HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) : Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: Platon
: Symposion : Diotima
Platon
: Symposion, die Diotima-Rede des Sokrates
Symposion
201d bis 212c
griechischer
Text gemäß Burnet, lat. transkribiert von Hans Zimmermann
Übersetzung
ins Deutsche von F. Schleiermacher (1804-1810)
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Symposion, Die
Diotima-Rede des Sokrates
[22. Das Zwischen-Sein
des Eros zwischen dem Schönen und Häßlichen,
zwischen dem Guten und Schlechten]
Und so will ich dich denn jetzt lassen und eine Rede über den Eros,
welche ich einst von einer Mantineerin namens Diotima gehört
habe,
welche hierin und auch sonst sehr weise war,
auch den Athenern einst bei einem Opfer vor der Pest
zehnjährigen Aufschub der Krankheit bewirkte,
welche auch mich in Liebessachen unterrichtet hat,
die Rede also, welche diese gesprochen hat,
will ich versuchen euch zu wiederholen, von dem ausgehend,
worüber ich mit Agathon übereingekommen bin,
sonst aber ganz für mich allein, so gut ich eben kann.
Es gehört sich also, o Agathon, wie auch du erklärtest,
zuerst ihn selbst zu beschreiben, den Eros, wer er ist und was für
einer,
und dann seine Werke.
Es dünkt mich also am leichtesten, es so durchzunehmen,
wie damals die Fremde, mich ausfragend, es durchging.
Denn ungefähr dergleichen hatte auch ich zu ihr gesagt,
wie Agathon jetzt zu mir,
daß Eros ein großer Gott sei und von den Schönen.
Sie aber widerlegte mich mit denselben Reden, womit ich jetzt diesen,
daß er weder schön wäre nach meinen eigenen Reden,
noch gut.
Da sprach ich: Wie meinst du aber, Diotima,
ist also Eros häßlich und schlecht?
Und sie: Willst du dich nicht des Frevels enthalten?
Oder meinst du, was nicht schön ist,
das sei notwendig häßlich?
Allerdings wohl.
Auch was nicht weise, das töricht?
Oder hast du nicht gemerkt, daß es etwas mitteninne gibt zwischen
Weisheit und Torheit?
Was wäre das?
to
orqa doxazein kai aneu tou ecein logon dounai
ouk oisq efh,
oti oute pistasqai estin
alogon gar pragma pwV
an eih episthmh?
oute amaqia, to gar tou
ontoV tugcanon pwV an eih amaqia?
esti de dhpou toiouton
h orqh doxa,
metaxu fronhsewV kai amaqiaV.
Wenn man richtig vorstellt, ohne jedoch Rechenschaft davon geben zu können,
weißt du nicht, daß das weder Wissen ist
denn wie könnte etwas Grundloses eine Erkenntnis sein?
noch auch Unverstand, denn da sie doch das Wahre enthält, wie
könnte sie Unverstand sein?
Also ist offenbar die richtige Vorstellung
so etwas zwischen Einsicht und Unverstand.
Richtig, sprach ich.
Folgere also nicht, was nicht schön ist, sei häßlich,
noch was nicht gut sei, schlecht.
Ebenso auch vom Eros, da du doch selbst eingestehst,
er sei weder gut noch schön,
glaube deshalb noch nicht, daß er häßlich und schlecht
sein müsse,
sondern etwas, sagte sie, zwischen beiden.
Aber das, sprach ich, wird doch von allen eingestanden,
daß er ein großer Gott ist
Von allen Nichtwissenden, sprach sie, meinst du,
oder auch von den Wissenden?
Von allen insgesamt.
Da lachte sie und sagte: Und wie, Sokrates,
könnte wohl von denen eingestanden werden, daß er ein großer
Gott sei,
welche behaupten, er sei überhaupt kein Gott?
Wer sind doch die? fragte ich.
Einer davon bist du, sagte sie, und eine ich.
Da sprach ich: Wie meinst du doch dies?
kai
h, raidiwV, efh.
lege kai moi, ou pantaV
qeouV fhiV eudaimonaV einai kai kalouV?
h tolmhsaiV an tina mh
fanai kalon te kai eudaimona qewn einai?
Und sie antwortete: Ganz natürlich.
Denn sage mir nur, meinst du nicht, daß alle Götter glückselig
und schön sind?
Oder hättest du das Herz zu sagen, daß irgendein Gott nicht
schön und glückselig sei?
Beim Zeus, ich gewiß nicht, sprach ich.
Und glückselig nennst du doch, die das Schöne und Gute besitzen?
Freilich.
Vom Eros aber hast du doch eingestanden,
daß er aus Bedürfnis nach dem Schönen und Guten
eben das begehre, dessen er bedürftig ist?
Das habe ich eingestanden.
Wie konnte also ein Gott sein, der unbegabt ist mit Schönem und Gutem?
Auf keine Weise, wie es scheint.
Siehst du nun, sagte sie, daß auch du den Eros für keinen Gott
hältst?
[23. Der Eros als großer
Dämon zwischen dem Sterblichen und Unsterblichen;
seine Herkunft und sein philosophisches Wesen]
Was wäre also, sprach ich, Eros?
Etwa sterblich?
Keineswegs.
Aber was denn?
Wie oben, sagte sie, zwischen dem Sterblichen und Unsterblichen.
Was also, o Diotima?
Ein großer Dämon, o Sokrates.
Denn alles Dämonische ist zwischen Gott und dem Sterblichen.
Und was für eine Verrichtung,
sprach ich, hat es?
Zu verdolmetschen und zu überbringen den Göttern, was von den
Menschen,
und den Menschen, was von den Göttern kommt,
der einen Gebete und Opfer
und der andern Befehle und Vergeltung der Opfer.
In der Mitte zwischen beiden ist es also die Ergänzung,
so daß nun das Ganze in sich selbst verbunden ist.
Und durch dies Dämonische geht auch alle Weissagung
und die Kunst der Priester in bezug auf Opfer, Weihungen und Besprechungen
und alle Wahrsagung und Bezauberung.
Denn Gott verkehrt nicht mit Menschen,
sondern aller Umgang und Gespräch
der Götter mit den Menschen geschieht durch dieses,
sowohl im Wachen als im Schlaf.
Wer sich nun hierauf versteht, der ist ein dämonischer Mann,
wer aber nur auf andere Dinge
oder irgend auf Künste und Handarbeiten, der ist ein gemeiner.
