HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) :
12 KÖRBE: Quellen zum Thema "Schöpfung" und zum
Weltbild der Antike und des Mittelalters : Anselm von Canterbury: Monologion
Anselmus Cantuariensis
Anselm von Canterbury
1033-1109
Monologion
1076
Vorrede
* Kapitelübersicht (Inhaltsverzeichnis)
Cap.
1-7 * Cap. 8-17 * Cap.
18-24 * Cap. 25-37 * Cap.
38-48 * Cap. 49-64 * Cap.
65-80
cap. XXXVIII-XLVIII
cap.
XXXVIII: Quod dici non possit quid duo sint quamuis necesse sit esse duos
cap. XXXIX:
Quod idem verbum sit a summo Spiritu nascendo
cap.
XL: Quod verissime ille parens illud vero proles
cap.
XLI: Quod ille verissime gignat illud verissime gignatur
cap. XLII: Quod
alterius verissime sit esse genitorem et Patrem;
cap. XLIII: Retractatio
communionis amborum et proprietatum singulorum
cap. XLIV: Quomodo
alter alterius sit essentia
cap.
XLV: Quod aptius dici possit Filius essentia Patris quam Pater essentia
Filii;
cap. XLVI:
Quomodo quedam ex his que sic proferuntur aliter quoque possint intelligi
cap. XLVII:
Quod Filius sit intelligentia intelligentie et Veritas veritatis et similiter
de similibus
cap.
XLVIII: Quod in memoria intelligatur Pater sicut in intelligentia Filius
38.
Daß nicht gesagt werden kann, was "zwei" sie sind, obwohl es notwendig
ist, daß sie zwei sind.
39.
Daß dieses Wort vom höchsten Geiste durch Geborenwerden stammt.
40.
Daß jener im wahrsten Sinne Elter ist und dieses Kind.
41.
Daß jener im wahrsten Sinne zeugt, dieses gezeugt wird.
42.
Daß es im wahrsten Sinne dem einen zukommt, Erzeuger und Vater zu
sein,
dem
anderen Gezeugter und Sohn.
43.
Nochmalige Erwägung der Gemeinsamkeit beider und der Eigentümlichkeiten
der einzelnen.
44.
Wie der eine die Wesenheit des anderen ist.
45.
Daß passender der Sohn die Wesenheit des Vaters als der Vater die
des Sohnes genannt wird;
und
daß ähnlich der Sohn des Vaters Kraft und Weisheit und ähnliches
ist.
46.
Wie einiges von dem, was auf diese Weise vorgebracht wird, auch anders
verstanden werden kann.
47.
Daß der Sohn die Erkenntnis der Erkenntnis und die Wahrheit der Wahrheit
ist; und ähnlich von ähnlichem.
48.
Daß unter dem Bewußtsein der Vater verstanden wird, wie unter
der Erkenntnis
der Sohn;
und
auf welche Weise der Sohn die Erkenntnis oder Weisheit des Bewußtseins
und
das Bewußtsein des Vaters und des Bewußtseins ist.
cap.
XXXVIII
Quod dici non possit quid duo sint
quamuis necesse sit esse duos
Studiose itaque attendendum est quiddam
quod valde insolitum aliis rebus
in summo Spiritu et verbo eius videtur euenire.
Sorgfältig
also ist auf etwas zu merken, was –
für
andere Dinge sehr ungewöhnlich –
bei
dem höchsten Geiste und seinem Worte zuzutreffen scheint.
Nam certum est sic vnicuique singulatim
et vtrisque simul inesse
quidquid sunt in essentia
et quidquid sunt ad creaturam
vt et singulatim perfectum sit ambobus
et tamen pluralitatem non admittat in duobus.
Denn
es ist gewiß, daß solchermaßen einem jeden einzelnen
und beiden zugleich all das innewohnt,
was
sie in der Wesenheit sind
und
was immer sie im Verhältnis zur Schöpfung sind,
daß
es sowohl in jedem der beiden für sich vollkommen ist,
als
auch eine Mehrheit in den zweien nicht zuläßt.
Licet enim singulatim
et ille perfecte sit summa ueritas et Creator
et verbum eius sit summa veritas et creator;
non tamen ambo simul sunt due veritates
aut duo creatores.
Denn
obwohl, einzeln genommen,
sowohl
jener in vollkommener Weise die höchste Wahrheit und der Schöpfer
ist,
als
auch sein Wort die höchste Wahrheit und der Schöpfer ist,
sind
beide zusammengenommen doch nicht zwei Wahrheiten oder zwei Schöpfer.
Sed cum hec ita sint miro
tamen modo apertissimum est
quia nec ille cuius
est verbum potest esse verbum suum;
nec verbum potest esse iste cuius est verbum
vt in eo quod significat
vel quid sint substantialiter vel
quid sint ad creaturam
semper indiuiduam teneant vnitatem
in eo vero quod
ille non est ex isto
hoc autem est ex illo
ineffabilem admittant pluralitatem.
Obgleich
sich das so verhält, ist es dennoch auf erstaunliche Weise ganz offenkundig,
daß
weder der, dessen das Wort ist, sein (eigenes) Wort
sein kann,
noch
das Wort der sein kann, dessen Wort es ist,
so
daß sie in dem, was es bezeichnet
oder
was sie dem Wesen nach sind oder was sie im Verhältnis zum Geschöpf
sind,
immer
die ungeteilte Einheit bewahren
darin
aber, daß jener nicht aus diesem ist,
dieses
aber aus jenem ist,
eine
unbenennbare Mehrheit zulassen.
Ineffabilem certe
quamuis enim necessitas cogat vt sint duo
nullo tamen modo exprimi potest quid duo sint.
