Etenim ipsum idem bonum quod
sic se amari exigit
non minus se ab amante desiderari cogit.
Denn
eben dieses selbe Gut, das so geliebt zu werden fordert,
zwingt
nicht minder, vom Liebenden ersehnt zu werden.
Nam quis sic amet iustitiam veritatem beatitudinem
incorruptibilitatem
vt his frui non appetat?
Denn
wer wollte die Gerechtigkeit, Wahrheit, Seligkeit, Unzerstörbarkeit
so lieben,
daß
er sie nicht zu genießen begehrte?
Quid ergo summa bonitas retribuet amanti et desideranti
se
nisi seipsam?
Was
also wird die höchste Güte dem sie Liebenden und Ersehnenden
schenken,
wenn
nicht sich selbst?
Nam quidquid aliud tribuat non
retribuit
quia nec compensatur amori
nec consolatur amantem
nec satiat desiderantem.
Denn
was immer anderes sie geben mag, das ist keine Vergeltung,
weil
es weder die Liebe aufwiegt
noch
den Liebenden tröstet
noch
den sich Sehnenden sättigt.
Aut si se vult amari et desiderari vt
aliud retribuat
non se vult amari et desiderari propter se
sed propter aliud
et sic non vult se amari sed
aliud:
quod cogitare nefas est.
Oder
wenn sie geliebt und ersehnt werden will, um mit anderem zu vergelten,
will
sie nicht geliebt und ersehnt
werden um ihretwillen,
sondern
um des anderen willen;
und
so will sie nicht, daß sie geliebt werde, sondern das andere;
woran
zu denken ein Frevel ist.
Nihil ergo verius quam quod omnis anima rationalis
si quemadmodum debet studeat
amando desiderare summam beatitudinem
aliquando illam ad fruendum percipiat
vt quod nunc uidet quasi per speculum et in enigmate
tunc videat facie ad faciem .
Nichts
ist also wahrer, als daß jede vernünftige Seele,
wenn
sie, wie sie soll, sich bemüht, liebend die höchste Seligkeit
zu ersehnen,
diese
einmal zum Genusse empfängt,
auf
daß sie, was sie "jetzt wie im Spiegel und im Rätsel" sieht,
"dann
von Angesicht zu Angesicht" schaue.
vtrum autem ea sine fine fruatur dubitare
stultissimum est
quoniam illa fruens nec timore torqueri poterit
nec fallaci securitate decipi
nec eius indigentiam iam experta illam
poterit non amare
nec illa deseret amantem se
nec aliquid erit potentius quod
eas separet inuitas.
Zu
zweifeln aber, ob sie diese ohne Ende genießt, ist äußerst
töricht,
weil
sie in ihrem Genusse unmöglich durch Furcht gequält
noch
durch falsche Sicherheit getäuscht werden wird;
noch
diese, nachdem sie ihren Mangel schon erfahren hat, nicht nicht lieben
können wird;
noch
diese die sie Liebende im Stiche lassen wird;
noch
es etwas Mächtigeres geben wird, was sie gegen ihren Willen trennte.
Quare quecunque anima summa beatitudine semel
frui ceperit
eterne beata erit.
Deshalb
wird jedwede Seele, die einmal begonnen hat, die höchste Seligkeit
zu genießen,
auf
ewig selig sein.
cap. LXXI
Quod illam contemnens eterne misera sit
Hinc vtique consequenter colligitur
quod illa que summi boni amorem contemnit
eternam miseriam incurret.
Hieraus
wird allerdings folgerichtig geschlossen,
daß
jene, die die Liebe des höchsten Gutes verachtet,
der
ewigen Unseligkeit verfällt.
Nam si dicitur quod pro tali contemptu sic iustius
puniatur
vt ipsum esse vel vitam perdat;
quia se non vtitur ad id ad quod est facta;
nullatenus hoc admittit ratio
vt post tantam culpam pro pena recipiat esse
quod erat ante omnem culpam.
