Wir lesen in dem heiligen êwangeliô,
daz unser herre gienc in den tempel und was ûzwerfende, die dâ kouften und verkouften, und sprach ze den andern, die dâ hâten tûben und sôgetâniu dinc veile: "tuot diz hin, tuot diz enwec!" (Joh 2,16) War umbe was Jêsus ûzwerfende, die dâ kouften und verkouften und hiez die hin tuon, die dâ hâten tûben? Er enmeinte anders niht, wan daz er den tempel wolte ledic hân, rehte als ob er spraeche: ich hân reht ze disem tempel und wil aleine dar inne sîn und hêrschaft dar inne hân. Waz ist daz gesprochen? Dirre tempel, dâ got inne hêrschen wil gewalticlîche nâch sînem willen, daz ist des menschen sêle, die er sô rehte glîch nâch im selber gebildet und geschaffen hât, als wir lesen, daz unser herre sprach: "machen wir den menschen nâch unserm bilde und ze unser glîchnisse." (1 Mos 1, 26). Und daz hât er ouch getân. Als glîch hât er des menschen sêle gemachet im selber, daz in himelrîche noch in ertrîche von allen herlîchen crêatûren, diu got so wünniclîch geschaffen hât, keiniu ist, diu im als glîch ist als des menschen sêle aleine. Her umbe wil got disen tempel ledic hân, daz ouch niht mê dar inne sî dan er aleine. Daz ist dar umbe, daz im dirre tempel sô wol gevellet, wan er im alsô rehte glîch ist und im selber alsô wol behaget in disem tempel, swenne er aleine dar inne ist. Eyâ, nû merket! Wer wâren die liute, die dâ kouften und verkouften, und wer sint sie noch? Nû merket mich vil rehte! Ich wil nû zemâle niht predigen dan von guoten liuten. Nochdenne wil ich ze disem mâle bewîsen, welhez die koufliute dâ waren und noch sint, die alsô kouften und verkouften und noch tuont, die unser herre ûzsluoc und ûztreip. Und daz tuot er noch allen den, die dâ koufent und verkoufent in disem tempel: der enwil er einen einigen dar inne niht lâzen. Sehet, diz sint allez koufliute, die sich hüetent vor groben sünden und waeren gerne guote liute und tuont ir guoten werk gote ze êren, als vasten, wachen, beten und swaz des ist, aller hande guotiu werk, und tuont sie doch dar umbe, daz in unser herre etwaz dar umbe gebe, oder daz in got iht dar umbe tuo, daz in liep sî: diz sint allez koufliute. Daz ist grop ze verstânne, wan sie wellent daz eine umbe daz ander geben und wellent alsô koufen mit unserm herren. An disem koufe sint sie betrugen. Wan allez, daz sie hânt und allez, daz sie vermügen ze würkenne, gaeben sie daz allez durch got, daz sie hânt, und würhten sich zemâle ûz durch got, dar umbe enwaere in got nihtes niht schuldic ze gebenne noch ze tuonne, er enwolte ez denne gerne vergebene tuon. Wan daz sie sint, daz sint sie von gote, und daz sie hânt, daz hânt sie von gote und niht von in selber. Dar umbe enist in got umbe iriu werk und umbe ir geben nihtes niht schultic, er enwellez denne gerne tuon von sîner gnâde und niht umbe iriu werk noch umbe ir gâbe, wan sie engebent von dem irn niht, sie enwürkent ouch von in selber niht, als Kristus selber sprichet: "âne mich müget ir niht getuon." (Joh 15,5) Diz sint harte tôrehte liute, die alsô koufen wellent mit unserm herren; sie bekennent der wârheit kleine oder niht. Dar umbe sluoc sie unser herre ûz dem tempel und treip sie ûz. Ez enmac niht bî einander gestân daz lieht und diu vinsternisse. Got der ist diu wârheit und ein lieht in im selber. Swenne denne got kumet in disen tempel, sô vertribet er ûz unbekantnisse, daz ist vinsternisse, und offenbaret sich selber mit liehte und mit wârheit. Denne sint die koufliute enwec, als diu wârheit wirt bekannt, und diu wârheit begert dekeiner koufmanschaft. Got ensuochet des sînen niht; in allen sînen werken ist er ledic und vrî und würket sie ûz rehter minne. Alsô