Hans Zimmermann : Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
PLATWN : FAIDWN
Endmythos über
das künftige Schicksal der Seele
und letzte Worte und Handlungen
des Sokrates
griechischer
Text gemäß Burnet, lat. transliteriert von Hans Zimmermann
Übersetzung ins Deutsche von F. Schleiermacher
(1804-1810)
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[57.
Der Weg in die Unterwelt für die sittsame und für die unreine
Seele]
[107c]
alla tode g, efh, w andreV,
dikaion dianohqhnai,
oti,
eiper h yuch aqanatoV,
epimeleiaV
dh deitai ouc uper tou cronou toutou monon en wi kaloumen to zhn,
all’
uper tou pantoV,
kai
o kindunoV nun dh kai doxeien an deinoV einai,
ei
tiV authV amelhsei.
Und so ist denn dieses, ihr Männer, wohl wert bemerkt zu werden,
daß, wenn die Seele unsterblich ist,
sie auch der Sorgfalt bedarf nicht für diese Zeit allein, welche
wir das Leben nennen,
sondern für die ganze Zeit,
und das Wagnis zeigt sich nun eben erst recht furchtbar,
wenn jemand sie vernachlässigen wollte.
ei
men gar hn o qanatoV tou pantoV apallagh,
ermaion
an hn toiV kakouV apoqanousi tou te swmatoV am aphllacqai
kai
thV autwn kakiaV meta thV yuchV:
Denn wenn der Tod eine Erledigung von allem wäre:
so wäre es ein Fund für die Schlechten, wenn sie sterben,
ihren Leib loszuwerden,
aber auch ihre Schlechtigkeit mit der Seele zugleich.
nun
d epeidh aqanatoV fainetai ousa,
oudemia
an [107d]
eih auth allh apofugh kakwn oude swthria
plhn
tou wV beltisthn te kai fronimwtathn genesqai.
Nun aber diese sich als unsterblich zeigt,
kann es ja für sie keine andere Sicherheit vor dem Übel geben
und kein Heil als nur, wenn sie so gut und vernünftig geworden
ist als möglich.
ouden
gar allo ecousa eiV Haidou h yuch ercetai
plhn
thV paideiaV te kai trofhV,
a
dh kai megista legetai wfelein h blaptein ton teleuthsanta
euquV
en arch thV ekeise poreiaV.
Denn nichts anderes kann sie doch mit sich haben, wenn sie in die Unterwelt
kommt,
als nur ihre Bildung und Nahrung,
die ihr ja auch, wie man sagt, sowie sie gestorben ist, den größten
Nutzen oder Schaden bringt,
gleich am Anfang der Wanderung dorthin.
legetai
de outwV, wV ara teleuthsanta ekaston o ekastou daimwn,
osper
zwnta eilhcei,
outoV
agein epoceirei eiV dh tina topon,
oi
dei touV sullegentaV diadikasamenouV
eiV
Haidou [107e]
poreuesqai meta hgemonoV ekeinou
wi
dh prostetaktai touV enqende ekeise poreusai:
Denn man sagt ja, daß jeden Gestorbenen sein Dämon,
der ihn schon lebend zu besorgen hatte,
dieser ihn auch dann an einen Ort zu führen sucht,
von wo aus mehrere zusammen, nachdem sie gerichtet sind,
in die Unterwelt gehen mit jenem Führer,
dem es aufgetragen ist, die von hier dorthin zu führen.
tucontaV
de ekei wn dh tucein
kai
meinantaV on
crh cronon
alloV
deuro palin hgemwn komizei
en
pollaiV cronou kai makraiV periodoiV.
Nachdem ihnen dann dort geworden ist, was ihnen gebührt,
und sie die gehörige Zeit dageblieben,
bringt ein anderer Führer sie wieder von dort hierher zurück
nach vielen und großen Zeitabschnitten.
esti
de ara h poreia ouc wV o Aisculou ThlefoV legei:
ekeinoV
[108a]
men gar aplhn oimon mhsin eiV Haidou ferein,
h
d oute aplh oute mia fainetai moi einai.
Und diese Reise ist wohl nicht so, wie der Telephos des Aischylos sie
beschreibt.
Denn jener sagt, es führe nur ein einfacher Fußsteig in
die Unterwelt;
ich aber glaube, daß es weder einer ist noch ein einfacher.
oude
gar an hgemown edei:
ou
gar pou tiV an diamartoi oudamose miaV odou oushV.
Sonst würde es ja keines Führers bedürfen,
denn nirgends hin kann man ja fehlen, wo nur ein Weg geht.
nun
de eoike sciseiV te kai triodouV pollaV ecein:
apo
twn qusiwn te kai nomimwn twn enqade tekmairomenoV legw.
Nun aber mag er sich wohl oftmals teilen und winden.
Dies schließe ich aus dem, was bei uns als heilige Feier eingeführt
und gebräuchlich ist.
h
men oun kosmia te kai fronimoV yuch epetai te
kai
ouk agnoei ta paronta:
h
d epiqumhtikwV tou swmatoV ecousa, oper
en twi emprosqen eipon,
peri
ekeino polun [198b]
cronon eptomenh kai peri ton oraton topon,
polla
antiteinasa kai polla paqousa,
biai
kai mogiV upo tou prostetagmenou daimonoV oicetai agomenh.
Die sittsame und vernünftige Seele nun folgt
und verkennt nicht, was ihr widerfährt;
die aber begehrlich an dem Leibe sich hält, wie ich auch vorher
sagte,
drängt sich lange Zeit immer um ihn herum und um den sichtbaren
Ort,
und nach vielem Sträuben und vielen Versuchen
wird sie endlich mit Mühe und gewaltsam von dem angeordneten Dämon
abgeführt.
afikomenhn
de oqiper ai allai,
thn
men akaqarton kai ti pepoihkuian toiouton,
h
fonon adikwn hmmenhn h all atta toiauta eirgasmenhn,
a
toutwn adelfa te kai adelfwn yucwn erga tugcanei onta,
tauten
men apaV feugei te kai upektrepetai
kai
oute sunemporoV oute hgemwn eqelei gignesqai,
auth
[108c]
de planatai en pashi ecomenh aporiai
ewV
an dh tineV cronoi genwntai,
wn
alqontwn up anagkhV feretai eiV thn authi prepousan oikhsin:
Sie nun, die dahin kommt, wo auch die andern sich befinden,
die unreine und die etwas dergleichen verübt hat,
habe sie sich nun mit ungerechtem Morde befaßt oder anderes dergleichen
begangen,
was dem verschwistert und verschwisterter Seelen Werk ist,
diese meidet jeder und weicht ihr aus
und will weder ihr Reisegefährte noch ihr Führer werden;
sie aber irrt in gänzlicher Unsicherheit befangen,
bis gewisse Zeiten um sind,
nach deren Verlauf die Notwendigkeit sie in die ihr angemessene Wohnung
bringt.
h
de kaqarwV te kai metriwV ton bion diexelqousa,
kai
sunemporwn kai hgemonwn qewn tucousa,
wikhsen
ton authi ekasth topon proshkonta.
Die aber rein und mäßig ihr Leben verbracht
und Götter zu Reisegefährten und Führern bekommen hat,
bewohnt jede den ihr gebührenden Ort.
[58. Lage und Größe
der Erde;
Beschaffenheit unserer Wohnsitze]
eisin
de polloi kai qaumastoi thV ghV topoi,
kai
auth oute oia oute osh doxazetai
upo
twn peri ghV eiwqotwn legein,
wV
egw upo tinoV pemeismai.