Wenn
man nämlich sagt, sie würde für eine solche Verachtung gerechter
auf solche Weise bestraft,
daß
sie das Sein selbst oder das Leben verliert,
weil
sie sich nicht zu dem gebraucht, wozu sie geschaffen ist,
so
gibt die Vernunft keineswegs das zu,
daß
sie nach so großer Schuld zur Strafe das Sein zurückerhält,
das
vor jeder Schuld war.
Quippe antequam esset
nec culpam habere nec
penam sentire poterat.
Denn
bevor sie existierte,
konnte
sie weder Schuld haben noch Strafe fühlen.
Si ergo anima contemnens id ad quod facta est
sic moritur vt nihil sentiat aut vt omnino nihil
sit
similiter se habebit et in maxima culpa et sine
omni culpa
nec discernet summe sapiens iustitia inter id
quod nullum bonum potest et
nullum malum vult
et id quod maximum bonum potest et
maximum malum vult.
Wenn
also die Seele, die das verachtet, wozu sie geschaffen wurde,
so
stirbt, daß sie nichts fühlt oder überhaupt nichts ist,
wird
sie sich sowohl in größter Schuld wie ohne jede Schuld in ähnlicher
Lage befinden,
und
die höchst weise Gerechtigkeit wird keinen Unterschied machen zwischen
dem,
was
nichts Gutes kann und nichts Böses will,
und
dem, was das größte Gute kann und das größte Böse
will.
At hoc satis patet quam inconueniens sit.
Es
ist jedoch
klar genug, wie ungereimt das ist.
Nihil igitur videri potest consequentius
et nihil credi debet certius
quam hominis animam sic esse factam
vt si contemnat amare summam essentiam
eternam patiatur miseriam:
vt sicut amans eterno gaudebit premio
ita contemnens eterna pena doleat:
et sicut illa sentiet immutabilem sufficientiam
ita ista sentiat inconsolabilem indigentiam.
Nichts
also kann als folgerichtiger erscheinen
und
nichts muß als sicherer geglaubt werden,
als
daß die Seele des Menschen so geschaffen wurde,
daß
sie, wenn sie die höchste Wesenheit zu lieben mißachtet,
ewige
Unseligkeit erleidet,
auf
daß, wie die liebende sich ewigen Lohnes erfreuen wird,
so
die verachtende durch ewige Strafe Schmerz erduldet,
und
wie jene unwandelbares Genügen empfinden wird,
so
diese untröstliche Not verspürt.
cap. LXXII
Quod omnis anima humana sit immortalis
et quod aut semper misera
aut aliquando vere beata sit
Sed nec amantem animam necesse est eterne beatam
esse
nec contemnentem miseram si sit mortalis.
Aber
weder die liebende Seele ist notwendig ewig glückselig
noch
die verachtende unselig, wenn sie sterblich sein sollte.
Siue igitur amet
siue contemnat id ad quod amandum creata est
necesse est eam immortalem esse.
Sei
es also, daß sie liebt,
sei
es, daß sie das verachtet, was zu lieben sie geschaffen ist:
es
ist notwendig, daß sie unsterblich ist.
Si autem alique sunt anime rationales
que nec amantes nec contemnentes iudicande sint
sicut esse videntur anime infantum
quid de his sentiendum est?
Wenn
es aber einige vernünftige Seelen gibt,
die
weder als liebende noch als verachtende zu beurteilen sind –
wie
es die Seelen der Kinder zu sein scheinen –:
was
ist von diesen zu halten?
Sunt mortales an immortales?
Sind
sie sterblich oder unsterblich?
Sed procul dubio omnes humane anime eiusdem nature
sunt.
Aber
ohne Zweifel haben alle menschlichen Seelen dieselbe Natur.
Quare quoniam constat quasdam esse immortales
necesse est omnem humanam animam esse immortalem.
