Vnde si quando illi est cum aliis nominis alicuius
communio
valde procul dubio intelligenda est diuersa significatio.
Wenn sie also mit anderen
irgendeinen Namen gemeinsam hat,
so ist ohne Zweifel eine
sehr verschiedene Bedeutung zu denken.
cap. XXVII
Quod non contineatur in communi tractatu substantiarum;
et tamen sit substantia et indiuiduus spiritus
Constat igitur
quia illa substantia nullo communi tractatu substantiarum
includitur
a cuius essentiali communione omnis natura excluditur.
Es steht also fest,
daß diese Substanz
in keinem allgemeinen Traktat von den Substanzen eingeschlossen ist,
sofern von einer wesenhaften
Gemeinschaft mit ihr jede Natur ausgeschlossen ist.
Nempe cum omnis substantia tractetur aut esse
vniuersalis
que pluribus substantiis essentialiter communis
est
vt hominem esse commune est singulis hominibus
aut esse indiuidua que vniuersalem essentiam
communem habet cum aliis
quemadmodum singuli homines commune habent cum
singulis vt homines sint;
quomodo aliquis summam naturam in aliarum substantiarum
tractatu contineri intelligit
que nec in plures substantias se diuidit
nec cum aliqua alia per essentialem communionem
se colligit?
Denn da nach dem Traktat
jede Substanz entweder eine allgemeine ist,
die mehreren Substanzen
wesenhaft gemeinsam ist,
wie Mensch sein den einzelnen
Menschen gemeinsam ist,
oder eine individuelle ist,
die die allgemeine Wesenheit mit anderen gemeinsam hat,
wie die einzelnen Menschen
mit den einzelnen gemeinsam haben, daß sie Menschen sind:
wie denkt dann einer, daß
im Traktat von den anderen Substanzen die höchste Natur enthalten
sei,
die sich weder in mehrere
Substanzen teilt
noch sich mit irgendeiner
anderen durch eine wesenhafte Gemeinschaft zusammengesellt?
Quoniam tamen ipsa non solum certissime existit
sed etiam summe omnium existit
et cuiuslibet rei essentia dici solet substantia;
profecto si quid digne dici potest
non prohibetur dici substantia.
Weil sie jedoch nicht nur
aufs gewisseste existiert,
sondern auch am höchsten
von allem existiert,
und das Wesen eines jeden
beliebigen Dinges Substanz genannt zu werden pflegt,
so wird fürwahr, wenn
sie etwas auf würdige Weise genannt werden kann,
kein Hindernis bestehen,
sie Substanz zu nennen.
Et quoniam non noscitur dignior essentia quam
spiritus aut corpus;
et ex his dignior est spiritus quam corpus
vtique eadem asserenda est esse spiritus
non corpus.
Und weil man keine höherstehende
Wesenheit kennt als den Geist oder den Körper,
und von diesen der Geist
höher steht als der Körper,
so ist natürlich zu
sagen, daß sie Geist ist, nicht Körper.
Quoniam autem nec vlle partes sunt eiusdem spiritus
nec plures esse possunt eiusmodi spiritus
necesse est vt sit omnino indiuiduus spiritus.
Weil aber dieser Geist weder
Teile hat
noch es mehrere solcher
Geister geben kann,
ist es notwendig, daß
er ein durchaus individueller Geist ist.
Quoniam enim sicut
supra constat nec partibus est compositus
nec vllis differentiis vel accidentibus intelligi
potest esse mutabilis
impossibile est vt qualibet sectione sit diuisibilis.
Denn weil er, wie oben feststeht,
weder aus Teilen zusammengesetzt ist,
noch gedacht werden kann,
daß er durch irgendwelche Unterschiede oder Akzidenzien veränderlich
sei,
ist es unmöglich, daß
er durch irgendwelche Zerlegung teilbar ist.
cap. XXVIII
Quod idem spiritus simpliciter sit:
et creata illi comparata non sint
Videtur ergo consequi ex precedentibus
quod iste spiritus qui
sic suo quodam mirabiliter singulari et singulariter mirabili modo est
quadam ratione solus sit;
alia vero quecunque videntur esse huic collata
non sint.
Es scheint also aus dem
Vorhergehenden zu folgen,
daß dieser Geist,
der so in seiner gleichsam wunderbar einzigartigen und einzigartig wunderbaren
Weise ist,
in gewissem Sinne allein
ist,
das andere aber, was immer
es zu sein scheint, mit ihm verglichen
nicht ist.
Si enim diligenter intendatur
ille solus videbitur simpliciter et perfecte
et absolute esse;
alia vero omnia fere non esse et
vix esse
Denn wenn man genau achtgibt,
wird man sehen, daß
jener allein schlechthin und vollkommen und unbedingt ist,
alles andere hingegen fast
nicht ist und kaum ist.
Quoniam namque idem spiritus propter
incommutabilem eternitatem suam
nullo modo secundum aliquem motum dici potest
quia fuit aut erit
sed simpliciter est
nec mutabiliter est aliquid quod
aliquando aut non fuit aut non erit;
neque non est quod aliquando fuit aut
erit
sed quidquid est semel
et simul et interminabiliter est
quoniam inquam huiusmodi est esse eius
iure ipse simpliciter et absolute et perfecte
dicitur esse.
Weil nämlich von diesem
Geiste wegen seiner unveränderlichen Ewigkeit
auf keine Weise nach Art
einer Bewegung gesagt werden kann:
"er war", oder: "er wird
sein",
sondern schlechthin "er
ist";
(weil) er weder in veränderlicher
Weise etwas ist, das einmal entweder nicht war oder nicht sein wird,
noch nicht ist, was einmal
war oder sein wird,
sondern was immer er ist,
einmal und zugleich und unbegrenzbar ist;
weil, sage ich, solcherart
sein Sein ist,
sagt man mit Recht, er sei
schlechthin und unbedingt und vollkommen.
Quoniam vero omnia alia secundum aliquid mutabiliter
aliquando aut fuerunt aut
erunt quod non sunt
aut sunt quod aliquando non fuerunt vel
non erunt
et quoniam hoc quia fuerunt iam
non est
illud autem scilicet
quia erunt nondum est
et hoc quia in labili breuissimoque et vix existente
presenti sunt vix est
quoniam ergo tam mutabiliter sunt
non immerito negantur simpliciter et perfecte
et absolute esse;
et asseruntur fere non esse vix
esse.