Eine
unbenennbare fürwahr!
Denn
obgleich die Notwendigkeit dazu zwingt, daß es zwei sind,
so
kann doch in keiner Weise ausgedrückt werden, was für "zwei"
sie sind.
Nam etsi forte duo pares aut aliquid aliud
similiter adinuicem possint dici
in his ipsis tamen relatiuis si queratur quid
sit illud de quo dicuntur
non potest dici pluraliter
quemadmodum dicuntur due pares linee aut
duo homines similes.
Denn
auch wenn sie etwa zwei gleiche oder etwas anderes
in
ähnlicher Weise gegenseitig genannt werden können:
wenn
man jedoch bei diesen Beziehungen fragt, was das ist, wovon sie ausgesagt
werden,
wird
es nicht in der Mehrzahl gesagt werden können,
so
wie man von zwei gleichen Linien oder zwei ähnlichen Menschen spricht.
Quippe nec sunt duo pares spiritus nec
duo pares creatores nec duo aliquid
quod significet eorum aut essentiam aut habitudinem
ad creaturam
sed nec duo aliquid
quod designet propriam habitudinem alterius ad
alterum
quia nec duo verba nec
due imagines.
Denn
es sind weder zwei gleiche Geister noch zwei gleiche Schöpfer noch
zwei Etwas,
was
entweder ihre Wesenheit oder ihr Verhältnis zum Geschöpf bezeichnet;
aber
auch nicht zwei Etwas,
was
das eigentümliche Verhältnis des einen zum anderen bestimmt,
weil
sie weder zwei Worte noch zwei Bilder sind.
Verbum namque hoc ipsum quod verbum est
aut imago
ad alterum est
quia non nisi alicuius verbum est aut imago
et sic propria sunt hec alterius
vt nequaquam alteri coaptentur.
Das
Wort ist nämlich gerade dadurch, daß es Wort oder Bild ist,
zum
andern hingeordnet,
weil
es nur irgendwessen Wort oder Bild ist,
und
das ist dem einen so eigentümlich,
daß
es durchaus nicht dem anderen sich anpaßt.
Nam ille cuius est
verbum aut imago
nec imago nec verbum
est.
Denn
der, dessen das Wort oder Bild ist,
ist
weder Bild noch Wort.
Constat igitur quia exprimi non potest
quid duo sint summus
Spiritus et verbum eius
quamuis quibusdam singulorum proprietatibus cogantur
esse duo.
Es
steht also fest, daß sich nicht ausdrücken läßt,
was
für zwei der höchste Geist und sein Wort sind,
obwohl
es durch gewisse Eigentümlichkeiten der einzelnen notwendig ist, daß
sie zwei sind.
Etenim proprium vnius est esse ex altero
et proprium est alterius alterum esse ex illo.
Denn
es ist dem einen eigentümlich, daß es aus dem anderen ist,
und
es ist dem anderen eigentümlich, daß das andere aus ihm ist.
cap. XXXIX
Quod idem verbum sit a summo Spiritu nascendo
Quod ipsum nullo vtique verbo videtur familiarius
posse proferri
quam si dicatur proprium esse vnius nasci ex
altero
et proprium alterius nasci
alterum ex ipso.
Eben
das scheint gewiß durch kein Wort vertrauter ausgesprochen werden
zu können,
als
wenn man sagt, die Eigentümlichkeit des einen sei, aus dem anderen
geboren zu werden,
und
die Eigentümlichkeit des anderen
sei, daß das andere aus ihm geboren wird.
Certum namque iam constat
quia verbum summi Spiritus non sic est ex eo
quemadmodum ea que ab illo facta sunt;
sed quemadmodum creator de creatore
summum de summo.
Denn
als gewiß steht es schon fest,
daß
das Wort des höchsten Geistes nicht so aus ihm ist
wie
auch das, was von ihm gemacht wurde,
sondern
wie der Schöpfer aus dem Schöpfer,
das
Höchste aus dem Höchsten,
Et vt plena breuitate omnimoda absoluatur similitudo
penitus idem ipsum est de eodem ipso
et ita vt nullatenus sit nisi ex eo.
Und,
damit die volle Ähnlichkeit in allseitiger Kürze zum Ausdruck
kommt:
gänzlich
dasselbe ist aus demselben,
und
so, daß es in jeder Weise nur aus ihm ist.
Cum igitur pateat verbum summi Spiritus sic esse
ex ipso solo
vt perfectam eius quasi proles parentis teneat
similitudinem
nec si esse ex ipso vt fiat ab eo
profecto nullo modo conuenientius cogitari potest
ex illo esse
quam nascendo.
Da
es also klar ist, daß das Wort des höchsten Geistes so aus ihm
allein ist,
daß
es als Kind des Gebärenden vollkommene Ähnlichkeit mit ihm besitzt,
und
nicht so aus ihm ist, daß es von ihm gemacht wird,
so
kann es fürwahr in keiner Weise passender aus ihm seiend gedacht werden
als
durch Geborenwerden.