Es
ist daher, weil feststeht, daß einige unsterblich sind,
notwendig,
daß jede menschliche Seele unsterblich ist.
cap. LXXIII
Quod aut semper misera aut aliquando vere
beata sit
Verum cum omne quod viuit aut nunquam
aut aliquando sit vere securum ab omni molestia
nihilominus est necesse
omnem humanam animam aut semper miseram esse
aut aliquando vere beatam.
Obwohl
aber alles, was lebt, entweder nie oder einmal vor aller Unbill wahrhaft
sicher ist,
so
ist es desungeachtet notwendig,
daß
jede menschliche Seele entweder immer unselig
oder
einmal wahrhaft glückselig ist.
cap. LXXIV
Quod nulla anima iniuste priuetur summo bono
et quod omnino ad ipsum sit nitendum
Que vero anime incunctanter iudicande sint
sic amantes id ad
quod amandum facte sunt vt illo quandoque
frui
que autem sic contemnentes vt
illo semper indigere mereantur
aut qualiter quoue merito ille
que nec amantes nec contemnentes dici posse videntur
ad beatitudinem eternam miseriamue distribuantur
aliquem mortalium disputando posse comprehendere
procul dubio vel difficillimum vel impossibile
existimo.
Welche
Seelen aber ohne Zögern als solche zu beurteilen sind,
die
das, was zu lieben sie geschaffen sind, so lieben, daß sie es einmal
genießen,
welche
hingegen als solche, die es so verachten, daß sie es immer zu entbehren
verdienen,
oder
wie und auf welches Verdienst hin jene,
die,
wie es scheint, weder als liebende noch als verachtende bezeichnet werden
können,
der
ewigen Seligkeit oder Unseligkeit zugeteilt werden:
daß
das einer der Sterblichen durch eine Diskussion erfassen könne,
halte
ich ohne Zweifel entweder für sehr schwierig oder für unmöglich.
Quod tamen a summe iusto summeque bono creatore
rerum nulla
eo bono ad quod
facta est iniuste priuetur
certissime est tenendum
et ad idem ipsum bonum est omni homini
toto corde tota anima tota mente amando et desiderando
nitendum.
Daß
jedoch keine vom höchst gerechten und höchst guten Schöpfer
der Dinge
jenes
Gutes, für das sie geschaffen wurde, ungerechterweise beraubt wird,
ist
aufs bestimmte festzuhalten;
und
nach eben diesem Gute muß jeder Mensch
"mit
ganzem Herzen", "mit ganzer Seele", "mit ganzem Geiste" liebend und verlangend
streben.
cap. LXXV
Quod summa essentia sit speranda
Sed in hac intentione humana anima nullatenus
se poterit exercere
si desperet quo intendit se posse peruenire.
Aber
in diesem Streben wird die menschliche Seele sich keinesfalls üben
können,
wenn
sie daran verzweifelt, dorthin kommen zu können, wohin sie strebt.
Quapropter quantum illi est vtile studium adnitendi
tantum necessaria est spes pertingendi.
So
nützlich ihr daher der Eifer im Hinstreben ist,
so
notwendig ist ihr die Hoffnung hinzugelangen.
cap. LXXVI
Quod credendum sit in illam
hoc est credendo tendendum in illam
Amare autem aut sperare non potest
quod non credit.
Lieben
aber oder hoffen kann nicht,
was
nicht glaubt.
Expedit itaque eidem humane anime
summam essentiam
et ea sine quibus illa amari non potest
credere
vt illam credendo tendat
in illam.
Es
frommt mithin dieser menschlichen Seele,
an
die höchste Wesenheit
und
an das, ohne das diese nicht geliebt werden kann, zu glauben,
auf
daß sie daran glaubend nach ihr strebe.
Quod idem apte breuiusque significari posse puto
si pro eo quod est credendo tendere in summam
essentiam
dicatur credere in summam essentiam.
Eben
das kann man, wie ich glaube, passend und kürzer ausdrücken,
wenn
man anstelle von: glaubend nach der höchsten Wesenheit streben,
sagt:
in die höchste Wesenheit hineinglauben.