Weil aber alles andere in
irgendeiner Hinsicht in veränderlicher Weise
einmal entweder war oder
sein wird, was es nicht ist,
oder ist, was einmal nicht
war oder nicht sein wird;
und weil das, daß
es war, nicht mehr ist,
das aber, nämlich daß
es sein wird, noch nicht ist,
und das, was in der gleitenden
und äußerst kurzen und kaum wirklichen Gegenwart ist, kaum ist;
weil es also in solch veränderlicher
Weise ist,
wird nicht mit Unrecht verneint,
daß es schlechthin und vollkommen und unbedingt ist,
und erklärt, daß
es fast nicht ist und kaum ist.
Deinde cum omnia
quecunque aliud sunt quam ipse
de non esse venerint ad esse non
per se sed per aliud;
et cum de esse redeant ad non esse quantum
ad se
nisi sustineantur per aliud
quomodo illis simpliciter conuenit aut
perfecte siue absolute esse
et non magis vix esse aut fere non esse?
Da ferner alles, was anders
ist als er,
vom Nichtsein zum Sein nicht
durch sich, sondern durch ein anderes gelangt ist,
und da es vom Sein zum Nichtsein
zurückkehrt, soweit es an ihm liegt,
wenn es nicht durch ein
anderes erhalten wird:
wie soll dem zukommen, schlechthin
und vollkommen und unbedingt zu sein
und nicht vielmehr kaum
zu sein oder fast nicht zu sein?
Cumque esse solius eiusdem ineffabilis Spiritus
intelligi nullo modo possit
aut ex non esse inceptum
aut aliquem pati posse ex
eo quod est in non esse defectum;
et quidquid ipse est non
sit per aliud quam per se
id est per hoc quod
ipse est
nonne huius esse merito solum intelligitur simplex
perfectumque et absolutum?
Und da von dem Sein desselben
unaussprechlichen Geistes allein auf keine Weise gedacht werden kann,
daß es entweder aus
dem Nichtsein angefangen hat
oder ein Abgleiten aus dem,
daß es ist, in das Nichtsein erleiden kann,
und da er alles, was er
ist, nicht durch ein anderes ist als durch sich,
das heißt dadurch,
daß er selbst ist:
wird da nicht mit Recht
sein Sein allein als das einfache, vollkommene und unbedingte erkannt?
Quod vero sic simpliciter et omnimoda ratione
solum est perfectum simplex et absolutum
id nimium quodammodo iure dici potest solum esse.
Was aber so schlechthin
und in jeder Hinsicht allein vollkommen, einfach und unbedingt ist,
von dem kann natürlich
in gewissem Sinne gesagt werden, daß es allein ist.
Et econtra quidquid
per superiorem rationem
nec simpliciter nec
perfecte nec absolute esse
sed uix esse aut
fere non esse cognoscitur;
id vtique aliquo modo recte non
esse dicitur.
Und umgekehrt, von all dem,
von dem durch obige Überlegung erkannt wird,
daß es weder schlechthin
noch vollkommen noch unbedingt ist,
sondern kaum ist oder fast
nicht ist,
von dem wird freilich in
gewisser Weise mit Recht gesagt, daß es nicht ist.
Secundum hanc igitur rationem ille solus creator
Spiritus est
et omnia creata non
sunt;
nec tamen omnino non sunt
quia per illum qui solus absolute est
de nihilo aliquid facta sunt.
Infolge dieser Überlegung
also ist allein jener Schöpfergeist,
und alles Geschaffene ist
nicht;
jedoch ist es nicht gänzlich
nicht,
weil es durch ihn, der allein
unbedingt ist,
aus dem Nichts zu etwas
gemacht worden ist.
cap.XXIX
Quodeius locutio idipsum sit quod ipse
et ipsi sit consubstantialis
cum non sint duo
sed vnus Spiritus
Iam vero his que de proprietatibus huius summe
nature
ad presens mihi ducem rationem sequenti occurrerunt
perspectis opportunum existimo
vt de eius locutione per
quam facta sunt omnia
si quid possim considerem.
Jetzt aber, nachdem das
durchleuchtet ist, was mir bis jetzt über die Eigenschaften dieser
höchsten Natur
vor die Seele trat, indem
ich der Vernunft als Führerin folgte, halte ich es für angebracht,
über ihr Sprechen,
durch das alles gemacht wurde –
wenn ich etwas vermag –,
nachzudenken.
Etenim cum omnia que de illa supra potuit animaduertere
rationis robur inflexibile teneant
illud me maxime cogit de illa diligentius discutere
quia id ipsum quod
ipse summus spiritus est probatur esse.
Denn da alles, was ich darüber
oben anmerken konnte,
die unbeugsame Kraft der
Vernunft festhält,
drängt mich das am
meisten über es genauer zu handeln,
daß bewiesen wird,
es sei dasselbe, was der höchste Geist selbst ist.
Si enim ille nihil fecit nisi
per seipsum
et quidquid ab eo factum est per illam est factum
quomodo illa est aliud quam quod est idem ipse?
Denn wenn dieser nichts
gemacht hat außer durch sich selbst
und alles, was gemacht wurde,
durch jenes (Sprechen) gemacht wurde:
wie ist jenes etwas anderes,
als was er selbst ist?
Amplius:
asserunt vtique inexpugnabiliter ea que iam inuenta
sunt
quia nihil omnino potuit vnquam aut potest subsistere
preter creantem spiritum et eius creaturam.
Weiter:
Das, was schon gefunden
wurde, besagt gewiß unüberwindlich,
daß durchaus nichts
jemals bestehen konnte oder kann
außer dem schöpferischen
Geiste und seiner Schöpfung.
Hanc uero spiritus eiusdem locutionem impossibile
est inter creata contineri:
quoniam quidquid creatum subsistit per
illam factum est;
illa vero per se fieri non potuit.