Nempe si innumerabiles res indubitanter dicuntur
nasci ex his ex quibus habent vt sint;
cum nullam eorum de
quibus nasci dicuntur teneant similitudinem
sicut proles parentis
–
Denn
wenn von unzähligen Dingen unbedenklich gesagt wird,
sie
würden aus dem geboren, aus dem sie es haben, daß sie sind,
obwohl
sie keine Ähnlichkeit mit dem, aus dem sie angeblich geboren werden,
besitzen
wie
das Kind mit dem Gebärenden –
– dicimus
enim capillos nasci de capite et poma ex arbore
licet nec illi capitis nec
ista arboris similia sint –
wir
sagen nämlich, die Haare würden aus dem Haupte geboren und die
Apfel aus dem Baume,
trotzdem
weder jene dem Haupte noch diese dem Baume ähnlich sind –
si inquam multa huiusmodi non absurde dicuntur
nasci
tanto congruentius dici potest verbum summi Spiritus
ex illo existere nascendo
quanto perfectius quasi
proles parentis
trahit eius similitudinem ex illo existendo.
wenn
es, sage ich, von vielem derartigen nicht widersinnig heißt, daß
es geboren wird,
so
kann umso angemessener vom Worte des höchsten Geistes gesagt werden,
daß
es aus ihm durch Geborenwerden existiert,
je
vollkommener es als Kind des Gebärenden
dessen
Ähnlichkeit anzieht, indem es aus ihm existiert.
cap. XL
Quod verissime ille parens
illud vero proles
Quod si conuenientissime dicitur nasci
et tam simile est illi de quo nascitur
cur estimetur simile quasi proles parenti
non potius asseratur quia tanto verior est ille
parens et istud proles
quanto magis et ille ad huius natiuitatis perfectionem
solus sufficit
et quod nascitur eius similitudinem exprimit?
Wenn
man sehr passend sagt, daß es geboren wird,
und
wenn es dem so ähnlich ist, aus dem es geboren wird:
warum
sollte man einschätzen, daß es ähnlich ist wie das Kind
dem Gebärenden,
und
nicht vielmehr sagen, daß umso wahrer jener der Gebärende und
dieses das Kind ist,
je
mehr sowohl jener zur Vollkommenheit dieser Geburt allein genügt,
als
auch das, was geboren wird, dessen Ähnlichkeit ausdrückt?
Namque in rebus aliis
quas parentis prolisque certum est habitudinem
habere
nulla sic gignit vt omnino nullius indigens sola
per se ad gignendam prolem sufficiat;
nulla sic gignitur
vt nulla admista dissimilitudine omnimodam similitudinem
parentis exhibeat.
Denn
in den anderen Dingen,
von
denen es gewiß ist, daß sie das Verhältnis von Gebärendem
und Kind haben,
zeugt
keines so,
daß
es, durchaus keines anderen bedürftig, allein durch sich zur Zeugung
des Kindes genügte;
keines
wird so gezeugt,
daß
es ohne Beimischung von Unähnlichkeit die allseitige Ähnlichkeit
mit dem Gebärenden darstellte.
Si ergo verbum summi Spiritus sic est omnino
ex ipsius sola essentia
et sic singulariter est illi simile
vt nulla proles sic sit omnino ex sola parentis
essentia
aut sic similis parenti
profecto nullis rebus tam conuenienter videtur
aptari habitudo parentis et prolis
quam summo Spiritui et verbo eius.
Wenn
also das Wort des höchsten Geistes so völlig aus dessen Wesenheit
allein ist
und
so einzigartig ihm ähnlich ist,
daß
kein Kind so vollständig aus der Wesenheit des Gebärenden allein
ist
oder
dem Gebärenden so ähnlich,
dann
scheint fürwahr bei keinem Dinge das Verhältnis von Gebärendem
und Kind so passend angewandt zu werden
wie
bei dem höchsten Geiste und seinem Worte.
Quapropter illius est proprium verissimum esse
parentem
istius vero verissimam esse prolem.
Deshalb
ist es jenem eigentümlich, im wahrsten Sinne Gebärender zu sein,
diesem
aber, im wahrsten Sinne Kind zu sein.
cap. XLI
Quod ille verissime gignat
illud verissime gignatur
At hoc constare non poterit
nisi pariter ille verissime gignat;
et istud verissime gignatur.
Aber
das wird nicht feststehen können,
wenn
nicht in gleicher Weise jener auf die wahrste Weise zeugt
und
dieses auf die wahrste Weise gezeugt wird.
Sicut igitur illud est perspicuum
ita hoc esse certissimum necesse est.
Wie
also jenes offensichtlich ist,
so
ist notwendig, daß dieses ganz sicher ist.
Quare summi Spiritus est verissime gignere
et verbi eius verissime gigni.
Daher
kommt es dem höchsten Geiste zu, auf die wahrste Weise zu zeugen,
und
dem Worte, auf die wahrste Weise gezeugt zu werden.
cap. XLII
Quod alterius verissime sit esse genitorem
et Patrem;
alterius genitum et Filium
Vellem iam quidem et
forte possem
illum esse verissime Patrem;
hoc vero verissime esse Filium concludere.
Ich
möchte zwar schon und könnte vielleicht schließen,
daß
jener in wahrster Weise Vater,
dieses
aber in wahrster Weise Sohn sei.
Sed nec hoc negligendum existimo
an Patris et Filii et
an Matris et Filie magis illis apta sit appellatio
cum in eis nulla sit sexus discretio.
Aber
ich meine, daß auch das nicht außer acht gelassen werden dürfe,
ob
die Benennung "Vater" und "Sohn" oder "Mutter" und "Tochter" für sie
angemessener
ist,
da
es bei ihnen keinen Unterschied des Geschlechtes gibt.
Nam si idcirco conuenienter est ille Pater
et proles eius Filius
quia vterque est Spiritus:
cur non pari ratione alteri conuenit esse matrem
alteri filiam
quia vterque est veritas et sapientia?
Wenn
nämlich deshalb jener zutreffend Vater ist und sein Kind Sohn,
weil
beide Geist sind:
warum
kommt es aus dem gleichen Grunde nicht dem einen zu, Mutter zu sein, dem
anderen Tochter,
da
jeder von ihnen Wahrheit und Weisheit ist?