tuot ouch dirre mensche, der mit gote vereinet ist; der stât ouch ledic und vrî in allen sînen werken und würket sie aleine gote ze êren und ensuochet des sînen niht, und got der würket ez in im. Ich spriche noch mê: alle die wîle der mensche ihtes iht suochet in allen sînen werken von allem dem, daz got gegeben mac oder geben wil, sô ist er disen koufliuten glîch. Wiltû koufmanschaft zemâle ledic sîn, alsô daz dich got in disem tempel lâze, sô soltû allez, daz dû vermaht in allen dînen werken, daz soltû lûterlîche tuon gote ze einem lobe und solt des alsô ledic stân, als daz niht ledic ist, daz noch hie noch dâ enist. Dû ensolt nihtes niht dar umbe begern. Swenne dû alsô würkest, sô sint dîniu werk geistlich und götlich, und denne sint die koufliute ûz dem tempel getriben alzemâle, und got der ist aleine dar inne, wan der mensche niht wan got meinet. Sehet, alsus ist dirre tempel ledic von allen koufliuten. Sehet, der mensche, der sich noch niht enmeinet dan aleine got und die êre gotes, der ist gewaerlîche vrî und ledic aller koufmanschaft in allen sînen werken und ensuochet des sînen niht, als got ledic ist in allen sînen werken und vrî und ensuochet des sînen niht. Ich hân ouch mê gesprochen, daz unser herre sprach ze den liuten, die dâ tûben veile hâten: "tuot diz enwec, tuot diz hin!" Die liute entreip er niht ûz noch enstrâfte sie niht sêre; sunder er sprach gar güetlîche: "tuot diz enwec!" als ob er sprechen wolte: diz enist niht boese, und doch bringet ez hindernisse in der lûtern wârheit. Dise liute daz sint alle guote liute, die iriu werk tuont lûterlîche durch got und ensuochent des irn niht daran und tuont sie doch mit eigenschaft, mit zît und mit zal, mit vor und mit nâch. In disen werken sint sie gehindert der aller besten wârheit, daz sie solten vrî und ledic sîn, als unser herre Jêsus Kristus vrî und ledic ist und enpfaehet sich alle zît niuwe âne underlaz und âne zît von sînem himelischen vater und ist sich in dem selben nû âne underlaz wider îngebernde volkomenlîche mit dankbaerem lobe in die veterlîche hôcheit in einer glîcher wirdicheit. Alsô solte der mensche stân, der der aller hoehsten wârheit wolte enpfenclich werden und dar inne lebende âne vor und âne nâch und âne hindernisse aller der werke und aller der bilde, diu er ie verstuont, ledic und vrî in disem nû niuwe enpfâhende götlîche gabe und die wider îngebernde âne hindernisse in disem selben liehte mit dankbaerem lobe in unserm herren Jêsû Kristô. Sô waeren die tûben enwec, daz ist hindernisse und eigenschaft aller der werke, diu nochdenne guot sint, dar inne der mensche des sînen niht ensuochet. Dar umbe sprach unser herre wol güetlîche: "tuot diz hin, tuot diz enwec!" als ob er sprechen wolte: ez ist guot, doch bringet ez hindernisse. Swenne dirre tempel alsus ledic wirt von allen hindernissen, daz ist eigenschaft und unbekantheit, sô blicket er alsô schône und liuhtet alsô lûter und klâr über allez, daz got geschaffen hât, und durch allez, daz got geschaffen hât, daz im nieman widerschînen mac dan der ungeschaffene got aleine. Und bî rehter wârheit, disem tempel ist ouch nieman glîch dan der ungeschaffene got aleine. Allez daz under den engeln ist, daz glîchet sich disem tempel nihtes niht. Die hoechsten engel selbe die glîchent disem tempel der edelen sêle etwie vil und doch niht alzemâle. Daz sie der sêle glîchent etlicher maze, daz ist an bekantnisse und an minne. Doch ist in zil gesetzet; dar über enmügen sie niht. Diu sêle mac wol vürbaz. Stüende ein sêle glîch dem obersten engel, des menschen, der noch lebete in der zît, der mensche môhte nochdenne in sînem vrîen vermügenne