Es ist aber unmöglich,
daß dieses Sprechen eben dieses Geistes unter dem Geschaffenen enthalten
ist,
weil alles, was als Geschaffenes
besteht, durch jenes gemacht ist,
dieses aber nicht durch
sich selbst gemacht werden konnte.
Nihil quippe per seipsum fieri potest
quia quidquid fit posterius
est eo per quod fit;
et nihil est posterius seipso.
Denn nichts kann durch sich
selbst gemacht werden,
weil alles, was gemacht
wird, später ist als das, durch das es gemacht wird,
und nichts später ist
als es selbst.
Relinquitur itaque vt hec summi spiritus locutio
cum creatura esse non possit
non sit aliud quam summus spiritus.
Es bleibt also übrig,
daß dieses Sprechen des höchsten Geistes –
da es ein Geschöpf
nicht sein kann –
nichts anderes ist als der
höchste Geist.
Denique
hec ipsa locutio nihil aliud potest intelligi
quam eiusdem spiritus intelligentia qua
cuncta intelligit.
Schließlich kann dieses
Sprechen als nichts anderes gedacht werden
denn als der Gedanke dieses
Geistes, durch den er alles denkt.
Quid enim est aliud illi rem loqui aliquam
hoc loquendi modo
quam intelligere?
Denn was ist für ihn
"eine Sache zu sprechen" auf diese Weise des Sprechens denn anderes
als "denken"?
Nam non vt homo non semper dicit
quod intelligit.
Denn nicht wie ein Mensch
spricht er nicht immer,
was er denkt.
Si igitur summe simplex natura non est aliud
quam quod est sua intelligentia
quemadmodum est idem quod est sua sapientia
necesse est vt similiter non sit aliud quam quod
est sua locutio.
Wenn also die höchst
einfache Natur nichts anderes ist als was ihr Denken ist –
wie sie dasselbe ist, was
ihre Weisheit ist –,
dann ist es notwendig, daß
sie in ähnlicher Weise nichts anderes ist, als was ihr Sprechen ist.
Sed quoniam iam manifestum est summum spiritum
vnum tantum esse et omnimode indiuiduum
necesse est vt sic illi hec sua locutio sit consubstantialis
vt non sint duo sed
vnus spiritus.
Aber weil bereits offenkundig
ist, daß der höchste Geist nur einer ist und in jeder Weise
unteilbar,
so ist es notwendig, daß
dieses Sprechen ihm so wesensgleich ist,
daß nicht zwei sind,
sondern ein Geist.
cap. XXX
Quod eadem locutio non constet ex pluribus
verbis
sed sit vnum verbum
Cur igitur dubitem quod supra dubium dimiseram
scilicet vtrum hec locutio in pluribus verbis
an in vno verbo consistat?
Warum sollte ich also bezweifeln,
was ich oben in Zweifel gelassen hatte,
nämlich: ob dieses
Sprechen in mehreren Worten
oder in einem Worte besteht?
Nam si sic est summe nature consubstantialis
vt non sint duo sed
vnus spiritus
vtique sicut illa summe simplex est ita
et ista.
Denn wenn es der höchsten
Natur so wesensgleich ist,
daß es nicht zwei
sind, sondern ein Geist,
dann ist, wie jene höchst
einfach ist, so gewiß auch dieses.
Non igitur constat pluribus verbis;
sed est vnum verbum
per quod facta sunt omnia.
Es besteht also nicht aus
mehreren Worten,
sondern ist das eine Wort,
durch das alles gemacht
wurde.
cap. XXXI
Quod ipsum verbum non sit similitudo factorum
sed veritas essentie
facta vero sint aliqua veritatis imitatio
et que nature magis sint et prestantiores
quam alie
Sed ecce videtur mihi suboriri
nec facilis nec vllatenus sub ambiguitate relinquenda
questio.
Aber siehe, es scheint mir
eine Frage aufzutauchen,
die nicht leicht ist und
durchaus nicht in ihrer Zweideutigkeit belassen werden darf.
Etenim omnia huiusmodi verba
quibus res quaslibet mente dicimus id
est cogitamus
similitudines et imagines sunt rerum quarum verba
sunt
et omnis similitudo uel
imago tanto magis vel minus est vera
quanto magis vel minus imitatur rem cuius est
similitudo.
Denn alle derartigen Worte,
durch die wir beliebige
Dinge im Geiste aussprechen, das heißt denken,
sind Ähnlichkeiten
und Bilder der Dinge, deren Worte sie sind,
und jede Ähnlichkeit
oder jedes Bild ist umso mehr oder weniger wahr,
je mehr oder weniger es
das Ding nachbildet, dessen Ähnlichkeit
es ist.
Quid igitur tenendum est de verbo
quo dicuntur et per quod facta sunt omnia?
Was also ist zu halten von
dem Worte,
durch das alles gesprochen
wird und durch das alles gemacht wurde?
Erit an non erit similitudo eorum
que per ipsum facta sunt?
Wird es eine Ähnlichkeit
dessen sein,
was durch es gemacht wurde,
oder nicht?
Si enim ipsum est vera mutabilium similitudo
non est consubstantiale summe incommutabilitati:
quod falsum est.
Denn wenn es eine wahre
Ähnlichkeit der veränderlichen Dinge ist,
ist es nicht wesensgleich
mit der höchsten Unveränderlichkeit;
was falsch ist.
Si autem non omnino vera
sed qualiscunque similitudo mutabilium est
non est verbum summe veritatis omnino verum:
quod absurdum est.
Wenn es aber nicht eine
gänzlich echte,
sondern eine wie immer beschaffene
Ähnlichkeit der veränderlichen Dinge ist,
ist das Wort
der höchsten Wahrheit nicht
gänzlich wahr;
was widersinnig ist.
At si nullam mutabilium habet similitudinem
quomodo ad illius exemplum facta sunt?
Wenn es aber keine Ähnlichkeit
mit den veränderlichen Dingen hat:
wie sind sie nach seinem
Vorbild gemacht worden?
Verum forsitan nihil huius remanebit ambiguitatis
si quemadmodum in viuo homine veritas hominis
esse dicitur
in picto vero similitudo siue imago illius veritatis
sic existendi veritas intelligitur in verbo
cuius essentia sic summe est
vt quodammodo illa sola sit
in his vero que in eius comparatione quodammodo
non sunt
et tamen per illud et secundum illud facta sunt
aliquid
aliqua imitatio illius summe essentie perpendatur.
