Der Urbeginn als ein Seiendes ohne Beginn (19)
schuf deshalb mit dem Urbeginn, vom Urbeginn an, im Urbeginn der Zeit (20)
den Himmel und die Erde, das ist die Welt. (21)
19) Marius Victorinus, Brief an den Arianer
Candidus 16,10ff; Augustinus, De ordine 2,5:
Gott als omnium rerum principium sine principio
u.ö. meint den Vater; der Sohn ist dann principium
de principio; hier: principium
temporis.
20) Quoniam ex ipso et per ipsum et in
ipso sunt omnia Rom
11, 36; Col 1,16f; in der Patristik übliche
Übertragung von Ioh 1,1-4
auf Prov 8,22-31
und Gen 1,1.
21) Erste, allgemeine "nichtspekulative"
mundus-Definition
als Abschluß der Gen 1,1-Interpretation;
mit den sechsen der folgenden Liste eine Siebener-Ordnung.
Sane
mundus. nunc celum empireum
nunc mundus archetipus.
nunc mundus sensilis
nunc sola regio sublunaris.
nunc homo
nunc /
renouatio rerum eiusdem generis. mundus nuncupatur.
(22)
f.3rb
Offensichtlich wird als Welt zum einen das Lichtreich,
dann die Urbildwelt,
dann die wahrnehmbare Welt,
dann nur der Bereich innerhalb der Mondsphäre,
dann der Mensch,
schließlich wird die Erneuerung der Dinge gemäß ihrer
Artanlage als Welt bezeichnet. (22)
22) Alle weiteren Definitionen Einschränkung
des Geltungsbereichs von "Welt" auf ein jeweils Näherliegendes (wie
wir heute z.B. auch eine "Erdkarte" als "Weltkarte" bezeichnen), in der
Reihenfolge vom Umfassendsten (äußere Himmel) die einzelnen
Schichten hinab bis zum Hier (dem Menschen, aber noch als Schöpfungsinbegriff).
Die erste, dritte, vierte und fünfte der hier aufgelisteten Definitionen
bilden den Anfang in Petr.Com., Historia scholastica
1,1 Mundus
quatuor modis dicitur; die zweite und
sechste entstammen Honorius Augustodunensis,
Imago mundi 1,2 Creatio
mundi .V. modis scribitur. Die Reihenfolge
weicht von der gegebenen Liste ab und bringt weitere mundus-Zuschreibungen
bei, so daß sie lauten müßte:
1. celum et terra
(Anm.21),
2. empireum mit
den Engeln (Anm.23-25),
3. celum Trinitatis
(Anm.26-31),
4. celum superempireum
mit Christus ascensus
und Maria assumpta
(Anm.32-37),
5. celum sidereum vel ethereum (= firmamentum)
(Anm.38-44) mit
6. Feuer und Sonne in seiner Wölbung (cameratio)
(Anm.45-49),
7. celum aereum
mit den Heiligen (Anm.50)
und dem
8. infernus malorum
(Anm.51);
9. celum animantium
(Anm.52, 53)
als Ort des
10. septimum celum
(für die Heiligen nach der zweiten Auferstehung)
(Anm.54);
desweiteren
ziemlich ungeordnet:
11. mundus sensilis (= omne)
(Anm.60-63),
12. mundus archetipus
(Anm.64, 65),
13. sublunaris regio
(Anm.66),
14. Sechstagewerk (Hexahemeron)
(Anm.67, 68),
15. mundus ab vno ad aliud traductus
(Anm.69, 70),
16. mundus als
motus (Anm.71)
und
17. figura rotunda ad modum pile instar oui,
als kosmisches Ei (Anm.72-75),
18. homo (= microcosmus)
(Anm.76-78),
19. renouatio
(am Weltende) (Anm.79, 80),
20. Zusammenfassung aller Bedeutungen im Johannesprolog
(Anm.81-84).
Empireum
celum mundum dixerim propter sui munditiam. (23)
a pir Greco quod est ignis
quasi eminens super celum igneum siue sidereum.
(24)
Hoc
quam cito factum statim dispositum est
et
ornatum id est sanctis angelis repletum (25)
Als Welt (= als rein) würde ich das Lichtreich (Empyreion) wegen seiner
Reinheit bezeichnen, (23)
von dem griechischen Wort pyr, das ein Feuer meint,
das gleichsam über den elementarischen Feuer- oder Sternenhimmel hinausreicht.
(24)
Dieser Himmel war so schnell, wie er geschaffen wurde, sofort verräumlicht
und ausgestattet, d.h. von heiligen Engeln erfüllt.
(25)
23) Quandoque
empireum celum mundus dicitur propter sui munditiam
Petr.Com. 1,1,
erste mundus-"Definition";
bei Gervasius aber (Formenkongruenz des adj. neutr. "rein", des subst.
masc. "den Reinen" und des subst. masc. "Welt" im Akk. mit dem neutr. Akk.
"das Empyreum") eine spielerische Prädikation als Assoziations-Echo
zur gleichlautenden Definition, äquivok-ambivalent in der Zuschreibung.
24) Die nachfolgende Worterklärung
wird angehängt, als seien Sache und Namen invers: "Die Welt (bzw.
den Reinen) nenne ich Empyreum vom Griechischen pyr"
usw., obwohl die munditia-Erklärung
dazwischen nicht eigentlich auf die Benennung als "Empyreum"
paßt, es sei denn, der tatsächliche etymologische Zusammenhang
von purgare und
pyr sei dem Autor
bewußt gewesen oder Feuer gälte als Prototyp des "Reinen" wie
im Zoroastrismus und im Bild der Läuterung des "Goldes" Prov
17,3; 1Petr 1,7; Apoc 3,18. Munditia
erklärt den mundus-Namen,
eminens pyr den
Empyreum-Namen.
