Hans
Zimmermann, Görlitz)
: 12 KÖRBE, Quellensammlung
: Popol Vuh (Poopol Wuuj)
Pôpol
Wûch (III)
Originaltext
auf K'itschê' gemäß der Edition von Sam Colop (1999),
für deutschsprachige Leser neu transliteriert
und mit
Recinos' und
Cordans Übersetzungen synoptisch parallelisiert durch Hans Zimmermann
(2008)
EL
POPOL VUH, LAS ANTIGUAS HISTORIAS DEL QUICHÉ, español:
Adrian Recinos (1947)
POPOL
VUH. Das Buch des Rates, deutsch: Wolfgang Cordan (1962)
siehe
auch: Cordans Einleitung und Versuch über
die Methode
Vorspruch
des indianischen Erzählers * Weltschöpfung
* Tierschöpfung * Menschenschöpfung:
Menschen
aus Lehm * Menschen aus Holz
* Scheitern der Holz-Menschen-Schöpfung
Die
Heldentaten der göttlichen Zwillinge Chunachpu und Schb'alanq'e:
Wuqub'-Kaqisch
(Siebenpapagei) * Die
vierhundert Jünglinge * Sipakna
* Kabraqan
Der
Abstieg von Einsjäger
und Siebenjäger (Chun – Chunachpu
und Wuqub-Chunachpu)
ins
Totenreich (Schib'alb'â),
ihre Prüfung, Opferung
und Metamorphose
ERLÄUTERUNGEN, DEUTUNGEN
Stammbaum
der Gotter und Heroen –
Einsjäger
– wörtlich Hún Hunahpú: 1, ein Blasrohrträger.
Von seinem Sohn, dem Halbgott Hunahpú, unterscheidet ihn die
Numerierung.
Er hat 1, sein Bruder, der ledige Onkel Hunahpús, die Nummer
7.
Mit Ixbaquiyaló
– d.i. "Die den Menschen Knochen gibt" (Villacorta) – erzeugt
er ein Zwillingspaar neben Hunahpú und Ixbalanqué, deren
Vorgeschichte zunächst im Dunkeln bleibt, nämlich:
Einsaffe
und Einsmeister – Hun batz, 1 Affe, ist der elfte
Tag des Quiché-Ka1enders. Ihm entspricht chuén im Yucatán-Kalender.
Man entkommt nicht dem Eindruck, daß hier auf mythisch-astrologische
Weise die Verbindung mit den Mayabrüdern der fernen Tiefebenen ausgedrückt
wird. Ah chuén heißt dort "Kunsthandwerker". "Kombiniert mit
den Worten k'ak (Feuer), kat und luum (Terracotta und Ton) und mazcáb
(Metall) bedeutet es resp. Silberschmied, Töpfer, Metallschmied" (Eric
Thompson op. cit.). In dem Bemühen, die zahllosen Götter- und
Heldennamen so faßbar einzudeutschen, wie sie den Mayas selbst waren,
wurde das Wort "Meister" gewählt. Astrologisch gelten alle Affentage
als günstig für die Handwerksarbeiten im besonderen; für
Lernen und Lehren im allgemeinen. Nach Schultze-Jena ("La Vida y las Creencias...")
beginnt der Lehrgang der Zauberlehrlinge in Chichicastenango an einem Tag
13 Affe. In Momostenángo ist es 8 Affe. Die Belehrung dauert einen
Tzolkin-Umlauf, also 260 Tage. In Chichicastenango begibt sich dann der
neue Priester-Zauberer zu dem bekannten Steinidol auf dem Hügel Turuk-áh,
nahe der Stadt, zu Gebet und Opfer.
Xibalbá
– Das Mayawort xihil bedeutet "verschwinden, sich auflösen"
(wie ein Rauch, wie eine Luftspiegelung).
Also das Schattenreich, der Hades.
Regenten des Hades
–
Die obersten Unterweltgötter sind Hun
Camé und Uucúb Camé – Einstod und Siebentod
–.
Die meisten anderen Namen drücken unmittelbar die Funktion aus
und wurden entsprechend übersetzt.