Aber vielleicht wird von
dieser Zweideutigkeit nichts zurückbleiben,
wenn man ebenso, wie man
sagt, in einem lebenden Menschen sei die Wahrheit des Menschen,
in einem gemalten jedoch
eine Ähnlichkeit oder ein Bild dieser
Wahrheit,
so die Wahrheit der Existenz
im Worte denkt,
dessen Wesenheit derart
im höchsten Grade ist,
daß auf gewisse Weise
sie allein ist;
in dem aber, was im Vergleich
mit ihm auf gewisse Weise nicht ist
und dennoch durch es und
ihm gemäß etwas geworden ist,
eine Nachbildung dieser
höchsten Wesenheit erwägt.
Sic quippe verbum summe veritatis
quod et ipsum est summa veritas
nullum augmentum vel detrimentum sentiet
secundum hoc quod magis vel minus creaturis sit
simile
sed potius necesse erit omne quod creatum est
tanto magis esse et
tanto esse prestantius
quanto similius est illi quod summe est
et summe magnum est.
So nämlich wird das
Wort der höchsten Wahrheit,
das auch selber die höchste
Wahrheit ist,
keine Zunahme oder Einbuße
erfahren,
je nachdem es den Geschöpfen
mehr oder weniger ähnlich ist;
sondern es wird vielmehr
notwendig sein, daß alles, was geschaffen ist,
umso mehr ist und umso vorzüglicher
ist,
je ähnlicher es dem
ist, was im höchsten Grade ist und im höchsten Grade groß
ist.
Hinc etenim fortasse
imo non fortasse sed
pro certo hinc omnis intellectus iudicat
naturas quolibet
modo viuentes prestare non viuentibus
sentientes non sentientibus
rationales irrationalibus.
Denn daher vielleicht,
nein, nicht vielleicht,
sondern für gewiß daher urteilt jeder Verstand,
daß die irgendwie
lebenden Naturen die nicht lebenden übertreffen,
die fühlenden die nicht
fühlenden,
die vernunftbegabten die
vernunftlosen.
Quoniam enim summa natura suo quodam modo singulari
non solum est
sed et viuit et sentit et rationalis est
liquet quoniam omnium que sunt
id quod aliquo modo viuit
magis est illi simile quam
id quod nullatenus viuit
et quod modo quolibet vel corporeo sensu cognoscit
aliquid
magis quam quod nihil omnino sentit
et quod rationale est
magis quam quod rationis capax non est.
Denn weil die höchste
Natur auf ihre gewisse einzigartige Weise nicht nur ist,
sondern auch lebt und fühlt
und vernünftig ist,
so ist einleuchtend, daß
von allem, was ist,
das, was irgendwie lebt,
ihr mehr ähnlich ist
als das, was überhaupt nicht lebt;
und das, was auf irgendeine
Weise, wenn auch nur durch einen körperlichen Sinn, etwas erkennt,
mehr, als was überhaupt
nichts fühlt;
und was vernunftbegabt ist,
mehr, als was des Denkens
nicht fähig ist.
Quoniam vero simili ratione quedam nature magis
minusue sunt quam alie
perspicuum est.
Daß aber aus einem
ähnlichen Grunde die einen Naturen mehr oder weniger sind als die
anderen,
ist offensichtlich.
Quemadmodum enim natura illud prestantius est
quod per naturalem essentiam propinquius est
prestantissimo
ita vtique illa natura magis est
cuius essentia similior est summe essentie.
Denn wie dasjenige von Natur
vorzüglicher ist,
was durch seine natürliche
Wesenheit dem Vorzüglichsten nähersteht,
so ist gewißlich jene
Natur mehr,
deren Wesenheit ähnlicher
ist der höchsten Wesenheit.
Quod sic quoque animaduerti facile posse existimo.
Das kann, wie ich glaube,
auch auf folgende Art leicht eingesehen werden.
Nempe si cuilibet substantie
que et viuit et sensibilis et rationalis est
cogitatione auferatur quod rationalis est
deinde quod sensibilis et
postea quod vitalis
postremo ipsum nudum esse quod
remanet
quis non intelligat quod illa substantia que
sic paulatim destruitur
ad minus et minus esse
et ad vltimum ad non esse gradatim perducitur?
Wenn man nämlich einer
beliebigen Substanz,
die sowohl lebt als auch
gefühls- und vernunftbegabt ist,
in Gedanken wegnimmt, daß
sie vernunftbegabt,
dann, daß sie fühlend,
und nachher, daß sie lebend ist,
zuletzt das nackte Sein,
das übrigbleibt:
wer wollte da nicht einsehen,
daß diese Substanz, die solchermaßen allmählich zerstört
wird,
stufenweise zum weniger
und weniger Sein
und zuletzt zum Nichtsein
geführt wird?
Que autem singulatim assumpta
quamlibet essentiam ad minus et minus esse deducunt
eadem ordinatim assumpta
illam ad magis et magis esse perducunt.
Was aber, wenn es einzeln
weggenommen wird,
eine beliebige Wesenheit
zum weniger und weniger Sein herabzieht,
das führt, wenn es
der Reihe nach aufgenommen wird,
diese zu mehr und mehr Sein.
Patet igitur quia magis est viuens substantia
quam non viuens
et sensibilis quam non sensibilis
et rationalis quam non rationalis.
Es ist somit klar, daß
eine lebende Substanz mehr ist als eine nicht lebende
und eine fühlende als
eine nicht fühlende
und eine vernunftbegabte
als eine nicht vernunftbegabte.
Non est itaque dubium quod omnis essentia eo
ipso magis est prestantiorque est
quo similior est illi essentie
que summe est et summe prestat.
Es ist also nicht zweifelhaft,
daß jede Wesenheit desto mehr ist und desto vorzüglicher ist,
je ähnlicher sie jener
Wesenheit ist,
die im höchsten Grade
ist und im höchsten Grade hervorragt.
Satis itaque manifestum est in verbo
per quod facta sunt omnia
non esse eorum similitudinem
sed veram simplicemque essentiam
in factis vero non esse simplicem absolutamque
essentiam
sed vere illius essentie vix aliquam imitationem.
