Zweites bis viertes Kapitel des ersten Buches (1.decisio,
cap.2-4),
herausgegeben nach dem Manuskript
Vat.Lat.933,
übersetzt aus dem Lateinischen
und
kommentiert mit Bezug auf die
Belegstellen und Quellen des
Gervasius, vor allem:
Constitutum Constantini,
Honorius Augustod.:
Imago Mundi und
Petrus Comestor:
Historia Scholastica
von
Hans Zimmermann – bibliographische Angaben
s.o. zu
Beginn und Ende der Einleitung
Hauptthema dieser drei Kapitel:
Polemik gegen die Schöpfungsauffassung der Katharer
(Albigenser)
und Vergleich mit den klassisch-philosophischen Lehrstücken über
Urmaterie und Elemente
KAPITELÜBERSCHRIFTEN
(laut Manuskript zwischen prefatio und dec.1,
hier noch einmal zur Orientierung des Lesers
und zum "Anklicken" wiederholt):
I.
DE origine mundi et eius creatione et quot modis mundus acipitur et celum
II.
diuersitas opinionum et confutatio hereticorum Albigensium.
III.
de dispositione Chaos
IV.
DE dispositione aeris
V.
De sole luna stellis
et signis
VI.
quot modis annus distingitur
VII.
DE ornatu aeris et ventis.
VIII.
DE iumentis reptilibus et bestiis.
IX.
DE creatione anime et spiritus
X.
DE quatuor monarchiis et quinque zonis et paradiso
XI.
DE fonte et quatuor fluuiis
XII.
de rore celi et pluuia et nebulis.
XIII.
DE mari.
XIV.
DE ligno vite et ligno scientie boni et mali
XV.
DE oculis apertis post peccatum
XVI.
DE gladio versatili
XVII.
DE duobus paradissis et infernis
XVIII.
DE faunis et satiris.
XIX.
de filiis Ade et de diuisione eorum et prima ciuitate
XX.
DE inuentione musice et multorum artificiorum
XXI.
DE Seth et eius generatione
XXII.
De Enos et Methusalem
XXIII.
DE causa diluuii.
XXIV.
DE diluuio et archa et yri.
7) Gleiche Formulierung bei Iohannes Damaskenos,
Pege gnoseos 3 (Ekdosis akribes tes orthodoxou pisteos),2,12 bezüglich
Leib und Seele. – Die Weisheitsschöpfung als Simultanschöpfung
- omnia simul Sir (Eccli)
18,1, s.o. cap.1 – bestimmt und durchdringt die Phasen von
Ausgestaltung (die differenzierenden Teilungen in der Periodik der sechs
Tage) und kontinuierlicher Weiterschöpfung: zeitlich diskrete Geschichte,
Erlösung und eschatologische Welterneuerung im providentiellen Urakt
integriert. – Andererseits sind alle fortgestaltenden Phasen damit per
definitionem kein creare.
8)
Also keine Vater-, Sohn- und Geistphase der Schöpfung; gegen gnostische
Differenzierungen und Rollenverteilungen der schöpferischen Gestaltungen.
- Andererseits bildet schon in Gen 1,11f die
Erde als Pflanzenmutter den Untergrund für die zeugende Evokation
der Gewächse, im Parallelvers 1,12 (et
protulit terra) zu 1,11 fast verselbständigt
und gleichgewichtet, entsprechend auch das Wasser als Geburtselement der
Fische und Vögel Gen 1,20 und wieder
die Erde in Gen 1,24 (vgl. cap.8): also doch
cum alia.
9) Dahinter steht wohl der neuplatonische Lösungsversuch
des Theodizeeproblems; Unvollkommenheiten schon providentiell im "ewigen
Ratschluß" zu Erlösung und Welterneuerung aufgehoben; Mangel
nur in der Oberfläche der Erscheinungswelt, ohne eigene Substanz (privatio).
10)
Scheinbar ein Widerspruch zum Vorigen, indem semen
und sementis mit dem Sämannsgleichnis
(Mt; Mc; Lc), wo dem Saatwerfer doch die verschiedenen Substrate
(Weg, Fels, Dornenland) mit ihren spezifischen "Unvollkommenheiten" vorausgesetzt
sind und entgegenstehen, aus dem Vollkommenheits-Schöpfer ex
nihilo und seinem Urakt ausgegliedert werden. – Die "Unachtsamkeit
des Sämanns" wird selten als Ursache benannt, vgl. Goethe, Ilmenau
(gegen Ende):
So wandle du – der Lohn ist nicht gering -
nicht schwankend hin, wie jener Sämann ging,
daß bald ein Korn, des Zufalls leichtes Spiel,
hier auf den Weg, dort zwischen Dornen fiel.