Es hat aber die Erde viele und wunderbare Orte
und ist weder an Größe noch Beschaffenheit so,
wie von denen, die über die Erde zu reden pflegen, geglaubt wird,
nach dem, was mir einer glaublich gemacht hat. —
[108d]
kai o SimmiaV, pwV tauta, efh, legeiV, w SwkrateV?
peri
gar toi ghV kai autoV polla dh akhkoa,
ou
mentoi tauta a se peiqei:
hdewV
oun an akousaimi.
Darauf sagte Simmias: Wie meinst du das, o Sokrates?
Denn über die Erde habe auch ich schon vielerlei
gehört,
aber wohl nicht das, was dich befriedigt;
darum möchte ich es gern hören. —
alla
mentoi, w Simmia,
ouc
h Glaukou tecnh ge moi dokei einai dihghsasqai a g estin:
wV
mentoi alhqh,
calepwteron
moi fainetai h kata thn Glaukou tecnhn,
kai
ama men egw iswV oud an oioV te eihn,
ama
de, ei kai hpistamhn, o bioV moi dikei o emoV, w Simmia,
twi
mhkei tou logou ouk exarkein.
Das ist ja wohl keine große Kunst, o Simmias, sagte er,
zu erzählen, was das ist;
aber freilich, daß es so wahr ist, das möchte wieder schwerer
sein als schwer;
und teils möchte ich es vielleicht nicht können,
teils auch, wenn ich es verstände, möchte doch mein Leben
wenigstens, o Simmias,
für die Größe der Sache nicht mehr hinreichen.
thn
mentoi idean thV ghV oian [108e]
pepeismai einai,
kai
touV topouV authV ouden me kwluei legein.
Doch die Gestalt der Erde, wie ich belehrt bin daß sie sei,
und ihre verschiedenen Orte hindert mich nichts zu beschreiben. —
all,
efh o SimmiaV, kai tauta arkei.
Auch das, sprach Simmias, soll uns genug sein.
—
pepeismai
toinun, h d oV, egw wV prwton men,
ei
estin en meswi twi ouranwi periferhV ousa,
mhden
authi dein mhte [109a]
aeroV proV to mh pesein
mhte
allhV anagkhV mhdemiaV toiauthV,
alla
ikanhn einai authn iscein
thn
omoiothta tou ouranou autou eautwi panthi
kai
thV ghV authV thn isorropian:
Zuerst also bin ich belehrt worden,
daß, wenn sie als runde inmitten des Himmels steht,
sie weder Luft brauche, um nicht zu fallen,
noch irgendeinen andern solchen Grund,
sondern, um sie zu halten, sei hinreichend
die durchgängige Einerleiheit des Himmels
und das Gleichgewicht der Erde selbst.
isorropon
gar pragma omoiou tinoV en meswi teqen ouc exei mallon
oud
htton oudamose kliqhnai,
omoiwV
d econ aklineV menei.
prwton
men toinun, h d oV, touto pepeismai.
Denn ein im Gleichgewicht befindliches Ding in die Mitte eines anderen
solchen gesetzt
wird keinen Grund haben, sich irgendwohin mehr oder weniger zu neigen,
und daher, auf gleiche Weise zu allem sich verhaltend, wird es ohne
Neigung bleiben.
Dieses, sagte er, habe ich zuerst angenommen. —
kai
orqwV ge, efh o SimmiaV.
Und sehr mit Recht, sprach Simmias. —
eti
toinun, efh, pammega ti einai auto,
kai
hmaV oikein [109b]
touV mecri Hhrakleiwn sthlwn apo fasidoV
en
smikrwi tini moriwi,
wsper
peri telma murmhkaV h batracouV peri thn qalattan oikountaV,
kai
allouV alloqi pollouV en polloisi toioutoiV topoiV oikein.
Dann auch, daß sie sehr groß sei
und daß wir, die vom Phasis bis an die Säulen des Herakles
reichen,
nur an einem sehr kleinen Teile,
wie Ameisen oder Frösche um einen Sumpf, so wir um das Meer herum
wohnen,
viele andere aber anderwärts an vielen solchen Orten.
einai
gar pantachi peri thn ghn polla koila
kai
pantodapa kai taV ideaV kai ta megeqh,
eiV
a sunerruhkenai to te udwr kai thn omiclhn kai ton aera:
Denn es gebe überall um die Erde her viele Höhlungen
und mannigfaltige von Gestalt und Größe,
in welchen Wasser und Nebel und Luft zusammengeflossen sind;
authn
de thn ghn kaqaran en kaqarwi keisqai twi ouranwi
en
wiper esti ta astra,
on
dh aiqera onomazein [109c]
touV pollouV twn peri ta toiauta eiwqotwn legein:
ou
dh upostaqmhn tauta einai
kai
surrein aei eiV ta koila thV ghV.
die Erde selbst aber liege rein in dem reinen Himmel,
an welchem auch die Sterne sind
und den die meisten, welche über dergleichem zu reden pflegen,
Äther nennen,
dessen Bodensatz nun eben dieses ist
und immer in den Höhlungen der Erde zusammenfließt.
hmaV
oun oikountaV en toiV koiloiV authV lelhqenai
kai
oiesqai anw epi thV ghV oikein,
wsper
an ei tiV en meswi twi puqmeni tou pelagouV oikwn oioito te
epi
thV qalatthV oikein
kai
dia tou udatoV orwn ton hlion kai ta alla astra
thn
qalattan hgoito ouranon einai,
dia
de [109d]
braduthta te kai asqeneian
mhdepwpote
epi ta akra thV qalatthV afigmenoV mhde
wrakwV eih,
ekduV
kai anakuyaV ek thV qalatthV eiV ton enqade topon,
oswi
kaqarwteroV kai kalliwn tugcanei wn tou para sfisi,
mhde
allou akhkowV eih tou ewrakotoV.
Wir nun merkten es nicht, daß wir nur in diesen Höhlungen
der Erde wohnten,
und glaubten, oben auf der Erde zu wohnen,
wie wenn ein mitten im Grunde der See Wohnender glaubte,
oben an dem Meere zu wohnen,
und, weil er durch das Wasser die Sonne und die andern Sterne sähe,
das Meer für den Himmel hielte,
aus Trägheit aber und Schwachheit
niemals bis an den Saum des Meeres gekommen wäre,
noch über das Meer aufgetaucht und hervorgekrochen, um diesen
Ort zu schauen,
wieviel reiner und schöner er ist als der bei ihm,
noch auch von einem andern, der ihn gesehen, dies gehört hätte;
tauton
dh touto kai hmaV peponqenai:
geradeso erginge es auch uns.
oikountaV
gar en tini koilwi thV ghV oiesqai epanw authV oikein,
kai
ton aera ouranon kalein,
wV
dia toutou ouranou ontoV ta astra cwrounta:
Denn wir wohnten in irgendeiner Höhlung der Erde und glaubten,
oben darauf zu wohnen,
und nennten die Luft Himmel,
als ob diese der Himmel wäre, durch welchen die Sterne wandeln.
to
de einai tauton,
[109e]
up asqeneiaV kai braduthtoV ouc
oiouV te einai hmaV
diexelqein
ep escaton ton aera:
Damit aber sei es gerade so,
daß wir aus Trägheit und Schwachheit nicht vermöchten
hervorzukommen bis an den äußersten Saum der Luft.
epei,
ei tiV autou ep akra elqoi h pthnoV genomenoV anaptoito,
katidein
an anakuyanta,
wsper
enqade oi ek thV qalatthV icqueV anakuptonteV
wrwsi
ta enqade,
outhV
an tina kai ta ekei katidein,
kai
ei h fusiV ikanh eih anascesqai qewrousa, gnwnai
an
oti
ekeinoV estin o alhqwV ouranoV kai to alhqinon fwV
[110a]
kai h wV alhqhV ge.