Es ist also hinreichend
klar, daß in dem Worte,
durch das alles gemacht
wurde,
nicht dessen Ähnlichkeit
ist,
sondern die echte und einfache
Wesenheit;
in dem Geschaffenen aber
nicht die einfache und unbedingte Wesenheit,
sondern von dieser wahren
Wesenheit kaum ein Nachbild.
vnde necesse est non idem verbum
secundum rerum creatarum similitudinem
magis vel minus esse verum
sed omnem creatam naturam eo altiori gradu essentie
dignitatisque consistere
quo magis illi propinquare videtur.
Daher ist es notwendig,
daß nicht dieses Wort
je nach der Ähnlichkeit
mit den geschaffenen Dingen mehr oder weniger wahr ist,
sondern daß jede geschaffene
Natur auf einer umso höheren Stufe der Wesenheit und Würde steht,
je mehr sie diesem nahezukommen
scheint.
cap. XXXII
Quod summus Spiritus seipsum dicat coeterno
verbo
Sed cum ita sit
quomodo illud quod simplex est veritas
potest esse verbum eorum quorum
non est similitudo
cum omne verbum quo aliqua res sic mente dicitur
similitudo sit rei eiusdem?
Da das so ist:
wie kann das, was die einfache
Wahrheit ist,
das Wort von dem sein, dessen
Ähnlichkeit es nicht ist,
da jedes Wort, durch das
ein Ding in dieser Weise im Geiste gesprochen wird,
eine Ähnlichkeit
dieses Dinges ist?
et si non est verbum eorum que facta sunt per
ipsum
quomodo constabit quia sit verbum?
Und wenn es nicht das Wort
von dem ist, das durch es
geschaffen ist,
wie wird zurecht bestehen,
daß es ein Wort ist?
Nempe omne verbum alicuius rei verbum est.
Denn jedes Wort ist das
Wort einer Sache.
Denique si nunquam creatura esset
nullum eius esset verbum.
Schließlich gäbe
es, wenn es niemals ein Geschöpf gäbe,
kein Wort eines solchen.
Quid igitur? An concludendum est
quia si nullo modo esset creatura
nequaquam esset verbum illud quod
est summa et nullius indigens essentia?
Was nun? Muß
man etwa den Schluß ziehen,
falls es auf keine Weise
ein Geschöpf gäbe,
gäbe es durchaus nicht
jenes Wort, das die höchste und keines (anderen) bedürftige Wesenheit
ist?
Aut fortasse ipsa summa essentia que
verbum est
essentia quidem esset eterna
sed verbum non esset si
nihil vnquam per illam fieret?
Oder wäre vielleicht
diese höchste Wesenheit, die das Wort ist,
zwar ewige Wesenheit,
wäre aber nicht ein
Wort, wenn durch sie niemals etwas gemacht würde?
Eius enim quod non fuit nec
est nec futurum est
nullum verbum esse potest.
Von dem nämlich, was
weder war noch ist noch sein wird,
kann es kein Wort geben.
Verum secundum hanc rationem
si nunquam vlla preter summum spiritum esset
essentia
nullum omnino esset uerbum in illo.
Aber nach dieser Überlegung
wäre,
wenn es niemals eine Wesenheit
außer dem höchsten Geiste gäbe,
in diesem überhaupt
kein Wort.
Si nullum in illo verbum esset
nihil apud se diceret
si nihil apud se diceret
cum idem sit illi sic
dicere aliquid quod est intelligere
non aliquid intelligeret.
Wenn es in ihm kein Wort
gäbe,
würde er nichts bei
sich sprechen.
Wenn er nichts bei sich
spräche,
würde er, da für
ihn in dieser Art etwas sprechen dasselbe ist, was denken ist,
nichts denken.
Si nihil intellegeret
ergo summa sapientia quae non est aliud quam
idem spiritus
nihil intellegeret
quod absurdissimum est.
Wenn er nichts dächte,
würde demnach die höchste
Weisheit, die nichts anderes ist als eben dieser Geist,
nichts denken;
was ganz widersinnig ist.
Quid ergo?
Si enim nihil intelligeret
quomodo esset summa sapientia?
Was nun?
Denn wenn er nichts dächte,
wie wäre er die höchste
Weisheit?
Aut si nullo modo esset aliquid preter illam
quid illa intelligeret?
Oder wenn außer ihr
in keiner Weise etwas wäre,
was würde sie denken?
Sed nunquid seipsam non intelligeret?
Aber würde sie denn
nicht sich selbst denken?
At quomodo vel cogitari potest
quod summa sapientia se aliquando non intelligat
cum mens rationalis possit non solum suimet
sed et illius summe sapientie reminisci
et illam et se intelligere?
Aber wie kann auch nur angedacht
werden,
daß die höchste
Weisheit sich irgendwann einmal nicht denkt,
da der vernünftige
Geist imstande ist, nicht nur seiner selbst,
sondern auch jener höchsten
Weisheit sich bewußt zu werden
und diese und sich zu denken?
Si enim mens humana nullam eius aut sui habere
memoriam aut intelligentiam posset
nequaquam se ab irrationalibus creaturis
et illam ab omni creatura
secum sola tacite disputando sicut
nunc mens mea facit discerneret.
Denn wenn der menschliche
Geist weder von ihr noch von sich ein Bewußtsein oder einen Gedanken
haben könnte,
würde er sich keineswegs
von den unvernünftigen Geschöpfen
und jene von jedem Geschöpf
unterscheiden,
indem er still mit sich
allein sich bespricht, wie es jetzt mein Geist tut.
Ergo summus ille spiritus sicut
est eternus
ita eterne sui memor est
et intelligit se ad similitudinem mentis rationalis
imo non ad vllius similitudinem
sed ille principaliter
et mens rationalis ad eius similitudinem.
Also ist jener höchste
Geist, wie er ewig ist,
so ewig sich seiner bewußt
und denkt sich nach Ähnlichkeit
des vernünftigen Geistes;
doch nein, nicht nach Ähnlichkeit
mit irgend etwas,
sondern er ursprünglich
und der vernünftige
Geist nach Ähnlichkeit mit ihm.