Hier wie auch sonst immer Volksetymologie in der Art von Platons
Kratylos, d.h. durch Kontraktion eines umschreibenden
Ausdrucks: em von eminens
zu pyr gezogen.
Vgl. Origenes, Peri archon (Rufinus-Übersetzung,
De principiis) 2,3,6 (ed.Görgemanns/Karpp 122 Z.23ff,
mit Verweis auf Corpus Hermeticum 11,7):
Sed et ipsum supereminentem, quem dicunt aplane
globum, proprie nihilominus mundum appellari volunt;
dort also Fixsternsphäre, als beständig (aplane)
die Planetensphären überragend (supereminens).
- In der Antike und auch bei Dante der höchste Himmel, setzt Gervasius
das Empyreum
als Lichtreich über den eigentlichen Äther (das gefrorene Feuer
der gestirnten Kristallsphäre), aber noch unter das celum
Trinitatis und das celum
superempireum; vgl. Honorius
1,146f.
25) Petr.Com.
1,4: Empireum
enim celum, quam cito factum est, statim dispositum et ornatum, id est
sanctis angelis repletum. Klärende Anwendung
des obigen Dreischritts: facere, disponere,
ornare; die vorige Rahmenstellung des ordinare
stört hier nicht, mischt sich nicht ein; facere
(wohl = creare)
- nicht mehr zwischen Plan und Ausgestaltung versteckt – nunmehr der erste
Schritt; ornare
als Ausfüllung, Ausstattung durch die Engel erklärt; vgl. dazu
die Herkunft des Wortes aus Gen 2,1:
ornatus = kosmos
übersetzt hebr. zaba
= Heerschar.
super
istud arbitror esse celum Trinitatis (26)
vbi sola Trinitas habitat non localiter sed incircumscripte
(27)
et inenarrabili gloria et inatingibili (28)
de quo poeta. Innocencius Papa dixit
mitte archana Dei celumque inquirere quid sit (29)
de
quo Lucifer ens in empireo.
ascendam
in celum et ero similis altissimo (30)
conspiciens enim Trinitatis pluralitatem in personis
et equalitatem in Deitate
cogitabat eadem ratione equalitatis.
quartam posse superaddi personam
et pro sue claritatis eminencia se id esse presumpsit. (31)
Ich glaube, noch darüber befindet sich der Himmel der Dreifaltigkeit,
(26)
wo nur die Dreifaltigkeit ihren Sitz hat, nicht örtlich, sondern unumschrieben
(27)
und in einer Herrlichkeit, die alle Sprache und Berührung übersteigt;
(28)
wovon Papst Innocenz als Dichter gesagt hat:
Gottes Geheimnis und Himmel ‘Was bist du?’ zu fragen, ach laß es!
(29)
Wovon Luzifer, wesend im Lichtreich, sprach:
Ich werde in den Himmel aufsteigen und dem Höchsten gleich sein. (30)
Da er nämlich die Vielfalt in den Personen der Dreifaltigkeit
und deren Gleichheit in der Gottheit erschaute,
dachte er, man könne auf derselben Grundlage der Gleichheit
eine vierte Person hinzufügen;
und aufgrund seines überragenden Glanzes nahm er an, selbst dieses
Wesen zu sein. (31)
26) Einschub
in die abgeschriebene Petr.Com.-Kosmologie. – Das celum
Trinitatis (Honorius
1,147: celum celorum)
über dem Empyreum;
genauer: noch über dem celum superempireum.
Gott nicht in, sondern über den Himmelssphären entsprechend Isidor,
Etym 7,1: 5. Gottesname elion
(Gen 14,18-20, LXX
hypsistos, Vulgata
altissimus und
excelsus) interpretiert
mit Ps 112 (113),4
al haschamajim,
Vulgata super
caelos.
27) incircumscriptum
bei Iohannes Damaskenos, Pege gnoseos 3 (Ekdosis
akribes tes orthodoxou pisteos),2,6: Ouranos
esti perioche horaton te kai ahoraton ktismaton (...) Monon de Theion aperigrapton
esti, pantapleroun kai panta perihorizon.
- Hier in eher kosmologisch-räumlicher Imagination: Unendlicher Raum
der deitas, die
den Verstand der "Weltweisen" übersteigende Erhabenheit. Hier geht
der Blick wohl von der Erde hinaus, mit dem Kitzel des Sich-Verlierens
in der Unumschriebenheit, zugleich jedoch durch die sphärische Einkapselung
geschützt.
28) inattingibilis
höchst selten: nur einmal in Isidor,
Sententiae. – Die hier als "übersprachlich
und übersinnlich" abstrahierte und verjenseitigte gloria
Domini (gr. doxa,
hebr. kabod)
der Epiphanien in den Heiligtum-Einweihungen und Prophetenberufungen (Ex
33,18-23; Is 6; Ez 1 u.ö.; vgl. Ioh 1,18).
29) Dicta
Catonis (christianisierte mittelalterliche
Fassung) 2,2;
gewiß auch in den immensen Zitatenclustern von Innocenz III.
30) Luzifer im Empyreum – vgl. Petr.Com.
1,4 – der Lichtträger im Lichtreich mit
"Selbstverführung" im Sinne seines eritis
sicut dii Gen
3,5 an die protoparentes.
Von daher die Lehre, Adam sei in Luzifers freigewordene Himmelsstelle geschaffen
worden und werde dann vom Vorgänger in die gleiche Versuchung geführt.