Denn wenn jemand zur Grenze der Luft gelangte oder Flügel bekäme
und hinaufflöge:
so würde er dann hervortauchen und sehen,
wie hier die Fische, wenn sie einmal aus dem Meer herauftauchen,
was hier ist, sehen,
so würde dann ein solcher auch das Dortige sehen,
und wenn seine Natur die Betrachtung auszuhalten vermöchte, dann
erkennen,
daß jenes der wahre Himmel ist und das wahre Licht
und die wahre Erde.
hde
men gar h gh kai oi liqoi kai apaV o topoV o enqade
diefqarmena
estin kai katabebrwmena,
wsper
ta en thi qalatthi upo thV almhV,
kai
oute fuetai axion logou ouden en thi qalatthi,
oute
teleion wV epoV eipein ouden esti,
shraggeV
de kai ammoV kai phloV amhcanoV kai borboroi eisin,
opou
an kai h gh hi,
kai
proV ta par hmin kallh krinesqai oud opwstioun axia.
ekeina
de au twn par hmin polu eti pleon faneih diaferein:
Denn die Erde hier bei uns und die Steine und der ganze Ort hier
ist zerfressen und verwittert,
wie, was im Meere liegt, vom Salz angefressen ist
und nichts der Rede Wertes im Meere wächst,
noch es irgend etwas Vollkommenes darin gibt,
sondern nur Klüfte und Sand und unendlichen Kot und Schlamm,
wo es noch Erde gibt,
und nichts, was irgend mit unsern Schönheiten könnte verglichen
werden;
jenes aber würde wiederum noch weit vorzüglicher sich zeigen
vor dem unsrigen.
[11b]
ei gar dh kai muqon legein kalon,
axion
akousai, w Simmia,
oia
tugcanei ta epi thV ghV upo twi ouranwi onta.
Und darf man wohl eine schöne Erzählung vorbringen,
Simmias, so lohnt es wohl zu hören,
wie das auf der Erde unter dem Himmel beschaffen ist. —
alla
mh, efh o SimmiaV, w SwkrateV,
hmeiV
ge toutou tou muqou hdewV an akousaimen.
Gewiß, sprach Simmias, werden wir diese
Erzählung gern hören, o Sokrates. —
[59.
Aussehen der wahren Erde und Glückseligkeit ihrer Bewohner]
legetai
toinun, efh, w etaire, prwton men einai toiauth h gh auth idein,
ei
tiV anwqen qewito,
wsper
ai dwdekaskutoi sfairai, poikilh, crwmasin dieilhmmenh,
wn
kai ta enqade einai crwmata wsper deigmata,
oiV
dh oi grafhV [110c]
katacrwntai.
Man sagt also zuerst, o Freund, diese Erde sei so anzusehen,
wenn sie jemand von oben herab betrachtete,
wie die zwölfteiligen ledernen Bälle, in so bunte Farben
geteilt,
von denen unsere Farben hier gleichsam Proben sind,
alle die, deren sich die Maler bedienen.
ekei
de pasan thn ghn ek toioutwn einai,
kai
polu eti ek lamproterwn kai kaqarwterwn h toutwn:
Dort aber bestehe die ganze Erde aus solchen
und noch weit glänzenderen und reineren als diese.
thn
men gar alourgh einai kai qaumasthn to kalloV,
thn
de crusoeidh,
thn
de osh leukh guyou h cionoV leukoteran,
kai
ek twn allwn crwmatwn sugkeimenhn wsautwV,
kai
eti pleionwn kai kallionwn h osa hmeiV ewrakamen.
Denn ein Teil sei purpurrot und wunderbar schön,
ein anderer goldfarbig,
ein anderer weiß, aber viel weißer als Alabaster oder Schnee,
und ebenso aus jeder anderen Farbe bestehe einer,
und aus noch mehreren und schöneren, als wir gesehen haben.
kai
gar auta tauta ta koila authV,
udatoV
te kai aeroV ekplea [110d]
onta,
crwmatoV
ti eidoV parecesqai stilbonta
en
thi twn allwn crwmatwn poikiliai,
wste
en ti authV eidoV suneceV poikilon fantazesqai.
Denn selbst diese Höhlungen der Erde,
welche mit Wasser und Luft angefüllt sind,
bilden eine eigne Art von Farbe,
welche in der Vermischung aller anderen Farben glänzt,
so daß sie ganz und gar als ein ununterbrochenes Bunt erscheint.
en
de tauthi oushi toiauthi ana logon
ta
fuomena fuesqai, dendra
te kai anqh kai touV karpouV:
Auf dieser nun, die so beschaffen ist,
wachsen verhältnismäßig ebensolche Gewächse, Bäume,
Blumen und Früchte.
kai
au ta orh wsautwV kai touV liqouV ecein ana ton auton logon
thn
te leiothta kai
thn diafaneian kai ta crwmata kalliw:
wn
kai ta enqade liqidia einai tauta ta agapwmena moria,
sardia
te kai iaspidaV kai smaragdouV [110e]
kai panta ta toiauta:
ekei
de ouden oti ou toiouton einai kai eti toutwn kalliw.
Ebenso haben auch die Gebirge und die Steine nach demselben Verhältnis
ihre Vollendung und Durchsichtigkeit und schönere Farben,
von denen aber auch unsere so sehr gesuchten Steinchen hier Teile sind,
die Karneole und Jaspisse und Smaragden und alle dergleichen;
dort aber sei nichts, was nicht so wäre und noch schöner
als diese.
to
d aition toutou einai oti ekeinoi oi liqoi eisi kaqaroi
kai
ou katedhdesmenoi oude diefqarmenoi wsper
oi enqade
upo
shpedonoV kai almhV upo twn deuro sunerruhkotwn,
a
kai liqoiV kai ghi kai toiV alloiV zwioiV te kai futoiV
aisch
te kai nosouV parecei.
Die Ursache hiervon aber sei, daß jene Steine rein sind und nicht
angefressen
noch verwittert wie die hiesigen von Fäulnis und Salzwasser,
von dem, was hier zusammenfließt
und Steinen und Erden und allen Gewächsen und Tieren
Entstellungen und Krankheiten verursacht.
thn
de ghn authn kekosmhsqai toutoiV te apasi
kai
eti cruswi te kai argurwi kai [111a]
toiV alloiV au toiV toioutoiV.
ekfanh
gar auta pefukenai,
onta
polla plhqei kai megala kai pantacou thV ghV,
wste
authn idein einai qeama eudaimonwn qeatwn.