At si eterne se intelligit
eterne se dicit.
Wenn er sich aber ewig denkt,
spricht er sich ewig.
Si eterne se dicit
eterne est verbum eius apud ipsum.
Wenn er sich ewig spricht,
ist sein Wort ewig bei ihm.
Siue igitur ille cogitetur nulla alia existente
essentia
siue aliis existentibus
necesse est verbum illius coeternum illi esse
cum ipso.
Ob man also an ihn denkt,
ohne daß eine andere Wesenheit existiert,
oder so, daß
andere existieren,
ist es notwendig, daß
sein ihm gleichewiges Wort mit ihm ist.
cap. XXXIII
Quod consubstantiali vno verbo dicat se
et quod facit
Sed ecce querenti mihi de verbo
quo Creator dicit omnia que facit
obtulit se verbum
quo seipsum dicit qui omnia facit.
Aber siehe, da ich über
das Wort forschte,
durch das der Schöpfer
alles, was er gemacht hat, spricht,
bot sich mir das Wort dar,
durch das sich selbst spricht,
der alles gemacht hat.
An ergo alio verbo dicit seipsum
et alio ea que facit
aut potius eodem ipso verbo quo dicit seipsum
dicit quecunque facit?
Spricht er etwa durch ein
anderes Wort sich selbst
und durch ein anderes das,
was er macht;
oder spricht er vielmehr
durch dasselbe Wort, durch das er sich selbst spricht,
alles, was er macht?
Nam hoc quoque verbum quo
seipsum dicit
necesse est idipsum esse quod ipse est
sicut constat de verbo illo quo dicit ea que
facta sunt a se.
Denn auch das Wort, durch
das er sich selbst spricht,
ist notwendigerweise dasselbe,
was er selbst ist,
wie es von jenem Wort feststeht,
durch das er das spricht, was von ihm geschaffen wurde.
Cum enim etiamsi
nihil vnquam aliud esset nisi summus ille spiritus
ratio tamen cogat
verbum illud quo se dicit ex necessitate esse
quid verius quam hoc verbum eius non esse aliud
quam quod ipse est?
Denn da, auch wenn niemals
etwas anderes wäre außer diesem höchsten Geiste,
die Vernunft dennoch zum
Schlusse zwingt,
daß jenes Wort, durch
das er sich spricht, aus Notwendigkeit ist:
was ist dann wahrer, als
daß dieses sein Wort nichts anderes ist, als was er selbst ist?
Ergo si et seipsum et
ea que facit consubstantiali sibi verbo dicit
manifestum est quia verbi quo se dicit
et verbi quo creaturam dicit
vna substantia est.
Wenn er also sowohl sich
selber wie das, was er macht, durch das ihm wesensgleiche Wort spricht,
so ist offenbar, daß
die Substanz des Wortes, durch das er sich spricht,
und des Wortes, durch das
er die Schöpfung spricht,
eine einzige ist.
Quomodo ergo si
vna substantia est
duo verba sunt?
Wie aber sind es, wenn eine
Substanz ist,
zwei Worte?
Sed forsitan non cogit identitas substantie
verbi unitatem admittere.
Aber vielleicht zwingt die
Identität der Substanz nicht dazu,
eine Einheit des Wortes
zuzulassen.
Nam idem ipse qui his verbis loquitur
eamdem cum illis habet substantiam
et tamen verbum non est.
Denn er selbst, der durch
diese Worte spricht,
hat mit ihnen dieselbe Substanz,
und doch ist er nicht Wort.
Sed utique verbum quo
se dicit summa sapientia
conuenientissime dici potest verbum eius secundum
superiorem rationem
quia eius perfectam tenet similitudinem.
Aber gewiß kann das
Wort, durch das sich die höchste Weisheit spricht,
sehr zutreffend ihr Wort
genannt werden, nach dem obigen Grunde,
weil es die vollkommene
Ähnlichkeit mit ihr besitzt.
Nam nulla ratione negari potest
cum mens rationalis seipsam cogitando intelligit
imaginem ipsius nasci in sua cogitatione:
imo ipsam cogitationem sui esse suam imaginem
ad eius similitudinem tanquam
ex eius impressione formatam.
Denn es läßt
sich auf keine Weise leugnen,
daß, wenn der vernünftige
Geist, indem er an sich denkt, sich selbst denkt,
in seinem Denken sein Bild
ersteht;
ja daß dieses Denken
an sich selbst sein Bild ist,
das nach seiner Ähnlichkeit
gleichsam durch Einprägung seiner selbst gestaltet ist.
Quamcunque enim rem mens
seu per corporis imaginationem seu per rationem
cupit ueraciter cogitare
eius vtique similitudinem quantum
valet in ipsa sua cogitatione conatur exprimere.
Denn an welches Ding immer
der Geist,
sei es durch das Vorstellungsbild
eines Körpers, sei es durch die Vernunft, wahrheitsgemäß
zu denken verlangt,
von dem versucht er, soweit
er es vermag, gewiß eine Ähnlichkeit
in diesem seinem Darandenken auszuprägen.
Quod quanto verius facit tanto
rem ipsam verius cogitat
et hoc quidem cum
cogitat aliquid aliud quod ipsa non est
et maxime cum aliquod cogitat corpus
clarius perspicitur.
Je wahrer er das tut, um
so wahrer denkt er an das Ding selber.
Und zwar wird dies, wenn
er an etwas anderes denkt, was er nicht selber ist,
und am meisten, wenn er
an irgendeinen Körper denkt,
deutlicher wahrgenommen.
Cum enim cogito notum mihi hominem absentem
formatur acies cogitationis mee in talem imaginem
eius
qualem illam per visum oculorum in memoriam attraxi
que imago in cogitatione verbum
est eiusdem hominis
quem cogitando dico.
Denn wenn ich an einen mir
bekannten abwesenden Menschen denke,
wird die Schärfe meines
Darandenkens zu einem solchen Bilde von ihm gestaltet,
wie ich es durch die Sehkraft
der Augen in das Gedächtnis aufgenommen habe;
dieses Bild im Darandenken
ist das Wort von jenem Menschen, den ich, indem ich an ihn denke, spreche.