Anlaß für jenen Luzifermythos ist zum einen der Satanssturz
de caelo Lc 10,18,
zum andern der Name des Drachenkämpfers in Apoc
12,7, die rhetorische Frage Mi-ka-el?,
Quis-ut-Deus?,
verstanden als apagogisches Argument gegen den Schöpfungsmorgenstern;
rückbezogen auf das Prophetenwort (eigentlich gegen den König
von Babel) Is 14,12-14:
Quomodo cecidisti de caelo, Lucifer, qui mane
oriebaris?
Corruisti in terram, qui vulnerabas gentes?
Qui dicebas in corde tuo: In caelum conscendam
super astra Dei exaltabo solium meum.
Sedebo in monte testamenti in lateribus aquilonis.
Ascendam super altitudinem nubium. Similis ero altissimo.
31) Der gleichsam demokratische Revolutionär
(mit Gleichheitsprinzip – stolze Empörung) gegen die Oligarchie der
"drei Personen" setzt wiederum einen Tritheismus voraus, ähnlich dem
Adam Gen 3,22,
der quasi unus ex nobis factus est;
eine organisch oder dynamisch verstandene trinitarische Einheit dagegen
integrierte die Vorgänge in der Schöpfung ohne Ausschlüsse:
die Dreidimensionalität des Schöpferischen umfaßte alles
und ließe von daher ein addierbares "Viertes" nicht zu, vgl. in
ipso enim vivimus et movemur et sumus Act
17,28. – Hier aber deutlicher der Luzifermythos
vom gestürzten "schönsten" der Engel aufgrund Is
14,12ff.
Porro sub celo hoc est celum superempireon
in
quo tradunt esse Christum hominem
et ibidem gloriosam virginem secundum illud ecclesiasticum
exaltata est sancta Dei genitrix super choros angelorum
ad celestia regna. vbi cum Christo regnat in eternum (32)
hinc est quod ascendente Domino intuentibusque discipulis in celum
ecce duo viri hoc est angeli sub forma virili adstiterunt iuxta illos.
qui dixerunt. Viri Galilei quid statis aspicientes in celum.
quasi obliti quid facere debeatis?
Hic Iesus qui assumptus est a vobis in celum.
sic veniet quemadmodum vidistis eum ascendentem in celum. (33)
sic enim baiulis nubibus videbitis in aere ad iudicium venientem.
(34)
Ideo quippe apparuerunt angeli. vt Dominum vere in celum ascendisse demonstrarent
scilicet in regionem supereminentem regioni angelorum (35)
non sicut Elias qui raptus in curru igneo ascendit ad sublunarem regionem
(36)
nec eam transcendit. sed translatus in paradisum terrestrem (37)
qui adeo eminet quod pertingit ad sublunarem regionem.
Ferner befindet sich unter diesem Himmel der Überlichthimmel,
in den der Überlieferung nach Christus als Mensch
und ebenso die herrliche Jungfrau aufgestiegen ist, gemäß jenem
Lied der Kirche:
Erhöht ist die heilige Gottesgebärerin über die Chöre
der Engel
zu den himmlischen Reichen, wo sie mit Christus herrscht in Ewigkeit.
(32)
Von daher kommt, daß es beim Aufstieg des Herrn, als die Jünger
in den Himmel blicken, heißt:
Siehe, zwei Männer, das meint Engel in männlicher Gestalt, stellten
sich zu ihnen hin,
die sprachen: Galiläer, was steht ihr da und blickt in den Himmel,
als ob ihr vergessen hättet, was ihr tun müßt?
Er, Jesus, der von euch fort in den Himmel emporgenommen wurde,
er wird ebenso, wie ihr ihn in den Himmel habt aufsteigen sehen, wiederkommen;
(33)
denn ebenso werdet ihr ihn von Wolken getragen in der Luft zum Gericht
kommen sehen. (34)
Also erschienen Engel, um aufzuweisen, daß der Herr wirklich in den
Himmel aufgestiegen sei,
und zwar in die Region, die über diejenige der Engel hinausreicht;
(35)
nicht wie Elias, der im Feuerwagen entrückt bis an die Untermondwelt
heran aufstieg, (36)
sie aber nicht überschritt, sondern in das irdische Paradies getragen
wurde, (37)
das so weit hinaufreicht, weil es an die Untermondwelt heranrührt.
32)
Vgl. Iohannes Damaskenos,
Homilie zu Mariae Himmelfahrt (später im Maria-Himmelfahrt-Kapitel
der Legenda aurea genutzt) und Gelasians
Sakramentar. – Anordnung nun schon zwei weiterer
Himmel über dem sonst höchsten, dem Empyreum. Luzifer- und Himmelfahrtsargument
verknüpft in Petr.Com. 1,4: Nach
(in absteigender Linie) 1. Empyreum, 2. Firmament = Feuerhimmel = Stern-
und Ätherhimmel und 3. Lufthimmel nun eine vierte Schicht, mit einem
Sprung zurück über das engelerfüllte Empyreum:
Quidam quartum suspicantur esse celum super
empireum,
quia Lucifer cum esset in empireo legitur dixisse:
Ascendam in celum etc.
Et in eo modo dicunt esse Christum hominem super angelos,
qui sunt in empireo.
Gervasius
untergliedert diesen "vierten Himmel" in celum
Trinitatis und celum
superempireum, die bei Petr.Com. nicht unterschieden
sind. (Dante
- zum Vergleich – spart den empireo
für die Trinität auf und gibt den Engelshierarchien – gemäß
Dionysios Aeropagites
- neun Schichten innerhalb des primum mobile
oberhalb der Sterne, das in höchster Geschwindigkeit die Vollkommenheit
des über ihm liegenden unbewegten Bewegers ersehnt) – Das regnum
der beiden Himmelfahrts-Gestalten (ohne die älteren assumpti
Henoch und Elias) erinnert an die beliebten Marienkrönungs-Mosaike
in Italien; vgl. die reich ausgestatteten beiden Himmelfahrtskapitel
der Leg.aur. sowie den Himmelsflug über
die Fixsternsphäre in Dantes Com.Div.,
paradiso c.23, V.118ff.