Solcher Dämonen oder Geister nun gibt es viele und von vielerlei Art,
einer aber von ihnen ist auch Eros.
Vater und seine Mutter?
Weitläufiger, sprach sie, ist dies zwar zu erzählen,
doch will ich es dir sagen.
epeidh de edeipnhsan,
prosaithsousa
oion dh euwciaV oushV
afiketo h Penia,
kai hn peri taV quraV.
o oun PoroV mequsqeiV
tou nektaroV, oinoV gar oupw hn,
eiV ton tou DioV khpon
eiselqwn bebarhmenoV huden.
h oun Penia epibouleuousa
dia thn authV aporian
paidion poihsasqai ek
tou Porou,
kataklinetai [203c] te
par autwi kai ekuhse ton erwta.
Als nämlich Aphrodite geboren war, schmausten die Götter,
und unter den übrigen auch Poros, der Sohn der Metis.
Als sie nun abgespeist, kam, um sich etwas zu erbetteln,
da es doch festlich herging, auch Penia
und stand an der Tür.
Poros nun, berauscht vom Nektar, denn Wein gab es noch nicht,
ging in den Garten des Zeus hinaus, und schwer und müde, wie er
war, schlief er ein.
Penia nun, die ihrer Dürftigkeit wegen den Anschlag faßte,
ein Kind mit Poros zu erzeugen,
legte sich zu ihm und empfing den Eros.
Deshalb ist auch Eros der Aphrodite Begleiter und Diener geworden,
wegen seiner Empfängnis an ihrem Geburtsfest,
und weil er von Natur ein Liebhaber des Schönen ist und Aphrodite
schön ist.
Als des Poros und der Penia Sohn aber
befindet sich Eros in solcherlei Umstanden:
prwton
men penhV aei esti,
kai pollou dei apaloV
te kai kaloV, oion oi polloi oiontai,
alla sklhroV [203d] kai
aucmhroV kai anupodhtoV kai aoikoV,
camaipethV aei wn kai
astrwtoV,
epi quraiV kai en odoiV
upaiqrioV koimwmenoV,
thn thV mhtroV fusin ecwn,
aei endeiai sunoikoV.
Zuerst ist er immer arm
und bei weitem nicht fein und schön, wie die meisten glauben,
vielmehr rauh, unansehnlich, unbeschuht, ohne Behausung,
auf dem Boden immer umherliegend und unbedeckt,
schläft vor den Türen und auf den Straßen im Freien
und ist der Natur seiner Mutter gemäß immer der Dürftigkeit
Genosse.
Und nach seinem Vater wiederum stellt er dem Guten und Schönen nach,
ist tapfer, keck und rüstig, ein gewaltiger Jäger,
allezeit irgend Ränke schmiedend, nach Einsicht strebend, sinnreich,
sein ganzes Leben lang philosophierend,
ein arger Zauberer, Giftmischer und Sophist,
kai
oute wV [203e] aqanatoV pefuken oute wV qhtoV,
alla tote men thV authV
hmeraV qallei te kai zhi, otan euporhshi,
tote de apoqnhskei, palin
de anabiwsketai dia thn tou patroV fusin,
to de porizomenon aei
upekrei,
wste oute aporei ErwV
pote oute ploutei,
sofiaV te au kai amaqiaV
en meswi estin.
und weder wie ein Unsterblicher geartet noch wie ein Sterblicher,
bald an demselben Tage blühend und gedeihend, wenn es ihm gut
geht,
bald auch hinsterbend doch aber wieder auflebend nach seines Vaters
Natur.
Was er sich aber schafft, geht ihm immer wieder fort,
so daß Eros nie weder arm ist noch reich
und auch zwischen Weisheit und Unverstand immer in der Mitte steht.
[204a]
ecei gar wde.
qewn oudeiV filosofei
oud epiqumei sofoV genesqai esti gar
oud ei tiV alloV sofoV,
ou filosofei.
Dies verhält sich nämlich so:
Kein Gott philosophiert oder begehrt, weise zu werden, sondern er ist
es,
noch auch, wenn sonst jemand weise ist, philosophiert dieser.
Ebensowenig philosophieren auch die Unverständigen oder bestreben
sich, weise zu werden.
Denn das ist eben das Arge am Unverstande,
daß er, ohne schön und gut und vernünftig zu sein,
doch sich selbst ganz genug zu sein dünkt.
Wer nun nicht glaubt, bedürftig zu sein, der begehrt auch das nicht,
dessen er nicht zu bedürfen glaubt.
Wer also, sprach ich, Diotima, sind denn die Philosophierenden,
wenn es weder die Weisen sind noch die Unverständigen?
Das muß ja schon, sagte sie, jedem Kinde deutlich sein,
daß es die zwischen beiden sind,
zu denen auch Eros gehören wird.
Denn die Weisheit gehört zu dem Schönsten und Eros ist Liebe
zu dem Schönen;
so daß Eros notwendig weisheitliebend ist
und also als philosophisch zwischen den Weisen und Unverständigen
mitteninne steht.
Und auch davon ist seine Herkunft Ursache;
denn er ist von einem weisen und wohlbegabten Väter,
aber von einer unverständigen und dürftigen Mutter.
Dies also, lieber Sokrates, ist die Natur dieses Dämons.
Was du aber glaubtest, daß Eros sei, ist nicht zu verwundern.
Du glaubtest nämlich, wie ich aus dem, was du sagst, vermuten
muß,
Eros sei das Geliebte, nicht das Liebende.
Daher, meine ich, erschien dir Eros so wunderschön.
Denn das Liebenswerte ist auch in der Tat
das Schöne, Zarte, Vollendete, Seligzupreisende.
Das Liebende aber hat ein anderes Wesen, so wie ich es beschrieben
habe.
[24.
Eros die Liebe zum Guten in jeder Gestalt,
und sie erstrebt den ständigen Besitz des Guten]
Darauf sagte ich: Wohl denn, Freundin, denn du hast
wohl gesprochen.
Wenn nun aber Eros ein solcher ist, welchen Nutzen
gewährt er den Menschen?
Dies, o Sokrates, sprach sie, will ich nun hiernächst versuchen dich
zu lehren.
So beschaffen also und so entstanden ist Eros.
Er geht aber auf das Schöne, wie du sagst.
ei
de tiV hmaV eroito:
ti twn kalwn estin o ErwV,
w SwkrateV te kai Diotima?
wde de safesteron: erai
o erwn twn kalwn: ti erai?