unzellîche hoeher kumen über den engel in einem ieglîchen nû niuwe âne zal, daz ist âne wîse, und über die wîse der engel und aller geschaffener vernunft. Und got der ist aleine vrî und ungeschaffen und dar umbe ist er ir aleine glîch nâch der vrîheit und niht nâch der ungeschaffenheit, wan si ist geschaffen. Swenne diu sêle kumet in daz ungemischte lieht, sô sleht si in ir nihtes niht sô verre von dem geschaffenen ihte in dem nihtes nihte, daz si mit nihte enmac wider komen von ir kraft in ir geschaffen iht. Und got der understât mit sîner ungeschaffenheit ir nihtes niht und entheltet die sêle in sînem ihtes ihte. Diu sêle hât gewâget ze nihte ze werdenne und enkan ouch von ir selber ze ir selber niht gelangen, sô verre ist si sich entgangen, und ê daz sie got hât understânden. Daz muoz von nôt sîn. Wan als ich ê sprach: "Jêsus was îngegangen in den tempel und was ûzwerfende, die dâ kouften und verkouften, und begunde ze sprechenne ze den andern: tuot diz hin!" jâ, sehet, nû hân ich daz wörtelîn: "Jêsus gienc în und begunde ze sprechenne: tuot diz hin! und sie tâten ez hin". Sehet, dô was dâ nieman mê dan Jêsus aleine und begunde ze sprechenne in dem tempel. Sehet, daz wizzet vür wâr: wil ieman anders reden in dem tempel, daz ist in der sêle, dan Jêsus aleine, sô swîget Jêsus, als er dâ heime niht ensî, und er ist ouch dâ heime niht in der sêle, wan si hât vremde geste, mit den si redet. Sol aber Jêsus reden in der sêle, sô muoz si aleine sîn und muoz selber swîgen, sol si Jesum hoeren reden. Eyâ, sô gât er în und beginnet ze sprechenne. Waz sprichet her Jêsus? Er sprichet, daz er ist. Waz ist er denne? Er ist ein wort des vaters. In dem selben worte sprichet der vater sich selber und alle götlîche natûre und allez, daz got ist, alsô als er ez bekennet, und er bekennet ez, als ez ist. Und wan er ist volkomen in sînem bekantnisse und in sîner vermügenheit, her umbe sô ist er ouch volkomen in sînem sprechenne. Dâ er sprichet daz Wort, dâ sprichet er sich und alliu dinc in einer andern persône und gibet im die selbe natûre, die er selber hât, und sprichet alle vernünftige geiste in dem selben worte glîch dem selben worte nâch dem bilde, als ez inneblîbende ist, nâch dem, sô ez ûzliuhtende ist, als ein ieglich bî im selber ist, niht glîch in aller wîse dem selben worte, mê: sie hânt mügelicheit enpfangen glîcheit ze enpfahenne von gnâden des selben wortes; und daz selbe wort, als ez in im selber ist, diz hât der vater allez gesprochen, daz wort und allez, daz in dem worte ist. Sît der vater diz gesprochen hât, waz ist denne Jêsus sprechende in der sêle? Als ich gesprochen hân: der vater sprichet daz wort und sprichet in dem worte und anders niht, und Jêsus sprichet in der sêle. Diu wîse sînes sprechennes daz ist, daz er sich selben offenbaret und allez, daz der vater in im gesprochen hât, nâch der wîse als der geist enpfenclich ist. Er offenbâret veterliche hêrschaft in dem geiste in einem glîchen unmaezigen gewalte. Swenne der geist disen gewalt enpfaehet in dem sune und durch den sun, sô wirt er gewaltic in einem ieglichen vürgange, alsô daz er glîch und gewaltic wirt in allen tugenden und in aller volkomener lûterkeit, sô daz in liep noch leit noch allez, daz got in der zît geschaffen hât, daz enmac den menschen niht zerstoeren, er enblîbe gewalticliche dar inne stânde als in einer götlichen kraft, der entgegen alliu dinc sint kleine und niht vermügende. Ze dem andern mâle offenbâret sich Jêsus in der sêle mit einer unmaezigen wîsheit, diu er selber ist, in der wîsheit sich der vater selbe bekennet mit aller sîner veterlichen hêrschaft und daz selbe wort, daz ouch diu wîsheit