33) Act 1,10f;
der selbstvergessene intuitus
der Jünger – vgl. den neuplatonischen Terminus für den ekstatischen
Erkenntnisakt, z.B. Boethius, Aristoteleskommentar
In De interpretatione, Migne PL 64 Sp.300,
gemäß Plotinos, Enn. 4,4,1f
und Philon, De posteritate Caini 79
- von Gervasius wie eine Hildegardsche Vision (also weder physisch-sinnlich
noch in der philosophischen Strenge einer "intellektuellen Anschauung")
aufgefaßt, so daß die Engel und die Wolken des Bildes ihren
kosmischen Ort mitanzeigen, d.h. die Engel weisen über ihren empyreischen
Bereich hinaus; die "Wolken", nicht zu verwechseln mit denen der Sinnenwelt,
gleichfalls über der Engelwelt. Dem gegenüber der Abstieg bis
unter den Lufthimmel beim apokalyptischen Advent.
34) Der apokalyptische Menschensohn in
den Wolken aus Dan 7,13 cum
nubibus caeli, Mt
24,30 und 26,64
in nubibus caeli,
Mc 13,26 in
nubibus, Lc 21,27
in nube, Apoc
1,7 cum nubibus,
vgl. nubem testium
Hebr 12,1; baiulis
- eher Träger denn Boten – (nubibus
erläuternde Apposition dazu), entsprechend
Ps 103 (104),3 meint die Wolken (-Engel),
auf denen der Wiederkommende aufgestiegen ist: qui
ponis nubem ascensum tuum; zugleich die superempyreische
Wolkenschicht (kosmologisch konkretisiert) der altitudo
nubium in Is
14,14. – Damit ist durchaus noch eine Sicht
in die Wolken "hinauf" von seiten Luzifers, dann aber auch der Heiligen
vor dem Gericht möglich, die in das celum
aereum entrückt sind).
35) Entsprechend der Kongruenz der Himmelfahrtsszenerie
mit der kosmischen Stockwerk-Schichtung: Der zum Himmel gestiegene (ascensus)
Auferstehungsleib des Christus über den Engeln, vgl. Symb.
Nik. sedet ad
dexteram patris; Hebr
1,3 sedet ad
dexteram maiestatis in excelsis nach Ps
109 (110),1; dem entspricht die Argumentation
in Hebr 1,4-14,
darin zitiert Ps 96 (97),7; 103 (104),4; 44
(45),7f; 101 (102),26-28; vgl. Phil
2,9f; besonders aber Col
1,16; 2,10; 2,15.
36) Elias Himmelfahrt im Feuerwagen (4Rg
2,11) nur ins sublunarische Paradies in Iohannes
Damaskenos, Homilie zu Mariae Himmelfahrt (laut
Leg.aur. zum
gleichen Thema); auch in Leg.aur., Kap. Himmelfahrt
Christi (zu Ps 8,2); ebd.
Kap. Auferstehung, offensichtlich aus dem
apokryphen Nikodemus-Evangelium:
Elias und Henoch (die beiden Entrückten des AT)
warten im Paradies darauf, als die beiden Zeugen der 1260 Tage von
Apoc 11 wiederzukommen; ihnen begegnet der
Triumphzug der aus dem Limbus Befreiten Nik.-Ev.
25.
37) Lage des Paradieses ist üblicherweise
gemäß Gen 2,10-14
das Gebirge im Quellbereich von Euphrat und Tigris, beliebterweise eine
überragende Anhöhe, vergleichbar den Heilsbergen
Ps 120 (121),1 oder dem Tabor der transfiguratio
(Mt 17,1ff; Mc 9,2ff; Lc 9,28ff),
so noch in Miltons Paradise lost 4,179ff;
nach der "Schatzhöhle" 2,16
auf dem hochsymbolischen Zion (dort Jebus genannt) mit Adams Grab in Gleichörtlichkeit
von Sündenfall, Isaakopfer, Melkizedek-Altar, Erlösung, Weltgericht
und himmlischem Jerusalem (29,4-14),
allerdings "um drei Spannen des Geistes über die höchsten Berge"
erhöht (3,15),
so daß Adam in einem Eliasschen Feuerwagen hinauffährt
(3,8). - 2Cor
12,2-4 veranlaßt die beliebte Identifikation
des dritten Himmels mit dem Paradies. – Aber Gervasius' Formulierung stammt
(etwas verbogen) aus Petr.Com. 1,13: Est
autem locus amenissimus longo terre et maris tractu a nostra habitabili
zona secretus, adeo elevatus ut usque ad lunarem globum attingat.
Sub empireo. celum est sidereum. vel ethereum (38)
quod firmamentum nominat Moyses. dicens de opere secundi diei
fecit
Deus firmamentum in medio aquarum (39)
quandam
scilicet exteriorem mundi superficiem /
ex aquis congelatis adinstar cristalli
(40)
f.3va
solidatam
perlucidam et sensibilia intra se continentem. (41)
In hoc
firmamento infixa sunt sidera. (42)
quod
non tantum propter sui firmitatem firmamentum dicitur
(43)
sed
quia terminus est aquarum que super ipsum sunt firmus et intransgressibilis
vnde in psalmo.
Extendens celum sicut pellem
qui tegis aquis superiora eius
et iterum. Et aque que super celos sunt laudent nomen Domini (44)
Unterhalb des Lichtreichs befindet sich der Sternen- oder Ätherhimmel,
(38)
den Moses als Feste bezeichnet, indem er vom Werk des zweiten Tages sagt:
Es schuf Gott eine Feste inmitten der Wasser, (39)
nämlich eine Außenschale der Welt aus zusammengefrorenen Wassern,
wie Kristall, (40)
stabil, sehr klar und alles Wahrnehmungsfähige in sich enthaltend.