Die Erde also sei mit all diesem geschmückt,
und außerdem noch mit Gold und Silber und dem übrigen der
Art,
welches glänzend dort zu finden sei
und in großer Menge wachse und überall auf der Erde,
so daß sie zu schauen ein beseligendes Schauspiel sei.
zwia
d ep authi einai alla te polla kai anqrwpouV,
touV
men en mesogaiai oikountaV,
touV
de peri ton aera wsper hmeiV peri thn qalattan,
touV
d en nhsoiV aV perirrein ton aera proV thi hpeirwi ousaV:
Tiere aber gebe es auf ihr vielerlei und auch Menschen,
welche teils mitten im Lande wohnen,
teils so um die Luft herum, wie wir um das Meer,
teils auch auf luftumflossenen Inseln um das feste Land her.
kai
eni logoi,
oper
hmin to udwr te kai h qalatta esti proV thn hmeteran creian,
touto
ekei [111b]
ton aera,
o
de emin ahr, ekeinoiV ton aiqera.
Und mit einem Worte,
was uns Wasser und Meer ist für unsere Bedürfnisse,
das sei jenen dort die Luft,
und was uns die Luft, das jenen der Äther.
taV
de wraV autoiV krasin ecein toiauthn
wste
ekeinouV anosouV einai kai cronon te zhn polu pleiw twn enqade,
kai
oyei kai akohi kai fronhsei kai pasi toiV toioutoiV
hmwn
afestanai thi authi apostasei
hiper
ahr te udatoV afesthken
kai
aiqhr aeroV proV kaqarothta.
Und die Witterung habe eine solche Mischung bei ihnen,
daß sie ohne Krankheit wären und weit längere Zeit
lebten als die hiesigen,
und ihr Gesicht, ihr Gehör und ihre Einsicht, und was sonst dahin
gehört,
ständen von dem unsrigen in demselben Maße ab,
wie die Luft vom Wasser absteht
und der Äther von der Luft in Hinsicht auf Reinheit.
kai
dh kai qewn alsh te kai iera autoiV einai,
en
oiV twi onti oikhtaV qeouV einai,
kai
fhmaV te kai manteiaV kai aisqhseiV twn qewn
kai
toiautaV sunousiaV [111c]
gignesqai autoiV proV autouV:
kai
ton ge hlion kai selhnhn kai astra orasqai up autwn oia tugcanei onta,
kai
thn allhn eudaimonian toutwn akoluqon einai.
Auch hätten sie ferner Tempel und Heiligtümer für die
Götter,
in denen aber die Götter wahrhaft wohnen,
und Stimmen, Weissagungen und Erscheinungen der Götter,
und solcherart sei ihr Verkehr mit ihnen, von Angesicht zu Angesicht;
und Sonne, Mond und Sterne sähen sie, wie sie wirklich sind,
und dem sei auch ihre übrige Glückseligkeit gemäß.
[60. Das System
der unterirdischen Ströme]
kai
olhn men dh thn ghn outw pefukenai kai ta peri thn ghn:
topouV
d‘ en authi einai kata ta egkoila authV kuklwi peri olhn pollouV,
touV
men baquterouV kai anapeptamenouV mallon h en wi hmeiV oikoumen,
touV
de baquterouV ontaV to casma autouV elatton ecein tou par emin [111d]
topou,
esti
d ouV kai bracuterouV twi baqei tou enqade einai kai platuterouV.
So demnach sei die ganze Erde geartet und was sie umgibt;
rund umher auf ihr aber gebe es nach Maßgabe ihrer Höhlung
viele Orte,
einige tiefer und weiter geöffnet als der, in welchem wir wohnen,
andere wiederum tiefer, aber mit einer engeren Öffnung, als die
unser Ort hat;
und welche sind wohl auch flacher und dabei doch breiter als der hiesige.
toutouV
de pantaV upo ghn eiV allhlouV suntetrhsqai te pollachi
kai
kata stenotera kai eurutera kai diexodouV ecein,
hi
polu men udwr rein ex allhlwn eiV allhlouV wsper eiV krathraV,
kai
aenawn potamwn amhcana megeqh upo thn ghn
kai
qermwn udatwn kai yucrwn,
polu
de pur kai puroV megalouV potamouV,
pollouV
de ugrou phlou kai kaqarwterou kai borborwdesterou,
[111e]
wsper en Sikeliai oi pro tou ruakoV phlou reonteV potamoi
kai
autoV o ruax:
Alle diese nun ständen unter der Erde vielfältig miteinander
in Verbindung,
enger und weiter, so daß sie Durchgänge haben unter sich,
durch welche dann vieles Wasser aus einem in den andern fließt,
wie in Becher,
und daß es unversiegliche Ströme von unübersehbarer
Größe unter der Erde gebe
von warmen Wassern und kalten,
und vieles Feuer und große Ströme von Feuer,
viele auch von feuchtem Schlamm, teils reinerem, teils schmutzigerem,
wie in Sizilien die vor dem Feuerstrome sich ergießenden Ströme
von Schlamm
und der Feuerstrom selbst.
wn
dh kai ekastouV touV topouV plhrousqai,
wV
an ekastoiV tuchi ekastote h perirroh gignomenh.
Von denen werden dann alle Örter erfüllt,
je nachdem jedesmal jeder seinen Umlauf nimmt.
tauta
de panta kinein anw kai katw
wsper
aiwran tina enousan en thi ghi:
esti
de ara auth h aiwra dia fusin toiande tina.
Und dieses alles bewege hinauf und hinunter
gleichsam eine in der Erde befindliche Schaukel;
diese Schaukel aber bestehe durch folgende Einrichtung ungefähr.
en
ti twn casmatwn thV ghV allwV te [112a]
megiston tugcanei
on
kai diampereV tetrhmenon di olhV thV ghV,
touto
oper HomhroV eipe, legwn auto
THLE
MAL HICI BATHISTON UPO CQONOS ESTI BEREQRON:
kai
alloqi kai ekeinoV kai alloi polloi twn poihtwn Tartaron keklhkasin.
Einer nämlich von diesen Erdspalten ist auch sonst der größte
und quer durch die ganze Erde gebohrt.
Dieser ist nun, wie Homeros davon singt,
«Ferne wo tief sich öffnet der Abgrund unter der Erde»,
derselbe,
den anderwärts er und auch sonst viele andere Dichter den Tartaros
genannt haben.
eiV
gar touto to casma surreousi te panteV oi potamoi
kai
ek toutou palin ekreousin:
gignontai
de ekastoi toioutoi di oiaV an kai thV ghV rewsin.
In diesen Spalt nun strömen alle diese Flüsse zusammen
und strömen auch wieder von ihm aus;
und alle werden so wie der Boden, durch welchen sie strömen.
h
de [112b]
aitia estin tou ekrein te enteuqen kai eisrein panta ta reumata,
oti
puqmena ouk ecei oude basin to ugron touto.
Die Ursache aber, warum alle Ströme von hier ausfließen
und auch wieder hinein,
ist, daß diese Flüssigkeit keinen Boden hat und keinen Grund.
aiwreitai
dh kai kumainei anw kai katw,
kai
o ahr kai to pneuma to peri auto tauton poiei:
Daher schwebt sie und wogt immer auf und ab,
und die Luft und der Hauch um sie her tut dasselbe.
sunepetai
gar autwi
kai
otan eiV to ep ekeina thV ghV ormhshi
kai
otan eiV to epi tade,
Denn dieser begleitet sie,
sowohl wenn sie in die jenseitigen Gegenden der Erde strömt,
als wenn in die diesseitigen.
kai
wsper twn anapneontwn
aei
ekpnei te kai anapnei reon to pneuma,
outw
kai ekei sunaiwroumenon twi ugrwi to pneuma deinouV tinaV anemouV
kai
amhcanouV parecetai kai [112c]
eision kai exion.