Ahalpúh
und Ahalganá – Die Etymologie von Ahalpúh
und Ahalganá ist nicht ganz klar. Jedenfalls verursacht der erste
eine tropische Hautkrankheit wie Frambosis, der zweite eine Leberkrankheit
oder Gelbfieber.
Chuganál
bedeutet "der gelb gefärbte Körper".
Xic/Patán
sind der Habicht und der Stirnriemen patán, heute allgemein
nach dem mexikanischen Wort mecapál genannt, eine sehr geläufige
Vokabel, da der Indio ausschließlich mittels dieses Tragriemens Lasten
befördert; er hat seine Kraft im Nacken und in den Schenkeln, nicht
in den Armen. Hier steht patán-mecapál für den Herrn
Leichenträger. Pars pro toto.
Ballspiel
– Das Ballspiel war die große Leidenschaft der zentralamerikanischen
Völker. Keine größere Stadt war ohne ein Stadion dafür.
Das größte und eindrucksvollste befindet sich in Chichen Itzá
bei Mérida (Yucatán). Obwohl das Ballspiel durchaus einen
sportlich-emotionellen Aspekt hatte (es wurde sogar gewettet), trug es
doch kultischen Charakter. Es kämpfte in der Regel die Partei der
lichten Götter gegen die Dunklen. Der Lendenschurz der Spieler trug
daher die Ostenfarbe Rot für die eine Partei, das Schwarz des Westens
für die andere. Das Spiel ist am besten unserem Faustball vergleichbar,
nur daß gerade Hand ein "Fehler" war. Mit Hüfte, Schenkel und
Schulter wurde es gespielt, wie man noch bei den Yaquis in Sonora (Mexico)
sehen kann. Gegen den harten Gummiball trug man Lederschutz um Schenkel
und Hals und eine Maske wie der Fänger im heutigen Baseball.
An den Längsseiten des Spielfeldes gab es je einen in den großen
Städten kunstvoll skulptierten Steinring in etwa drei Meter Höhe.
Gelang es einer Partei, den Ball durch diesen Ring zu treiben, so war das
Spiel entschieden und die Zuschauer ergriffen die Flucht. Die Siegerpartei
und ihre Freunde und Angehörigen hatten nämlich dann das Recht,
den Zuschauern ihre Zierate, Federmäntel usw. als Siegerpreis abzunehmen.
Es ist uns überliefert, daß im Falle eines solchen "goals" der
Ruf ertönte: "Er ist ein großer Ehebrecher! Lang wird er leben!"
Dies deutet auf einen uns verlorengegangenen Ares-Aphrodite-Mythos hin.
Das zweite Wort in der Aufzählung der Spielutensilien baté
ist von jedem Übersetzer anders gedeutet worden. Es zeigen uns aber
zahlreiche Tonstatuetten von Ballspielern einen Halsschutz, wie ihn deutsche
Studenten bei der Mensur trugen. Nun gibt es den Mayastamm "bat" einhüllen,
bedecken. Baté dürfte demnach ein lederner Halsschutz sein.
Würdige
Helfer – Im Text steht: ahpóp achih. Im ersten
Wort erscheint wieder die Matte póp der Ratsversammlung, auf die
sich der Unterführer ah setzen darf. Achih – Mann, Krieger;
ein Würdentitel.
Die ahpóp achih sind also Beisitzer des Unterweltgerichtes.
Carcháh
– Noch immer ein Indianerzentrum (San Pedro Carchá)
bei Cobán, in dem heutigen Departamento Verapaz. Die Mexikaner nannten
das Gebiet Tecolotlan – Eulenland. Es scheint hier die vom Atlantik her
das Usumacinta-Tal und den einmündenden Rio de la Pasión heraufziehende
Toltekengruppe zuerst seßhaft geworden zu sein. Füglich treten
daher die Ahnen des Volkes hier den Weg zur Unterwelt an, die Erbschaft
den Söhnen überlassend.
Mit den mexikanischen Quellen (Ixtlilxóchitl und Sahagún)
stimmt überein, daß es noch heute dort den Eulenort Tucurú
gibt.