(41)
An diese Feste sind die Sterne geheftet. (42)
Diese wird nicht nur wegen ihrer Festigkeit Feste genannt,
(43)
sondern weil sie die Schranke der Wasser über ihr ist, fest und undurchdringlich,
weshalb es im Psalm heißt: Den Himmel wie eine Haut ausbreitend,
der du mit den Wassern seine Oberseite überschichtest;
und wiederum: Und die Wasser über den Himmeln loben den Namen des
Herrn. (44)
38) Kristalline Feste und Sternhimmel
hier aufgrund Gen 1,14
identisch; ungeachtet der zunächst scheinbar widersprechenden Konsistenz
zugleich als Ätherhimmel, vgl. Isidor,
Etym 13,5,1: Aether locus est in quo sidera
sunt, et significat eum ignem qui a toto mundo in altum separatus est;
Bruch aufgrund verschiedener Vorlagen (Petr.Com.-Zitat
s.Anm.40), jedoch
überbrückbar: Schon Empedokles sieht (ähnlich Anaximenes
DK 13 A 14) die Fixsternsphäre (fast
paradox) als gefrorene Luft an: Empedokles
steremnion einai ton ouranon ex aeros sympagentos
hypo pyros krystalloeidos in DK
31 A 51; ebd.
Lactantius, De opif. Dei 17,6: ... ut Empedocles
ait aerum glaciatum. Beda,
de nat. rer. c.7 (Migne PL 90 Sp.201 A): Hoc
(caelum) Deus aquis glacialibus temperavit, ne inferiora succenderet elementa.
In der Tat scheinen sich alle Konsistenzen in Gervasius' Gleichsetzung
synästhetisch zu vereinigen.
39) Die Feste zur Trennung der oberen
von den unteren Wassern, Gen 1,6;
Motiv des babylonischen Schöpfungsmythos, Enuma
Elisch, Tafel 4, 135ff, wo die Urflut (Tiamat,
hebr. majim)
"wie ein Fisch" entzweigeschnitten wird und aus der einen Hälfte das
Himmelsgewölbe gemacht wird: "Er zog den Riegel ein, setzte Wächter
ein und schärfte ihnen ein, ihre Wasser nicht heraus zu lassen." Vgl.
Iob 38,8ff, Ps 19,2;
dem entsprechend erscheint die Bewältigung der Urflut als Haupthandlung
der alttestamentlichen Schöpfungsgestaltung, z.B. Prov
8,27-29; s.u. Kap. 2 zu aqua
als Schöpfungsstoff, aus Petr.Com. 1,2
gegen Ende.
40) Petr.Com. 1,4
(anschl. an angelis repletum):
fecit ergo ea die Deus firmamentum in medio
aquarum
id est quandam exteriorem mundi superficiem
ex aquis congelatis ad instar crystalli
consolitatam et perlucidam
intra se cetera sensibilia continentem
ad imaginem teste que in ouo est
et in eo fixa sunt sidera.
Alte
Theorie des Empedokles, DK 31 A 51;
gr. krystallos meint selbst schon alles Geronnene, Gefrorene und dabei
zugleich Durchsichtige. Aber auch Iob 38,29f
kennt wohl himmlischen Frost. Kristallines
Firmament vor allem in Ezechiels Cherubim-Vision Ez
1,22:
Et similitudo super capita animalium firmamenti -
hebr.: raqija (wie in Gen
1,6f) -
quasi aspectus crystalli horribilis – hebr.:
ke-°en
haqqärach hannora (= wie
der Anblick von Eis!) -
et extenti super capita eorum desuper.
41) Trinitarisch anmutendes Trikolon beinahe
widersprüchlicher Eigenschaften: Festigkeit, Transparenz, Sichtgrenze
der visibilia gegenüber den invisibilia
(Col 1,16; Symb. Nik.)
42) Nur imposuit
für das Anbringen der Sterne Gen 1,14,
aber in quo sunt infixi
Cicero, Somnium Scip., De re publ. 6,17
43) Petr.Com.
1,4 (anschl. an sidera):
et dicitur firmamentum non tantum propter
sui soliditatem
sed quia terminus est aquarum que super ipsum sunt
firmus et intransgressibilis.
44) Ps 103
(104),3 und Ps
148,4; ähnlich Dan
3,60. (Von Petr.Com.
erst nach weiteren Erörterungen zitiert.)
istud
pro sui cameratione Greci dicunt. vranon. quod sonat palatum. (45)
Diciturque
celum id est quasi casa elios.
sol
enim ipsi suppositus ipsum illustrat. (46)
Hanc
quoque camerationem filosophus sumitatem ignis intellexit.
Cum enim
ignis non habet quo ascendat
circumuoluitur
vt in clibano patet. (47)
De hoc igne dixit Ovidius
ignea conuexi vis et sine
pondere celi;
emicuit summaque locum sibi legit in arce.
(48)
Summa dixit. quia celi
empirei notitia ad philosophos non peruenit (49)
Wegen ihrer Wölbung nennen die Griechen sie "Ouranos", was Gaumen
bedeutet. (45)
Und "Celum" wird sie genannt, gleichsam als "casa Helios", Helios' Behausung.
Die Sonne nämlich, die unter ihr ihre Stelle hat, leuchtet sie aus.
(46)
Diese Wölbung erkannte der Philosoph als Höhepunkt des Feuers.
Da nämlich das Feuer nichts hat, wohin es weiter hinaufsteigen kann,
wälzt es sich im Kreis, wie man es vom Feuer im Ofen kennt.