Wenn uns aber jemand fragte:
Was hat denn Eros vom Schönen, o Sokrates und Diotima?
Oder ich will es noch deutlicher so fragen:
Wer das Schöne begehrt, was begehrt der?
Da sprach ich: Daß es ihm zuteil werde.
Aber, sagte sie, diese Antwort verlangt nach noch einer Frage, etwa dieser:
Was geschieht denn jenem, dem das Schöne zuteil wird?
Da sagte ich, auf diese Frage hätte ich nicht
sogleich eine Antwort bereit.
[204e]
all, efh,
wsper an ei tiV metabalwn
anti tou kalou twi agaqwi crwmenoV
punqanoito:
fere, w SwkrateV, erai
o erwn twn agaqwn: ti erai?
Aber, sprach sie,
wenn nun jemand tauschend statt des Schönen das Gute setzte
und fragte:
Sprich, o Sokrates, wer das Gute begehrt was begehrt der?
Daß es ihm zuteil werde, sagte ich.
Und was geschieht jenem, dem das Gute zuteil wird?
Das kann ich schon leichter
beantworten, sagte ich,
er wird glückselig.
Denn durch den Besitz des Guten, fügte sie hinzu, sind die Glückseligen
glückselig.
Und hier bedarf es nun keiner weiteren Frage mehr,
weshalb doch der glückselig sein will, der es will,
sondern die Antwort scheint vollendet zu sein.
Richtig gesprochen, sagte
ich.
Dieser Wille nun und diese Liebe, glaubst du,
daß sie allen Menschen gemein sind
und daß alle immer das Gute haben wollen, oder wie meinst du?
So, sprach ich, daß dies allen gemein ist.
Warum aber, sprach sie, sagen wir nicht, daß alle Lieben,
wenn doch alle dasselbe lieben und immer,
sondern sagen von einigen, daß sie lieben, von anderen aber nicht?
Das wundert mich selbst, sagte ich.
alla
mh qaumaz, efh:
afelonteV gar ara tou
erwtoV ti eidoV onomazomen,
to tou olou epitiqenteV
onoma, erwta,
ta de alla alloiV katascrwmeqa
onomasin.
Laß es dich nur nicht wundern, sagte sie.
Denn wir nehmen nur eine gewisse Art der Liebe heraus,
die wir mit dem Namen des Ganzen belegen und Liebe nennen,
für die anderen brauchen wir andere Namen.
Wie doch etwa? sprach ich.
wsper
tode.
oisq oti poihsiV esti
ti polu:
h gar toi ek tou mh ontoV
eiV to EON ionti otwioun aitia
pasa esti [205c] poihsiV,
wste kai ai upo pasaiV
taiV tecnaiV ergasiai poihseiV eisi
kai oi toutwn dhmiourgoi
panteV poihtai.
So etwa, sagte sie.
Du weißt doch, daß Dichtung etwas gar Vielfältiges
ist.
Denn was nur für irgend etwas Ursache wird, aus dem Nichtsein
in das Sein zu treten,
ist insgesamt Dichtung.
Daher liegt auch bei den Hervorbringungen aller Künste Dichtung
zugrunde,
und die Meister darin sind sämtlich Dichter.
Ganz richtig.
all
omwV h d h, oisq oti ou kalountai poihtai
alla alla ecousin onomata,
apo de pashV thV poihsewV
en morion aforisqen
to peri thn mousikhn
kai ta metra
twi tou olou nonomati
prosagoreuetai.
poihsiV gar touto monon
kaleitai,
kai oi econteV touto to
morion thV poihsewV poihtai.
Aber doch weißt du schon, daß sie nicht Dichter genannt werden,
sondern andere Benennungen haben,
und von der gesamten Dichtung wird nur ein Teil ausgesondert,
der es mit der Tonkunst und den Silbenmaßen zu tun hat,
und dieser mit dem Namen des Ganzen benannt.
Denn dies allein wird Dichtung genannt,
und die diesen Teil der Dichtung innehaben, Dichter.
Richtig gesprochen, sagte ich.
So auch, was die Liebe betrifft, ist im allgemeinen
jedes Begehren des Guten und der Glückseligkeit
die größte und heftigste Liebe für jeden.
all
oi allhi trepomenoi pollachi ep auton,
h kata crhmatismon h kata
pkilogumnastian h kata filosofian,
oute eran kalountai oute
erastai,
oi de kata en ti eidoV
ionteV te kai espoudakoteV
to tou olou onoma iscousin,
erwta te kai eran kai erastai.
Allein die übrigen, die sich anderwärtshin damit wenden,
entweder zum Gewerbe oder zu den Leibesübungen oder zur Erkenntnis,
von denen sagen wir nicht, daß sie lieben und Liebhaber sind;
sondern nur die auf eine gewisse Art ausgehen und sich der befleißigen,
erhalten den Namen des Ganzen, Liebe und lieben und Liebhaber.
Das magst du wohl richtig erklären, sagte ich.
Und so geht zwar eine Rede, sagte sie,
daß, die ihre Hälfte suchen, lieben.
Meine Rede aber sagt, die Liebe gehe weder auf die Hälfte, Freund,
noch auf das Ganze, wenn es nicht ein Gutes ist.
Denn die Menschen lassen sich ja gern Ihre eigenen Hände und Füße
wegschneiden,
wenn sie, obgleich ihr eigen, ihnen böse und gefährlich scheinen.
Denn nicht an dem Seinigen hängt jeder, glaube ich,
es müßte denn einer das Gute das Angehörige nennen
und das Seinige,
das Schlechte aber Fremdes.
So daß es nichts gibt, was die Menschen lieben, als das Gute.
Oder scheinen sie dir doch etwa?
Beim Zeus, mir nicht, sprach ich.
Können wir aber nun schon so schlechthin sagen,
daß die Menschen das Gute lieben?
Ja, sagte ich.
ti
de? ou prosqeteon,
efh,
oti kai einai to agaqon
autoiV erwsin?
Wie? Müssen wir nicht hinzusetzen,
daß sie lieben, das Gute zu haben?
Das müssen wir hinzusetzen.
Und, sagte sie, nicht nur es zu haben,
sondern auch es immer zu haben?
Auch das ist hinzuzusetzen.
So geht denn, alles zusammengenommen,
die Liebe darauf, daß man selbst das Gute immer haben will.
Vollkommen richtig erklärt, sagte ich.
[25.