Nam si quis dicat se credere in illam
satis videtur ostendere
et per fidem quam profitetur ad
summam se tendere essentiam
et illa se credere que
ad hanc pertinent intentionem:
nam non videtur credere in illam
siue qui credit quod ad tendendum in illam non
pertinet
siue qui per hoc quod credit non
ad illam tendit.
Denn
wenn jemand sagt, er glaube in sie hinein,
scheint
er zur Genüge anzuzeigen,
daß
er sowohl durch den Glauben, den er bekennt, nach der höchsten Wesenheit
strebt,
als
auch das glaubt, was zu diesem Streben gehört;
denn
es scheint nicht in sie hineinzuglauben,
wer
entweder das glaubt, was zu dem Streben nach ihr nicht gehört,
oder
wer durch das, was er glaubt, nicht nach ihr strebt.
Et fortasse indifferenter dici potest
credere in illam et
ad illam:
sicut pro eodem accipi potest credendo tendere
in illam et ad illam
nisi quia quisquis tendendo ad illam peruenerit
non extra illam remanebit sed
intra illam permanebit
quod expressius et familiarius significatur
si dicitur tendendum esse in illam
quam si dicitur ad illam.
Und
vielleicht kann man unterschiedslos sagen:
glauben
in sie hinein und zu ihr hin,
wie
glaubend in sie hinein und zu ihr hin streben für dasselbe genommen
werden kann;
außer
daß, wer immer strebend zu ihr gelangt ist,
nicht
außer ihr bleiben, sondern in ihr verbleiben wird;
was
deutlicher und vertrauter zum Ausdruck gebracht wird,
wenn
man sagt, man müsse in sie hineinstreben,
als
wenn man sagt: zu ihr hin.
Hac itaque ratione puto congruentius posse dici
credendum esse in illam
quam ad illam.
Aus
diesem Grunde also meine ich, daß man passender sagen kann:
man
musse in sie hinein glauben,
als
zu ihr hin.
cap. LXXVII
Quod in Patrem et Filium et eorum Spiritum
pariter et in singulos et simul in tres
credendum sit
Credendum igitur est pariter in Patrem et Filium
et eorum Spiritum
et in singulos et simul in tres
quia et singulus Pater et singulus Filius et
singulus eorum Spiritus est summa essentia
et simul Pater et Filius cum suo Spiritu sunt
vna eademque summa essentia
in quam solam omnis homo debet credere
quia est solus finis quem
in omni cogitatu actuque solo per amorem debet intendere.
Man
muß also in gleicher Weise an den Vater und den Sohn und ihren Geist
und
an jeden einzelnen und an die drei zusammen glauben,
weil
sowohl der Vater für sich und der Sohn für sich und ihr Geist
für sich die höchste Wesenheit ist,
als
auch der Vater und der Sohn mit ihrem Geiste zusammen ein-und-dieselbe
Wesenheit sind,
an
die allein jeder Mensch glauben muß,
weil
sie das alleinige Ziel ist, das er in jedem seiner Gedanken und Werke durch
die Liebe anstreben muß.
vnde manifestum est
quia sicut in illam tendere nisi credat illam
nullus potest;
ita illam credere nisi tendat in illam nulli
prodest.
Daher
ist es offenbar,
daß,
wie keiner nach ihr streben kann, wenn er nicht an sie glaubt,
so
es keinem nützt, an sie zu glauben, wenn er nicht in sie hinein strebt.
cap. LXXVIII
Que sit viua
que mortua fides
Quapropter quantacunque certitudine credatur
tanta res
inutilis erit fides et
quasi mortuum aliquid
nisi dilectione valeat et viuat.
Darum
wird, mit wie großer Gewißheit auch an eine so große
Sache geglaubt wird,
der
Glaube unnütz und gleichsam etwas Totes sein,
wenn
er nicht durch die Liebe stark ist und lebt.