(47)
Von diesem Feuer sagte Ovid:
Feurige Macht in des Himmels leicht geschwungenem Bogen
leuchtete auf und wählte den Sitz im Scheitel der Rundung.
(48)
"Scheitel" sagte er, weil das Lichtreich darüber den Philosophen noch
nicht bekannt war. (49)
45) Cameratio
von LXX kamara
(Gewölbe) für hebr. ohäl
(Hütte, Zelt) in Is 40,22 cd:
Qui extendit velut nihilum caelos
et expandit eos sicut tabernaculum (gr. kamaran)
ad inhabitandum.
Petr.Com.
1,4: Unde et
pro sui concameratione Grece dicitur uranon, id est palatium.
Gemeint ist aber (Petr.Com.
wäre textkritisch zu prüfen) wohl eher gr. ouraniskos
= Zeltdach, Gaumen; insofern palatum
(statt palatium
bei Petr.Com.),
vgl. das Enniuszitat
caeli palatum
in Ciceros De nat. deorum 2,18,49;
anders Isidor,
ouranos von horasthai
Etym 3,31,2 und
13,4,2 mit Philo,
De opificio mundi: dihoti
panton horos e dihoti protos ton horaton egeneto.
46) Petr.Com.
1,4 (anschl.): vel
dicitur celum quasi casa Elios quia sol sub ipso positus ipsum illustrat.
- "Sonnenhaus" für caelum
paßt zur Beschreibung der regia Solis
in Ovid, Met 2,1-18
und den dortigen Wortspielen caelarat – caelum
- caeruleos, V.6-8;
vgl. auch Isidor, Etym 3,31,1
und 13,4,1: vocatumque
hoc nomine eo quod tamquam vas caelatum impressa signa habeat stellarum
(entsprechend dem Varrozitat
in Plinius Nat. hist. 2,4)
und 3,40 De ianuis caeli.
47) Petr.Com. 1,4
(anschl.):
hanc tamen circumuolutam concamerationem
philosophus summitatem ignis intellexit.
cum enim ignis non habet quo ascendat
circumuoluitur vt in clibano patet.
ita et circa mundi exteriora ignis uoluitur
et hoc est sidereum vel ethereum celum.
Feuersphäre
also unter der die oberen Wasser abschirmenden Feste, bei Gervasius allerdings
(im Unterschied zu Petr.Com. hier) weder mit dem Empyreum noch mit dem
kristallinen Aether (darüber) identisch. Der "Philosoph" ist, wie
auch sonst im Folgenden (z.B. c.2, Z.132ff),
der sogleich zitierte Ovid;
die kammerartige "Wölbung" und das drastische Ofenbeispiel (vgl. caminum
ignis Mt 13,42 und
50 und das mißlungene
"ascendam" des
Feuerengels Luzifer, s.o.) erinnern an den Weltkasten in Form eines tabernaculum
(s. Is 40,22;
Bundeslade Ex 25,8-16;
Bundeszelt Ex 26
sowie den entsprechenden Tempel 3Rg
6) in der Christianike
topographia des Kosmas
Indikopleustes.
48) Ovid,
Met 1,26f, aber dort fecit
statt legit.
- Eine Marginalie unterhalb der Spalte (de
diluuio in fine) verweist auf den Schluß
des letzten Kapitels der 1.dec., den arcus
Gen 9,14 als Zeichen der "beiden Gerichte"
(von Petr.Com. 1,35 Ende,
übernommen): Dessen äußeres Blau symbolisiere die Sintflut,
das innere Rot den künftigen Weltenbrand (2Petr
3,10ff; apokr. Sibyllinen 3,84ff und 4,173ff),
entspr. dem Wasser über und dem Feuer unter der Feste.
49) Petr.Com. 1,1
nach der zweiten mundus-Definition
(mundus = pan, omne)
quia philosophus empireum non cognouit.
- Unwissen der Weltweisen über das Empyreum als einen noch höheren
Feuerhimmel oberhalb der Feste (invisibile)
und der oberen Wasser; die Kristallsphäre mit ihrer Feuer-Äther-Luft-Wasser-Eis-Identität,
diese synästhetische Koinzidenz entgegengesetzter sinnlicher Eigenschaften
somit zugleich als Bewußtseinsgrenze; Christentum als Erleuchtung,
Initiation gemäß 1Cor 2,9 (zit.
Is 64,4); vgl. z.B. HAN SHAN SZI in Wolfram
von Eschenbachs Parzival 16,818,20f
an den Gral was er ze sehen blint
e der touf het in bedecket
sowie
die Überlegenheit Wolframs frommer Rätsel über die philosophisch-kosmischen
des Klingesor von Ungerlant im "Sängerkrieg
auf der Wartburg", wie auch den Status der
heidnischen Klassiker (unter ihnen unser philosophus)
in der Hoffnungslosigkeit des obersten Höllenkreises in Dantes
Com.Div., inferno c.4.
Sane celo
sidereo subiungitur celum aereum
in quo sancti habitant vsque ad iudicium (50)
et in eius confinio est infernus malorum vt infra decisione tertia titulo
de mortuo (51)
sub hoc est celum animantium quod terram contingit et humectat.
de
quo illud evangelii aues celi comederunt illud
(52)
et in cantico puerorum. Benedicite volucres celi Domino. (53)
Est et septimum celum in quod transferuntur sancti post iudicium
de quo scriptum est quod erit celum nouum et terra noua (54)
cum de aliis celis a sublunari regione inferioribus dicatur
(55)
celum et terra transibunt verba autem mea non preteribunt (56)
vt dicitur super illum versum psalmi ipsi peribunt tu autem permanebis
(57)
et in glosa super Marcum hoc Gregorius in dialogo.
videtur velle quod sancti statim celum intrant (58)
et post iudicium id solum plus habebunt quod corporis recipient beatitudinem.