Die Weise des Liebesvollzugs ist Zeugung im Schönen um der Unsterblichkeit
willen]
Wenn nun die Liebe immer dieses ist, sagte sie,
auf welche Art und in welcher Handlungsweise gehen ihm nun diejenigen
nach,
deren Betrieb und Anstrengung man eigentlich Liebe zu nennen pflegt?
Weißt du wohl zu sagen, was für ein Werk dieses ist?
Dann würde ich ja, sprach ich, dich, o Diotima,
nicht so bewundern deiner Weisheit wegen
und zu dir gehen, um eben dieses zu lernen.
So will ich es dir sagen, sprach sie.
Es ist nämlich eine Geburt in dem Schönen,
sowohl dem Leibe als der Seele nach.
Man muß weissagen können, sprach ich,
um zu wissen, was du wohl meinst,
und ich verstehe es nicht.
So will ich es dir denn deutlicher sagen.
Alle Menschen nämlich, o Sokrates, sprach sie, sind fruchtbar
sowohl dem Leibe als der Seele nach,
und wenn sie zu einem gewissen Alter gelangt sind,
so strebt unsere Natur zu erzeugen.
Erzeugen aber kann sie in dem Häßlichen nicht, sondern nur in
dem Schönen.
[...]
Es ist aber dies eine göttliche Sache
und in dem sterblichen Lebenden etwas Unsterbliches,
die Empfängnis und die Erzeugung.
[206d] anarmoston d esti
to aiscron panti twi qeiwi,
to de kalon armotton.
In dem Unangemessenen aber kann dieses unmöglich erfolgen;
und unangemessen ist das Häßliche allem Göttlichen,
das Schöne aber angemessen.
Eine einführende und geburtshelfende Göttin also ist die Schönheit
für die Erzeugung.
Deshalb, wenn das Zeugungslustige dem Schönen naht,
wird es beruhigt und von Freude durchströmt
und erzeugt und befruchtet;
wenn aber Häßlichem,
so zieht es sich finster und traurig in sich zusammen und wendet sich
ab
und schrumpft ein und erzeugt nicht, sondern trägt mit Beschwerde
seine Bürde weiter.
Darum beeifert sich, wer von Zeugungsstoff und Lust erfüllt ist,
so sehr um das Schöne,
weil es ihn großer Wehen entledigt.
Denn die Liebe, o Sokrates, geht gar nicht auf das Schöne, wie
du meinst.
Sondern worauf denn?
Auf die Erzeugung und Geburt im Schönen.
Mag sein, sprach ich.
Ganz gewiß, sagte sie.
Warum aber auf die Erzeugung?
Weil eben die Erzeugung das Ewige ist und das Unsterbliche, wie es im Sterblichen
sein kann.
Nach der Unsterblichkeit aber zu streben mit dem Guten ist notwendig
zufolge des schon Eingestandenen,
wenn doch die Liebe darauf geht, das Gute immer zu haben.
Notwendig also geht nach dieser Rede die Liebe auch auf die Unsterblichkeit.
[26. Ursache dieses
Verlangens: Nur so hat das Sterbliche am Unsterblichen Anteil]
Dies alles lehrte sie mich,
als sie über die Liebe mit mir redete, und fragte mich auch
einmal:
Was meinst du wohl, o Sokrates,
daß die Ursache dieser Liebe und dieses Verlangens sei?
h
ouk aisqanhi wV deinwV diatiqetai panta ta qhria
epeidan gennan epiqumhshi,
kai ta peza kai ta pthna,
nosounta te [207b] panta
kai erwtikwV diatiqemena,
prwton men peri to summighnai
allhloiV,
epeita peri thn trofhn
tou genomenou,
kai etoima estin uper
toutwn
kai diamacesqai ta asqenestata
toiV iscurotatoiV kai uperapoqnhiskein,
kai auta twi limwi parateinomena
wst ekeina ektrefein,
kai allo pan poiounta.
Oder merkst du nicht, in welchem gewaltsamen Zustande sich alle Tiere befinden,
wenn sie begierig sind zu erzeugen,
geflügelte und ungeflügelte,
wie sie alle krank und verliebt erscheinen,
zuerst wenn sie sich miteinander vermischen
und dann auch bei der Auferziehung des Erzeugten,
wie auch die schwächsten bereit sind, dieses gegen die stärksten
zu verteidigen und dafür zu sterben;
und wie sie sich selbst vom Hunger quälen lassen, um nur jenes
zu ernähren,
und so auch alles andere tun?
Denn von den Menschen könnte man sagen, sie täten dies mit Überlegung;
aber welches der Grund sein mag, warum auch die Tiere sich so verliebt
zeigen,
kannst du mir das sagen?
Und ich sagte wieder, ich wüßte es nicht.
h
d eipen,
dianohi oun deinoV pote
genhsesqai ta erwtika,
ean tauta mh ennohiV?
Da sprach sie:
Gedenkst du denn je etwas Großes zu leisten in Liebessachen,
wenn du dies nicht einsiehst?
Aber eben deshalb, sprach ich, bin ich ja zu dir
gekommen, o Diotima,
wie ich auch schon sagte, weil ich weiß,
daß ich Lehrer brauche.
Sage mir also den Grund hiervon
und von allem, was sonst in der Liebe vorkommt.
ei
toinin, efh,
pisteueiV ekeinou einai
fusei ton erwta,
ou pollakiV wmologhkamen,
mh qaumaze.
Wenn du also glaubst, sprach sie,
daß die Liebe von Natur auf das gehe, worüber wir uns oft
schon einverstanden haben,
so wundere dich nur nicht.
Denn ganz ebenso wie dort sucht auch hier die sterbliche Natur
nach Vermögen immer zu sein und unsterblich.
dunatai
de tauthi monon, thi genesei,
oti aei kataleipei eteron
neon anti tou palaiou,
epei kai en wi en ekaston
twn zwiwin zhn kaleitai kai einai to auto
oion ek paidariou o autoV
legetai ewV an presbuthV genhtai:
outoV mentoi oudepote
ta auta ecwn
en autwi omwV o autoV
kaleitai, alla
neoV aei gignomenoV,
ta de apolluV,
kai kata taV tricaV, kai sarka
kai osta kai [207e]
aima
kai sumpan to swma.
kai mh oti kata to swma,
alla kai kata thn yuchn
oi tropoi, ta hqh, doxai,
epiqumiai, hdonai, lupai, foboi,
toutwn ekasta oudepote
ta auta parestin ekastwi,
alla ta men gignetai,
ta de apollutai.