Etenim nullatenus fidem illam quam
competens comitatur dilectio
si se opportunitas offerat operandi otiosam
esse
sed magis se quadam operum exercere frequentia
quod sine dilectione facere non posset
vel hoc solo probari potest
quia quod summam iustitiam diligit
nihil iustum contemnere nihil
valet iniustum admittere.
Denn
daß dieser Glaube, den die entsprechende Liebe begleitet,
wenn
sich Gelegenheit zum Wirken darbietet, keineswegs müßig bleibt,
sondern
sich durch eine große Häufigkeit von Werken übt,
was
er ohne Liebe nicht tun könnte,
läßt
sich schon allein dadurch beweisen,
daß,
was die höchste Gerechtigkeit liebt,
nichts
Gerechtes verachten, nichts Ungerechtes zulassen kann.
Ergo quoniam quod aliquid operatur
inesse sibi vitam sine qua operari non valeret
ostendit:
non absurde dicitur et operosa fides viuere
quia habet vitam dilectionis sine qua non operaretur
et otiosa fides non viuere
qui caret vita dilectionis cum
qua non otiaretur.
Weil
also das, was etwas wirkt,
zeigt,
daß ihm Leben innewohnt, ohne das es nicht wirken könnte,
wird
nicht widersinnig einerseits vom tätigen Glauben gesagt, daß
er lebe,
weil
er das Leben der Liebe hat, ohne das er nicht tätig wäre,
andererseits
vom müßigen Glauben, daß er nicht lebe,
weil
er des Lebens der Liebe ermangelt, mit dem er nicht müßig wäre.
Quare si cecus dicitur non
tantum qui perdidit visum
sed qui cum debet habere non habet:
cur non similiter potest dici fides sine dilectione
mortua
non quia vitam suam id est dilectionem perdiderit
sed quia non habet quam semper habere debet?
Wenn
daher nicht so sehr blind genannt wird, wer die Sehkraft verloren hat,
sondern
wer sie nicht hat, obwohl er sie haben muß:
Warum
kann nicht in ähnlicher Weise "der Glaube ohne" Liebe "tot" genannt
werden,
nicht
weil er sein Leben, das ist die Liebe, verloren hat,
sondern
weil er sie nicht hat, die er immer haben muß?
Quemadmodum igitur illa fides que
per dilectionem operatur viua esse cognoscitur
ita illa que per contemptum otiatur mortua
esse conuincitur.
Wie
also jener "Glaube, der durch die Liebe wirkt", als lebendig erkannt wird,
so
wird jener, der durch Verachtung müßig ist, als tot überführt.
Satis itaque conuenienter dici potest
viua fides credere in id in quod credi debet
mortua vero fides credere tantum id quod credi
debet.
Somit
kann recht zutreffend vom lebendigen Glauben gesagt werden,
daß
er in das hineinglaubt, in was hinein geglaubt werden muß,
vom
toten Glauben dagegen, daß er nur das glaubt, was geglaubt werden
muß.
cap. LXXIX
Quod tres summa essentia quodammodo dici possit
Ecce patet omni homini expedire
vt credat in quamdam ineffabilem trinam Vnitatem
et vnam Trinitatem:
vnam quidem et unitatem propter vnam essentiam
trinam vero et trinitatem propter tres nescio
quid.
Siehe,
es leuchtet ein, daß es jedem Menschen frommt,
an
eine unaussprechliche dreifache Einheit und eine Dreiheit zu glauben,
und
zwar "eine" und "Einheit" wegen der einen Wesenheit,
"dreifach"
aber und "Dreiheit" wegen der drei – ich weiß nicht was.
Licet enim possim dicere Trinitatem
propter Patrem et Filium et vtriusque Spiritum
qui sunt tres
non tamen possum proferre vno nomine propter
quid tres
velut si dicerem propter tres personas
sicut dicerem vnitatem propter vnam substantiam.
