HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) : Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
Aristoteles : Metaphysik
L (Buch
12) : 8-10
ARISTOTELHS
- Aristoteles
to
kinoun akinhton –
das unbewegt Bewegende
-
die erste Ursache, die alles bewegt, indem sie von allem angestrebt wird
–
besteht in der göttlichen
nohsiV nohsewV
- im Sich-Erkennen
des Erkennens
TA META TA FUSIKA (Prwth Filosofia)
L
Metaphysik
(Erste Philosophie), Buch 12
griech.(Symbol) / deutsch nach der Übersetzung
von Hermann Bonitz, Berlin 1890
satzstrukturell gegliedert und ins Netz gestellt
durch HAN SHAN SZI (Hans Zimmermann
,Görlitz 2001
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Kapitel 8 – 10: Kritisches Referat anderer Auffassungen
– 1073 a bis 1076 a –
zurück zu Kapitel 1,
2, 3, 4,
5, – Kapitel 6,
und 7, – Kapitel 8,
9,
– und Kapitel 10
der griechische Text ist abschnittweise
mit der morphologisch
kommentierten Edition der METAPHYSIK
bei PERSEUS verlinkt
poteron
de mian qeteon thn toiauthn ousian h pleiouV, [15] kai
posaV,
alla
memnhsqai kai taV twn allwn apofaseiV,
h
men gar peri taV ideaV upolhyiV oudemian ecei skeyin idian
hmin
d'
ek twn upokeimenwn kai diwrismenwn lekteon.
8 (a) Ob nun aber nur ein solches Wesen
anzunehmen ist oder deren mehrere,
diese Frage darf nicht übersehen werden,
vielmehr müssen wir auch die Erklärungen der anderen Philosophen
erwähnen,
nämlich daß sie hierüber nichts Bestimmtes ausgesprochen
haben.
Denn die Ideenlehre enthält hierüber keine eigentümliche
Untersuchung;
die Anhänger derselben erklären nämlich, die Ideen seien
Zahlen,
über die Zahlen aber sprechen sie bald so, als seien derselben
unendlich viele,
bald wieder, als seien sie mit der Zehnzahl begrenzt und abgeschlossen;
weshalb aber die Vielheit der Zahlen gerade so groß sei,
dafür führen sie keinen ernstlichen Beweis.
Wir aber müssen uns darüber unseren Grundlagen und den bisherigen
Bestimmungen gemäß aussprechen.
h
men gar arch kai to prwton twn ontwn akinhton
kinoun
de thn prwthn aidion kai mian kinhsin:
epei
de to kinoumenon anagkh upo tinoV kineisqai,
kai
to prwton kinoun akinhton einai kaq'
auto,
kai
thn aidion kinhsin upo aidiou kineisqai
kai
thn mian uf'
enoV,
orwmen
de para thn tou pantoV thn aplhn foran,
allaV
foraV ousaV taV twn planhtwn aidiouV
anagkh
kai toutwn ekasthn twn forwn
h
te gar twn astrwn fusiV aidioV [35] ousia
tiV ousa,
kai
to kinoun aidion kai proteron tou kinoumenou,
kai
to proteron ousiaV ousian anagkaion einai.
faneron
toinun
(b) Das Prinzip nämlich und das Erste von allem Seienden ist unbewegt,
sowohl an sich wie auch in akzidenteller Weise,
aber es bringt die erste, ewige und einige Bewegung hervor.
Da nun das Bewegte von etwas bewegt werden,
und das erste Bewegende an sich unbewegt sein,
und die ewige Bewegung von einem ewigen (Prinzip),
die einige von einem einigen ausgehen muß,
und da wir ferner außer der einfachen Bewegung des Ganzen,
welche nach unserer Behauptung von dem ersten und unbewegten Wesen
ausgeht,
noch andere ewige Bewegungen sehen, die der Planeten nämlich
(denn ewig und ruhelos ist der im Kreis bewegte Körper,
wie dies in den physischen Schriften erwiesen ist),
so muß auch jede dieser Bewegungen
von einem an sich unbeweglichen und ewigen Wesen ausgehen.
Denn die Natur der Gestirne ist ein ewiges Wesen,
und so ist auch das Bewegende ewig und früher als das Bewegte,
und was früher ist als ein Wesen, muß notwendig Wesen sein.