Und so wie der Hauch der Atmenden
in beständiger Bewegung immer einströmt und ausströmt:
so auch dort bildet der mit der Flüssigkeit wogende Hauch heftige
und gewaltige Winde
sowohl im Hineingehen als im Herausgehen.
otan
te oun upocwrhshi to udwr
eiV
ton topon ton dh katw kaloumenon,
touV
kat ekeina ta reumata dia thV ghV eisrei te
kai
plhroi auta wsper oi epantlounteV:
Wenn nun strömend das Wasser
nach der Gegend hin ausweicht, welche unten genannt wird:
so fließt es in das Gebiet der dortigen Ströme
und füllt es an wie beim Pumpen.
otan
te au ekeiqen men apoliphi,
deuro
de ormhshi,
ta
enqade plhroi auqiV,
Wenn es aber von dort wiederum sich wegzieht
und hierher strömt,
so erfüllt es dann die hiesigen.
ta
de plhrwqenta rei dia twn ocetwn kai dia thV ghV,
kai
eiV touV topouV ekasta afiknoumena, eiV
ouV ekastoiV wdopeihtai,
qalattaV
te kai limnaV kai potamouV kai krhnaV poiei:
Diese, wenn sie erfüllt sind, strömen durch die Kanäle
und durch die Erde;
und wenn sie jeder in die Gegenden kommen, wohin sie jedesmal geleitet
werden,
so bilden sie Meere und Seen und Flüsse und Quellen.
enqeuqen
de palin duomena [112d]
kata thV ghV,
ta
men makroterouV topouV perielqonta kai pleiouV,
ta
de elattouV kai bracuterouV,
palin
eiV ton Tartaron emballei,
ta
men polu katwterw h hi ephntleito,
ta
de oligon:
Von da tauchen sie nun wieder unter die Erde
und, teils längere und mehrere Gegenden durchziehend,
teils wenigere und kürzere,
ergießen sie sich alle wieder in den Tartaros,
einige viel weiter unten, als wo sie ausgepumpt wurden,
andere nicht soviel,
panta
de upokatw eisrei thV ekrohV,
kai
enia men katantikru h hi eisrei exepesen,
enia
de kata to auto meroV:
aber unterhalb ihres Ausflusses fließen sie alle ein;
und einige strömen wieder ein gerade gegenüber der Stelle,
wo sie ausgeflossen sind,
andere auf der nämlichen Seite.
esti
de a pantapasin kuklwi perielqonta,
h
apax h kai pleonakiV perielicqenta peri thn ghn wsper oi ofeiV,
eiV
to dunaton katw kaqenta palin emballei.
Ja es gibt auch welche, die im Kreise herumziehen,
ein oder mehrere Male sich um die Erde winden wie Schlangen
und dann, möglichst tief gesenkt, sich wieder hineinergießen.
[112e]
dunaton de estin ekaterwse mecri tou mesou kaqienai,
pera
d ou:
apanteV
gar amfoteroiV toiV reumasi to ekaterwqen gignetai meroV,
Möglich ist aber von beiden Seiten nur, sich bis zur Mitte herabzusenken,
weiter nicht.
Denn für beiderlei Ströme geht das jenseitige wiederum aufwärts.
[61. Die
vier Hauptstrome: Okeanos, Acheron, Pyriphlegethon und Kokytos]
ta
men oun dh alla polla te kai megala kai pantodapa reumata esti:
tugcanei
d ara onta en toutoiV toiV polloiV tettar atta reumata,
wn
to men megiston kai exwtatw reon peri kuklwi
o
kaloumenoV OkeanoV estin,
So gibt es nun gar viele andere große und verschiedenartige Ströme,
unter diesen vielen aber gibt es vorzüglich vier,
von denen der größte und als äußerster rund herum
fließende
der sogenannte Okeanos ist;
toutou
de katanikru kai enantiwV rewn Acerwn,
oV
di erhmwn te topwn [113a]
rei allwn
kai
dh kai upo ghn rewn eiV thn limnhn afikneitai thn Acerousiada,
ou
ai twn teteleuthkotwn yucai twn pollwn afiknountai
kai
tinaV eimarmenouV cronouV meinasai,
ai
men maktroterouV, ai de bracuterouV,
palin
ekpempontai eiV taV twn zwiwn geneseiV.
diesem gegenüber und in entgegengesetzter Richtung fließend
ist der Acheron,
welcher durch viele andere wüste Gegenden fließt,
vorzüglich aber auch unter der Erde fortfließend in den
Acherusischen See kommt,
wohin auch der meisten Verstorbenen Seelen gelangen,
und nachdem sie gewisse bestimmte Zeiten dort geblieben,
einige länger, andere kürzer,
dann wieder ausgesendet werden zu den Erzeugungen der Lebendigen.
tritoV
de potamoV toutwn kata meson ekballei,
kai
egguV thV ekbolhV ekpiptei eiV topon megan puri pollwi kaomenon,
kai
limnhn poiei meizw thV par hmin qalatthV,
zeousan
udatoV kai phlou:
Der dritte Fluß strömt aus zwischen diesen beiden
und ergießt sich unweit seiner Quelle in eine weite, mit einem
gewaltigen Feuer brennende Gegend,
wo er einen See bildet, größer als unser Meer
und siedend von Wasser und Schlamm.
enteuqen
de [113b]
cwrei kuklwi
qoleroV
kai phlwdhV,
perielittomenoV
de thi ghi
allose
te afikneitai kai
par escata thV AcerousiadoV limnhV,
ou
summeignumenoV twi udati:
Von hier aus bewegt er sich dann im Kreise herum,
trübe und schlammig,
und indem er sich um die Erde herumwälzt,
kommt er nächst anderen Orten auch an die Grenzen des Acherusischen
Sees,
jedoch ohne daß ihre Gewässer sich vermischten.
perielicqeiV
de pollakiV upo ghV
emballei
katwterw tou Tartarou:
outoV
d estin on eponomazousin Puriwiflegeqonta,
ou
kai oi ruakeV
apospasmata
anafuswsin ophi an tucwsi thV ghV.
Und nachdem er sich oftmals unter der Erde umhergewälzt,
ergießt er sich weiter unten in den Tartaros.
Dies ist der, den man Pyriphlegethon nennt,
von welchem auch die feuerspeienden Berge,
wo sich deren auf der Erde finden, kleine Teilchen heraufblasen.
toutou
de au katantikru o tetartoV ekpiptei
eiV
topon prwton
deinon te kai agrion, wV legetai,
crwma
d econta olon oion o [113c]
kuanoV,
on dh emonomazousi Stugion,
kai
thn limnhn hn poiei o potamoV emballwn, Stuga:
Diesem wiederum gegenüber strömt der vierte aus,
zuerst in eine furchtbare und wilde Gegend, wie man sagt,
die von Farbe ganz und gar dunkelblau ist, welche sie die stygische
nennen,
und den See, welchen der Fluß bildet, den Styx.
o
d empeswn entauqa kai deinaV dunameiV labwn en twi udati,
duV
kata thV ghV, perielittomenoV
cwrei
enantioV twi Puriflegeqonti
kai
apantai en thi Acerousiadi limnhi ex enantiaV:
Nachdem sich dieser nun hier hineinbegeben und gewaltige Kräfte
aufgenommen in sein Wasser,
geht er unter die Erde, wälzt sich herum,
kommt dem Pyriphlegethon gegenüber wieder hervor
und trifft auf den Acherusischen See an der gegenüberliegenden
Seite.
kai
oude to toutou udwr oudeni meignutai,
alla
kai outoV kuklwi perielqwn
emballei
eiV ton Tartaron enantioV twi Puriflegeqonti:
onoma
de toutwi estin, wV oi poihtai legousin, KwkutoV.