Denn
obgleich ich von Dreiheit sprechen kann
wegen
des Vaters und des Sohnes und des Geistes beider, die drei sind,
so
kann ich dennoch nicht mit einem Namen aussprechen, weswegen drei,
wie
wenn ich sagen würde: wegen
der drei Personen,
wie
ich von der Einheit sprechen würde: wegen der einen Substanz.
Non enim putande sunt tres persone
quia omnes plures persone sic subsistunt separatim
ab inuicem
vt tot necesse sit esse substantias quot
sunt persone
quod in pluribus hominibus qui
quot persone tot indiuidue sunt substantie
cognoscitur.
Denn
man darf sie nicht für drei Personen halten,
weil
mehrere Personen alle so gesondert voneinander bestehen,
daß
es notwendig so viele Substanzen gibt, als Personen sind;
was
man bei mehreren Menschen erkennt, die so viele für sich bestehende
Substanzen sind, als Personen sind.
Quare in summa essentia sicut
non sunt plures substantie
ita nec plures persone.
Wie
es daher in der höchsten Wesenheit nicht mehrere Substanzen gibt,
so
auch nicht mehrere Personen.
Si quis itaque inde velit alicui loqui
quid tres dicet
esse Patrem et Filium et vtriusque Spiritum
nisi forte indigentia nominis proprie conuenientis
coactus
elegerit aliquod
ex illis nominibus que pluraliter in summa
essentia dici non possunt
ad significandum id quod
congruo nomine dici non potest
vt si dicat illam admirabilem Trinitatem esse
vnam essentiam vel naturam
et tres personas siue substantias.
Wenn
deshalb jemand mit einem anderen darüber sprechen wollte:
was
"drei" wird er den Vater und den Sohn und beider Geist nennen,
wenn
er nicht etwa, durch das Fehlen eines eigentlich zukommenden Namens gezwungen,
einen
aus jenen Namen wählt, die in der höchsten Wesenheit in der Mehrzahl
nicht gesagt werden können,
um
das zu bezeichnen, was mit einem passenden Namen nicht gesagt werden kann;
wie
wenn er etwa sagt, jene wunderbare Dreiheit sei eine Substanz oder Natur
und
drei Personen oder Substanzen?
Nam hec duo nomina aptius eliguntur
ad significandam pluralitatem in summa essentia
quia persona non dicitur nisi
de indiuidua rationali natura
et substantia principaliter dicitur de indiuiduis
que maxime in pluralitate subsistunt.
Denn
diese beiden Namen werden geeigneter gewählt,
um
die Mehrzahl in der höchsten Wesenheit zu bezeichnen,
weil
"Person" nur von der für sich bestehenden vernünftigen Natur
und
"Substanz" in erster Linie von den Individuen, die zumeist in einer Mehrzahl
bestehen, ausgesagt wird.
Indiuidua namque maxime substant id
est subiacent accidentibus
et ideo magis proprie nomen substantie suscipiunt.
Die
Individuen unterstehen nämlich, das heißt unterliegen zumeist
den Akzidenzien
und
erhalten deshalb im eigentlichen Sinne den Namen "Substanz".
vnde iam supra manifestum est summam essentiam
que nullis subiacet accidentibus
proprie non posse dici substantiam;
nisi substantia ponatur pro essentia.
Daher
ist es schon oben offenbar geworden, daß die höchste Wesenheit,
die
keinen Akzidenzien unterliegt,
nicht
im eigentlichen Sinne "Substanz" genannt werden kann,
es
sei denn,
Substanz werde für Wesenheit gesetzt.
Potest ergo hac necessitatis ratione irreprehensibiliter
illa summa et vna Trinitas siue trina Vnitas
dici
vna essentia et
tres persone siue tres substantie.