An quia in his naturis que
sexus habent differentiam
melioris sexus est patrem esse vel filium
minoris vero matrem vel filiam?
Vielleicht
etwa, weil in jenen Naturen, die den Unterschied des Geschlechtes haben,
das
bessere Geschlecht ist, Vater zu sein und Sohn,
das
geringere dagegen Mutter und Tochter?
Et hoc quidem naturaliter in pluribus
in quibusdam vero econtrario ut
in quibusdam auium generibus
in quibus femineus sexus semper maior et validior
est masculinus vero minor et infirmior.
Das
ist zwar so von Natur aus bei den meisten;
bei
manchen dagegen ist es umgekehrt, wie bei gewissen Arten von Vögeln,
bei
denen das weibliche Geschlecht immer größer und stärker
ist, das männliche aber kleiner und schwächer.
Aut certe idcirco magis conuenit summo Spiritui
dici Patrem quam Matrem
quia prima et principalis causa prolis semper
est in patre.
Oder
gewiß kommt es dem höchsten Geiste eher zu, Vater genannt zu
werden als Mutter,
weil
die Erst- und Hauptursache des Kindes immer im Vater ist.
Nam si maternam causam quolibet modo semper paterna
precedit
nimis est incongruum vt illi parenti adaptetur
nomen matris
cui ad gignendam prolem nulla alia causa aut
sociatur aut precedit.
Denn
wenn der mütterlichen Ursache auf irgendeine Weise immer die väterliche
vorausgeht,
wäre
es allzu unangemessen, daß jenem Gebärenden der Name "Mutter"
beigelegt würde,
dem
zur Zeugung des Kindes keine andere Ursache sich beigesellt oder vorausgeht.
Verissimum est igitur
summum Spiritum Patrem esse prolis sue.
Es
ist also vollkommen wahr,
daß
der höchste Geist der Vater seines Kindes ist.
Quod si filius semper similior est patri quam
filia;
nihil autem similius est alteri quam summo Patri
proles sua;
verissimum est hanc prolem non esse filiam
sed Filium.
Weil
der Sohn dem Vater immer ähnlicher ist als die Tochter,
nichts
aber einem anderen ähnlicher ist als dem höchsten Vater sein
Kind ähnlich ist,
so
ist es vollkommen wahr, daß dieses Kind nicht Tochter, sondern Sohn
ist.
Sicut igitur proprium est illius verissime gignere
istius uero gigni
sic proprium est illius esse verissimum gignitorem
istius vero verissimum esse genitum.
Wie
es also jenem eigentümlich ist, in vollkommener Weise zu zeugen,
diesem
aber gezeugt zu werden,
so
ist es jenem eigentümlich, in wahrster Weise Erzeuger zu sein,
diesem
dagegen in wahrster Weise Erzeugter.
Et sicut alter est uerissimus parens
alter verissima proles;
sic alter est verissimus Pater
alter verissimus Filius.
Und
wie der eine in wahrster Weise ein Gebärender ist,
der
andere in wahrster Weise ein Kind,
so
ist der eine in wahrster Weise Vater
und
der andere in wahrster Weise Sohn.
cap. XLIII
Retractatio communionis amborum
et proprietatum singulorum
Inuentis tot et tantis singulorum proprietatibus
quibus mira quedam tam ineffabilis quam ineuitabilis
in summa vnitate probatur esse pluralitas
valde mihi videtur delectabile
retractare sepius tam impenetrabile secretum.
Nachdem
so viele und so bedeutende Eigentümlichkeiten der einzelnen gefunden
wurden,
durch
die eine gewisse wunderbare unaussprechliche wie unausweichliche
Mehrheit
in der höchsten Einheit erwiesen wird,
scheint
es mir überaus köstlich,
das
so undurchdringliche Geheimnis öfter zu erwägen.
Ecce enim cum sic impossibile sit
eumdem esse qui gignit et
eum qui gignitur
atque eumdem esse parentem et prolem
vt necesse sit alium esse genitorem alium
genitum
et alium esse Patrem alium
Filium:
sic tamen necesse est idem esse illum qui gignit
et illum qui gignitur
nec non parentem et prolem
vt impossibile sit aliud esse genitorem
quam quod est genitus
aliud esse Patrem quam
quod est Filius.
Denn
siehe, obwohl es derart unmöglich ist,
daß
derselbe der ist, der zeugt, und der, der gezeugt wird,
und
derselbe der Gebärende und das Kind ist,
daß
es notwendig ist, daß ein anderer der Erzeuger ist, ein anderer der
Erzeugte,
und
ein anderer der Vater ist, ein anderer der Sohn,
so
ist es doch derart notwendig, daß dasselbe der ist, der zeugt, und
der, der gezeugt wird,
und
ebenso der Gebärende und das Kind,
daß
es unmöglich ist, daß etwas anderes der Erzeuger ist, als was
der Erzeugte ist,
etwas
anderes der Vater ist, als was der Sohn (ist).
Et cum ita sit alius ille et
alius ille
vt omnino pateat quod duo sint;
sic tamen vnum et idem ipsum est
id quod est ille et ille
vt penitus lateat qui duo sint.
Und
da derart dieser ein anderer ist und jener ein anderer,
daß
es völlig klar ist, daß sie zwei sind,
so
ist dennoch derart ein-und-dasselbe
das,
was dieser und jener ist,
daß
es gänzlich verborgen bleibt, was die zwei sind.
Nam sic est alius Pater alius
Filius
vt cum ambos dixerim
videam me duos dixisse
et sic est idipsum quod est et
Pater et Filius
vt non intelligam quid duos dixerim.