Demnach ist aus dem vorher erörterten Grunde offenbar,
daß ebensoviele Wesen existieren müssen,
die ihrer Natur nach ewig und an sich unbewegt und ohne Größe
sind.
[1073b][1] ––
oti men oun eisin ousiai,
kai
toutwn tiV prwth kai deutera kata thn authn taxin taiV foraiV twn astrwn,
to
de plhqoV hdh twn forwn
auth
gar peri ousiaV aisqhthV men aidiou de poieitai thn qewrian,
ai
d'
allai peri oudemiaV ousiaV,
oti
men oun pleiouV twn feromenwn ai forai,
(pleiouV
gar ekaston [10] feretai
miaV twn planwmenwn astrwn):
(c) Daß also Wesen existieren,
und von ihnen eines das erste und zweite ist nach derselben Ordnung
wie die Bewegungen der Gestirne,
Die Anzahl aber der Bewegungen
müssen wir aus derjenigen mathematischen Wissenschaft entnehmen,
welche mit der Philosophie in der nächsten Beziehung steht, aus
der Astronomie.
Denn diese stellt Untersuchung an über das zwar sinnlich wahrnehmbare,
aber doch ewige Wesen;
die anderen mathematischen Wissenschaften dagegen handeln gar nicht
von einem Wesen,
z. B. die Wissenschaft der Zahlen und der Geometrie.
Daß nun die bewegten Körper mehrere Bewegungen haben,
ist selbst denen offenbar, die sich nur wenig mit der Sache beschäftigt
haben;
denn jeder von den Planeten hat mehr als eine Bewegung.
posai
d'
autai tuncanousin ousai,
nun
men hmeiV a legousi twn maqhmatikwn tineV ennoiaV carin legomen,
to
de loipon ta men zhtountaV autouV dei
[15] an
ti fainhtai para ta nun eirhmena toiV tauta pragmateuomenoiV,
Wieviele ihrer aber sind,
darüber geben wir jetzt der Ubersicht wegen die Angaben einiger
Mathematiker an,
damit man in Gedanken eine bestimmte Zahl annehmen kann.
Übrigens muß man teils selbst untersuchen,
teils diejenigen befragen, welche die Sache untersuchen;
und wenn sich dann bei dieser Beschäftigung etwas von dem jetzt Gesagten
Abweichendes ergibt,
so muß man zwar beide schätzen, aber den genaueren folgen.
EudoxoV
men oun hliou kai selhnhV ekaterou thn foran en trisin etiqet'
einai sfairaiV,
wn
thn men prwthn thn twn aplanwn astrwn einai,
thn
de deuteran kata ton [20] dia
meswn twn zwidiwn,
thn
de trithn kata ton leloxwmenon en twi platei twn zwidiwn
twn
de planwmenwn astrwn en tettarsin ekastou sfairaiV,
kai
toutwn de thn men prwthn kai deuteran thn authn einai [25] ekeinaiV
thV
de trithV apantwn touV polouV en twi dia meswn twn zwidiwn einai,
thV
de tetarthV thn foran kata ton leloxwmenon [30] proV
ton meson tauthV:
einai
de thV trithV sfairaV touV polouV twn men allwn idiouV,
touV
de thV AfrodithV kai tou ermou touV autouV:
Eudoxos nun nahm an, daß die Bewegung der Sonne und des Mondes
in je drei Sphären geschehe;
die erste davon sei die Sphäre der Fixsterne,
die zweite habe ihre Richtung mitten durch den Tierkreis,
die dritte gehe in schräger Richtung durch die Breite des Tierkreises,
schräger aber durchschneide den Tierkreis die Sphäre, in
welcher der Mond,
als die, in welcher die Sonne sich bewegt.
Jeder der Planeten bewege sich in vier Sphären;
unter diesen sei die erste und zweite mit den entsprechenden von Sonne
und Mond einerlei,
weil sowohl die Sphäre der Fixsterne alle in Bewegung setze,
als auch die ihr untergeordnete, in der Richtung der Mittellinie des
Tierkreises bewegte
allen gemeinsam sei;
für die dritte lägen die Pole bei allen Planeten in dem durch
die Mittellinie des Tierkreises gelegten Kreise;
die vierte Sphäre bewege sich nach der Richtung eines gegen die
Mitte der dritten Sphäre schiefen Kreises.
Für die dritte Sphäre hätten von den übrigen Planeten
jeder seine eigenen Pole,
Venus und Merkur aber dieselben.