Habet igitur mens rationalis cum
se cogitando intelligit
secum imaginem suam ex se natam id
est cogitationem sui
ad suam similitudinem quasi
sua impressione formatam
quamuis ipsa se a sua imagine non
nisi ratione sola separare possit
que imago eius verbum eius est.
Es hat also der vernünftige
Geist, wenn er, indem er an sich denkt, sich selbst denkt,
bei sich sein aus ihm geborenes
Bild, das heißt das Ansichdenken seiner (selbst),
das zu seiner Ähnlichkeit
gleichsam durch seine Einprägung gestaltet wurde,
obwohl er sich nur durch
alleiniges Nachdenken von seinem Bilde trennen kann;
und dieses sein Bild ist
sein Wort.
Hoc itaque modo quis
neget summam sapientiam
cum se dicendo intelligit
gignere consubstantialem sibi similitudinem suam
id est verbum suum?
Wer wollte also leugnen,
daß auf diese Weise die höchste Weisheit,
wenn sie, indem sie sich
spricht, denkt,
ihre wesensgleiche Ähnlichkeit,
das heißt ihr Wort, erzeugt?
Quod verbum
licet de re tam singulariter eminenti proprie
aliquid satis conuenienter dici non possit
non tamen inconuenienter sicut
similitudo
ita et imago et
figura et character eius dici potest.
Dieses Wort kann,
obgleich von einer so einzigartig
erhabenen Sache im eigentlichen Sinne
etwas, was hinreichend genug
wäre, nicht ausgesagt werden kann,
dennoch nicht unpassend
wie ihre Ähnlichkeit,
so auch ihr Bild und ihre
Gestalt und ihr Ausdruck genannt werden.
verbum autem quo creaturam dicit
nequaquam similiter est verbum creature
quia non est eius similitudo
sed principalis essentia.
Das Wort aber, durch das
sie das Geschöpf spricht,
ist durchaus nicht in ähnlicher
Weise das Wort der Schöpfung,
weil es nicht deren Ähnlichkeit,
sondern ursprüngliche Wesenheit ist.
Consequitur igitur
vt ipsam creaturam non dicat verbo creature.
Es folgt also,
daß sie diese Schöpfung
nicht durch das Wort der Schöpfung spricht.
Cuius ergo verbo eam dicit
si non dicit eam verbo eius?
Durch wessen Wort also spricht
sie diese,
wenn sie sie nicht durch
ihr Wort spricht?
Nam quod dicit verbo
dicit
et verbum alicuius est verbum id
est similitudo.
Denn was sie spricht, spricht
sie durch ein Wort,
und ein Wort ist das Wort,
das heißt die Ähnlichkeit, von
etwas.
Sed si nihil aliud dicit quam se aut creaturam
nihil dicere potest nisi
aut suo aut eius verbo.
Wenn sie aber nichts anderes
spricht als sich oder die Schöpfung,
so kann sie nichts sprechen,
außer durch ihr eigenes oder durch dessen Wort.
Si ergo nihil dicit verbo creature
quidquid dicit verbo
suo dicit.
Wenn sie aber nichts durch
das Wort der Schöpfung spricht,
so spricht sie alles, was
sie spricht, durch ihr eigenes Wort.
vno igitur eodemque verbo dicit seipsum
et quecunque fecit.
Demnach spricht sie durch
ein-und-dasselbe Wort sich selbst
und was immer sie gemacht
hat.
cap. XXXIV
Quomodo suo verbo videri possit dicere creaturam
Sed quomodo tam differentes res
scilicet creans et creata essentia
dici possunt vno verbo
presertim cum verbum ipsum sit dicenti coeternum;
creatura autem non sit illi coeterna?
Aber wie können so
verschiedene Dinge,
nämlich die schaffende
und die geschaffene Wesenheit,
durch ein Wort gesprochen
werden,
zumal dieses Wort dem Sprechenden
gleichewig ist,
die Schöpfung aber
ihm nicht gleichewig ist?
Forsitan quia ipse est summa sapientia et summa
ratio
in qua sunt omnia que facta sunt;
quemadmodum opus quod
fit secundum aliquam artem
non solum quando fit verum
et antequam fiat et postquam dissoluitur
semper est in ipsa arte non aliud quam quod est
ars ipsa.
Vielleicht deshalb, weil
er selbst die höchste Weisheit und die höchste Vernunft ist,
in der alles ist, was geschaffen
wurde –
gleichwie ein Werk, das
nach den Regeln einer Kunst geschaffen wird,
nicht nur, wenn es geschaffen
wird, sondern auch bevor es wird und nachdem es aufgelöst wird,
in dieser Kunst stets nichts
anderes ist, als was die Kunst selber ist –,
Idcirco cum ipse summus Spiritus dicit seipsum
dicit omnia que facta sunt.
Deshalb spricht der höchste
Geist, wenn er sich selbst spricht,
alles, was geschaffen wurde.
Nam et antequam fierent
et cum iam facta sunt
et cum corrumpuntur seu
aliquo modo uarientur
semper in ipso sunt non
quod sunt in seipsis sed quod est idem ipse
.
Denn sowohl bevor es geschaffen
wurde,
als auch wenn es schon geschaffen
ist,
und wenn es zugrunde geht
oder irgendwie verändert wird,
ist es in ihm nicht, was
es in sich selbst ist, sondern was er selbst ist.
Etenim in seipsis sunt essentia mutabilis
secundum immutabilem rationem creata
in ipso vero sunt ipsa prima essentia
et prima existendi veritas
cui prout magis
vtcunque illa similia sunt ita verius et prestantius
existunt.
Denn in sich selbst ist
es veränderliche Wesenheit, geschaffen gemäß der unveränderlichen
Vernunft;
in ihm aber ist es die erste
Wesenheit selbst und die erste Wahrheit der Existenz,
und je mehr es dieser irgendwie
ähnlich ist, umso wahrer und besser existiert es.
Hoc itaque modo non irrationabiliter asseri potest
quia
cum seipsum dicit summus ille Spiritus
dicit etiam quidquid factum est vno eodemque
verbo.