Und auch dieser vermischt sein Wasser mit keinem andern,
sondern geht ebenfalls im Kreise herum
und ergießt sich wieder in den Tartaros gegenüber dem Pyriphlegethon,
Sein Name aber heißt, wie die Dichter sagen, Kokytos.
[62.
Die Schicksale der verschiedenartigen Seelen nach ihrem Verdienst]
[113d]
toutwn de outwV pefukotwn,
epeidan
afikwntai oi teteleuthkoteV eiV ton topon oi o daimwn ekaston komizei,
prwton
men diedikasanto oi te kalwV kai osiwV biwsanteV
kai
oi mh.
Da nun dieses so ist, so werden,
sobald die Verstorbenen an dem Orte angelangt sind, wohin der Dämon
jeden bringt,
zuerst diejenigen gerichtet, welche schön und heilig gelebt haben
und welche nicht.
kai
oi men an doxwsi meswV bebiwkenai,
poreuqenteV
epi ton Aceronta,
anabanteV
a dh autoiV ochmata estin,
epi
toutwn afiknountai eiV thn limnhn,
Die nun dafür erkannt werden, einen mittelmäßigen Wandelt
geführt zu haben,
begeben sich zum Acheron,
besteigen die Fahrzeuge, die es da für sie gibt,
und gelangen auf diesen zu dem See.
kai
ekei oikousi te kai kaqairomenoi
twn
te adikhmatwn didonteV dikaV
apoluontai,
ei tiV ti hdikhken,
twn
te euergesiwn [113e]
timaV ferontai
kata
thn axian ekastoV:
Hier wohnen sie und reinigen sich,
büßen ihre Vergehungen ab,
wenn einer sich irgendwie vergangen hat, und werden losgesprochen,
wie sie auch ebenso für ihre guten Taten den Lohn erlangen,
jeglicher nach Verdienst.
oi
d an doxwsin aniatwV ecein dia ta megeqh twn amarthmatwn,
h
ierosuliaV pollaV kai megalaV
h
fonouV adikouV kai paranomouV pollouV exeirgasmenoi
h
alla osa toiauta tugcanei onta,
toutouV
de h proshkousa moira riptei eiV ton Tartaron,
oqen
oupote ekbainousin.
Deren Zustand aber für unheilbar erkannte wird wegen der Größe
ihrer Vergehungen,
weil sie häufigen und bedeutenden Raub an den Heiligtümern
begangen
oder viele ungerechte und gesetzwidrige Mordtaten vollbracht
oder anderes, was dem verwandt ist,
diese wirft ihr gebührendes Geschick in den Tartaros,
aus dem sie nie wieder heraussteigen.
o
d an iasima men megala de doxwsin hmarthkenai amarthmata,
oion
proV patera h mhtera [114a]
up orghV biaion ti praxanteV,
kai
metamelon autoiV ton allon bion biwsin,
h
androfonoi toioutwi tini allwi tropwi genontai,
toutouV
de empesein men eiV ton Tartaron anagkh,
empesontaV
de autouV kai eniauton ekei genomenouV ekballei to kuma,
touV
men androfonouV kata ton Kwkuton,
touV
de patraloiaV kai mhtraloiaV kata ton Puriflegeqonta:
Die hingegen heilbare zwar, aber doch große Vergehungen begangen
zu haben erfunden werden,
wie die gegen Vater oder Mutter im Zorn etwas Gewalttätiges ausgeübt
oder die auf diese oder andere Weise Mörder geworden sind,
diese müssen zwar auch in den Tartaros stürzen,
aber wenn sie hineingestürzt und ein Jahr darin gewesen sind,
wirft die Welle sie wieder aus,
die Mörder auf der Seite des Kokytos,
die aber gegen Vater und Mutter sich versündigt, auf der des Pyriphlegethon.
epeidan
de feromenoi genwntai kata thn limnhn thn Acerousiada,
entauqa
bowsi te kai kalousin,
oi
men ouV apekteinan, oi
de ouV ubrisan,
Wenn sie nun, auf diesen fortgetrieben, an den Acherusischen See kommen:
so schreien sie da und rufen die,
welche von ihnen getötet worden sind oder frevelhaft behandelt.
kalesanteV
d iketeuousi
[114b]
kai deontai easai sfaV ekbhnai eiV thn limnhn kai dexasqai,
Haben sie sie nun herbeigerufen, so flehen sie
und bitten, sie möchten sie in den See aussteigen lassen und sie
dort aufnehmen.
kai
ean men peiswsin, ekbainousi te kai lhgousi twn kakwn,
ei
de mh, ferontai auqiV eiV ton Tartaron
kai
ekeiqen palin eiV touV potamouV,
kai
tauta pasconteV ou protoeron pauontai
prin
an peiswsin ouV hdikhsan:
auth
gar h dikh upo twn dikastwn autoiV etacqh.
Wenn sie sie nun überreden, so steigen sie aus, und ihre Übel
sind am Ende;
wo nicht, so werden sie wieder in den Tartaros getrieben
und aus diesem wieder in die Flüsse,
und so hört es nicht auf ihnen zu ergehen,
bis sie diejenigen überreden, welchen sie unrecht getan haben;
denn diese Strafe ist ihnen von den Richtern angeordnet.
oi
de dh an doxwsi diaferontwV proV to osiwV biwnai,
outoi
eisin oi twnde men twn topwn
twn
en thi ghi eleuqeroumenoi te kai apallattomenoi [114c]
wsper desmwthriwn,
anw
de eiV thn kaqaran oikhsin afiknoumenoi kai epi ghV oikizomenoi.
Die aber ausgezeichnete Fortschritte in heiligem Leben gemacht zu haben
erfunden werden,
dies endlich sind diejenigen, welche,
von allen diesen Orten im Innern der Erde befreit und losgesprochen
von allem Gefängnis,
hinauf in die reine Behausung gelangen und auf der Erde wohnhaft werden.
toutwn
de autwn oi filosofiai ikanwV kaqhramenoi
aneu
te swmatwn zwsi to parapan eiV ton epeita cronon,
kai
eiV oikhseiV eti toutwn kalliouV afiknountai,
aV
oute raidion dhlwsai
oute
o cronoV ikanoV en twi paronti.
Welche nun unter diesen durch Weisheitsliebe sich schon gehörig
gereinigt haben,
diese leben für alle künftigen Zeiten gänzlich ohne
Leiber
und kommen in noch schönere Wohnungen als diese,
welche weder leicht wären zu beschreiben,
noch würde die Zeit für diesmal zureichen.
alla
toutwn dh eneka crh wn dielhluqamen, o Simmia,
pan
poiein wste arethV kai fonhsewV en twi biwi metascein:
kalon
gar to aqlon kai h elpiV megalh.
Aber schon um dessentwillen, was wir jetzt auseinandergesetzt haben,
o Simmias,
muß man ja wohl alles tun, um der Tugend und Vernunft im Leben
teilhaftig zu werden.
Denn schön ist der Preis und die Hoffnung groß.