(59)
Offensichtlich schließt sich an den Sternenhimmel in absteigender
Richtung der Lufthimmel an,
in dem die Heiligen bis zum Gericht wohnen;
(50)
und ihm benachbart die Hölle der Bösen, siehe unten im dritten
Buch, im Kapitel vom Toten. (51)
Darunter ist der Himmel der Lebewesen, der die Erde berührt und befeuchtet,
wovon der Spruch des Evangeliums handelt: Die Vögel des Himmels verzehrten
es; (52)
und auch im Gesang der Jünglinge: Lobsinget ihr Vögel des Himmels
dem Herrn! (53)
Er ist auch der "siebte Himmel", in den die Heiligen nach dem Gericht entrückt
werden,
wovon geschrieben steht, daß ein neuer Himmel und eine neue Erde
sein werden. (54)
Während über die anderen Himmel vom Bereich unter dem Mond an
abwärts gesagt wird: (55)
Himmel und Erde werden dahingehen, aber meine Worte werden nicht vergehen;
(56)
wie über jenen Psalmvers gesagt wird: Sie selbst werden schwinden,
du aber wirst überdauern. (57)
Und in einer Glosse zu Markus schreibt Gregor in seinem Dialog:
Er scheint vertreten zu wollen, daß die Heiligen sofort in den Himmel
eintreten (58)
und nach dem Gericht nur das hinzugewinnen, daß sie die Seligkeit
des Leibes empfangen. (59)
50) Die hiermit übersprungenen Planetensphären
nachgetragen in Kap. 5.
Die Heiligen vor dem Endgericht unterhalb der Feuerschicht im oberen Luftraum,
von wo sie nach dem Gericht hinabsteigen werden
(Apoc 21,10); zuvor stehen sie Apoc
6,9 unter dem Feueropferaltar (hypokato
tou thysiasteriou); 15,2
am gläsernen Meer, mit Feuer gemengt (epi
ten thalassan ten hyalinen memigmenen pyri).
Aber deutlich "in der Luft" 1Thess 4,12ff,
besonders V.16:
Deinde nos, qui vivimus, qui relinquimur,
simul rapiemur cum illis in nubibus obviam Christo in aera,
et sic semper cum Domino erimus -
Entrückung
also in aera
- die Vulgata
übernimmt den Element-Aspekt (statt "Geist") für gr. pneuma
-, in den Bereich, den Petr.Com. 1,4 den
im folgenden zitierten "Vögeln des Himmels" zuordnet (dort aber ohne
Identifikation mit diesem Entrückungsort).
51) Diese angenehme Nachbarschaft entspricht
entfernt den infernalischen inferioren drei Himmeln (unterhalb von Sonne
und Mond) der griechischen Baruch-Apokalypse
c.2-5 (Unterwelt als Bauch eines Himmelsdrachen,
ganz gegen die üblichere Auffassung von der unterirdischen Hölle;
darüber dann der Wohnort der Gerechten). – Das hier genannte mirabile
(oder besser: der Roman) 3.dec. c.103
(s.o. das Datum des "Ereignisses") De mortuo,
qui apparet virgini, mira dicit et annunciat
nennt allerdings einleitend ein (schwer belegbares) Lazarus-Apokryphon;
dann innerhalb der Erzählung von der Totenerscheinung, als Antwort
des Toten auf die Frage, woher er komme: (respondit,)
se in aere mansionem inter spiritus habere
et penas ignis purgatorii sustinere.
Genau
genommen also nicht infernus
sondern purgatorium,
vergleichbar dem Danteschen
"Läuterungsberg" in Com.Div.
- Der von Gervasius gern benutzte Gregor d.
Gr., Dialoge 4,42 (Migne PL 77 Sp.400f) Ubi
esse infernus credendus sit, setzt die Hölle
unter die Erde; allerdings ist Verdammungsort nicht gleich Totenreich und
infernus bei
Gervasius nicht gleich Verdammungsort. – Vgl. aer
als Dämonen-Aufenthaltsort bis zum Gericht bei
Honorius, De imagine mundi 1,58.
52) Petr.Com. 1,1,
dritte mundus-Definition:
quandoque sola regio sublunaris, quia hec
sola animantia nobis nota habet paßt
hier nicht, wenn dieser Himmel bei Gerv. mit dem "siebten" der folgenden
Kennzeichnung identisch sein soll; eher Honorius
1,58 (De aere):
Et quia est humidus (!),
ideo volant in eo aves,
ut in aqua natant pisces.
Die
gern zitierten "Vögel des Himmels" bei Petr.Com.
1,4 im eben angesprochenen Lufthimmel (vgl.
Iohannes Damaskenos, Pege Gnoseos 3,2,6):
Est et tertium celum infra, quod aerum dicitur,
de quo Aves celi comederunt illud; gemäß
et volucres caeli comederunt illud Lc
8,5 (Sämannsgleichnis; ähnlich Mt
13,4 und Mc 4,4);
vgl. avesque comederunt ex eo
(Todesankündigung) Gen 40,17;
ferner die aves caeli
im Schatten des regnum caelorum
Mc 4,32 nach Ez 17,23
und (regnum terrenum)
31,6 sowie Dan
4,9 und 18.
53) Benedicite,
omnes volucres caeli, Domino Dan 3,80.
Für Hildegard von Bingen, De operatione
Dei, 4.Vision (104), wird der Auferstehungsleib,
wie jetzt schon die Seele (oft bei ihr wie ein Vogel beschrieben), leichtbeflügelt
"und kann dahinfliegen wie ein Vogel auf seinen Fittichen".