Auf diese Weise also kann
man nicht unvernünftig behaupten,
daß dieser höchste
Geist, wenn er sich selbst spricht,
auch alles, was geschaffen
wurde, durch ein- und dasselbe Wort spricht.
cap. XXXV
Quod quidquid factum est
in eius verbo et scientia
sit vita et veritas
Verum cum constet quia verbum eius consubstantiale
est illi et perfecte simile
necessario consequitur vt omnia que sunt in illo
eadem et eodem modo sint in verbo eius.
Da aber feststeht, daß
sein Wort ihm wesensgleich ist und vollkommen ähnlich,
folgt notwendig, daß
alles, was in ihm ist,
ebenfalls und auf dieselbe
Weise in seinem Wort ist.
Quidquid igitur factum est
siue viuat siue
non viuat aut quomodocunque sit in se
in illo est ipsa vita et veritas.
Was immer also geschaffen
ist,
ob es lebt oder nicht lebt
oder wie immer in sich selbst ist,
ist in ihm das Leben und
die Wahrheit selbst.
Quoniam autem idem est summo Spiritui scire quod
intelligere siue dicere
necesse est vt eodem modo sciat omnia que scit
quod ea dicit aut intelligit.
Weil aber für den höchsten
Geist wissen dasselbe ist wie denken oder sprechen,
ist es notwendig, daß
er alles auf dieselbe Art weiß, in der er es spricht oder denkt.
Quemadmodum igitur omnia sunt in verbo eius vita
et veritas
ita sunt in scientia eius.
Wie also alles in seinem
Worte Leben und Wahrheit ist,
so ist dies auch in seinem
Wissen.
cap. XXXVI
Quam incomprehensibili modo dicat
vel sciat res a se factas
Qua ex re manifestissime comprehendi potest
quomodo dicat idem Spiritus vel
quomodo sciat ea que facta sunt
ab humana scientia comprehendi non posse.
Daraus kann aufs deutlichste
begriffen werden, daß,
auf welche Weise dieser
Geist spricht oder wie er es weiß, was geschaffen wurde,
vom menschlichen Wissen
nicht begriffen werden kann,
Nam nulli dubium
creatas substantias multo aliter esse in seipsis
quam in nostra scientia.
Denn niemandem ist es zweifelhaft,
daß die geschaffenen
Substanzen sehr viel anders in sich selbst sind
als in unserem Wissen.
In seipsis namque sunt per ipsam suam essentiam;
in nostra vero scientia non sunt earum essentie
sed earum similitudines.
Denn in sich selbst sind
sie durch ihre Wesenheit selbst,
in unserem Wissen dagegen
sind sie nicht ihre Wesenheiten,
sondern ihre Ähnlichkeiten.
Restat igitur vt tanto verius sint in seipsis
quam in nostra scientia
quanto verius sunt alicubi per suam essentiam
quam per suam similitudinem.
Es bleibt also übrig,
daß sie umso wahrer in sich selbst sind als in unserem Wissen,
je wahrer sie irgendwo durch
ihre Wesenheit sind als durch ihre Ähnlichkeit.
Cum ergo et hoc constet
quia omnis creata substantia tanto verius est
in verbo id est in intelligentia creatoris
quam in seipsa
quanto verius existit creatrix quam creata essentia
quomodo comprehendat humana mens
cuiusmodi sit illud dicere et illa scientia
que sic longe superior et verior est creatis
substantiis;
si nostra scientia tam longe superatur ab illis
quantum earum similitudo distat ab earum essentia.
Da also auch das feststeht,
daß jede geschaffene
Substanz umso wahrer im Wort ist, das heißt im Denken des Schöpfers,
als in sich selbst,
je wahrer die schaffende
als die geschaffene Wesenheit existiert:
wie könnte der menschliche
Geist begreifen,
welcher Art jenes Sprechen
und jenes Wissen ist,
das so weit höher und
wahrer ist als die geschaffenen Substanzen,
wenn unser Wissen so weit
von diesen übertroffen wird,
wie ihre Ähnlichkeit
von ihrer Wesenheit entfernt ist?
cap. XXXVII
Quod quidquid ipse est ad creaturam
hoc sit et verbum eius;
nec tamen ambo simul pluraliter
Verum cum manifeste rationes superiores doceant
summum Spiritum per verbum suum fecisse omnia
nunquid non et ipsum verbum fecit eadem omnia?
Aber da die obigen Vernunftgründe
offensichtlich lehren,
daß der höchste
Geist durch sein Wort alles gemacht hat,
hat dann etwa nicht auch
das Wort selbst all das gemacht?
Quoniam enim illi est consubstantiale
cuius est verbum
necesse est vt sit summa essentia.
Weil es nämlich dem
wesensgleich ist,
dessen Wort es ist,
ist es notwendig, daß
es die höchste Wesenheit ist.
Summa autem essentia non est nisi vna
que sola creatrix
et solum principium est omnium que facta sunt.
Die höchste Wesenheit
ist aber nur eine,
die allein die Schöpferin
und allein der Ursprung
von allem ist, was gemacht wurde.
Ipsa namque sola fecit non
per aliud quam per se
omnia ex nihilo.
Denn sie allein hat durch
nichts anderes als durch sich
alles aus dem Nichts geschaffen.
Quare quecunque summus Spiritus facit
eadem et verbum eius facit
et similiter.
Deshalb macht dasselbe,
was immer der höchste Geist macht,
auch sein Wort,
und in ähnlicher Weise.
Quidquid igitur summus spiritus est ad creaturam;
hoc et verbum eius est et similiter
nec tamen ambo simul pluraliter
quia non sunt plures creatrices summe essentie.
Was immer also der höchste
Geist im Verhältnis zur Schöpfung ist,
das ist es auch sein Wort,
und in ähnlicher Weise;
jedoch nicht beide zugleich
in der Mehrzahl,
weil es nicht mehrere schöpferische
höchste Wesenheiten gibt.
Sicut igitur ille creator est rerum et principium;
sic et verbum eius:
nec tamen sunt duo sed
vnus creator et vnum principium.
Wie also jener der Schöpfer
und Ursprung der Dinge ist,
so auch sein Wort;
und dennoch sind nicht zwei,
sondern ein Schöpfer und ein Ursprung.