Gen
1,12, woraus das Hen-dia-dyoin semen et sementis
offensichtlich entnommen ist, legt mit der "Erde" als Quellort der vegetativen
Schöpfung eine Vermittlungsinstanz nahe:
et protulit terra herbam virentem et facientem semen
iuxta genus suum
lignumque faciens fructum et habens unumquodque sementem secundum speciem
suam.
Von der Verfluchung der
Erde Gen 3,17f – immerhin durch den Schöpfer
selbst – werden auch ihre Gewächse betroffen:
Spinas et tribulos germinabit tibi;
diminutio
ist dagegen schon abstrakter, der üblichen privatio-Erklärung
der neuplatonischen Theodizee angeglichen.
11) Wörtlich, als rhetorische Frage Is
40,13 in Rom 11,34; vgl. Iob 15,8; 38,4-37; Sap 9,13; – 1Cor 2,16
dagegen (nicht mehr rhetorische Frage) schon antwortend im Sinne der sapientia
Prov 8,22ff.
12)
Zunächst rhetorische Frage, vgl. Iob 40,10ff
(Behemoth und Leviathan als Problembild des dem Menschen nicht Bewältigbaren):
Auf platonischem, später auch auf aristotelischem Hintergrund, ist
Unvollkommenes nur in der Erscheinungsperspektive, nicht im ideellen Wesen
der Wirkursachen selbst denkbar, deren Vollkommenheit aller Potentialität
erst (die eigene) Form und Wirklichkeit gibt. Christlich-neuplatonisch
sind alle weltschöpferischen Wirkursachen bzw. Ideen im Logos
(bzw. der sapientia) gebündelt. Damit
nicht mehr eine rhetorische Frage: 1Cor 2,16.
13)
Nach der kurzen Abweisung (ohne genauere Argumentation) der
konkurrierenden Weltschöpfungsmodelle nun der Trompetenstoß
gegen die Katharer (Albigenser); eine drastische Verwünschung, tautologischer
Parallelismus (Prophetenstil) in chiastischer Stellung. (Man sehe, wie
Tertullianus und Augustinus ihre Polemiken gern rhetorisch konturiert haben
oder gar Streitlieder wie Augustins durchgereimten
"Psalm" gegen die Donatisten und – poetisch
reicher – die antignostischen Hymnen Ephraims des
Syrers). – Zum Katharertum allgemein Arno
Borst, Die Katharer, Stuttgart 1953 (= MGH Schriften Bd.12).
14) Parallele zur Gegenüberstellung von Priestertum und
Königtum im Beginn der Collatio. Hier
ist auffällig und der üblichen Darstellung eines gefallenen und
verführenden Engelfürsten widersprechend, daß der deus
malus zuerst nicht als Ursprung des Bösen, sondern als dessen
Richter angeführt wird; in der Tat ist die Straffunktion ursprünglich
und dient als Erklärung des bösen Erscheinungsbildes der sublunaren
Welt (Theodizee). Gnostisches Grundthema (auch bei Origenes,
mit Bezug auf Gen 3,17f noch orthodox): Die
jetzige, "üble", materielle Welt (in deren Beschreibung kein Dualist
die asketische Schrift De contemptu mundi des Lothar
von Segni, nachmalig Innocenz III., übertreffen
wird) beantwortet strafend den Abfall der präexistenten Seelen – die
als Engel verstanden sind -, der selbst ein geistiger Willensakt, eine
Verblendung, ist; die Materialisierung der Leiber, der Sturz in deren "Gefängnis"
und die Verstrickung in deren Fortpflanzung gilt als Sühne jener perversio,
die durch die Geisttaufe (consolamentum durch
Handauflegung Act 6,6; 8,14-17; 9,17; 19,1-7)
zu überwinden ist. (Vgl. Borst, Katharer S.193ff).
- Heterodox nicht so sehr die personale Trennung der richtenden von der
lichten Seite der Gottheit, die die Spannung zwischen zornigem Richter,
s. Lactantius, De ira Dei, und dem "Vater"
der Evangelien nicht aushielt, als die Kennzeichnung der Erdverfluchung
und Paradiesvertreibung als "Schöpfung" im folgenden.