selber ist, und allez daz dar inne ist, alsô als daz selbe ein ist. Swenne disiu wîsheit mit der sêle vereinet wirt, sô ist ir aller zwîvel und alliu irrunge und alliu dünsternisse alzemâle abe genomen und ist gesetzet in ein lûter klârez lieht, daz selber got ist, als der prophête sprichet: "herre, in dînem liehte sol man daz lieht bekennen." (Ps 35,10) Dâ wirt got mit gote bekant in der sêle; sô bekennet si mit dirre wîsheit sich selber und alliu dinc, und die selbe wîsheit bekennet si mit im selben, und mit der selben wîsheit bekennet si die veterliche hêrschaft in vruhtbaerer hêrhafticheit und die weseliche isticheit nâch einvaltiger einicheit âne einigen underscheit. Jêsus der offenbâret sich ouch mit einer unmaezigen süezicheit und rîcheit ûz des heiligen geistes kraft ûzquellende und überquellende und invliezende mit übervlüzziger voller rîcheit und süezicheit in alliu enpfenclichiu herzen. Swenne sich Jêsus mit dirre rîcheit und mit dirre süezicheit offenbâret und einiget mit der sêle, mit dirre rîcheit und mit dirre süezikeit sô vlîuzet diu sêle in sich selber und ûz sich selber und über sich selber und über alliu dinc von gnâden mit gewalte âne mittel wider in ir êrste begin. Denne ist der ûzer mensche gehôrsam sînem innern menschen unz an sînen tôt und ist denne in staetem vride in dem dienste gotes alle zît. Daz ouch Jêsus in uns komen müeze und ûzwerfen und hin tuon alle hindernisse und uns mache ein, als er ein ist mit dem vater und mit dem heiligen geiste ein got, daz wir alsô ein werden mit im und êwiclîchen blîben, des helfe uns got. Âmen. |
Wir lesen im heiligen Evangelium,
daß unser Herr in den Tempel ging und hinauszuwerfen begann, die da kauften und verkauften, und zu den anderen sprach, die da Tauben und dergleichen Dinge feilhielten, »Tut dies fort, schafft dies hinweg!« (Joh 2, 16). Warum begann Jesus hinauszuwerfen, die da kauften und verkauften, und hieß die wegräumen, die da Tauben feilhielten? Er meinte damit nichts anderes, als daß er den Tempel ledig haben wollte, recht, als ob er hätte sagen wollen: Ich habe das Recht auf diesen Tempel und will allein darin sein und die Herrschaft darin haben. Was will das besagen? Dieser Tempel, darin Gott mächtig herrschen will nach seinem Willen, das ist des Menschen Seele, die er so recht als ihm selbst gleich gebildet und geschaffen hat, wie wir lesen, daß unser Herr sprach: »Machen wir den Menschen nach unserm Bilde und zu unserm Gleichnis!« (Gen 1,26). Und dies hat er auch getan. So gleich ihm selber hat er des Menschen Seele gemacht, daß im Himmelreich noch auf Erden unter allen herrlichen Kreaturen, die Gott so wundervoll geschaffen hat, keine ist, die ihm so gleicht, wie einzig des Menschen Seele. Hierum will Gott diesen Tempel ledig haben, auf daß denn auch nichts weiter darin sei als er allein. Das ist deshalb so, weil ihm dieser Tempel so wohl gefällt, da er ihm so recht gleicht und es ihm selber so wohl behagt in diesem Tempel, wenn immer er allein darin ist. Wohlan, nun gebt acht! Wer waren die Leute, die da kauften und verkauften, und wer sind sie noch? Nun hört mir genau zu! Ich will jetzt überhaupt nichts predigen als nur von guten Leuten. Dennoch will ich diesmal aufzeigen, welches die Kaufleute waren und noch sind, die so kauften und verkauften und es noch tun, die unser Herr hinausschlug und hinaustrieb. Und dies tut er immer noch allen denen, die da kaufen und verkaufen in diesem Tempel; von denen will er keinen einzigen darin lassen. Seht, alle die sind Kaufleute, die sich hüten vor groben Sünden und wären gern gute Leute und tun ihre guten Werke Gott zu Ehren, wie Fasten, Wachen, Beten