KallippoV
de thn men qesin twn sfairwn thn authn etiqeto Eudoxwi
to
de plhqoV twi men tou DioV kai [35] twi
tou Kronou to auto ekeinwi apedidou,
twi
d'
hliwi kai thi selhnhi duo wieto eti prosqeteaV einai sfairaV,
toiV
de loipoiV twn planhtwn ekastwi mian.
anagkaion
de, ei mellousi sunteqeisai pasai ta fainomena apodwsein,
[1074a][1] kaq'
ekaston twn planwmenwn eteraV sfairaV miai elattonaV einai taV anelittousaV
kai
eiV to auto apokaqistasaV thi qesei thn prwthn sfairan
outw
gar monwV [5] endecetai
thn twn planhtwn foran apanta poieisqai.
Kallippos stimmte hinsichtlich der Lage der Sphären,
d. h. der Ordnung ihrer Abstände, mit Eudoxos überein,
auch schrieb er dem Jupiter und dem Saturn dieselbe Anzahl von Sphären
zu wie jener;
doch der Sonne und dem Monde, meinte er, müßten noch je
zwei hinzugefügt werden,
wenn man die wirklichen Erscheinungen darstellen wolle,
und jedem der übrigen Planeten noch eine.
Sollen aber diese Sphären alle zusammengenommen die wirklichen
Erscheinungen darstellen,
so muß für jeden Planeten eine um eins kleinere Anzahl anderer
Sphären vorhanden sein,
welche die der Lage nach erste Sphäre des jedesmal zunächst
untergeordneten Planeten zurückführen
und in dieselbe Lage wiederherstellen;
denn nur so ist es möglich, daß das Gesamte die Bewegung der
Planeten ausführt.
epei
oun en aiV men auta feretai sfairaiV ai men oktw ai de pente kai eikosin
eisin,
toutwn
de monaV ou dei anelicqhnai
ai
men taV twn prwtwn duo anelittousai ex esontai,
ai
de taV [10] twn
usteron tettarwn ekkaideka:
o
dh apaswn ariqmoV twn te ferouswn kai twn anelittouswn tautaV penthkonta
te kai pente.
ei
de thi selhnhi te kai twi hliwi mh prostiqeih tiV aV eipomen kinhseiV,
ai
pasai sfairai esontai epta te kai tessarakonta.
Da nun der Sphären, in welchen die Planeten selbst bewegt werden,
acht und fünfundzwanzig sind,
und von diesen nur diejenigen nicht brauchen zurückgeführt
zu werden,
in welchen der unterste Planet sich bewegt,
so ergeben sich sechs Sphären, welche die der beiden obersten zurückführen,
und sechzehn für die folgenden,
und als Anzahl der gesamten Sphären, der bewegenden sowohl als
der zurückführenden, fünfundfünfzig.
Wollte man aber der Sonne und dem Mond die eben erwähnten Bewegungen
nicht zufügen,
so würde sich als Anzahl der gesamten Sphären siebenundvierzig
ergeben.
to
men oun plhqoV twn sfairwn estw [15] tosouton,
wste
kai taV ousiaV kai taV arcaV taV akinhtouV
(to
gar anagkaion afeisqw toiV iscuroteroiV legein):
ei
de mhdemian oion t'
einai foran mh sunteinousan proV astrou foran,
eti
de pasan fusin
kai
pasan ousian apaqh kai kaq'
[20] authn
tou aristou tetuchkuian
oudemia
an eih para tautaV etera fusiV,
alla
touton anagkh ton ariqmon einai twn ousiwn.
eite
gar eisin eterai, kinoien an
(d) So groß also mag die Anzahl der Sphären sein;
dann ist mit Wahrscheinlichkeit die Anzahl der Wesen und der unbeweglichen
sowie der sinnlich wahrnehmbaren Prinzipien ebenso groß zu setzen.
Von Notwendigkeit hier zu reden mag Stärkeren überlassen bleiben.
Wenn es aber keine Bewegung geben kann, die nicht in der Bewegung eines
Gestirnes ihr Ziel hat,
wenn man ferner jede Natur
und jedes den Affektionen nicht unterworfene, an sich des Besten teilhaftige
Wesen
so würde es demnach kein anderes Wesen außer diesen geben,
sondern dies würde notwendig die Zahl der Wesen sein.
