Hans
Zimmermann, Görlitz
: philosophische Lyrik : Dreistern
*
Einsstern
* Zweistern *
Dreistern * Vierstern
* Fünfstern *
Sechsstern * Siebenstern
* Achtstern
DREISTERN
1 Da tauchen
sie auf * 2 Ist das noch Spiel? * 3 Gekrümmt
verzerrt zerdehnt erschlagen
4 Sie
reißen mich hierhin und dorthin * 5 Von diesem tosenden
Strand * 6 Ein leiser Windhauch
7 Du bist
ja ganz verloren * 8 Du weißt * 9
Was für eine Welle gleitest du durch mein Leben
1
Da tauchen sie auf, die
zwei, laut singend, lachend;
sie stoßen sich übermütig
vom Weg und sind doch unzertrennlich.
Schau genauer hin.
Der eine nimmt gerade einen
Stein vom Boden auf, wirft ihn in die Luft,
und zwitschitschitt wird
ein Sperling daraus.
Da wirft der andere einen
Kiesel hinterher,
und hauschawausch schwingt
sich ein Adler hinauf,
der ohne Federlesen den kleinen
Yogel zerfetzt.
Sofort wirft der, erste
ein Sandkorn hoch,
und grrraah entfaltet es
sich zu einem gewaltigen Drachen,
der verschlingt ohne zu kauen
den Adler.
Da fliegt sein Gefährte,
tatsächlich selbst hoch
und zerreißt mit
donnerndem Gebrüll den Drachen,
so daß überall
das Drachenblut herumspritzt,
und purpurne Tropfen regnen
wie Sternsand über den Himmel.
Da wächst dessen, Freund
mit einem Mal zu Bergesgröße, greift den Gefährten aus
der Luft
und schleudert ihn iijeeah!
mit grellem Schrei in die Sonne.
Die Sonne aber kocht über
und explodiert mit unerhörtem Getöse.
Wie Baumäste brechen die
Feuerströme aus ihr hervor
und drohen alles zu ergreifen
und zu überschwemmen mit ihrer goldenen Glut.
Und in dem Andrang der
sonnigen Flut
schrumpft der Freund in
der Wüste wieder zusammen
und wird kleiner als klein
und verschwindet.
Die Flammenströme brechen
nun herein auf das ganze Land,
vergolden alles und entzünden
alles mit dem Glanz der Sonnenmacht.
Hell gleißt das Licht,
daß du geblendet die Augen schließen mußt.
Was ist das auf einmal? War
das nur Traum?
Wie ein Blitz so kurz war das
ganze Ereignis,
wie ein Blitz vom Auge
des einen zum Auge des anderen,
alles nur im Aufleuchten
eines Blickes.
Aber sein Gefährte lacht
bloß: Was sollen denn diese mythischen Kinderspielchen?
Und er verwandelt, indem er
sich reckt,
daß die Himmel oben
mit seinen Schultern auseinanderwachsen
und unter seinen Füßen
alles zusammenschmilzt,
die Erde in einen Fußball,
den kicken sich die beiden
einander durch den Raum zu,
erst in geometrischem Zickzack,
dann in großen Bögen,
in turbulenten Schleuderbahnen,
in halsbrecherischen Kapriolen.
Und sie kicken die Erde in
die Sonne!
Und wieder explodiert die Sonne
in einem großen Kranz,
der sich schnell durch
den Weltraum weitet, welch eine schöne Rosette!
Doch sieh: Der ganze Strahlenkranz
verschwindet als Lichtfunke im Auge des anderen.
Was ist das nur für ein
Spiel, das die beiden noch durch diese Wüste treibt?
Was kann ihnen noch das öde
Land bedeuten?
Mein Freund, die heiße
Luft flimmert über den Sand,
und deine Phantasie hängt
sich an Trugbildern auf!
Sieh wie die beiden immer wieder
verschwinden.
Wie kannst du nur ihre weißen
Gewänder vom Sand unterscheiden?
Da ist doch nur Wüste,
alles öd und leer. Was suchst du also?