15)
In der Terminologie fügt sich diese Aufgabenteilung nahtlos in die
in cap.1 gegebene Weltschichtung ein und entspricht der skotia
des kosmos Ioh 1,5
ebenso wie der negativen Wertung der sublunaren Welt seit Empedokles
(DK 31 A 62): Die Grundlagen des Weltbildes von Heterodoxie und
Orthodoxie stimmen demnach weitgehend überein, wie auch das Theodizeeproblem
als Hauptmotiv der Polarisierung gemeinsam ist. Feindschaft liegt zwischen
dem orthodoxen Beibehalten der Spannung (creans malum
Is 45,7) und der heterodoxen Zerreißung
der geistigen Ursachenwelt der Schöpfungsgestaltung durch freie Engel-Entscheidung.
16)
Hier Kongruenz dieser Rollenverteilung mit der von Priester und König
im Beginn der Collatio sacerdotii et regni.
Dem wunderlichen Grundsatz Hebr 9,22
sine sanguinis effusione non fit remissio
werden die sanften Erweisungen
väterlicher Liebe gemäß Hebr 12,4-11
im Albigenserkreuzzug allerdings auch nicht zu der Ehre verholfen haben,
ein Ausdruck göttlicher Weisheit zu sein.
17) Wenn diese Formulierung nicht aus einer antimanichäischen
Schrift übernommen ist – entsprechend der Argumentationsweise Eckberts,
des Abtes von Schönau, Sermones contra Catharos (Migne PL 195 Sp.16ff
und Sp.99ff) -, erstaunt ihre Nähe zum Motiv der fehlgeborenen
Kreatur, der beim Erscheinen des Lichtgesandten von den faszinierten Finsterniskräften
hervor-abortierten Naturwesen; allerdings reicht hier wohl die Ableitung
vom Germinet terra (Gen
1,11) und dessen Verderbnis zum Spinas et
tribulos germinabit (Gen 3,18) aus;
insofern kein von der Genesis abweichender (manichäischer) "Schöpfungs"-Modus,
sondern Zuschreibung des in Hexahemeron und Paradiesvertreibung geschilderten
an den Deus malorum.
18) Priesterlicher Gott gegenüber dem herrschaftlichen
Gegengott ("Fürst der Welt" Ioh 12,31; 14,30;
16,11); Sentenz kongruent mit prefatio
(collatio sacerdotii et regni), Anfang. – Die "Sündenvergebung"
durch bloße Reue (statt Auslöschen der sinnenbedingten Unreinheit
durch Erkenntnis und Ernährungsregeln) schon sehr dem westeuropäischen
Standard des Christentums (in Nachbarschaft mit der Laienbeichte der Waldenser,
vgl. das Gurnemanzbuch in Wolframs Parzival;
kurz vor der Beichtpflicht-Regelung des 4. Laterankonzils)
angepaßt; ein rezeptiv wuchernder Synkretismus der dichterischen
Imaginationen und frei interpretierende Anpassungsfähigkeit zeichnen
schon die älteren gnostischen Religionen aus, besonders den Manichäismus,
der eine Integration jainistischer, buddhistischer, zoroastrischer, platonischer
und christlicher Grundlehren zustandegebracht hat.
23)
Exklamation mit der dann folgenden Vorwurfsreihe als Vorstufe zur empörten
Apostrophe: Trikolon – Offenbarung in den Phasen von AT (verhüllt)
und NT (enthüllt) und sakramentale Tradition – mit wachsenden Gliedern,
aber nicht als Klimax, sondern als "Hin-und-her" der (vorgeworfenen) Willkürlichkeiten,
zuletzt der spiritualistischen Abendmahls-Interpretation auf doketischem
Hintergrund, der Geistkommunion (consolamentum)
unter Ablehnung des substantiellen Wandlungs-Verständnisses (gemäß
Ioh 6,63).
24) Verstreute Schafe, hier unbiblisch "drollig" zu Wollschafen
konkretisiert; beliebtes Bild, dem so bezeichneten Gesprächspartner
ein Desiderat an kirchlicher Führung zu unterstellen; – Zach
13,7 in Mt 26,31 und Mc 14,27; Ioh 10,12; aber 10,16
et alios oves habeo, quae non sunt ex hoc ovili
und (Apostolismus!) Mt
10,16:
Ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum.