Denn gäbe es noch andere, so müßten sie ja in Bewegung
setzen,
indem sie Zweck einer Bewegung wären.
alla
einai ge allaV foraV adunaton para taV eirhmenaV.
ei
gar pan to feron tou feromenou carin pefuke
oudemia
fora authV an eneka eih oud'
allhV foraV,
ei
gar estai fora foraV eneka,
wst'
epeidh ouc oion te eiV apeiron,
[30] teloV
estai pashV foraV twn feromenwn ti qeiwn swmatwn
Aber unmöglich kann es noch andere Bewegungen außer den
genannten geben;
das ist aus der Betrachtung der bewegten Körper zu ersehen.
Denn wenn jedes Bewegende auf ein Bewegtes geht,
und jede Bewegung Bewegung eines Dinges ist,
so kann es keine Bewegung geben, welche auf sich selbst oder auf eine andere
Bewegung ginge,
sondern sie muß Bewegung eines Gestirnes sein.
Denn ginge eine Bewegung auf eine andere Bewegung,
so müßte auch diese wieder auf eine andere gehen.
Und da nun ein Fortschritt ins Unendliche undenkbar ist,
so muß das Ziel jeder Bewegung einer von den göttlichen
Körpern sein,
die sich am Himmel bewegen.
oti
de eiV ouranoV, faneron.
estai
eidei mia h peri ekaston arch,
ariqmwi
de ge pollai.
all'
osa ariqmwi polla, ulhn ecei
to
de ti hn einai ouk ecei ulhn to prwton:
en
ara kai logwi kai ariqmwi to prwton kinoun akinhton on:
kai
to kinoumenon ara aei kai sunecwV:
eiV
ara ouranoV monoV.
(e) Daß aber nur ein Himmel existiert, ist offenbar.
Denn gäbe es mehrere Himmel, wie es der Menschen mehrere gibt,
so würde das Prinzip eines jeden einzelnen der Form nach eines sein,
und nur der Zahl nach wären es viele.
Was aber der Zahl nach eine Mehrheit ist, hat einen Stoff;
denn der Begriff der mehreren, z. B. des Menschen, ist einer und derselbe,
Sokrates aber ist ein Einzelner.
Das erste Sosein aber hat keinen Stoff,
denn es ist Vollendung (Wirklichkeit).
Eines also ist dem Begriff und der Zahl nach das erste bewegende Unbewegte;
also ist auch das immer und stetig Bewegte nur Eines;
also gibt es nur einen Himmel.
[1074b][1] paradedotai
de para twn arcaiwn kai pampalaiwn
ta
de loipa muqikwV hdh proshktai proV thn peiqw twn pollwn
anqrwpoeideiV
te gar toutouV kai twn allwn zwiwn omoiouV tisi legousi,
wn
ei tiV cwrisaV auto laboi monon to prwton,
qeiwV
an eirhsqai [10] nomiseien,
kai
kata to eikoV pollakiV eurhmenhV eiV to dunaton ekasthV kai tecnhV kai
filosofiaV
kai
tautaV taV doxaV ekeinwn
h
men oun patrioV doxa kai h para twn prwtwn epi tosouton hmin fanera monon.
(f) Von den Alten und den Vätern aus uralter Zeit
ist in mythischer Form den Späteren überliefert,
daß die Gestirne Götter sind und das Göttliche die
ganze Natur umfaßt.
Das übrige ist dann in sagenhafter Weise hinzugefügt zur Uberredung
der Menge
und zur Anwendung für die Gesetze und das allgemeine Beste.
Sie schreiben ihnen nämlich Ähnlichkeit mit den Menschen oder
mit anderen lebendigen Wesen zu
und anderes dem Ähnliches und damit Zusammenhängendes.
Wenn man hiervon absehend nur das erste selbst nimmt,
daß sie nämlich die ersten Wesen für Götter hielten,
so wird man darin einen göttlichen Ausspruch finden,
und da wahrscheinlich jede Kunst und jede Wissenschaft
öfters nach Möglichkeit aufgefunden und wieder verlorengegangen
ist,
so wird man in diesen Ansichten
gleichsam Uberreste von jenen sehen, die sich bis jetzt erhalten haben.
Nur insoweit also ist uns die Ansicht unserer Väter und unserer ältesten
Vorfahren klar.