Denn
derart ist ein anderer der Vater, ein anderer der Sohn,
daß
ich, wenn ich beide genannt habe, sehe, daß ich zwei genannt habe;
und
derart ist es dasselbe, was sowohl der Vater wie der Sohn ist,
daß
ich nicht denken kann, wie ich es "zwei" genannt habe.
Quamuis namque singulus Pater sit perfecte summus
Spiritus
et singulus Filius sit perfecte summus Spiritus;
sic tamen vnum idemque est Spiritus Pater et
Spiritus Filius
vt Pater et Filius non sint duo Spiritus
sed vnus Spiritus.
Denn
obwohl der Vater für sich in vollkommener Weise höchster Geist
ist
und
der Sohn für sich in vollkommener Weise höchster Geist ist,
so
ist dennoch derart ein-und-dasselbe der Vatergeist und der Sohnesgeist,
daß
der Vater und der Sohn nicht zwei Geister sind, sondern ein Geist.
Vt sicut singula propria singulorum non recipiunt
pluralitatem
quia non sunt duorum;
ita id quod commune est amborum indiuiduam
teneat vnitatem
quamuis totum sit singulorum.
So
daß, wie die einzelnen Eigentümlichkeiten der einzelnen nicht
eine Mehrzahl annehmen,
weil
sie nicht zweien zugehören,
ebenso
das, was beiden gemeinsam ist, die ungeteilte Einheit bewahrt,
obwohl
das Ganze den einzelnen zugehört.
Nam sicut non sunt duo patres aut
duo filii
sed vnus Pater et
vnus Filius
quoniam singula sunt singulorum propria
ita non sunt duo sed
vnus Spiritus;
quamuis et singuli Patris et
singuli Filii sit
perfectum esse Spiritum.
Wie
nämlich nicht zwei Väter oder zwei Söhne sind,
sondern
ein Vater und ein Sohn,
weil
die einzelnen Eigentümlichkeiten den einzelnen gehören,
so
sind nicht zwei, sondern ein Geist,
obgleich
sowohl dem Vater für sich und dem Sohne für sich zukommt,
vollkommener
Geist zu sein.
Sic sunt oppositi relationibus
vt alter nunquam suscipiat proprium alterius
sic sunt concordes natura
vt alter semper teneat essentiam alterius.
Solcherart
sind sie durch die Beziehungen entgegengesetzt,
daß
der eine niemals die Eigentümlichkeit des anderen aufnimmt;
solcherart
sind sie einträchtig durch ihre Natur,
daß
der eine immer die Wesenheit des anderen besitzt.
Sic enim diuersi sunt per
hoc
quod alter est Pater et
alter Filius
vt nunquam dicatur aut Pater Filius aut
Filius Pater;
et sic idem sunt per substantiam
vt semper sit in Patre essentia Filii
et in Filio essentia Patris.
Denn
so sind sie dadurch verschieden,
daß
der eine der Vater ist, der andere der Sohn,
daß
weder der Vater jemals Sohn noch der Sohn Vater genannt wird;
und
so sind sie dasselbe durch die Substanz,
daß
im Vater immer die Wesenheit des Sohnes
und
im Sohne die Wesenheit des Vaters ist.
Est enim non diuersa sed
eadem
non plures sed vna
vtriusque essentia.
Es
ist nämlich nicht eine verschiedene, sondern dieselbe,
nicht
mehrere, sondern eine Wesenheit beider.
cap. XLIV
Quomodo alter alterius sit essentia
Unde etiam si alter alterius dicatur essentia
non erratur a veritate;
sed summa vnitas simplicitasque commendatur communis
nature.
Daher,
auch wenn einer des anderen Wesenheit genannt wird,
irrt
man nicht von der Wahrheit ab,
sondern
es wird damit die höchste Einheit und Einfachheit der gemeinsamen
Natur nahegelegt.
Non enim quemadmodum intelligitur sapientia hominis
per quam homo sapiens est qui
per se non potest esse sapiens
ita intelligi potest
si dicatur Pater essentia Filii et
Filius essentia Patris
vt eo modo sit Filius existens per patrem
et Pater per Filium
quasi non possit alter existens esse nisi per
alterum
sicut homo non potest esse sapiens nisi
per sapientiam.
Denn
nicht wie die Weisheit des Menschen gedacht wird,
durch
die der Mensch weise ist, der durch sich nicht weise sein kann,
kann
es derart gedacht werden,
wenn
der Vater die Wesenheit des Sohnes und der Sohn die Wesenheit des Vaters
genannt wird,
daß
auf diese Weise der Sohn durch den Vater existent ist und der Vater durch
den Sohn,
als
ob der eine nicht existent sein könne außer durch den anderen,
wie
der Mensch nicht weise sein kann außer durch die Weisheit.
Sicut namque summa sapientia semper sapit per
se
ita summa essentia semper est per se.
Denn
wie die höchste Weisheit immer durch sich weise ist,
so
ist überhaupt die höchste Wesenheit immer durch sich.
Est autem perfecte summa essentia Pater
et perfecte summa essentia Filius
pariter ergo perfectus Pater per se est
et pariter perfectus Filius per se est
sicut uterque sapit per se.
Es
ist aber die vollkommen höchste Wesenheit der Vater
und
die vollkommen höchste Wesenheit der Sohn.
Es
ist also in gleicher Weise der vollkommene Vater durch sich
und
der vollkommene Sohn ist durch sich,
wie
jeder von beiden durch sich weise ist.
Non enim idcirco minus perfecta est essentia
vel sapientia Filius
quia est essentia nata de Patris essentia
et sapientia de sapientia
sed tunc minus perfecta essentia vel sapientia
esset
si non esset per se aut non saperet per se.