Sie vermag es aber nur auf diese Art, durch die Erzeugung,
daß immer ein anderes Junges statt des Alten zurückbleibt.
Denn auch von jedem einzelnen Lebenden sagt man ja, daß es lebe
und dasselbe sei,
wie einer von Kindesbeinen an immer derselbe genannt wird, wenn er
auch ein Greis geworden ist:
und heißt doch immer derselbe,
unerachtet er nie dasselbe an sich behält, sondern immer ein neuer
wird
und Altes verliert an Haaren, Fleisch, Knochen, Blut
und dem ganzen Leibe;
und nicht nur an dem Leibe allein, sondern auch an der Seele,
die Gewöhnungen, Sitten, Meinungen, Begierden, Lust, Unlust, Furcht,
hiervon behält nie jeder dasselbe an sich,
sondern eins entsteht und das andere vergeht.
Und viel wunderlicher noch als dieses ist, daß auch die Erkenntnisse
nicht nur teils entstehen, teils vergehen,
und wir nie dieselben sind in bezug auf die Erkenntnisse,
sondern daß auch jeder einzelnen Erkenntnis dasselbe begegnet.
Denn was man Nachsinnen heißt, geht auf eine ausgegangene Erkenntnis.
Vergessen nämlich ist das Ausgehen einer Erkenntnis,
Nachsinnen aber bildet statt der abgegangenen eine Erinnerung ein
und erhält so die Erkenntnis, daß sie dieselbe zu sein scheint.
Und auf diese Weise wird alles Sterbliche erhalten,
nicht so, daß es durchaus immer dasselbe wäre, wie das Göttliche,
sondern indem das Abgehende und Veraltende ein anderes Neues solches
zurückläßt,
wie es selbst war.
Durch diese Veranstaltung, o Sokrates, sagte sie, hat alles Sterbliche
teil an der Unsterblichkeit,
der Leib sowohl als alles übrige;
das Unsterbliche aber durch eine andere.
Wundere dich also nicht, wenn ein jedes von Natur seinen eignen Sprößling
in Ehren hält.
Denn der Unsterblichkeit wegen begleitet jeden dies Bestreben und diese
Liebe.
[27. Die verschiedenen
Bemühungen um Unsterblichkeit:
Leibliche und geistige Zeugung]
Über diese Rede nun, als ich sie gehört,
war ich verwundert und sagte:
Wohl, weiseste Diotima, verhält sich dies
nun in der Tat so?
Und sie, wie die rechten Meister im Wissen pflegen,
sprach:
eu
isqi, efh, w SwkrateV:
epei ge kai twn anqrwpwn
ei eqeleiV eiV thn filotimian bleyai,
qaumazoiV an thV alogiaV
peri a egw eirhka ei mh ennoeiV,
enqumhqeiV wV deinwV diakeintai
erwti tou onomastoi genesqai
kai kleoV eV ton aei cronon
aqanaton kataqesqai,
kai uper toutou kindunouV
te kinduneuein etoimoi eisi pantaV
eti mallon h uper twn
[208d] paidwn,
kai crhmata analiskein
kai ponouV ponein oustinasoun
kai uperapoqnhiskein.
Dessen sei nur versichert, o Sokrates.
Denn wenn du auch auf die Ehrliebe der Menschen sehen willst:
so müßtest du dich ja über die Unvernunft wundern in
dem, was ich schon angeführt,
wenn du nicht bedenkst, einen wie gewaltigen Trieb sie haben,
berühmt zu werden und einen unsterblichen Namen auf ewige Zeiten
sich zu erwerben.
Und für diesen sind alle bereit, die größten Gefahren
zu bestehen,
noch mehr als für ihre Kinder,
und ihr Vermögen aufzuwenden und jedwede Mühe unverdrossen
zu übernehmen
und dafür zu sterben.
Denn meinst du wohl, sprach sie, Alkestis würde für den Admetos
gestorben sein
oder Achilleus dem Patroklos nachgestorben
oder euer Kodros im voraus für die Königswürde seiner
Kinder,
wenn sie nicht geglaubt hätten,
eine unsterbliche Erinnerung ihrer Tugend würde nach ihnen bleiben,
die wir jetzt auch haben?
Weit gefehlt, sagte sie, sondern nur für die Unsterblichkeit der Tugend
und für einen solchen herrlichen Nachruhm, glaube ich, tun alle
alles,
und zwar je besser sie sind, um desto mehr,
denn sie lieben das Unsterbliche.
Die nun, fuhr sie fort, dem Leibe nach zeugungslustig sind,
wenden sich mehr zu den Weibern und sind auf diese Art verliebt,
indem sie durch Kindererzeugen Unsterblichkeit und Nachgedenken und
Glückseligkeit, wie sie meinen,
für alle künftige Zeit sich verschaffen.
oi
de kata thn [209a] yuchn eisi gar oun, efh,
oi en taiV yucaiV kuousin
eti mallon h en toiV swmasin,
a yuchi proshkei kai kuhsai
kai tekein:
Die aber der Seele nach, denn es gibt solche, sagte sie,
die auch in der Seele Zeugungskraft haben, viel mehr als im Leibe,
für das nämlich, was der Seele ziemt zu erzeugen und erzeugen
zu wollen.
ti
oun proshkei?
fronhsin te kai thn allhn
arethn
wn dh eisi kai oi poihtai
panteV gennhtoreV
kai twn dhmiourgwn osoi
legontai euretikoi einai:
Und was ziemt ihr denn?
Weisheit und jede andere Tugend,
deren Erzeuger auch alle Dichter sind
und alle Künstler, denen man zuschreibt erfinderisch zu sein.
Die größte aber und bei weitem schönste Weisheit, sagte
sie, ist die,
welche in der Staaten und des Hauswesens Anordnung sich zeigt,
deren Name Besonnenheit ist und Gerechtigkeit.
Wer nun diese als ein Göttlicher schon von Jugend an in seiner Seele
trägt,
der wird auch, wenn die Zeit herankommt, Lust haben
zu befruchten und zu erzeugen.
Daher geht auch, meine Lieber, ein solcher umher, das Schöne zu suchen,
worin er erzeugen könne.
Denn in dem Häßlichen wird er nie erzeugen.