Ich weiß, diese Einsamkeit
ist wie ein Spiegel,
und du siehst dich mit deinem
Bruder dort entlanggehen
und die Einöde bebildern
und verzaubern.
Du schlägst das flache
Land in Wellen,
du läßt den
Wind von der Sonne zum saugenden Mond strömen,
du kettest Moleküle ineinander
und du schlägst Sternfunken aus dem Gestein;
und doch ist das alles nichts
als Fata Morgana. Was suchst du?
Willst du dich finden,
dann höre auf zu suchen.
Aber du willst spielen,
du gespaltener Narr! Du unmögliches Etwas!
2
Ist das noch Spiel von
dir gespielt?
Du magst vielleicht ein
Spielzeug sein
das ja nicht weiß
wozu es dient
wie mein Pullover nicht
die Wärme spüren kann
die er mir gibt
So kann dein ganzes Weh
und Ach
nichts als Verkleidung
sein
Siehst du denn nicht daß
dies nur deine
Rolle ist? dein wahres
Ich dahinter steht
zuschaut und lächelt
und sich hier
nur spielend zur Verfügung
stellt?
Wie kann ich dich ansprechen
wie nur
kann ich dich erreichen?
Unterhalte ich mich ja
auch kaum
mit meinem Hemd
und ists mir noch so nah
so gibts
auf meine Fragen doch noch
keine Antwort
Wie sag ich einem Blinden
daß die Milch weiß ist
und einem Tauben wie die
Amsel singt?
Ich sage nichts
Das Spiel ja weitergeht
obwohl
du deinen ganzen Einsatz
schon verloren hast
und nun dich selbst verpfändet
hast
und fragst: Ist das noch
Spiel?
Es ist! Wenn du nicht klagst
so gehst
du Selbsteinsatz auf die
Gewinnerseite
und du siegst!
Doch wenn dein Jammern
dich wegnimmt
dich stiehlt aus unsrem
Kreis dann wär
der letzte Trug noch ärger
als der erste
3
Gekrümmt verzerrt
zerdehnt erschlagen
Wo rollen die Folgen aus
habe ich nicht die Kraft
meine gebrochenen Glieder aus dem Rad zu ziehen
meine geschwollenen Augen
im Schlaf zu schließen
Da häng ich noch verknotet
in die Speichen
durch meine Brust klafft
ein schneidender Schmerz
und spaltet alle Anfänge
in Verzweiflung
In einem Bach voll kühler
Strudel will ich liegen
Gurgeltöne saugen
durch mein altes Leben
öffnen alle Poren
und das Wasser wäscht mich aus
Ein laffer Schwamm zusammensinkt
und alle letzten Worte
schwimmen fort
gedankenverloren
mich geh ich fort an dich
ein nasses Handtuch
das über deinen Rücken
klatscht
und deine müde Haut
mit strengem Mut erfrischt
4
Sie reißen mich hierhin
und dorthin
und ich möchte doch
nur überall sein
in Frieden und Ruhe
Sie zünden dich an
für ihre Zwecke
und du wolltest doch allen
leuchten
in gleicher Weise
Wir verzetteln uns in Parteien
und wollten doch nur Gerechtigkeit
ohne eure Liebe aufzusaugen
5
Von diesem tosenden Strand
verkrieche ich mich in
die Weite des Meeres
von den Luftschläger-Wellen
Windkreisel-Wasserspielen-Schwapp-Schwingen
tauche ich ein ins
Blaugrün
Schwarz
Nacht in der neue Sternschwärme
meinen Augen entbrummen
Funken brauner Geborgenheiten
lösen sich auf im
satten
Ichbinnichts-Dubistalles
Oh ja
Im Knistern des Feuers
finde ich mich wieder als sanfte Ewigkeit
Nische zwischen den Flammen
aus der sich das rasende Leben nährt
Nimm alles was du willst
aus mir nimm Glanz und Wärme und gib dir
mich Liebe
Funken bunter Kometenkreisel
geben sich fort im vollen
Ichbinnichts-Dubistalles
Oh ja
Nimm alles was du willst
aus mir nimm Raserei und Rausch gib dir
mich Wahnsinn