und was es dergleichen gibt, allerhand gute Werke, und tun sie doch darum, daß ihnen unser Herr etwas dafür gebe oder daß ihnen Gott etwas dafür tue, was ihnen lieb wäre: dies sind alles Kaufleute. Das ist im groben Sinn zu verstehen, denn sie wollen das eine um das andere geben und wollen auf solche Weise markten mit unserm Herrn. Bei solchem Handel sind sie betrogen. Denn alles, was sie besitzen, und alles, was sie zu wirken vermögen, gäben sie das alles um Gottes willen hin, was sie haben, und wirkten sich um Gottes willen gänzlich aus, so wäre ihnen Gott dafür ganz und gar nichts zu geben oder zu tun schuldig, es sei denn, daß er es freiwillig umsonst tun wolle. Denn, was sie sind, das sind sie durch Gott, und was sie haben, das haben sie von Gott und nicht von sich selbst. Darum ist ihnen Gott für ihre Werke und für ihr Geben gar nichts schuldig, es sei denn, er wolle es gerne tun aus seiner Gnade und nicht für ihre Werke noch für ihre Gaben; denn sie geben nicht von dem Ihren, sie wirken auch nicht aus sich selbst, wie Christus selbst sagt: »Ohne mich könnt ihr nichts tun« (Joh. 15, 5). Dies sind sehr törichte Leute, die so markten wollen mit unserm Herrn; sie erkennen von der Wahrheit wenig oder nichts. Darum schlug sie unser Herr aus dem Tempel und trieb sie hinaus. Es kann nicht miteinander bestehen das Licht und die Finsternis. Gott ist die Wahrheit und ein Licht in sich selbst. Wenn denn Gott in diesen Tempel kommt, so vertreibt er daraus die Unwissenheit, das ist die Finsternis, und offenbart sich selbst mit Licht und mit Wahrheit. Dann sind die Kaufleute fort, wenn die Wahrheit erkannt wird, und die Wahrheit begehrt nicht nach irgendwelchem Kaufhandel. Gott sucht das Seine nicht; in allen seinen Werken ist er ledig und frei und wirkt sie aus echter Liebe. Ganz ebenso tut auch der Mensch, der mit Gott vereint ist; der steht auch ledig und frei in allen seinen Werken und wirkt sie allein Gott zu Ehren und sucht das Seine nicht, und Gott wirkt es in ihm. Ich sage noch weitergehend: Solange der Mensch irgend etwas sucht mit allen seinen Werken von all dem, was Gott zu geben vermag oder geben will, so ist er diesen Kaufleuten gleich. Willst du der Kaufmannschaft gänzlich ledig sein, so daß dich Gott in diesem Tempel belasse, so sollst du alles, was du in allen deinen Werken vermagst, rein nur Gott zum Lobe tun und sollst davon so ungebunden bleiben, wie das Nichts ungebunden ist, das weder hier noch dort ist. Du sollst gar nichts dafür begehren. Wenn du so wirkst, dann sind deine Werke geistig und göttlich, und dann sind die Kaufleute allzumal aus dem Tempel vertrieben, und Gott ist allein darin; denn dieser Mensch hat nur Gott im Sinn. Seht, in solcher Weise ist dieser Tempel ledig aller Kaufleute. Seht, der Mensch, der weder sich im Sinn hat, noch irgend etwas außer Gott allein und Gottes Ehre der ist wahrhaft frei und ledig aller Kaufmannschaft in allen seinen Werken und sucht das Seine nicht, so wie Gott ledig und frei ist in allen seinen Werken und das Seine nicht sucht. Ich habe weiterhin auch gesagt, daß unser Herr zu den Leuten sprach, die da Tauben feilhielten: »Schafft dies hinweg, tut dies fort!« Diese Leute trieb er nicht noch auch schalt er sie sehr, sondern er sprach gar gütlich: »Schafft dies hinweg!