Ball
im Dach – Die Stelle enthält eines der vielen
Wortspiele, die in den Mayasprachen mit ihren zahlreichen Gleichlauten
beliebt sind: "X-ché canáh
cu caná va ca quic" – "Hier bleibt (canáh) als Pfand
(caná) unser Ball".
Das steile Strohdach der indianischen Hütte hat in der Mitte des
Firstes ein Loch zum Abziehen des Rauches, das seinerseits von einem kleinen
Strohgehäuse vor dem Regen geschützt wird. Da wird der Ball versteckt.
Die Helden wissen, daß sie zum Tode gehen. Aber sie endledigen sich
vorher ihrer magisch-kosmischen Attribute, klüger als der tumbe Siebenpapagei.
So können die Herren der Unterwelt sie zwar als Person vernichten,
aber sich nicht ihrer Funktionen bemächtigen, d.h. Gewalt über
die Erde erringen. Die magischen Requisiten bleiben als Unterpfand für
die Erben zurück. Wobei zu erwähnen ist, daß Ball "quic"
auch Blut bedeutet. Das Blut nämlich des Gummibaumes chicozapóte
(heute gebrauchtes Náhuatl- Wort).
Schluchten
und Wälder – Es wird der Weg aus den Bergen von
Verapaz in die Dschungelniederungen des heutigen Petén beschrieben.
Die wilden Schluchten sind wohl das Quellgebiet des Rio de la Pasión.
Die Dornenbäume "Zimáh" übersetzt Schultze-Jena mit "spitzen
Pfählen", was keinen Sinn ergibt. Recinos verwechselt "Zimáh"
mit "Zimá", dem Baum der wenig später in hochmythologischer
Bedeutung auftretenden Jicara- Frucht. Gemeint ist aber ein über und
über mit langen Dornen besetzter graugrüner Stamm, der jedem
Wanderer im Petén-Urwald in schmerzlicher Erinnerung bleibt.
Noch heute schöpft jeder Indio beim Überschreiten eines Gewässers
in ritueller Weise eine Hand voll Naß, auch wenn er sich nur die
Lippen netzt. Es wird daher ausdrücklich vermerkt, daß die Helden
aus dem Blutfluß nicht tranken. Damit entgehen sie einem Todeszauber.
Die
vier Wege – Es beginnt die Beschreibung der Weltstruktur,
so wie sie die Mayas sahen. In der indianischen Lakonik werden nur Dinge
und Taten berichtet, ohne Erläuterung ihres Symbolwertes. Der europäische
Leser bedarf daher der Auslegung. Die vier Himmelsrichtungen wurden durch
Farben angegeben: Osten – rot; Süden – gelb; Westen
– schwarz; Norden – weiß. – Indem die Helden den schwarzen
Weg einschlagen, sind sie schon verloren. –
Der Weg von Carcháh zum Petén ist in der Tat eine Westwanderung.
Recinos hat zu Recht darauf hingewiesen, daß hier, wie an manchen
anderen Stellen, durch den allgemeinen Inhalt spezifische Wander- und Kampferinnerungen
der Quichés durchschimmern, deren nationales Epos ja das Popol Vuh
ist.
Heiße
Steine – Die Helden steigen in einer Vulkanlandschaft
in den Schoß der Erde. Sie setzen sich ahnungslos auf glühende
Lava.
Zigarre
– Wir können uns Zeus und Theseus nicht mit einer Zigarette
vorstellen. Gucumátz und Hunahpú haben wir uns so zu denken.
Denn wie Abbildungen rauchender Götter in präkolumbianischen
Codices zeigen, ist die Erfindung uralt. Die Vokabel Cigale scheint von
den Antillen zu kommen. Zicár – rauchen dann im Quiché
und Zic-Ahau, der Tabaksgott. Die Pflanze kommt wild in Guatemala und Chiapas
vor. Auch die in der Folge hintereinander auftretenden Naturprodukte, wie
die wichtige Jicara-Frucht am Lebensbaum, Chilipfeffer und gewisse Kürbisarten,
die Baumwolle der Schambinde der Affenbrüder etc. – entstammen
sämtlich diesen Breitengraden.
Zaquitóc
– "weißes Messer", d.i. Opferdolch aus hellem Obsidian.