[15] ta
de peri ton noun ecei tinaV aporiaV:
dokei
men gar einai twn fainomenwn qeiotaton,
pwV
d'
ecwn toioutoV an eih, ecei tinaV duskoliaV.
eite
gar mhden noei, ti an eih to semnon, all'
ecei wsper an ei o kaqeudwn:
eite
noei, toutou d'
allo kurion,
ou
gar esti touto o estin autou h [20] ousia
nohsiV,
ouk
an h aristh ousia eih:
dia
gar tou noein to timion autwi uparcei.
9 (a) Hinsichtlich der Vernunft aber entstehen
einige Zweifel.
Unter dem Erscheinenden nämlich gilt sie für das Göttlichste;
inwiefern aber und durch welche Eigenschaft sie dies sei, ist schwierig
anzugeben.
Denn wenn sie nichts erkennt, sondern sich so verhält wie ein
Schlafender, worin läge denn da ihre Würde?
Wenn sie jedoch erkennt, dieses Erkennen aber durch etwas anderes bestimmt
ist,
so wäre sie, da das, worin ihr Wesen besteht, dann nicht Erkennen
als Tätigkeit,
sondern nur das Vermögen dazu ist,
nicht das beste Wesen.
Denn durch das Erkennen kommt ihr die Würde zu.
eti
de eite nouV h ousia autou eite nohsiV esti, ti noei;
h
gar autoV auton h eteron ti:
kai
ei eteron ti, h to auto aei h allo.
poteron
oun diaferei ti h ouden
[25] h
kai atopon
dhlon
toinun oti to qeiotaton kai timiwtaton noei, kai ou metaballei:
Ferner, mag nun Vernunft oder ihre Tätigkeit ihr Wesen sein, was
erkennt sie denn?
Entweder doch erfaßt sie sich selbst oder etwas anderes,
und wenn etwas anderes, dann entweder immer dasselbe oder Verschiedenes.
Macht es nun einen Unterschied oder keinen,
ob man das Schöne oder ob man das erste beste erfaßt?
Oder ist es nicht vielmehr gar unziemend,
manches zum Gegenstand des Erkennens zu machen?
Offenbar denkt sie das Göttlichste und Würdigste, und zwar ohne
Veränderung;
denn die Veränderung würde zum Schlechteren gehen,
und dies würde schon eine Bewegung sein.
prwton
men oun ei mh nohsiV estin alla dunamiV,
epeita
dhlon [30] oti
allo ti an eih to timiwteron h o nouV,
kai
gar to noein kai h nohsiV uparxei kai to ceiriston noounti,
wst'
ei feukton touto
ouk
an eih to ariston h nohsiV.
auton
ara noei, eiper esti to kratiston,
kai
estin h nohsiV nohsewV nohsiV.
(b) Erstlich nun, wenn die Vernunft nicht Erkenntnistätigkeit
ist, sondern nur Vermögen,
so ist natürlich, daß ihr die Stetigkeit des Erkennens beschwerlich
wäre.
Ferner ist offenbar, daß etwas anderes würdiger wäre als
die Vernunft,
Denn das Erkennen und seine Tätigkeit wird auch dem zukommen, der
das Schlechteste erkennt.
Wenn nun dies zu fliehen ist,
wie es ja auch besser ist, manches nicht zu sehen, als es zu sehen,
so würde demnach die Vernunfttätigkeit nicht das Beste sein.
Sich selbst also erkennt die Vernunft, wenn anders sie das Beste ist,
und die Vernunfterkenntnis (bzw. -tätigkeit) ist Erkenntnis ihrer
Erkenntnis (-tätigkeit).
[35] fainetai
d'
aei allou h episthmh kai h aisqhsiV
eti
ei allo to noein kai to noeisqai,
oude
gar tauto to einai nohsei kai nooumenwi.
(c) Nun haben jedoch offenbar die Wissenschaft und die Sinneswahrnehmung,
die Meinung und die Vorstellung immer etwas anderes zum Objekt,
sich selbst aber nur nebenbei.
Ferner, wenn vernunftmäßiges Erkennen und Erkanntwerden verschieden
sind,
in Beziehung auf welches von beiden kommt denn der Vernunft das Gute
zu?
Denn das Sein der Vernunfterkenntnis und des Erkannten ist ja nicht dasselbe.
h
ep'
eniwn h episthmh to pragma,
[1075a][1] epi
men twn poihtikwn
epi
de twn qewrhtikwn
ouc
eterou oun ontoV tou nooumenou kai tou nou,
to
auto estai,
kai
h [5] nohsiV
twi nooumenwi mia.