25) Rege Diskussion zwischen den in der Spannung zur Orthodoxie
weit aufgefächerten Gruppen, Streitgespräche auch mit den orthodoxen
Auffassungen – öffentliche Diskussionen, s.folgende
Anm. – eine Keimzelle der scholastischen Disputationskultur (Dominicus
seit 1207 zur Albigenser-"Rückgewinnung" in Prouille bei Toulouse;
1215 Gründung des Bettelordens).
26)
Verbreiteter Topos herrschender Lehrmeinungen gegen heterodoxe
oder auch nur konkurrierende; belegt aber vielmehr eine differenzierte
Meinungs- und Schulbildung in der Diskussion: In der öffentlichen
Diskussion 1165 in Lombez bei Albi, an der u.a. der Erzbischof von Narbonne
und die Schwester des Königs teilnahmen, behaupteten die Katharer,
keine starre Dogmatik zu pflegen und betonten die moralische Argumentation
(s. Borst, Katharer S.95f).
27) In einer Apostrophe an den Gegner Ausbruch der Empörung.
Gervasius argumentiert mit einem literarischen Autoritätsbeweis (logisch
die schwächste, weil zirkulär oder petitio
principii, traditionell die wirksamste Begründung), mit der
Beweiskraft einer zitierten (David) für die zitierende (Paulus, dann
Jesus) Instanz, deren (auch vom Gegner anerkannte) Autorität umgekehrt
wieder die zitierte Quelle würdigt und autorisiert.
28)
Schon wiederholt von Gervasius zitiert – Ps 101 (102),26:
Der "Apostel" ist Paulus, dem der Hebräerbrief zugeschrieben wurde,
in dem diese Psalmstelle angeführt wird (Hebr
1,10): Tu in principio Domine terram fundasti;
zitiert wird eine Schöpfungssentenz, die die irdische "Gründung"
nennt; argumentiert wird aber mit dem dort zitierten "Propheten" David.
- Als Beleg nicht ganz auf der Evangelienbasis der Katharer, deren Haupttext
das (schon im Vergleich mit den Synoptikern dem Pentateuch abgewandtere)
Johannesevangelium ist, während der Hebräerbrief
- oben in der prefatio
(collatio sacerdotii et regni) reich benutzt – gerade die AT-Typologie
auszuschöpfen sucht.
Attendite
infelices quod gentiles sanius de Deo sentiunt
quam
vos qui Christianos vos dicitis. (45)
Habt acht, ihr Unseligen, was die Heiden von Gott denken – gesünder
als ihr,
die ihr euch Christen nennt: (45)
Das ist der Sitz des Gottes, wo Erde und Meer und Luft und
Himmel und Kraft. Was suchen wir denn darüber noch Götter?
Iupiter ist, was immer du siehst, was immer dich antreibt.
Denn Iupiter bedeutet hier gleichsam "der helfende Vater aller" (46)
und ist Gott als "alles in allem". (47)
42) David-Abstammung
des Messias (wie jedes königlich Gesalbten) im AT
allgemein; in evangelio mit den beiden
Stammbäumen Jesu Mt 1,1 und Lc 3,31 ausgeführt;
der Topos vom "Davidssohn" im Hintergrund des jüdischen Messianismus
wird aber laut Mt 22,44 = Mc 12,36 = Lc 20,42
durch die "Herr"-Anrede von seiten Davids (der als Autor unterstellt wird)
in Ps 109 (110),1f entkräftet. Ansonsten
wäre eben dies die (zu kurz abgewiesene) Auffassung aller Doketiker.
43) Ps 135 (136),1; unter der Voraussetzung,
daß durch die "anerkannten" Evangelien selbst die Möglichkeiten
abgewiesen sind, David dem "bösen Baum" zuzurechnen, nun dessen "prophetisches"
Belegstück, das seinen Gott "gut" nennt, diese Qualität nicht
abstrakt läßt (misericordia) und
ihm die Schöpfung in konkreter Aufzählung zuschreibt.
44) Ps 135 (136),5: Qui
fecit caelos in intellectu; die Gestirne dann zusammengefaßt
aus V.7-9.