Denn
nicht deshalb ist der Sohn weniger vollkommene Wesenheit oder Weisheit,
weil
er die aus der Wesenheit des Vaters geborene Wesenheit ist
und
Weisheit aus der Weisheit;
sondern
dann wäre er weniger vollkommene Wesenheit oder Weisheit,
wenn
er nicht durch sich existierte und nicht durch sich weise wäre.
Nequaquam enim repugnat
vt Filius et per se subsistat
et de Patre habeat esse.
Denn
durchaus nicht widersprechen sich,
daß
der Sohn sowohl durch sich besteht
als
auch vom Vater das Sein hat.
Sicut enim Pater habet essentiam et
sapientiam et vitam in semetipso
vt non per alienam sed
per suam essentiam sit
per suam sapientiam sapiat per
suam vitam uiuat
ita gignendo dat
Filio essentiam habere et sapientiam et vitam
in semetipso
vt non per extraneam sed
suam essentiam sapientiam et vitam
subsistat sapiat
et viuat
alioquin non erit idem esse Patris et Filii
nec erit par Patri Filius:
quod quam falsum sit liquidissime superius peruisum
est.
"Denn
wie der Vater" die Wesenheit, die Weisheit und "das Leben in sich hat",
so
daß er nicht durch eine fremde, sondern durch seine Wesenheit ist,
durch
seine Weisheit weise ist, durch sein Leben lebt,
"so
gibt er" durch Zeugung dem Sohne, die Wesenheit und Weisheit und "das Leben
in sich selbst zu haben",
so
daß er nicht durch eine fremde Wesenheit,
sondern
durch seine Wesenheit, seine Weisheit und sein Leben
besteht,
weise ist und lebt;
sonst
wird das Sein des Vaters und des Sohnes nicht dasselbe sein,
noch
wird der Sohn dem Vater gleich sein.
Wie
falsch das aber wäre, ist aufs klarste weiter oben durchschaut worden.
Quare non repugnat Filium et subsistere per se
et esse de Patre
quia hoc ipsum id
est per se ipsum posse subsistere
necesse est illum de Patre habere.
Dem
widerstreitet nicht, daß der Sohn sowohl durch sich besteht als auch
vom Vater ist,
weil
er eben dies, das heißt, daß er durch sich bestehen kann,
notwendigerweise
aus dem Vater hat.
Nam si quis sapiens suam me sapientiam
cuius prius expers essem doceret
vtique hoc ipsa sapientia eius facere non incongrue
diceretur
sed quamuis mea sapientia ab illius sapientia
haberet esse et sapere
tamen cum iam esset
non nisi sua essentia esset nec
saperet nisi seipsa.
Denn
wenn ein Weiser mich seine Weisheit, deren ich vorher nicht kundig war,
lehrte,
so
würde man nicht unpassend sagen, das tue diese seine Weisheit;
aber
obwohl meine Weisheit von seiner Weisheit ihr Sein und Weisesein hätte,
würde
sie dennoch, wenn sie bereits da wäre,
nur
durch ihre Wesenheit sein und nur durch sich selbst weise sein.
Multo igitur magis eterni Patris coeternus Filius
qui sic habet a Patre esse vt
non sint due essentie
per se subsistit sapit
et viuit.
Viel
mehr also ist der dem ewigen Vater gleichewige Sohn,
der
so vom Vater das Sein hat, daß es nicht zwei Wesenheiten sind,
existent,
ist weise und lebt durch sich
Non igitur sic intelligi potest
quod Pater Filii aut
Filius Patris sit essentia
quasi alter non possit subsistere per se sed
per alterum
sed ad significandum quam habent communionem
summe simplicis summeque
vnius essentie
sic congrue dici et intelligi potest
quia sic est alter idipsum quod alter
vt alter habeat essentiam alterius.
Es
kann also nicht so gedacht werden,
daß
der Vater des Sohnes oder der Sohn des Vaters Wesenheit sei,
als
ob der eine nicht durch sich, sondern durch den anderen existieren könnte;
sondern
zur Bezeichnung der Gemeinsamkeit,
die
sie mit der höchst einfachen und höchst einen Wesenheit haben,
kann
es dementsprechend so gesagt und gedacht werden,
daß
der eine solcherart dasselbe ist wie der andere,
daß
der eine die Wesenheit des anderen hat.
Hac itaque ratione
quoniam vtique non aliud est habere essentiam
quam essentiam esse
sicut habet alter alterius essentiam
ita est alter alterius essentia
id est idem esse est alteri quod alteri.
Aus
diesem Grunde also,
weil
für jeden von beiden "die Wesenheit zu haben" nichts anderes ist als
"die Wesenheit zu sein",
folgt:
wie der eine des anderen Wesenheit hat,
so
ist der eine die Wesenheit des anderen;
das
heißt, dasselbe Sein, das dem einen gehört, gehört dem
anderen.
cap. XLV
Quod aptius dici possit Filius essentia Patris
quam Pater essentia Filii:
et quod similiter sit Filius Patris virtus
et sapientia et similia
Quod licet secundum perspectam rationem verum
sit
valde tamen magis congruit Filium dici essentiam
Patris
quam Patrem essentiam Filii
quoniam namque Pater a nullo habet essentiam
nisi a seipso
non satis apte dicitur habere essentiam alicuius
nisi suam
quia vero Filius essentiam suam habet a Patre
et eamdem quam habet Pater
aptissime dici potest habere essentiam Patris.