(d) Doch bei manchem ist ja die Wissenschaft die Sache selbst.
Bei den hervorbringenden Wissenschaften
ist dies das Wesen ohne den Stoff und das Sosein,
bei den betrachtenden
der Begriff (als die Sache) und die Erkenntnistätigkeit.
Da also das Erkannte und die Vernunft nicht verschieden sind bei allem,
so wird es dasselbe sein,
und Vernunfterkenntnis mit dem Erkannten ein einziges.
eti
dh leipetai aporia,
metaballoi
gar an en toiV meresi tou olou.
h
adiaireton pan to mh econ ulhn ––
wsper
o anqrwpinoV nouV
ecei
en tini cronwi
[10] outwV
d'
ecei auth authV h nohsiV
(e) Ferner bleibt nun noch eine schwierige Frage übrig:
ob das Erkannte zusammengesetzt ist;
denn es würde ja dann das Erkennen in den Teilen des Ganzen einer
Veränderung unterworfen sein.
(f) Vielmehr ist doch wohl alles, was keinen Stoff hat, unteilbar.
Wie sich die menschliche Vernunft,
d. h. die auf das Zusammengesetzte gerichtete,
in einer gewissen Zeit verhält
- denn sie hat nicht in diesem oder in jenem Teile das Gute,
sondern im Ganzen das Beste, welches etwas anderes ist
(als sie selbst) -:
so verhält sich die Vernunfterkenntnis ihrer selbst (der göttlichen
Vernunft)
die ganze Ewigkeit hindurch.
poterwV
ecei h tou olou fusiV to agaqon kai to ariston,
kai
gar en thi taxei to eu kai o strathgoV,
ou
gar outoV dia thn taxin
10 (a) Es ist aber auch zu erwägen,
auf welche von beiden Weisen die Natur des Alls das Gute und das Beste
enthält,
ob als etwas Abgetrenntes, selbständig an sich Bestehendes,
oder als die Ordnung seiner Teile.
(b) Oder wohl auf beide Arten zugleich, wie dies bei dem Heer der Fall
ist;
denn für dieses liegt das Gute sowohl in der Ordnung als auch im Feldherrn,
Nicht er ist nämlich durch die Ordnung,
sondern die Ordnung durch ihn.
panta
de suntetaktai pwV, all'
ouc omoiwV,
proV
men gar en apanta suntetaktai,
all'
wsper en oikiai toiV eleuqeroiV [20] hkista
exestin o ti etuce poiein,
toiV
de andrapodoiV kai toiV qhrioiV mikron to eiV to koinon,
toiauth
gar ekastou arch autwn h fusiV estin.
kai
alla outwV estin
(c) Alles aber ist in gewisser, doch nicht in gleicher Weise zusammengeordnet,
Fische wie Vögel und Pflanzen
(und es ist nicht so, daß das eine zum anderen in keiner Beziehung
stände,
sondern es besteht eine).
Denn alles ist auf Eines hin geordnet,
jedoch so, wie in einem Hauswesen den Freien am wenigsten gestattet
ist, etwas Beliebiges zu tun,
sondern für sie alles oder doch das meiste geordnet ist,
für die Sklaven hingegen und die Tiere nur weniges von dem, was auf
das Allgemeine Bezug hat,
während das meiste ihrem Belieben überlassen bleibt.
In solcher Art nämlich ist die Natur eines jeden von ihnen Prinzip;
ich meine, alle müssen zur Aussonderung kommen.
Ebenso verhält es sich mit anderen Dingen,
die alle gemeinsam verbunden zum Ganzen beitragen.
osa
de adunata sumbainei h atopa toiV allwV legousi,
kai
poia oi cariesterwV legonteV,
kai
epi poiwn elacistai aporiai,
panteV
gar ex enantiwn poiousi panta.
oute
de to panta oute to ex enantiwn orqwV,
pwV
[30] ek
twn enantiwn estai,
apaqh
gar ta enantia up'
allhlwn.
hmin
de luetai touto eulogwV twi triton ti einai.
oi
de to eteron twn enantiwn ulhn poiousin,
luetai
de kai touto ton auton tropon:
(d) In welche Unmöglichkeiten und Ungereimtheiten nun diejenigen
geraten, welche anderer Ansicht sind,
und in welche diejenigen, welche noch die angemesseneren Ansichten
aufstellen,
und bei welchen Ansichten sich die geringsten Schwierigkeiten ergeben,
das darf uns nicht verborgen bleiben.