Daher erfreut er sich sowohl an schönen Leibern mehr als an häßlichen,
weil er nämlich erzeugen will,
als auch, wenn er eine schöne, edle und wohlgebildete Seele antrifft,
erfreut er sich vorzüglich an beidem vereinigt
und hat für einen solchen Menschen gleich eine Fülle von
Reden über die Tugend
und darüber, wie ein trefflicher Mann sein müsse und wonach
streben;
und gleich unternimmt er, ihn zu unterweisen.
aptomenoV
gar oimai tou kalou kai omilwn autwi,
a palai ekuei tiktei kai
gennai,
kai parwn kai apwn memnhmenoV,
kai to gennhqen sunektrefei
koinhi met ekeinou,
wste polu meizw koinwnian
thV twn paidwn proV allhlouV oi toioutoi iscousi
kai filian bebaioteran,
ate kallionwn kai aqanatwterwn
paidwn kekoinwnhkoteV.
Nämlich indem er den Schönen berührt, meine ich, und mit
ihm sich unterhält,
erzeugt und gebiert er, was er schon lange zeugungslustig in sich trug,
und indem er anwesend und abwesend seiner gedenkt,
erzieht er auch mit jenem gemeinschaftlich das Erzeugte.
So daß diese eine weit genauere Gemeinschaft miteinander haben
als die eheliche
und eine festere Freundschaft,
wie sie auch schönere und unsterblichere Kinder gemeinschaftlich
besitzen.
Und jeder sollte lieber solche Kinder haben wollen
als die menschlichen,
wenn er auf Homeros sieht und Hesiodos
und die anderen trefflichen Dichter,
nicht ohne Neid, was für Geburten sie zurücklassen,
die ihnen unsterblichen Ruhm und Angedenken sichern,
wie sie auch selbst unsterblich sind.
Oder, wenn du willst, sagte sie, was für Kinder Lykurgos in Lakedaimon
zurückgelassen hat,
Retter von Lakedaimon und, um es geradeheraus zu sagen, von ganz Hellas.
timioV
de par umin kai Solwn dia thn twn nomwn gennhsin,
kai alloi [209e] alloqi
pollacou andreV, kai en Hellhsi kai en barbaroiV,
polla kai kala apofhnamenoi
erga,
gennhsanteV pantoian arethn:
wn kai iera polla hdh
gegone dia touV toioutouV paidaV,
dia de touV anqrwpinouV
oudenoV pw.
Geehrt ist bei euch auch Solon, weil er Gesetze gezeugt,
und viele andere anderwärts unter Hellenen und Barbaren,
die viele und schöne Werke dargestellt haben
und vielfältige Tugenden erzeugt,
denen auch schon viele Heiligtümer sind errichtet worden um solcher
Kinder willen,
der menschlichen Kinder wegen aber nie jemandem.
[28. Der Stufenweg
in der Erkenntnis des Schönen]
Soweit nun, o Sokrates, vermagst
wohl auch du in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht zu werden;
ob aber, wenn jemand
die höchsten und heiligsten, auf welche sich auch jene beziehen,
recht vortrüge,
du es auch vermöchtest,
weiß ich nicht.
Indes, sprach sie, will
ich sie vortragen und es an mir nirgend fehlen lassen.
Versuche nur zu folgen,
wenn du es vermagst.
dei
gar, efh, ton orqwV ionta epi touto to pragma arcesqai
men neon onta ienai epi
ta kala swmata,
kai prwton men,
ean orqwV hghtai o hgoumenoV,
enoV auton swmatoV eran
kai entauqa gennan logouV kalouV,
epeita de auton katanohsai
oti to kalloV [210b] to
epi otwioun swmati twi epi eterwi swmati adelfon esti,
kai ei dei diwkein to
ep eidei kalon,
pollh anoia mh ouc en
to kai touton hgeisqai to epi pasin toiV swmasi kalloV:
Wer nämlich auf die
rechte Art diese Sache angreifen will,
der muß in der
Jugend damit anfangen, schönen Gestalten nachzugehen,
und wird zuerst freilich,
wenn er richtig beginnt,
nur einen solchen lieben
und diesen mit schönen Reden befruchten,
hernach aber von selbst
innewerden,
daß die Schönheit
in irgendeinem Leibe der in jedem andern verschwistert ist
und es also, wenn er
dem in der Idee Schönen nachgehen soll,
großer Unverstand
wäre, nicht die Schönheit in allen Leibern für eine und
dieselbe zu halten,
touto
d ennohsanta
katasthnai pantwn twn
kalwn swmatwn erasthn,
enoV de to sfodra touto
calasai
katafronhsanta kai smikron
hghsamenon:
und wenn er dessen innegeworden,
sich als Liebhaber aller
schönen Leiber darstellen
und von der gewaltigen
Heftigkeit für einen nachlassen,
indem er dies für
klein und geringfügig hält.
meta
de tauta to en taiV yucaiV kalloV
timiwteron hghsasqai tou
en twi swmati,
wste kai ean epieikhV
wn thn yuchn tiV kan smikron anqoV [210c] echi,
exarkein autwi kai eran
kai khdesqai kai tiktein logouV toioutouV
kai zhtein, oitineV poihsousi
beltiouV touV neouV,
Nächstdem aber muß
er die Schönheit in den Seelen
für weit herrlicher
halten als die in den Leibern,
so daß, wenn einer,
dessen Seele zu loben ist, auch nur wenig von jener Blüte zeigt,
ihm das doch genug ist
und er ihn liebt und pflegt,
indem er solche Reden
erzeugt und aufsucht,
welche die Jünglinge
besser zu machen vermögen,
damit er selbst so dahin
gebracht werde,
das Schöne in den
Bestrebungen und in den Sitten anzuschauen,
um auch von diesem zu
sehen, daß es sich überall verwandt ist,
und so die Schönheit
des Leibes für etwas Geringeres zu halten.
meta
de ta epithdeumata epi taV episthmaV agagein,
ina idhi au episthmwn
kalloV,
kai blepwn proV [210d]
polu hdh to kalon
mhketi to par eni,
wsper oikethV, agapwn
paidariou kalloV h
anqrwpou tinoV
h epithdeumatoV enoV,
douleuwn fauloV hi kai
smikrologoV,
all epi to polu pelagoV
tetrammenoV tou kalou kai qewrwn polluV
kai kalouV logouV kai
megaloprepeiV tikthi kai dianwmata
en filosofia afqonwi,
ewV an entauqa rwsqeiV
kai auxhqeiV
katidhi tina episthmhn
mian toiauthn,
h esti kalou [210e] toioude.