Funken lichterner Göttlichkeiten
brausen durch meine Sinne
Ich bin nichts Du bist
alles
Oh ja
6
Ein leiser Windhauch weht
mich an
Das stumme Wort in deinem
Blick
erregt ein kaum vergessnes
Glück
doch schweigend halt ich
mich zurück
Dein Lebensrätsel
löst ich nicht
Die Antwort die ich dir
beschert
hat nur noch deinen Sinn
verwirrt
und meine Absicht umgekehrt
Mein Spiegelbild blickt
leer und fremd
da ich mein Leben dir geschenkt
den Schatz in deinem Meer
versenkt
an dem mein ganzes Leben
hängt
7
Du bist ja ganz verloren
in all die Liebe die sie
dir gegeben hat
So reißt ein Strudel
durch dein Sein
und zieht gewaltige Gedankenströme
in seinen starken Kreis
und all dein Leben fließt
dem Grunde deines Bewußtseinsmeeres
zu
Spiralen um den bodenlosen
Sog
erreichen nie den Mund
der Wirbeltrichterblüte
den absoluten Pol
Im Spiegel der hinab zusammenreißenden
Oberfläche
erscheint ihr Lied
so wie Sonnenbilder auf
den Wassersträngen
deines Strudels tanzen
ein schwindeliger Glanz
den dein Schlund nicht fressen kann
lacht sie dich aus und
spielt ein Spiel mit dir
das für dich voller
Ernst ist
Siehst du nicht
daß alles was du
an ihr findest
ganz dir selbst gehört
von dir gespiegelt
von dir allein
Ja kreise stärker
wilder rase rase
Ja teile tiefer noch die
Fluten deiner Kraft
daß die Wellenwände
quellen
hoch gewaltig in den Himmel
Ja bis du sie an dich in
dich reißt
von der allein das Spiegelbild
dich schon so geblendet
hat
Ja zieh ihr Licht in goldnem
Strom
dem Munde deines Trichterwirbels
dem Grunde deines Ozeanes
zu
so daß mit unwiderstehlicher
Gewalt
sich Flut und Sonne
ineinander schmelzen
sich beide Pole einen
ohne Ende
8
Du weißt
Ein gelinder Stromschlag
zuckt deine Hüfte
Mit glatten Armen spannst
du die Luft
in saugende Schnecken
Du kleines Biest verhedderst
meine Plangewebe
in dein Lächeln
Du tust mir weh mit deinen
Nein-Bissen
Meine Wünsche sind
Kaugummi
deiner blanken Zähne
Bitte schluck mich
(Du weißt
Ich verklebe deinen Magen)
Du erstickst mich mit deinem
Atem
Gern war ich die Luft
die du durch deine Zigarette
ziehst
kurz aufleuchten vor deinen
Fingern
und gespannten Lippen und
als Rauch
in deine Lungen greifen
würde mir genügen
(Du weißt
Ich vergifte dein Blut)
und leicht wippst du zurück
läßt mich los
von deiner Kehle
strömen durch deinen
Geschmack
(Du sinniges Fräulein)
Vor deinem Mund dem schweren
Oval
löse ich mich in deinem
leisen Lachen auf
Ich weiß
So bin ich verloren
9
Was für eine Welle
gleitest du durch mein Leben
Was für ein Magnetstern
saugst du meine Ozeane fort
reißt meine Berge
in schroffen Türmen
in felsigen Fingern auf
dich zu
Was für ein Geheimnis
versteckst du
in deinem innersten Labyrinth
Welchen Minotaurus soll
ich dort totschlagen
Was für eine Nuß
knacken
die Person die deine Identität
in Anspruch nimmt
arg plagen erstechen und
durchkitzeln
bis zum bitteren Ende
Den Drachen will ich verschlingen
die Vögel nach dem
Weg zum Bahnhof fragen
und dann im schlanken Zug
in deine Mitte schießen
und dir die Antwort zwitschern
Meinem Stich entkommst
du nicht
Einsstern
* Zweistern * Dreistern
* Vierstern * Fünfstern
* Sechsstern
Siebenstern
* Achtstern
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