(1.) Alle nämlich lassen alles aus Entgegengesetztem entstehen.
Dabei haben sie weder darin recht, daß sie alles,
noch darin, daß sie es aus Entgegengesetztem entstehen lassen,
und wie dasjenige, bei dem das Entgegengesetzte sich findet, aus dem Entgegengesetzten
entstehen solle,
denn das Entgegengesetzte ist unfähig eines von dem anderen eine Affektion
zu erfahren.
Für uns löst sich diese Schwierigkeit ganz natürlich
durch die Annahme eines Dritten, des Stoffes.
Jene aber machen den einen von den beiden Gegensätzen zum Stoff,
wie das Ungleiche für das Gleiche, die Vielheit für die Einheit.
Auch dies löst sich auf dieselbe Weise;
denn der Stoff, der ein einziger ist, hat keinen Gegensatz.
eti
[35] apanta
tou faulou meqexei exw tou enoV:
to
gar kakon auto qateron twn stoiceiwn.
oi
d'
alloi oud'
arcaV to agaqon kai to kakon:
kaitoi
en apasi malista to agaqon arch.
[38] oi
de touto men orqwV oti archn,
alla
pwV to agaqon arch ou legousin,
poteron
wV teloV h wV kinhsan h wV eidoV.
(2.) Ferner würde danach alles am Schlechten teilhaben mit Ausnahme
der Einheit;
denn das Schlechte selbst ist das eine von den beiden Elementen.
Die anderen aber setzen das Gute und das Schlechte nicht einmal als
Prinzipien,
und es ist doch unter allem am meisten das Gute Prinzip.
Jene aber haben darin zwar recht, daß sie das Gute als Prinzip
setzen,
inwiefern es aber Prinzip ist, erklären sie nicht,
ob nämlich als Zweck oder als Bewegendes oder als Form.
[1075b][1] atopwV
de kai EmpedoklhV:
thn
gar filian poiei to agaqon,
auth
d'
arch kai wV kinousa (sunagei gar)
ei
dh kai twi autwi sumbebhken
alla
to g'
einai ou tauto.
kata
poteron oun filia;
atopon
de kai to afqarton einai to neikoV:
(3.) Unstatthaft ist auch die Ansicht des Empedokles;
er setzt nämlich die Freundschaft als das Gute.
Diese ist aber Prinzip sowohl als bewegend, denn sie verbindet,
wie auch als Stoff, denn sie ist ein Teil der Mischung.
Wenn es nun auch ein Akzidens desselben Dinges sein kann,
sowohl stoffliches als auch bewegendes Prinzip zu sein,
so ist doch Stoffsein und Bewegendes sein nicht dasselbe.
In welcher von beiden Bedeutungen also ist sie Freundschaft?
Unstatthaft ist es aber auch, daß der Streit unvergänglich
sein soll;
denn er ist ja selbst die Natur des Bösen. -
AnaxagoraV
de wV kinoun to agaqon archn:
alla
kinei eneka tinoV,
plhn
wV hmeiV legomen:
atopon
de kai
panteV
d'
oi tanantia legonteV
kai
dia ti ta men fqarta ta d'
afqarta, oudeiV legei:
(4.) Anaxagoras aber setzt das Gute als bewegendes Prinzip,
aber er bewegt wegen eines Zweckes,
dieser ist also etwas von ihm verschiedenes,
es sei denn, daß er so annehme wie wir;
denn die Heilkunst ist in gewissem Sinne die Gesundheit.
(5.) Unstatthaft aber ist es auch,
nicht etwas dem Guten und der Vernunft Entgegengesetztes anzunehmen.
(6.) Alle aber, welche die Gegensätze annehmen,
bedienen sich gar nicht einmal der Gegensätze, wenn man sie nicht
richtig ordnet.
Und weshalb einiges vergänglich, anderes unvergänglich ist, erklärt
keiner;
denn sie lassen alles Seiende aus denselben Prinzipien entstehen.
eti
oi [15] men
ek tou mh ontoV poiousi ta onta:
eti
dia ti aei estai genesiV kai ti aition genesewV,
kai
toiV duo arcaV poiousin
dia
ti gar metescen h [20] metecei;
kai
toiV men alloiV anagkh
panta
gar ta enantia ulhn ecei, kai dunamei tauta estin:
h
de enantia agnoia eiV to enantion,
twi
de prwtwi enantion ouden.