Obwohl
das dem durchschauten Grunde gemäß wahr ist,
so
wird doch sehr viel zutreffender der Sohn die Wesenheit des Vaters
als
der Vater die Wesenheit des Sohnes genannt;
denn
weil der Vater von niemandem als von sich selbst die Wesenheit hat,
so
wird nicht passend genug gesagt, er habe jemandes Wesenheit, es sei denn
die seine.
Weil
aber der Sohn seine Wesenheit vom Vater hat
und
(zwar) dieselbe, die der Vater hat,
kann
höchst passend gesagt werden, er habe die Wesenheit des Vaters.
Quare quoniam neuter aliter habet essentiam
quam existendo essentia;
sicut aptius intelligitur habere Filius Patris
essentiam quam Pater Filii
ita conuenientius dici potest Filius Patris essentia
quam Pater Filii.
Weil
daher keiner von beiden die Wesenheit anders hat, als dadurch, daß
er als Wesenheit existiert,
kann,
wie passender gedacht werden kann, der Sohn habe die Wesenheit des Vaters,
als der Vater die des Sohnes,
so
auch zutreffender der Sohn die Wesenheit des Vaters genannt werden, als
der Vater die des Sohnes.
Nam hec vna si fiat prolatio satis
acuta breuitate commendat
Filium non solum eamdem essentiam habere cum
Patre
sed hanc ipsam habere de Patre:
vt hoc sit
Filius est essentia Patris
quod est
Filius est non differens essentia de Patris essentia
imo de Patre essentia.
Denn
wenn nur diese eine Aussage gemacht wird, so legt sie in recht scharfer
Kürze nahe,
daß
der Sohn nicht nur dieselbe Wesenheit mit dem Vater hat,
sondern
(auch), daß er diese selbe vom Vater hat,
so
daß dies:
"der
Sohn ist die Wesenheit des Vaters",
gleich
dem ist:
"der
Sohn ist die von der Wesenheit des Vaters nicht verschiedene Wesenheit,
ja
er ist die vom Vater als der Wesenheit selbst nicht verschiedene Wesenheit."
Similiter ergo est Filius Patris virtus et sapientia
seu veritas et iustitia
et quidquid summi Spiritus conuenit essentie.
In
ähnlicher Weise also ist der Sohn des Vaters Stärke und Weisheit
oder
Wahrheit und Gerechtigkeit
und
was immer der Wesenheit des höchsten Geistes zukommt.
cap. XLVI
Quomodo quedam ex his que sic proferuntur
aliter quoque possint intelligi
Videntur tamen quedam ex
his que sic proferri et intelligi possunt
aliam quoque non incongruam sub hac ipsa pronuntiatione
intelligentiam suscipere.
Es
scheint jedoch, daß einiges von dem, was auf diese Weise vorgebracht
und gedacht werden kann,
unter
dieser selben Aussage auch einen anderen, nicht unzutreffenden Sinn annimmt.
Liquet enim Filium esse verum verbum
id est perfectam intelligentiam
siue perfectam totius paterne substantie
cognitionem et scientiam et sapientiam
id est que ipsam Patris intelligit essentiam
et cognoscit et scit et sapit.
Es
ist nämlich klar, daß der Sohn das wahre Wort ist,
das
heißt das vollkommene Denken
oder
die vollkommene Erkenntnis und Wissenschaft und Weisheit der ganzen väterlichen
Substanz,
das
heißt (eine solche), welche die Wesenheit des Vaters selbst denkt
und erkennt und weiß und erfaßt.
Si igitur hoc sensu dicatur Filius Patris intelligentia
et sapientia et scientia et cognitio siue notitia;
quoniam intelligit sapit scit et nouit Patrem
nequaquam a veritate disceditur.
Wenn
also in diesem Sinne der Sohn des Vaters Denken
und
Weisheit und Wissenschaft und Erkenntnis oder Kenntnis genannt wird,
weil
er den Vater denkt, erfaßt, weiß und kennt,
so
weicht man keineswegs von der Wahrheit ab.
Veritas quoque Patris aptissime dici potest Filius
non solum eo sensu quia
est eadem Filii veritas que est et Patris
sicut iam perspectum est;
sed etiam hoc sensu vt in eo intelligatur non
imperfecta quedam imitatio
sed integra veritas paterne substantie
quia non est aliud quam quod est Pater.
Auch
die Wahrheit des Vaters kann der Sohn sehr treffend genannt werden,
nicht
allein in dem Sinne, daß die Wahrheit des Sohnes dieselbe ist wie
auch die des Vaters,
wie
bereits erschaut wurde,
sondern
auch in dem Sinne, daß in ihm nicht eine gewisse unvollkommene Nachahmung,
sondern
die unversehrte Wahrheit der väterlichen Substanz gedacht wird,
weil
er nichts anderes ist, als was der Vater ist.
cap. XLVII
Quod Filius sit intelligentia intelligentie
et veritas veritatis
At si ipsa substantia Patris est
intelligentia et scientia et sapientia et veritas
consequenter colligitur
quia sicut Filius est
intelligentia et scientia et sapientia et veritas paterne substantie
ita est intelligentia intelligentie scientia
scientie
sapientia sapientie et
veritas veritatis.
Wenn
aber die Substanz des Vaters Denken und Wissenschaft und Weisheit und Wahrheit
ist,
so
wird folgerichtig geschlossen,
daß
der Sohn, wie er Denken und Wissenschaft und Weisheit und Wahrheit der
väterlichen Substanz ist,
so
das Denken des Denkens, die Wissenschaft der Wissenschaft,
die
Weisheit der Weisheit und die Wahrheit der Wahrheit ist.
cap. XLVIII
Quod et quomodo Filius sit intelligentia vel
sapientia memorie
et memoria Patris et memorie
De memoria vero quid sentiendum est?