[63. Das Vertrauen
auf diesen Mythos als schönes Wagnis]
[114d]
to men oun tauta diiscurisasqai outwV ecein wV egw dielhluqa,
ou
prepei noun econti andri:
oti
mentoi h taut estin h toiaut atta
peri
taV yucaV hmwn kai taV oikhseiV,
epeiper
aqanaton ge h yuch fainetai ousa,
touto
kai prepein moi dokei kai axion kinduneusai
oiomenwi
outwV ecein
Daß sich nun dies alles gerade so verhalte, wie ich es auseinandergesetzt,
das ziemt wohl einem vernünftigen Mann nicht zu behaupten;
daß es jedoch, sei es nun diese oder eine ähnliche Bewandtnis
haben muß
mit unseren Seelen und ihren Wohnungen,
wenn doch die Seele offenbar etwas Unsterbliches ist,
dies, dünkt mich, zieme sich gar wohl und lohne auch, es darauf
zu wagen,
daß man glaube, es verhalte sich so.
kalwV
gar o kindunoV
kai
crh ta toiauta wsper epadein eautwi,
dio
dh egwge kai palai mhkunw ton muqon.
Denn es ist ein schönes Wagnis,
und man muß mit solcherlei gleichsam sich selbst besprechen.
Darum spinne ich auch schon so lange an der Erzählung.
alla
toutwn dh eneka qarrein crh peri thi eautou yuchi [114e]
andra
ostiV
en twi biwi taV men allaV hdonaV taV peri to soma
kai
touV kosmouV eiase cairein, wV
allotriouV te ontaV,
kai
pleon qateron hghsamenoV apergazesqai,
taV
de peri ton manqanein espoudase te kai kosmhsaV thn yuchn
ouk
allotriwi alla twi authV kosmwi,
swfrosunhi
te kai [115a] dikaiosunhi kai andreiai kai eleuqeriai kai alhqeiai,
outw
perimenei thn eiV Aidou poreian
wV
poreusomenoV otan h eimarmenh kalhi.
Also um dessentwillen muß ein Mann guten Mutes sein seiner Seele
wegen,
der im Leben die andern Lüste, die es mit dem Leibe zu tun haben,
und dessen Schmuck und Pflege hat fahren lassen als etwas ihn selbst
nicht Angehendes
und wodurch er nur Übel ärger zu machen befürchtete,
jener Lust hingegen an der Forschung nachgestrebt und seine Seele geschmückt
hat
nicht mit fremden, sondern mit dem ihr eigentümlichen Schmuck,
Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Edelmut und Wahrheit,
so seine Fahrt nach der Unterwelt erwartend,
um sie aufzutreten, sobald das Schicksal rufen wird. —
umeiV
men oun, efh, w Simmia te kai KebhV kai oi alloi,
eiV
auqiV en tini cronwi ekastoi poreusesqe:
eme
de nun hdh kalei, faih an anhr tragikoV, h eimarmenh,
kai
scedon ti moi wra trapesqai proV to loutron:
Ihr nun, setzte er hinzu, o Simmias und Kebes und ihr übrigen,
werdet ein andermal jeder zu seiner Zeit abgehen;
mich aber ruft jetzt schon, würde ein tragischer Mann sagen, das
Geschick,
und es ist wohl beinahe Zeit, sich nach dem Bade umzusehen.
dokei
gar dh beltion einai lousamenon piein to farmakon
kai
mh pragmata taiV gunaixi parecein nekron luein.
Denn es dünkt mich doch besser zu baden, ehe ich den Trank nehme,
und nicht hernach den Weibern Mühe zu machen mit dem Waschen des
Leichnams.
[64.
Letzter Auftrag des S. an Kriton und die Freunde.
Seine Zuversicht über das Fortgehen der Seele]
Als er dieses gesagt, sprach Kriton:
Wohl, o Sokrates!
Was aber trägst du diesen oder mir auf deiner
Kinder wegen,
oder was wir sonst irgend dir noch recht zu Dank
machen könnten,
wenn wir es täten? —
Was ich immer sage, sprach er, o Kriton,
nichts Besonderes weiter, daß nämlich,
wenn ihr euer selbst recht wahrnehmt,
ihr mir und den meinigen und euch selbst alles zu Dank machen werdet,
was ihr nur tut,
und wenn ihr es auch jetzt nicht versprecht;
wenn ihr aber euch selbst vernachlässigt und nicht gleichsam
den Spuren des jetzt und sonst schon Gesagten nachgehen wollt im Leben,
daß ihr dann, wenn ihr auch jetzt noch so vieles und noch so
heilig versprächet,
doch nichts weiter damit ausrichten werdet. —
Dieses also wollen wir uns bestreben, so zu machen,
sagte Kriton.
Aber auf welche Weise sollen wir dich begraben?
—
Wie ihr wollt, sprach er, wenn ihr mich nur wirklich haben werdet
und ich euch nicht entwischt bin.
Dabei lächelte er still und sagte, indem er uns ansah:
Diesen Kriton ihr Männer, überzeuge ich nicht,
daß ich dieser Sokrates bin, der jetzt mit euch redet
und euch das Gesagte einzeln vorlegt,
sondern er glaubt, ich sei jener, den er nun bald tot sehen wird,
und fragt mich deshalb, wie er mich begraben soll.
Daß ich aber schon so lange eine große Rede darüber
gehalten habe,
daß, wenn ich den Trank genommen habe,
ich dann nicht länger bei euch bleiben,
sondern fortgehen werde zu irgendwelchen Herrlichkeiten der Seligen,
das, meint er wohl, sage ich alles nur so, um euch zu beruhigen und
mich mit.
So legt ihr denn eine Bürgschaft für mich ein beim Kriton,
und eine ganz entgegengesetzte, als er bei den Richtern eingelegt hat.
Denn er hat sich verbürgt, ich würde ganz gewiß bleiben,
ihr aber verbürgt euch dafür, daß ich ganz gewiß
nicht bleiben werde,
wenn ich tot bin,
sondern mich davonmachen und fort sein,
damit Kriton es leichter trage,
und, wenn er meinen Leib verbrennen oder begraben sieht,
sich nicht ereifere meinetwegen, als ob mir Arges begegne;
und damit er nicht beim Begräbnis sage,
er stelle den Sokrates aus oder trage ihn heraus oder begrabe ihn.
Denn wisse nur, sagte er, o bester Kriton,
sich unschön ausdrücken ist nicht nur eben insofern fehlerhaft,
sondern bildet auch etwas Böses ein in die Seele.
Sondern du mußt mutig sein und sagen, daß du meinen Leib
begräbst
und diesen begrabe nur,
wie es dir eben recht ist und wie du es am meisten für schicklich
hältst.
[65. Beisammensein
mit den Verwandten und Ankündigung des Sonnenuntergangs]
Dieses gesagt, stand er auf und ging in ein Gemach,
um zu baden,
und Kriton begleitete ihn,
uns aber hieß er dableiben.
Wir blieben also und redeten untereinander über
das Gesagte
und überdachten es noch einmal;
dann aber auch klagten wir wieder
über das Unglück, welches uns getroffen
hätte,
ganz darüber einig, daß wir nun gleichsam
des Vaters beraubt
als Waisen das übrige Leben hinbringen würden.
Nachdem er nun gebadet und man seine Kinder zu
ihm gebracht hatte
— er hatte nämlich zwei kleine Söhne
und einen größern —
und die ihm angehörigen Frauen gekommen
waren,
sprach er mit ihnen in Kritons Beisein,
und nachdem er ihnen aufgetragen, was er wollte,
hieß er die Weiber und Kinder wieder gehen,
er aber kam zu uns.