Xuxulim
– Wahrscheinlich eine der Tropfsteinhöhlen der gemeinten
Gegend. Die ganze Stelle ist sehr dunkel und erfordert freie Übertragung.
Siebeneinigkeit
– Die Vielfalt in der Einheit – de pluribus unum
– ist eine archetypische Religionsvorstellung, die sich rationalistischer
Auslegung entzieht. Die Trinität ist den Mayas durchaus geläufig:
wir kennen bereits Huracán in seinem dreifachen Aspekt. In jener
eindrucksvollen Schöpfungsszene fügt er sich im grünleuchtenden
Wasser als Siebter zu den drei Paaren Tzakól-Bitól, Alóm-Caholóm
und Tepeu-Gucumátz, die magische Siebenzahl vollendend. Dort, im
grünen Schlangenwasser, treffen sich noch sieben wirklich verschiedene
Götter. Aber der eine Gott in siebenfacher Erscheinung ist ein Grundkonzept
des Mayadenkens.
Schon Siebenpapagei wird mitunter
wörtlich als Plural aufgefaßt: den kultischen Ballspielplatz
der alten Priesterstadt Copán (Honduras) bewachen sechs Papageien,
als siebter wurde die wirkliche Sonne, der hin und her fliegende Ball,
gedacht. Auch das Brüderpaar der Ahpú (Jäger) meint im
Grunde einen Jäger, der in siebenfacher Gestalt auftreten kann. Durchgehend
übersetzt daher Villacorta in der Hadesszene, nicht sehr geschickt,
aber den Sinn treffend: "Und die Ahpú, vom ersten bis zum siebten",
taten dies und jenes ... Die Formel, mit der die Verkündigung an Ixquic
schließt, lautet ganz wörtlich: "Also sprach sein Haupt Eins
ein Jäger, Sieben ein Jäger (Ix-chá ri u holóm
hun hun ahpú, uucúb hun ahpú.)
Pucbal-Chah
– Grabhügel, wörtlich: Steinhügel-Wächter. Die
Wortableitung gelang Rafael Girard aus der Topografie der Chorti-Gegend
in Honduras (R. Girard: El Popol Vuh etc. pag. 122). Die Interpretationen
"Aschenplatz" (Schultze-Jena) und "Opferplatz des Ballspiels" (Recinos-Morley),
wobei der Quiché-Text in "puzbal" geändert werden muß,
überzeugen nicht. Girard leitet vom klassischen Maya puc = Hügel
ab. Er muß dabei "bal" als ein verstümmeltes "abáh" =
Stein auffassen. Da Verbum "bal" heißt indessen: füllen, so
daß man wohl korrekter "Wärter (chah) des Hügelinhaltes"
liest.
Jicara
– Crescentia cujete, auch Huacál – Baum genannt, in
Quiché zimá. Ein kräftiger, breitkroniger Baum, der
ballrunde, zwei Fäuste große Früchte hervorbringt. Ihr
Fleisch ist ungenießbar. Ihre getrocknete Schale dient allgemein
als Eßnapf und hat sich als jicara in den Wortschatz des amerikanischen
Spanisch eingegliedert.
Vorspruch
des indianischen Erzählers * Weltschöpfung
* Tierschöpfung * Menschenschöpfung:
Menschen
aus Lehm * Menschen aus Holz
* Scheitern der Holz-Menschen-Schöpfung
Die
Heldentaten der göttlichen Zwillinge Chunachpu und Schb'alanq'e:
Wuqub'-Kaqisch
(Siebenpapagei) * Die
vierhundert Jünglinge * Sipakna
* Kabraqan
Der
Abstieg von Einsjäger
und Siebenjäger (Chun-Chunachpu und Wuqub-Chunachpu)
ins
Totenreich (Schib'alb'â),
ihre Prüfung, Opferung
und Metamorphose
*
*
*
vgl.
die Schöpfungsmythen
im
Enuma Elisch,
in der Genesis,
in Hiob
38-42 in Hesiods Theogonie und Platons
Timaios
Hans
Zimmermann, Görlitz)
: 12 KÖRBE, Quellensammlung
: Popol Vuh (Poopol Wuuj)
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