(7.) Ferner lassen die einen das Seiende aus dem Nichtseienden hervorgehen,
die anderen setzen, um nicht hierzu gezwungen zu werden, alles als
Eines.
(8.) Ferner, weshalb das Entstehen ewig sein soll und was die Ursache des
Entstehens,
(9.) Und für die, welche zwei Prinzipien setzen, ergibt sich die Notwendigkeit,
daß ein anderes Prinzip höher und entscheidender sei,
und so müßten auch die Anhänger der Ideenlehre ein
anderes höheres Prinzip setzen.
Denn weshalb hatten oder haben denn die Dinge teil an den Ideen?
(10.) Und für die anderen ergibt sich die notwendige Folge,
daß der Weisheit und der würdigsten Wissenschaft etwas entgegengesetzt
sein muß,
für uns aber nicht; denn für das Erste gibt es keinen Gegensatz.
Denn alles Entgegengesetzte hat einen Stoff und ist dem Vermögen nach
dasselbe;
die der Weisheit entgegengesetzte Unwissenheit würde also auf
das Entgegengesetzte gehen.
Dem Ersten aber ist nichts entgegengesetzt.
ei
te mh estai para ta [25] aisqhta
alla,
all'
aei thV archV arch,
ei
d'
estai ta eidh: h <oi> ariqmoi,
eti
pwV estai ex amegeqwn megeqoV kai suneceV;
(11.) Wenn nun außer den sinnlichen Dingen keine anderen existieren,
so würde es kein Prinzip, keine Ordnung, kein Entstehen, keine
himmlischen Dinge geben,
sondern immer würde für das Prinzip wieder ein anderes Prinzip
sein,
wie dies den Theologen und den Naturphilosophen widerfährt.
Existieren aber die Ideen oder die Zahlen außer dem Sinnlichen,
so sind sie Ursache von nichts oder doch nicht Ursache der Bewegung.
(12.) Ferner, wie soll aus dem, was keine Größe hat, Größe
oder Stetiges hervorgehen?
Die Zahl wird ja nichts Stetiges hervorbringen,
weder als bewegendes noch als formbestimmendes Prinzip.
alla
mhn ouden g'
estai twn enantiwn oper kai poihtikon kai kinhtikon;
alla
mhn usteron ge to poiein dunamewV.
all'
estin: anaireteon ara toutwn ti.
(13.) Aber auch von den beiden Gegensätzen wird keiner erzeugendes
oder bewegendes Prinzip sein;
denn dann wäre es ja möglich, daß es nicht sei.
Das Hervorbringen ist ja später als das Vermögen.
Also würde das Seiende nicht ewig sein.
Es ist aber ewig; also muß von diesen Behauptungen etwas aufgehoben
werden.
Wie dies, ist früher erklärt.
eti
tini oi ariqmoi en
ouden
legei oudeiV:
oud'
endecetai eipein, ean mh wV hmeiV eiphi,
oi
de legonteV ton ariqmon prwton ton maqhmatikon
[1076a][1] epeisodiwdh
thn tou pantoV ousian poiousin
kai
arcaV pollaV:
ta
de onta ou bouletai politeuesqai kakwV. <ouk agaqon polukoiranih:
(14.) Ferner, wodurch die Zahlen Eines sind
oder die Seele und der Körper und überhaupt die Form und
die Sache,
darüber gibt keiner irgendeine Erklärung;
auch können sie keine Erklärung geben, wofern sie nicht uns
beistimmen,
daß das Bewegende die Einheit hervorbringt.
(15.) Diejenigen aber, welche die mathematische Zahl als die erste ansehen,
und so immer ein Wesen nach dem anderen, und für jedes andere
Prinzipien setzen,
machen das Wesen des Ganzen unzusammenhängend
(denn das eine Wesen trägt durch sein Sein oder Nichtsein nichts
für das andere bei)
und nehmen viele Prinzipien an.
Das Seiende aber mag nicht schlecht beherrscht sein.
"Nimmer ist gut eine Vielherrschaft; nur Einer sei Herrscher!"
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HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) : Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: Aristoteles : Metaphysik L
(Buch 12)
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