Von den Bestrebungen aber
muß er weiter zu den Erkenntnissen gehen,
damit er auch die Schönheit
der Erkenntnisse schaue
und, vielfältiges
Schöne schon im Auge habend,
nicht mehr dem bei einem
einzelnen,
indem er knechtischerweise
die Schönheit eines Knäbleins oder irgendeines Mannes
oder einer einzelnen
Bestrebung liebt,
dienend sich schlecht
und kleingeistig zeige,
sondern auf die hohe
See des Schönen sich begebend und dort umschauend,
viel schöne und
herrliche Reden und Gedanken erzeuge
in ungemessenem Streben
nach Weisheit,
bis er, hierdurch gestärkt
und vervollkommnet,
eine einzige solche Erkenntnis
erblicke,
welche auf ein Schönes
folgender Art geht.
Hier aber, sprach sie, bemühe
dich nur, aufzumerken, so sehr du kannst,
[29.
Die Vollendung des Lebens in der Schau des Schönen selbst]
Wer nämlich bis hierher
in der Liebe erzogen ist,
das mancherlei Schöne
in solcher Ordnung und richtig schauend,
der wird, indem er nun
der Vollendung in der Liebeskunst entgegengeht,
plötzlich ein von
Natur wunderbar Schönes erblicken,
nämlich jenes selbst,
o Sokrates,
um deswillen er alle
bisherigen Anstrengungen gemacht hat,
prwton
men [211a] aei on
kai oute gignomenon oute
apollumenon,
oute auxanomenon oute
fqinon,
epeita ou thi men kalon,
thi d aiscron,
oude tote men, tote de
ou,
oude proV men to kalon,
proV de to aiscron,
oud enqa men kalon, enqa
de aiscron,
wV tisi men on kalon,
tisi de aiscron:
welches zuerst immer ist
und weder entsteht noch
vergeht,
weder wächst noch
schwindet,
ferner auch nicht etwa
nur insofern schön, insofern aber häßlich ist,
noch auch jetzt schön
und dann nicht,
noch in Vergleich hiermit
schön, damit aber häßlich,
noch auch hier schön,
dort aber häßlich,
als ob es nur für
einige schön, für andere aber häßlich wäre.
oud
au fantasqhsetai autwi to kalon
oion proswpon ti oude
ceireV oude allo ouden wn swma metecei,
oude tiV logoV oude tiV
episteme,
oude pou on en eterwi
tini,
oion en zwiwi h en ghi
h en ouranwi [211b] h en twi allwi,
all auto kaq auto meq
autou menoeideV aei on,
ta de alla panta kala
ekeinou meteconta tropon tina toiouton,
oion gignomenwn te twn
allwn kai apollumenwn
mhden ekeino mhte ti pleon
mhte elatton gignesqai mhde pascein mhden.
Noch auch wird ihm dieses
Schöne unter einer Gestalt erscheinen,
wie ein Gesicht oder
Hände oder sonst etwas, was der Leib an sich hat,
noch wie eine Rede oder
eine Erkenntnis,
noch irgendwo an einem
andern seiend,
weder an einem einzelnen
Lebenden, noch an der Erde, noch am Himmel;
sondern an und für
und in sich selbst ewig
überall dasselbe
seiend,
alles andere Schöne
aber an jenem auf irgendeine solche Weise Anteil habend,
daß, wenn auch
das andere entsteht und vergeht,
jenes doch nie irgendeinen
Gewinn oder Schaden davon hat,
noch ihm sonst etwas
begegnet.
Wenn also jemand vermittels
der echten Knabenliebe von dort an aufgestiegen
jenes Schöne anfängt
zu erblicken,
der kann beinahe zur
Vollendung gelangen.
touto
gar dh esti to orqwV epi [211c] ta erotika ienai
h up allou agesqai,
arcomonon apo twnde twn
kalwn
ekeinou eneka tou kalou
aei epanienai,
wsper epanabasmoiV crwmenon,
apo enoV epi duo
kai apo duoin epi panta
ta kala swmata,
kai apo twn kalwn swmatwn
epi ta kala epithdeumata,
kai apo twn epithdeumatwn
epi ta kala maqhmata,
kai apo twn maqhmatwn
ep ekeino to maqhma teleuthsai,
o estin ouk allou h autou
ekeinou to kalou maqhma,
kai gnwi auto teleutwn
o esti [211d] kalon.
Denn dies ist die rechte
Art, sich auf die Liebe zu legen
oder von einem andern
dazu angeführt zu werden,
daß man von diesem
einzelnen Schönen beginnend
jenes einen Schönen
wegen immer höher hinaufsteige,
gleichsam stufenweise
von einem zu zweien,
und von zweien zu allen
schönen Gestalten,
und von den schönen
Gestalten zu den schönen Sitten und Handlungsweisen,
und von den schönen
Sitten zu den schönen Kenntnissen,
bis man von den Kenntnissen
endlich zu jener Kenntnis gelangt,
welche von nichts anderem
als eben von jenem Schönen selbst die Kenntnis ist,
und man also zuletzt
jenes selbst, was schön ist, erkenne.
Und an dieser Stelle des
Lebens, lieber Sokrates, sagte die Mantineische Fremde,
wenn irgendwo, ist es
dem Menschen erst lebenswert,
wo er das Schöne
selbst schaut,
o
ean pote idhiV,
ou kata crusion te kai
esqhta kai touV kalouV paidaV te kai neaniskouV doxei soi einai,
ouV nun orwn ekpeplhxai
kai etoimoV
ei kai su kai alloi polloi,
orwnteV ta paidika kai sunonteV aei autoiV,
ei pwV oin t hn, mht esqiein
mhte pinein,
alla qeasasqai monon kai
suneinai.
welches wenn du es je erblickst,
du nicht wirst vergleichen
wollen mit köstlichem Gerät oder Schmuck
oder mit schönen
Knaben und Jünglingen,
bei deren Anblick du
jetzt entzückt bist und wohl gern, du wie viele andere,
um nur den Liebling zu
sehen und immer mit ihm vereinigt zu sein,
wenn es möglich
wäre, weder essen noch trinken möchtest,
sondern nur anschauen
und mit ihm verbunden sein.
ti
dhta, efh, oiomeqa,
ei twi genoito [211e]
auto to kalon idein eilikrineV,
kaqaron, ameikton, alla
mh anaplewn sarkwn te anqrwpinwn
kai crwmatwn kai allhV
pollhV fluariaV qnhthV,
all auto to qeion kalon
dunaito monoeideV katidein?