Es
kann also aus diesem notwendigen Grunde ohne Tadel
jene
höchste und eine Dreiheit oder dreifache Einheit
als
eine Wesenheit und drei Personen oder drei Substanzen bezeichnet werden.
cap. LXXX
Quod ipsa sit Deus
qui solus omnibus dominatur et omnia regit
Videtur ergo imo incunctanter asseritur
quia nec nihil est id quod dicitur Deus
et huic soli summe essentie proprie nomen Dei
assignatur.
Es
scheint also, ja es wird ohne Bedenken bejaht,
daß
einerseits das nicht ein Nichts ist, was Gott genannt wird,
und
andererseits dieser höchsten Wesenheit allein im eigentlichen Sinne
der Name "Gott" beigelegt wird.
Quippe omnis qui Deum esse dicit
siue vnum siue plures
non intelligit nisi aliquam substantiam
quam censet supra omnem naturam que
Deus non est
ab hominibus et venerandam propter
eius eminentem dignitatem
et exorandam sibi propter quamlibet imminentem
necessitatem.
Denn
jeder, der sagt, daß Gott ist,
sei
es einer oder mehrere,
versteht
darunter nichts anderes als eine Substanz,
die
er über aller Natur, die nicht Gott ist, erachtet,
die
von den Menschen sowohl wegen ihrer überragenden Würde zu verehren,
als
auch gegen jede ihnen drohende Not anzurufen ist.
Quid autem tam pro sua dignitate venerandum et
pro qualibet re deprecandum
quam summe bonus et summe potens Spiritus
qui dominatur omnibus et regit omnia?
Was
ist aber, seiner Würde entsprechend, so sehr zu verehren und für
jegliche Sache anzuflehen,
wie
der höchst gute und höchst mächtige Geist,
der
über alles herrscht und alles lenkt?
Sicut enim constat
quia omnia per summe bonam summeque
sapientem omnipotentiam eius facta sunt et vigent
ita nimis inconueniens est si
estimetur
quod rebus a se factis ipse non dominetur
siue quod facte ab illo
ab alio minus potente minusue bono vel sapiente
aut nulla penitus ratione
sed sola casuum inordinata volubilitate regnantur
cum ille solus sit per
quem cuilibet et sine quo nulli bene est
et ex quo et per quem et in quo sunt omnia.
Wie
es nämlich feststeht,
daß
alles durch seine höchst gute und höchst weise Allmacht geschaffen
wurde und Bestand hat,
so
ist es allzu unangebracht, wollte man annehmen,
daß
er über die von ihm geschaffenen Dinge nicht herrsche,
sei
es, daß sie, obwohl von ihm geschaffen,
von
einem anderen, weniger Mächtigen oder weniger Guten oder Weisen, oder
von keinerlei Vernunft,
sondern
von der alleinigen ungeordneten Wandelbarkeit der Zufälle gelenkt
werde;
während
er allein es ist, durch den es jedem Dinge und ohne den es keinem wohl
ergeht
und
aus dem und durch den und in dem alles ist.
Cum igitur solus sit ipse non
solum bonus creator
sed et potentissimus Dominus et sapientissimus
rector omnium:
liquidissimum est hunc solum esse
quem omnis alia natura secundum
totum suum posse debet diligendo venerari
et venerando diligere
de quo solo prospera sunt speranda
ad quem solum ab aduersis fugiendum
cui soli pro quauis re supplicandum.
Da
er also allein nicht nur der gute Schöpfer,
sondern
auch der mächtigste Herr und weiseste Lenker von allem ist,
so
ist es ganz gewiß, daß allein er es ist,
den
jede andere Natur nach ihrem ganzen Können liebend verehren und verehrend
lieben muß,
von
dem allein Glück zu erhoffen,
zu
dem allein vor Unglück zu fliehen,
zu
dem allein für jede Angelegenheit zu flehen ist.
Vere igitur hic est non solum Deus
sed solus Deus
ineffabiliter trinus et vnus.
Wahrhaftig
also ist dieser nicht nur Gott,
sondern
der alleinige Gott,
unaussprechlich
dreifaltig und einer.