54) Nach
Is 65,17 und 66,22,
in Apoc 21,1
Et vidi caelum novum et terram novam
und 2Petr 3,13 verbunden
mit dem in Mt 24, Mc 13, Lc 21 angekündigten
Endgericht; dort jeweils Bündelung der Merkmale der Messias-Herabkunft,
s. Dan 7 und
andere Apokalypsen,
von den Apostelbriefen in die Endzeit-Erwartung übertragen, z.B. 1Cor
15,51ff. Siebter Himmel als Shäre der
Heiligen in der apokryphen "Himmelfahrt des
Jesaja" 4,14-16. – Die griechische
Baruch-Apokalypse, c.10, siedelt die Gerechten
und die "Vögel des Himmels" im "vierten Himmel" an, zusammen mit dem
Wasser, das "die Früchte treibt", und dem Tau vom Himmel, so unten
in Kap. 12. Die
erhaltene Fassung läßt den Himmelfahrer Baruch zum fünften
Himmel aufsteigen; aber Origenes, De princ.
2,3,6 (122, Z.25ff): Denique etiam Baruch
prophetae librum in adsertionis huius testimoniam vocant, quod ibi de septem
mundis vel caelis evidentius indicetur; danach
(123) Kritik an der Annahme einer himmlischen
terra viventium.
- An die babylonisch-griechische Siebenheit der Planetensphären (gemäß
Platons Timaios, Ciceros Somnium Scipionis,
Macrobius usw.) sowie der gnostischen Aionen-
und Archontensphären (ohne Zählung auch in den Paulusbriefen)
hat Gervasius hier kaum gedacht (und noch weniger an den
Qur'an 2,27; 17,46; 23,17 und 88;
41,11; 65,12; 71,14 oder die arabischen Ausschmückungen
der Nachtreise 17,1
und 95, der "Himmelfahrt",
ar. miradsch,
des Propheten): Der Bereich zwischen Lufthimmel und Untermondwelt ist bei
ihm nur mit (identischem?) celum animantium
und septimum celum
besetzt; letzterer nicht als Saturnsphäre erkennbar. – Vgl. Iohannes
Damaskenos, Pege gnoseos 3,3,6; ferner die
"klassischere" Version der Himmelsschichtung in Dantes
Com.Div., aber auch schon die feinere Differenzierung
bei Hildegard von Bingen (De operatione Dei,
2.Vision).
55) Die Mondsphäre trennt in dem
aus der Antike tradierten zyklischen kosmischen System die harmonischen
(wenn auch komplizierten) Himmels- und Planetenkreise im Äther von
den dissonanten Verwicklungen und dem Elementekreislauf der irdischen Erscheinungswelt;
die translunare Welt gilt als ewig, anfangs- und endlos (anders Platon,
Timaios 41 b). – Dem wird von Augustinus
in der Porphyrios-Polemik Civ 20,24
heftig widersprochen, selbst die Himmelsstockwerke der zeitlich per se
begrenzten Schöpfung gelten als vergänglich und verbrennen oder
schmelzen im läuternden Weltenfeuer dahin (gemäß 2Petr
3,10-13), dann aber folgt a.a.O.
salvis illis superioribus et in sua integritate
manentibus, in quorum firmamento sunt sidera constituta;
die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs ist: das unvergängliche
Ätherfeuer steigt zum Weltende alles verzehrend hinab. – Die noch
"niedrigere" Schwelle für Unvergänglichkeit schon ab der Mondsphäre
bei Gervasius bleibt erstaunlich, wenn dies denn einschränkend gemeint
ist; de aliis celis
geht allerdings noch unter den Entrückungs-Luftraum hinunter.
56) Mt 24,35
= Mc 13,31; non
transibunt Lc
21,33
57) Ps 101
(102),27
58) Gregor
d. Gr., Dial. 4,25 (Migne PL 77 Sp.357 A):
(...) perfectorum iustorum animae,
mox ut huius carnis claustra exeunt,
in caelestibus sedibus recipiuntur.
Den
nächstliegenden Marcus-Bezug
s.o. (vorletzte Anm.:
Mittelbegriff beider Stellen die leibliche Auferstehung als Neuschöpfung
zufolge des jüngsten Gerichts), ansonsten unklar (jedenfalls nicht
Titel des Dialogkapitels
4,25); vielleicht
noch zur Zitatreihe der beiden vorigen Anm.
gehörig.
59) Gregorius,
a.a.O.:
Hoc eis nimirum crescit in iudicio,
quod nunc animarum sola,
postmodum vero etiam corporum beatitudine perfruuntur,
ut in ipsa quoque carne gaudeant,
in qua dolores pro Domino cruciatusque pertulerunt
(dann
belegt mit Is 51,7
und Apoc 6,17).
Gregorius setzt
also nicht unterschiedliche Bereiche für die Zeit vor und die Ewigkeit
nach dem iudicium
an, entspr. Apoc 22,3-5 u.a.
nicht einmal einen vorgerichtlichen Heiligen-Ort, dem das celum
Trinitatis wie auch das celum
superempireum wie bei Gervasius äußerlich
bliebe. – Das Endgericht – krisis,
Entscheidungs-, Aufgliederungsprozeß wie in der Schöpfung, als
Zeitgrenze entsprechend dem Firmament als Raum- und Bewußtseinsgrenze,
markiert den Ort der leiblichen Auferstehung (deutera
anastasis) bzw. des zweiten Todes, s. Apoc
20,12ff, in den Evangelien
und Apostelbriefen
nahe erwartet, s. 1Cor 15,35-57 u.ö.,
seit Apoc 20,1-10
schon durch den tausendjährigen "Weltensabbat" in die Ferne gerückt.