Was also, sprach sie, sollen
wir erst glauben, wenn einer dazu gelangte,
jenes Schöne selbst
rein, lauter und unvermischt zu sehen,
das nicht voll menschlichen
Fleisches ist
und Farben und anderen
sterblichen Flitterkrames,
sondern das göttlich
Schöne selbst in seiner Einartigkeit zu schauen?
Meinst du wohl, daß
das ein schlechtes Leben sei,
wenn einer dorthin sieht
und jenes erblickt
und damit umgeht?
Oder glaubst du nicht, daß
dort allein ihm begegnen kann,
indem er schaut, womit
man das Schöne schauen muß,
nicht Abbilder der Tugend
zu erzeugen,
weil er nämlich
auch nicht ein Abbild berührt,
sondern Wahres, weil
er das Wahre berührt?
Wer aber wahre Tugend erzeugt
und aufzieht,
dem gebührt, von
den Göttern geliebt zu werden,
und wenn irgendeinem
anderen Menschen,
dann gewiß auch
ihm, unsterblich zu sein.
Solches, o Phaidros und ihr übrigen,
sprach Diotima
und habe ich ihr geglaubt,
und wie ich es glaube, suche
ich es auch andern glaublich zu machen,
daß, um zu diesem Besitz
zu gelangen,
nicht leicht jemand der menschlichen
Natur
einen besseren Helfer finden
könnte als den Eros.
Darum auch, behaupte ich, sollte jedermann den Eros ehren
und ehre ich auch selbst alles, was zur Liebe gehört,
und übe mich darin ganz vorzüglich
und ermuntere auch andere dazu
und preise jetzt und immer die Macht und Tapferkeit des Eros,
so sehr ich nur vermag.
Willst du nun, o Phaidros, so nimm diese Rede dafür an,
daß ich sie als eine Lobrede auf den Eros gesprochen;
wo nicht, so nenne sie, wie und wonach du
sie nennen willst.
[30.
Plötzliches Erscheinen des Alkibiades;
seine Bekränzung des Agathon und des Sokrates]
Nachdem nun Sokrates also gesprochen, hätten die andern ihn
gelobt,
Aristophanes aber sei im Begriff gewesen, etwas zu sagen,
weil Sokrates in seiner Rede seiner erwähnt wegen der Rede.
Allein, plötzlich sei an der äußeren Tür gepocht
worden,
und es sei ein großes Geräusch entstanden,
als höre man Stimmen von Herumziehenden mit einer Flötenspielerin.
Da habe Agathon gesagt: Leute, geht keiner nachsehen?
Und wenn es von näheren Freunden einer ist, so nötigt
ihn herein;
wo nicht, so sagt nur, wir tränken nicht mehr, sondern ruhten
schon.
Nicht lange darauf habe man im Vorhause des Alkibiades Stimme gehört,
der sehr trunken schien und laut schrie,
fragend, wo Agathon sei, und fordernd, zum Agathon gebracht zu werden.
Sie hätten ihn also zu ihnen geführt,
von der Flötenspielerin unter dem Arme gefaßt
und von einigen andern seines Gefolges,
er sei aber in der Tür stehen geblieben,
bekränzt mit einem dicken Kranz von Efeu und Violen,
und Bänder in großer Menge auf dem Kopf,
und habe gesagt: Ihr Männer, seid gegrüßt!
Ihr werdet jetzt noch einen schon tüchtig trunkenen Mann zum
Mittrinker aufnehmen;
Oder sollen wir wieder gehen, wenn wir erst den Agathon bekränzt
haben,
wozu wir eben da sind?
Denn gestern, habe er hinzufügt, war es
mir nicht möglich, zu kommen;
Jetzt aber bin ich da, auf dem Haupte die Bänder,
um von meinem Haupte das Haupt dieses weisesten und schönsten
Mannes,
wenn ich so sagen darf, zu umwinden.
Wollt Ihr mich auslachen als trunken?
Meinethalben, wenn ihr auch lacht, ich weiß doch, daß
ich recht habe.
Lagt mir also nur gleich hier, soll ich auf diese Bedingungen hereinkommen
oder nicht?
Wollt ihr mittrinken oder nicht?
Alle hätten ihn darauf lärmend geheißen, hereinzutreten
und sich niederzulassen,
auch Agathon habe ihn eingeladen.
Und nun sei er gekommen, von den Leuten geführt,
und habe sogleich die Bänder abgenommen, um den Agathon zu
umwinden,
den Sokrates aber, obschon er ihn vor Augen hatte, doch nicht gesehen,
sondern sich neben den Agathon gesetzt, zwischen Sokrates und ihn,
denn Sokrates sei etwas abgerückt, damit jener sich setzen
könne.
Nachdem er sich nun gesetzt, habe er den Agathon begrüßt
und bekränzt.
Und Agathon habe gesagt: Leute, entschuht den Alkibiades,
daß er hier zu dreien liegen kann.
Schön, habe Alkibiades gesagt, aber wer ist uns
denn hier der dritte Mittrinker?
Und nun habe er sich herumgewendet und den Sokrates erblickt.
Und als er ihn erkannt, sei er aufgesprungen und habe ausgerufen:
O Herakles! was ist nun das?
Du, Sokrates, liegst du mir auch hier schon wieder auf der Lauer,
wie du mir immer pflegst plötzlich zu erscheinen,
wo ich am wenigsten glaube, daß du es sein wirst?
Wieso bist du nun auch da? Und warum liegst du gerade hier?
Nicht etwa beim Aristophanes oder wer sonst hier der lustige ist
und auch sein will,
sondern hast es wieder so ausgesonnen,
daß du neben dem schönsten von allen hier zu liegen kommst!
Da habe Sokrates gesagt: Agathon, sieh zu, ob du mir beistehen
willst!
Denn dieses Menschen Liebe hat mir schon zu gar nicht wenigem Verdruß
gereicht.
Denn seit der Zeit, daß ich mich in diesen verliebt,
darf ich nun gar nicht mehr irgendeinen Schönen ansehen und
mit einem reden,
oder er ist gleich eifersüchtig und neidisch, stellt wunderliche
Dinge an und schimpft,
und kaum, daß er nicht Hand an mich legt.
Ethik:
Philosophie/ Religion
* inter nodos Latein/
GriechischPlaton
HAN
SHAN SZI (Hans Zimmermann) :
Quellen zum Thema "Schöpfung"
und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters : Platon
: Symposion : Diotima
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