«, als hätte er sagen wollen: Dies ist nicht böse, und doch bringt es Hindernis für die lautere Wahrheit. Diese Leute, das sind alles gute Leute, die ihre Werke rein um Gottes willen tun und des Ihren nichts darin suchen und tun sie doch mit Eigensinn, mit Zeit und mit Zahl, mit Vor und mit Nach. In diesen Werken sind sie gehindert an der allerbesten Wahrheit: daß sie nämlich sollten frei und ledig sein, wie unser Herr Jesus Christus frei und ledig ist und sich allzeit ohne Unterlaß und zeitlos neu empfängt von seinem himmlischen Vater und will sich im selben Nun ohne Unterlaß vollkommen wieder eingebären mit dankerfülltem Lobe in die väterliche Hoheit, in gleicher Würde. Ganz so sollte der Mensch dastehen, der für die allerhöchste Wahrheit empfänglich werden und darin leben möchte ohne Vor und ohne Nach und ohne Behinderung durch alle Werke und alle jene Bilder, deren er sich je bewußt wurde, ledig und frei in diesem Nun neu empfangend göttliche Gabe und sie ungehindert wieder eingebärend in diesem gleichen Lichte mit dankerfülltem Lobe in unserm Herrn Jesus Christus. So wären die Tauben hinweg, das heißt die Behinderung und der Eigensinn all jener Werke, die ansonsten gut sind, in denen der Mensch das Seine nicht sucht. Darum sprach unser Herr gar gütlich: »Tut dies fort, schafft dies hinweg!«, als hätte er sagen wollen: Es ist zwar gut, doch bringt es Behinderung mit sich. Wenn dieser Tempel so frei wird von allen Hindernissen, das heißt von Eigensinn und Unwissenheit, so glänzt er so schön und leuchtet so lauter und klar über alles hinaus, das Gott geschaffen hat, und durch alles hindurch, das Gott geschaffen hat, daß niemand ihm Widerschein zu geben vermag als einzig der ungeschaffene Gott. Und in voller Wahrheit: Diesem Tempel ist wirklich niemand gleich als der ungeschaffene Gott allein. Alles, was unterhalb der Engel ist, das gleicht diesem Tempel überhaupt nicht. Die höchsten Engel selbst gleichen diesem Tempel der edlen Seele bis zu gewissem Grade, aber doch nicht völlig. Daß sie der Seele in gewissem Maße gleichen, das trifft zu für die Erkenntnis und die Liebe. Jedoch ist ihnen ein Ziel gesetzt; darüber können sie nicht hinaus. Die Seele aber kann wohl darüber hinaus. Stünde eine Seele gleich mit dem obersten Engel, und zwar die eines Menschen, der noch in der Zeit lebte, so könnte dieser Mensch immer noch in seinem freien Vermögen unermeßlich hoch über den Engel hinausgelangen in jedem Nun neu, ohne Zahl, das heißt ohne Weise, und über die Weise der Engel und aller geschaffenen Vernunft hinaus. Gott allein ist frei und ungeschaffen, und daher ist er allein ihr gleich der Freiheit nach, nicht aber im Hinblick auf die Unerschaffenheit, denn sie ist geschaffen. Wenn die Seele in das ungemischte Licht kommt, so schlägt sie in ihr Nichts so fern von dem geschaffenen Etwas in dem Nichts, daß sie mitnichten zurückzukommen vermag aus eigener Kraft in ihr geschaffenes Etwas. Und Gott stellt sich mit seiner Ungeschaffenheit unter ihr Nichts und hält die Seele in seinem Etwas. Die Seele hat gewagt, zunichte zu werden und kann auch von sich selbst aus nicht zu sich selbst gelangen – so weit ist sie sich entgangen, ehe Gott sich unter sie gestellt hat. Das muß notwendig so sein. Denn, wie ich früher sagte: »Jesus war hineingegangen in den Tempel und begann hinauszuwerfen, die da kauften und verkauften, und begann zu den anderen zu sprechen: Tut dies fort!« – ja, seht, nun nehme ich das Wörtlein: »Jesus ging hinein und hub an zu sprechen: Tut dies fort!, und sie taten es fort«. Seht, nun war da niemand mehr als Jesus allein, und er begann in dem Tempel zu sprechen. Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muß sie allein sein und muß selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll. Nun denn, so geht er hinein und beginnt zu sprechen. Was spricht der Herr Jesus? Er spricht das, was er ist. Was ist er denn? Er ist ein Wort des Vaters. In diesem selben Worte spricht der Vater sich selbst und die ganze göttliche Natur und alles, was Gott ist, so wie er es erkennt; und er erkennt es, wie es ist. Und da er vollkommen ist in seinem Erkennen und in seinem Vermögen, darum ist er auch vollkommen in seinem Sprechen. Indem er das Wort spricht, spricht er sich und alle Dinge in einer andern Person und gibt ihm dieselbe Natur, die er selbst hat, und spricht alle vernunftbegabten Geistwesen in demselben Worte gleich demselben Worte nach dem Bild, insofern es innebleibend ist, – nach dem Bild aber, insofern es ausleuchtend ist, insofern also ein jedes für sich gesondert ist, noch nicht in jeder Weise demselben Worte gleich –. Allerdings haben sie die Möglichkeit bekommen, Gleichheit zu empfangen aus der Gnade des selben Wortes; aber dasselbe Wort, wie es in sich selbst ist, das hat der Vater gänzlich gesprochen, das Wort und alles, was in dem Worte ist. Da nun der Vater dies gesprochen hat, was will denn Jesus in der Seele sprechen? Wie ich gesagt habe: Der Vater spricht das Wort und spricht in dem Worte und sonst nicht; Jesus aber spricht in der Seele. Die Weise seines Sprechens ist die, daß er sich selbst offenbart und alles, was der Vater in ihm gesprochen hat, in der Weise, wie der Geist empfänglich ist. Er offenbart die väterliche Herrscherkraft in dem Geiste in gleicher unermeßlicher Macht. Wenn der Geist diese Macht in dem Sohne und durch den Sohn empfängt, so wird er mächtig mit jedem weiteren Schritt, so daß er gleich und mächtig wird in allen Tugenden und in aller vollkommenen Lauterkeit, also daß weder Liebes noch Leides noch alles, was Gott in der Zeit geschaffen hat, den Menschen zu verstören vermag, er vielmehr machtvoll darin stehen bleibt wie in einer göttlichen Kraft, der gegenüber alle Dinge klein und unvermögend sind. Zum andem Male offenbart sich Jesus in der Seele mit einer unermeßliehen Weisheit, die er selbst ist, in welcher Weisheit sich der Vater selbst mit seiner ganzen väterlichen Herrscherkraft sowie ebendas Wort erkennt, das ja auch die Weisheit selbst ist, und alles, was darin ist, so, wie dasselbe Eins ist. Wenn diese Weisheit mit der Seele vereint wird, so ist ihr aller Zweifel und alle Irrung und alle Finsternis ganz und gar abgenommen, und sie ist versetzt in ein lauteres, klares Licht, das Gott selbst ist, wie der Prophet spricht: »O Herr, in deinem Lichte wird man das Licht erkennen« (Ps 35,10). Da wird Gott mit Gott erkannt in der Seele; dann erkennt sie mit dieser Weisheit sich selbst und alle Dinge, und diese selbe Weisheit erkennt sie mit ihm selbst, und mit derselben Weisheit erkennt sie die väterliche Herrschermacht in fruchtbarer Zeugungskraft und die wesenhafte Istheit in einfaltiger Einheit ohne jegliche Unterschiedenheit. Jesus offenbart sich zudem mit einer unermeßlichen Süßigkeit und Fülle, eine aus des Heiligen Geistes Kraft herausquellende und überquellende und einströmende mit überströmend reicher Fülle und Süßigkeit in alle empfänglichen Herzen. Wenn Jesus sich mit dieser Fülle und mit dieser Süßigkeit offenbart und mit der Seele vereinigt, so fließt mit dieser Fülle und mit dieser Süßigkeit die Seele in sich selbst und aus sich selbst und über sich selbst und über alle Dinge hinaus aus Gnade, mit Macht, ohne Mittel zurück in ihren ersten Ursprung. Dann ist der äußere Mensch seinem inneren Menschen gehorsam bis zu seinem Tod und ist dann in stetem Frieden im Dienste Gottes allezeit. Daß Jesus auch in uns kommen müsse und hinauswerfen und wegräumen alle Hindernisse und uns Eins mache, wie er als Eins ist mit dem Vater und dem heiligen Geiste als ein Gott, auf daß wir ebenso eins werden mit ihm und ewig bleiben, dazu helfe uns Gott. Amen. |