45)
Ein dritter Imperativ, an die Katharer apostrophiert; deren Selbstverständnis
als Christen wird die heidnische Ubiquität Gottes in den Elementen
entgegengestellt, mit dem stoischen Lehrstück bei Lucanus,
Bellum civile (Pharsalia) 9,580.
46) Volketymologisch kontrahiert (im Stil von Platons
Kratylos), Isidor, Etym 8,11,34:
Iovis fertur ab iuvando dictus, et Iuppiter quasi
iuvans pater, hoc est, omnibus praestans.
47) Act 17,28; 1Cor15,28.
Hanc
confusam machinam
mundialem (52)
velut
primordialem materiam (53)
nunc
ylem. (54)
nunc
chaos (55)
nunc
terram.
nunc
abyssum (56)
nunc
aquas nominant. (57)
vnde
in Genesi sequitur terra autem erat inanis
et vacua
et
tenebre erant super faciem abyssi
id
est lucis absentia. vel obscuritas quedam
a Deo creata (58)
vnde
in cathalogo creaturarum dicitur. Benedicite
lux et tenebre Domino. (59)
Diese wirre Weltmaschine, (52)
hier noch uranfängliche Materie, (53)
nennen die einen Hyle, (54)
die anderen Chaos, (55)
andere Erde,
andere Abgrund, (56)
andere Urflut. (57)
Deshalb folgt in der Genesis: Die Erde aber war wüst und leer,
und Finsternis war über dem Antlitz des Abgrundes,
das heißt Fehlen von Licht, oder eine von Gott geschaffene Verdunkelung,
(58)
wovon im Katalog der Geschöpfe gesagt wird: Lobsinget dem Herrn, Licht
und Finsternis. (59)
48) Ps 61 (62),10 elliptisch abgebrochen;
zunächst unklar, nur wenig deutlicher bei Ergänzung:
Verumtamen vani filii hominum, mendaces filii hominum
in stateris,
ut decipiant ipsi de vanitate in idipsum.
49) Numquid non caelum et terram
ego impleo? dicit Dominus
Ier
23,24; die hier verwendete Kurzform des Zitats auch in
Augustinus, Civ 12,26
50)
Gen 1,2; inanis et vacua
(hebr. tohu wa-bohu,
LXX ahoratos kai akataskeuastos);
vgl. Platon, Timaios 30 a: ataxia
(Calcidius übers. ordinata
iactatio). Hiermit Wiederaufnahme der Petr.Com.-Vorlage.
51)
Petr.Com. 1,2 (Anfang):
Terra autem erat inanis et vacua,
id est machina mundialis adhuc erat inutilis et infructuosa et vacua ornatu
suo.
52) machina für die Gesamtwelt
im MA allgemein; Petr.Com. machina
mundialis; Calcidius, Timaios 32 c
53)
Zu den Primordialursachen s.o. cap.1.
54)
hyle besonders bei Aristoteles
(z.B. Metaphysik 8,1, 1042 a ff); Gervasius übernimmt nicht
die schreckliche Übersetzung silva
(vgl. Isidor 8,3,1 u.a.), sondern beläßt den Ausdruck
unübersetzt, der hier insofern zum unqualifizierten Uranfang paßt,
als damit nur die Möglichkeit zu räumlich-zeitlicher Individuierung
bzw. Verwirklichung von Formen gemeint ist.
55)
Gegenüber hyle der mehr mythische Begriff
für den ungeformten Anfangszustand; Hesiodos,
Theogonie 116.
56)
Die letzten drei Begriffe entsprechen Gen 1,2.
Petr.Com. 1,2 (Subj. ist Moyses):
Eandem machinam, quam terram dixerat,
abyssum vocat pro sui confusione et obscuritate,
unde et Grecus eam chaos dixit.
57) Gen 1,2; abyssus,
hebr. tehom (Plurale tantum wie auch das parallel
benutzte majim) für die erhabenen Raumtiefen,
auch der Urwasser (weltweit für ein archaisches Urstadium: Gen
1,2; chaos in Hesiods Kosmogonie; in
der ält. Edda, Völospa 4.Str.; das
gahanam gabhiram Rgveda
10,129,1; die Tiamat im Enuma
Elisch), vgl. Ps 41 (42),8 abyssus
abyssum invocat (hebr. tehom
äl tehom qore) und Ps 92 (93),3f.