Und es war schon nahe am Untergange der Sonne,
denn er war lange drinnen geblieben. —
Als er nun gekommen war,
setzte er sich nieder nach dem Bade
und hatte noch nicht viel seitdem gesprochen,
so kam der Diener der Elfmänner, stellte
sich zu ihm und sagte:
O Sokrates, über dich werde ich mich nicht
zu beklagen haben, wie über andere,
daß sie mir böse werden und mir fluchen,
wenn ich ihnen ansage,
das Gift zu trinken auf Befehl der Oberen.
Dich aber habe ich auch schon sonst in dieser
Zeit erkannt
als den edelsten, sanftmütigsten und trefflichsten
von allen,
die sich jemals hier befunden haben,
und auch jetzt weiß ich sicher, daß
du nicht mir böse sein wirst,
denn du weißt wohl, wer schuld daran ist,
sondern jenen.
Nun also, denn du weißt wohl,
was ich dir zu sagen gekommen bin,
lebe wohl, und suche so leicht als möglich
zu tragen,
was nicht zu ändern ist.
Da weinte er, wendete sich um und ging. —
Sokrates aber sah ihm nach und sprach:
Auch du lebe wohl, und wir wollen so tun.
Und zu uns sagte er:
Wie fein der Mensch ist.
So ist er die ganze Zeit mit mir umgegangen,
hat sich bisweilen mit mir unterredet und war der beste Mensch;
und nun, wie aufrichtig beweint er mich!
Aber wohlan denn, o Kriton, laßt uns ihm gehorchen,
und bringe einer den Trank, wenn er schon ausgepreßt ist,
wo nicht, so soll ihn der Mensch bereiten. —
Da sagte Kriton: Aber mich dünkt, o Sokrates,
die Sonne scheint noch an die Berge und ist noch
nicht untergegangen.
Und ich weiß, daß auch andere erst
ganz spät getrunken haben,
nachdem es ihnen angesagt worden ist,
und haben noch gut gegessen und getrunken,
ja einige haben gar noch Schöne zu sich
kommen lassen,
nach denen sie Verlangen hatten.
Also übereile dich nicht; denn es hat noch
Zeit. —
Da sagte Sokrates:
Gar recht, o Kriton, hatten jene, so zu tun, wie du sagst
— denn sie meinten etwas zu gewinnen, wenn sie so täten —,
und gar recht habe auch ich, nicht so zu tun.
Denn ich meine nichts zu gewinnen,
wenn ich um ein weniges später trinke,
als nur, daß ich mir selbst lächerlich vorkommen würde,
wenn ich am Leben klebte und sparen wollte, wo nichts mehr ist.
Also geh, sprach er, folge mir und tue nicht anders. —
[66.
Das Trinken des Gifts, letzte Worte und Tod des S.]
Darauf winkte denn Kriton dem Knaben, der ihm
zunächst stand,
und der Knabe ging heraus,
und nachdem er eine Weile weggeblieben, kam er
und führte den herein, der ihm den Trank
reichen sollte,
welchen er schon zubereitet im Becher brachte.
—
Als nun Sokrates den Menschen sah, sprach er:
Wohl, Bester, denn du verstehst es ja,
wie muß man es machen? —
Nichts weiter, sagte er, als wenn du getrunken
hast,
herumgehen, bis dir die Schenkel schwer werden,
und dann dich niederlegen,
so wird es schon wirken.
Damit reichte er dem Sokrates den Becher,
und dieser nahm ihn,
und ganz getrost, o Echekrates,
ohne im mindesten zu zittern oder Farbe oder
Gesichtszüge zu verändern,
sondern, wie er pflegte, ganz gerade den Menschen
ansehend,
fragte er ihn:
Was meinst du von dem Trank wegen einer Spendung?
Darf man eine machen oder nicht? —
Wir bereiten nur soviel, o Sokrates, antwortete
er,
als wir glauben, daß hinreichend sein wird.
—
Ich verstehe, sagte Sokrates.
Beten aber darf man doch zu den Göttern und muß es,
daß die Wanderung von hier dorthin glücklich sein möge,
worum denn auch ich hiermit bete,
und so möge es geschehen.
Und wie er dies gesagt, setzte er an,
und ganz frisch und unverdrossen trank er aus.
Und von uns waren die meisten bis dahin ziemlich
imstande gewesen sich zu halten,
daß sie nicht weinten;
als wir aber sahen, daß er trank und getrunken
hatte,
nicht mehr.
Sondern auch mir selbst flossen Tranen mit Gewalt,
nicht tropfenweise,
so daß ich mich verhüllen mußte
und mich ausweinen,
nicht über ihn jedoch, sondern über
mein eigenes Schicksal,
was für eines Freundes ich nun sollte beraubt
werden.
Kriton war noch eher als ich,
weil er nicht vermochte die Tränen zurückzuhalten,
aufgestanden.
Apollodoros aber hatte schon früher nicht
aufgehört zu weinen,
und nun brach er völlig aus,
weinend und unwillig sich gebärdend,
und es war keiner, den er nicht durch sein Weinen
erschüttert hätte,
von allen Anwesenden als nur Sokrates selbst.
Der aber sagte:
Was macht ihr doch, ihr wunderbaren Leute!
Ich habe vorzüglich deswegen die Weiber weggeschickt,
daß sie dergleichen nicht begehen möchten;
denn ich habe immer gehört, man müsse stille sein,
wenn einer stirbt.
Also haltet euch ruhig und wacker.
Als wir das hörten,
schämten wir uns und hielten inne mit Weinen.
Er aber ging umher,
und als er merkte, daß ihm die Schenkel
schwer wurden,
legte er sich gerade hin auf den Rücken,
denn so hatte es ihm der Mensch geheißen.
Darauf berührte ihn eben dieser,
der ihm das Gift gegeben hatte, von Zeit zu Zeit
und untersuchte seine Füße und Schenkel.
Dann drückte er ihm den Fuß stark
und fragte ob er es fühle;
er sagte nein.
Und darauf die Knie,
und so ging er immer höher hinauf
und zeigte uns, wie er erkaltete und erstarrte.
Darauf berührte er ihn noch einmal und sagte,
wenn ihm das ans Herz käme,
dann würde er hin sein.
Als ihm nun schon der Unterleib fast ganz kalt
war,
da enthüllte er sich, denn er lag verhüllt,
und sagte, und das waren seine letzten Worte:
O Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig,
entrichtet ihm den,
und versäumt es ja nicht. —
Das soll geschehen, sagte Kriton,
sieh aber zu, ob du noch sonst etwas zu sagen
hast.
Als Kriton dies fragte, antwortete er aber nichts
mehr,
sondern bald darauf zuckte er,
und der Mensch deckte ihn auf;
da waren seine Augen gebrochen.
Als Kriton das sah,
schloß er ihm Mund und Augen.
[67. Schlußworte über
Sokrates]
Dies, o Echekrates, war das Ende unseres Freundes,
des Mannes,
der unserm Urteil nach von den damaligen,
mit denen wir es versucht haben, der trefflichste
war,
auch sonst der vernünftigste und gerechteste.
Platon:
Sonnengleichnis, Linienanalogie und Höhlengleichnis
- Politeia
6,506 a bis 7,519 d