustitiam.
Denn
weil der Mensch nicht die Gerechtigkeit selbst sein kann,
sondern
die Gerechtigkeit nur haben kann,
so
wird der gerechte Mensch nicht als die Gerechtigkeit seiend,
sondern
als die Gerechtigkeit habend gedacht.
Quoniam igitur de summa natura non proprie dicitur
quia habet iustitiam
sed existit iustitia:
cum dicitur iusta proprie
intelligitur existens iustitia
non autem habens iustitiam.
Weil
also von der höchsten Natur nicht im eigentlichen Sinne gesagt wird,
daß
sie die Gerechtigkeit hat,
sondern
die Gerechtigkeit ist,
so
wird sie, wenn sie gerecht genannt wird, eigentlich als die existierende
Gerechtigkeit selbst gedacht,
nicht
als die Gerechtigkeit habend.
Quare si cum dicitur existens iustitia
non dicitur qualis est sed quid est;
consequitur vt cum dicitur iusta
non dicatur qualis sit sed
quid sit.
Wenn
darum, so oft sie als die existierende Gerechtigkeit selbst genannt wird,
nicht
gesagt wird, wie beschaffen sie ist, sondern was sie ist,
so
folgt, daß, wenn sie gerecht genannt wird,
nicht
gesagt wird, wie beschaffen sie ist, sondern was sie ist.
Deinde quoniam de illa suprema essentia idem
est dicere
quia est iusta et
quia est existens iustitia:
et cum dicitur est
existens iustitia
non est aliud quam est iustitia:
nihil differt in illa
siue dicatur est
iusta siue est iustitia.
Weil
es ferner bei dieser höchsten Wesenheit dasselbe ist zu sagen:
daß
sie gerecht sei, und: daß sie die existierende Gerechtigkeit selbst
sei;
und
wenn es heißt: sie
ist die existierende Gerechtigkeit selbst,
es
nichts anderes ist als: sie ist die Gerechtigkeit:
so
macht es bei ihr keinen Unterschied,
ob
man sagt: sie
ist gerecht, oder: sie ist die Gerechtigkeit.
Quapropter cum queritur de illa quid est
non minus congrue respondetur iusta quam
iustitia:
Wenn
man daher über sie fragt: "was ist sie?",
so
antwortet man nicht weniger angemessen: "gerecht", als: "die Gerechtigkeit.
Quod vero in exemplo iustitie ratum esse conspicitur
hoc de omnibus que
similiter de ipsa summa natura dicuntur
intellectus sentire per rationem constringitur.
Was
aber in dem Beispiel von der Gerechtigkeit als gültig erschaut wird,
das
wird bei allem, was in ähnlicher Weise von dieser höchsten Natur
gesagt wird,
der
Verstand durch die Überlegung zu erkennen genötigt sein.
Quidquid igitur eorum de illa dicatur
non qualis vel quanta
sed magis quid sit monstratur.
Was
immer also von ihr ausgesagt werden mag,
so
wird nicht gezeigt, wie beschaffen oder wie groß, sondern vielmehr
was sie ist.
Sed palam est quia
quodlibet bonum summa natura sit
summe illud est.
Es
ist aber offenkundig, daß,
was
immer für ein Gut die höchste Natur ist,
sie
das in höchstem Maße ist.
Illa igitur est summa essentia
summa vita summa ratio summa salus summa iustitia summa sapientia summa veritas summa bonitas summa magnitudo summa pulchritudo summa immortalitas summa incorruptibilitas summa immutabilitas summa beatitudo summa eternitas summa potestas summa vnitas; quod non est aliud quam summe ens summe viuens: et alia similiter. |
Sie
ist also die höchste Wesenheit,
das höchste Leben, die höchste Vernunft, das höchste Wohlergehen, die höchste Gerechtigkeit, die höchste Weisheit, die höchste Wahrheit, die höchste Güte, die höchste Größe, die höchste Schönheit, die höchste Unsterblichkeit, die höchste Unverderblichkeit, die höchste Unveränderlichkeit, die höchste Seligkeit, die höchste Ewigkeit, die höchste Macht, die höchste Einheit, was nichts anderes ist als das höchst Seiende, das höchst Lebende und noch anderes auf gleiche Art und Weise. |