58)
creans tenebras... creans malum Is
45,7. Entsprechend der Abweisung gnostischer Hypostasierungen der
Finsternis bei Basileios, Hexahemeron 2,4f
wehrt Petr.Com. 1,2 die Finsternisschöpfung
der Katharer ab:
Alii irridentes Deum veteris testamenti (!)
dicunt eum prius creasse tenebras quam lucem.
Sed tenebre nihil aliud sunt quam lucis absentia.
59)
Petr.Com. (anschl.):
Obscuritas autem quedam aeris
a Deo creata est et dicta tenebre,
unde et in catalogo creaturarum dictum est:
Benedicite lux et tenebre Domino.
Dan
3,72; "Gesang der Jünglinge im Feuerofen" zutreffend charakterisiert
als Kreaturenkatalog.
Spiritus
autem Domini quasi consiliatrix eius voluntas.
ad
dispositionem creatorum ferebatur super aquas
(61)
id
est super factam congeriem (62)
sicut
voluntas prouidi artificis
fertur
super materiam de qua suum formaturus est
artificium. (63)
Non
hunc ergo spiritum dicimus animam mundi ut Plato.
(64)
Sed
Spiritum creantem de quo illud /
f.5ra
Emitte
spiritum tuum et creabuntur. (65)
Ehe das Meer und das Land war und alles bedeckend der Himmel,
Hatte Natur nur das eine Gesicht im kreisenden Weltall,
Chaos genannt: ein rohes, noch unverdautes Gemenge,
nichts als kunstlose Last, zusammengestaucht und zugleich wild
in sich entzweit: die Samen nicht richtig verbundener Dinge
Der Geist des Herrn aber, als sein ratgebender Wille zur Planung der Geschöpfe,
bewegte sich über den Wassern, (61)
das heißt: über der von ihm bewirkten Zusammenballung,
(62)
wie der Wille eines entwerfenden Künstlers
sich über der Materie bewegt, aus der er sein Kunstwerk gestalten
will. (63)
Diesen Geist nennen wir nicht "Weltseele", wie Platon, (64)
sondern den "Schöpfergeist", von dem es heißt:
"Atme aus deinen Geist und sie werden neugeschaffen werden!"
(65)
60) Ovid oben cap.1
schon als "Philosoph"; Met 1,5-9. Das breite
Zitat erstaunt, zumal Ovid bei den Zeitgenossen ausschließlich als
Autor von Liebes- und Vergnügungsstoffen geschätzt wird. Nun
sollen die Otia imperialia zwar gerade das
Herz des gestürzten Kaisers erfrischen; dieses Zitat – länger
als die allerdings als bekannt vorausgesetzten Bibelzitate – hat hier aber
offensichtlich Lehrcharakter (sowohl in literaturkundlicher wie in physikalischer
Hinsicht) und wird als Weltentstehungsbericht gedeutet, der die Lücke
zwischen Gen 1,1 und 1,2, das Beschreibungsdesiderat
der "primordialen" Welt, sättigen soll.
61) Gen 1,2; zu den "Wassern" s.o.
cap.1 das Motiv der Bebrütung der primordialen Materie (Weltkugel,
"geschichtet wie ein Ei"); zu consiliatrix
vgl. consiliarius opificis Is
40,13 in Rom 11,34.
62)
Vgl. Ovid, Met 1,32f dispositam
(...) congeriem und die dazu gehörigen Erörterungen
zu Beginn von cap.1.
63) Wie in cap.1 der "Sohn" den
Schlußstein aller mundus-Zuschreibungen
im ersten Kapitel bildet, bringt nun abschließend zu cap.2 der über
den Wassern brütende "Geist" alle Bilder des Übergangs von der
materialen Urschöpfung zur Ausgestaltung zur Deckung.
64)
Argument Wilhelms von St.Thierry im Brief an Bernhard
von Clairvaux (Migne PL 180 Sp.334) gegen Wilhelm von Conches, Philosophia
mundi (1),15 (ed. Maurach S.15 Z.162): Anima
ergo mundi secundum quosdam Spiritus sanctus est. - Nicht ganz passend,
da die Weltseele bei Platon, der "gewordene
Gott" im Timaios, Objekt der Gestaltung ist.
Der artifex (Calcidius:
opifex) an dieser maßgeblich ästhetischen
Kompositionsarbeit ist der demiourgos.
65) Ps 103 (104),30; vgl. die Anfangsformulierung
Veni creator spiritus im Pfingsthymnus
des Hrabanus Maurus.