Was
ist aber vom Bewußtsein zu halten?
An estimandus est Filius intelligentia memorie
siue memoria Patris
aut memoria memorie?
Ist
wohl der Sohn als das Denken des Bewußtseins
oder
als das Bewußtsein des Vaters
oder
als das Bewußtsein des Bewußtseins einzuschätzen?
Equidem cum summa sapientia sui memor esse negari
non possit
nihil competentius quam in memoria Pater
sicut in verbo Filius intelligitur;
quoniam de memoria nasci verbum videtur.
Da
in der Tat nicht geleugnet werden kann, daß die höchste Weisheit
sich ihrer bewußt ist,
ist
nichts angemessener, als daß unter dem Bewußtsein der Vater,
wie
unter dem Worte der Sohn gedacht wird,
weil
vom Bewußtsein das Wort geboren zu werden scheint.
Quod clarius in nostra mente percipitur
quoniam namque mens humana non semper se cogitat
sicut sui semper meminit
liquet cum se cogitat quia
verbum eius nascitur de memoria.
Das
wird deutlicher in unserem Geiste wahrgenommen:
denn
weil der menschliche Geist nicht immer an sich denkt,
wie
er sich seiner immer bewußt ist,
ist
es klar, daß, wenn er an sich denkt, sein Wort vom Bewußtsein
geboren wird.
Unde apparet quia si semper se cogitaret
semper verbum eius de memoria nasceretur.
Daraus
erhellt, daß, wenn er immer an sich dächte,
sein
Wort immer aus dem Bewußtsein geboren würde.
Rem etenim cogitare cuius
memoriam habemus
hoc est mente eam dicere
verbum vero rei est
ipsa cogitatio
ad eius similitudinem ex memoria formata.
Denn
an eine Sache denken, von der wir ein Bewußtsein haben,
heißt,
sie im Geiste sprechen;
das
Wort einer Sache aber ist das An-sie-Denken selbst,
insofern
es nach ihrer Ähnlichkeit aus dem Bewußtsein geformt ist.
Hinc itaque liquido animaduerti potest de summa
sapientia
que sic semper se dicit sicut
semper sui memor est
quia de eterna memoria eius coeternum verbum
nascitur.
Von
daher also kann man in Hinsicht auf die höchste Weisheit klar wahrnehmen,
die
sich so immer spricht, wie sie sich immer ihrer bewußt ist,
daß
von ihrem ewigen Bewußtsein das gleichewige Wort geboren wird.
Sicut igitur verbum congrue intelligitur proles
ita memoria parentis
nomen aptissime suscipit.
Wie
demnach das Wort zutreffend als Kind gedacht wird,
so
nimmt das Bewußtsein höchst passend den Namen des Gebärenden
an.
Si ergo proles
que omnino de solo summo Spiritu nata est
proles est memorie eius
nihil consequentius quam
quia memoria sua est idem ipse.
Wenn
also das Kind,
das
durchaus vom höchsten Geiste allein geboren ist,
das
Kind seines Bewußtseins ist,
so
ist nichts folgerichtiger, als daß sein Bewußtsein er selber
ist.
Quippe non in eo quod sui memor est
sic est in sua memoria velut
alia res in alia;
quemadmodum ea que sic sunt in humane mentis
memoria
vt non sint ipsa nostra memoria
sed sic est memor sui ut
ipse memoria sua sit.
Denn
nicht dadurch, daß er sich seiner bewußt wird,
ist
er so in seinem Bewußtsein wie ein Ding in einem anderen –
wie
das, was so im Bewußtsein des menschlichen Geistes ist,
daß
es nicht unser Bewußtsein selber ist –
sondern
so ist er sich seiner bewußt, daß er selbst sein Bewußtsein
ist.
Consequitur itaque vt quomodo
Filius est intelligentia siue sapientia Patris
ita sit et paterne memorie.
Es
folgt daher, daß der Sohn, wie er das Denken oder die Weisheit des
Vaters ist,
so
auch Denken und Weuisheit des väterlichen Bewußtseins ist.
At quidquid Filius sapit aut intelligit;
eius similiter et meminit.
Was
aber der Sohn weiß oder denkt,
dessen
ist er sich auf ähnliche Weise auch bewußt.
Est igitur Filius memoria Patris et
memoria memorie
id est memoria memor Patris qui
est memoria
sicut est sapientia Patris et
sapientia sapientie
id est sapientia sapiens Patrem sapientiam.
Es
ist also der Sohn das Bewußtsein des Vaters und das Bewußtsein
des Bewußtseins,
das
heißt das Bewußtsein, das sich des Vaters, der Bewußtsein
ist, bewußt ist,
wie
er die Weisheit des Vaters und die Weisheit der Weisheit ist,
das
heißt die Weisheit, die den Vater als die Weisheit kennt.
Et Filius quidem memoria nata de memoria
sicut sapientia nata de sapientia;
Pater vero de nullo nata memoria vel sapientia.
Und
zwar ist der Sohn das von dem Bewußtsein geborene Bewußtsein,
wie
die von der Weisheit geborene Weisheit;
der
Vater hingegen das von niemandem geborene Bewußtsein
oder
die von niemandem geborene Weisheit.
Vorrede
* Kapitelübersicht (Inhaltsverzeichnis)
Cap.
1-7 * Cap. 8-17 * Cap.
18-24 * Cap. 25-37 * Cap.
38-48 * Cap. 49-64 * Cap.
65-80
HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) :
12 KÖRBE: Quellen zum Thema "Schöpfung" und zum
Weltbild der Antike und des Mittelalters : Anselm von Canterbury: Monologion
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