Hans
Zimmermann : zwei kleine Szenen : Chidher
und die Weisen aus
dem Orient
Hans
Zimmermann
Chidher
und die Weisen aus
dem Orient
zwei
kleine Szenen, zu spielen vor der Tür des Café Oriental
siehe:
Friedrich
Rückert * Jelal ad-Din
Rumi * Johann
Wolfgang von Goethe * Wer ist "Chidher"?
* Koran * Bibel
Personen
des Dramas:
Der
Dichter, Chidher (der „Grüne“), Alexander der Große, ein Astronom
(Zarathustra)
I.
Dichter
/ Chidher:
Chidher,
der ewig junge, sprach:
Ich
fuhr an einer Stadt vorbei,
Ein
Mann im Garten Früchte brach;
Ich
fragte, seit wann die Stadt hier sei?
Er
sprach, und pflückte die Früchte fort:
Die
Stadt steht ewig an diesem Ort,
Und
wird so stehen ewig fort.
Und
aber nach fünfhundert Jahren
Kam
ich desselbigen Weges gefahren.
Da
fand ich keine Spur der Stadt;
Ein
einsamer Schäfer blies die Schalmei,
Die
Herde weidete Laub und Blatt;
Ich
fragte: wie lang’ ist die Stadt vorbei?
Er
sprach, und blies auf dem Rohre fort:
Das
eine wächst, wenn das andere dorrt;
Das
ist mein ewiger Weideort.
Und
aber nach fünfhundert Jahren
Kam
ich desselbigen Weges gefahren.
Da
fand ich ein Meer, das Wellen schlug,
Ein
Fischer warf die Netze frei
Und
als er ruhte vom schweren Zug,
Fragt’
ich, seit wann das Meer hier sei?
Er
sprach und lachte meinem Wort:
Solang’
als schäumen die Wellen dort,
Fischt
man und fischt man in diesem Port...
Alexander
(kommt durch die Menschenmenge, von weither rufend:)
Macht
Platz!
Öffnet
den Weg! Bahn frei für Alexander,
den
König der Könige, den Sohn des Zauberers Nektanobos,
den
göttlichen Sieger mit den Widderhörnern, der hier voranstürmt,
öffnet
den Weg, Bahn frei für Alexander den Großen!
Ich
zerschlug den Gordischen Knoten,
drang
in die Weiten Asiens ein,
schlug
den Perserkönig Dareios in drei Schlachten,
setzte
mich auf den persischen Thron als König der Könige,
zog
weiter, dem Aufgang der Sonne entgegen,
durch
Wüsten und über die verschneiten Pässe des Hindukusch,
über
den Indus, durchs Fünfstromland, besiegte den Poros,
nahm
Indien ein, wo im Sommer die Ozeane vom Himmel stürzten,
da
wollten meine Soldaten nicht weiterziehn,
doch
ich, ich will weiter, ich will unbedingt weiter!
Das
Paradies liegt dort, wo die Sonne täglich neugeboren wird,
die
Ursprungsquelle des Tages, der immer frische Quell der Zeiten,
der
Jungbrunnen des ewigen Lebens,
hier
muß er sein!
Ich
klopfe an die Pforte des Paradieses!
Chidher:
Wer
bist du, der hier Einlaß begehrt?
Alexander:
Öffne
die Pforte für Alexander,
den
Sohn des Zauberers Nektanebos, den König der Könige!
Chidher:
Alexander:
Chidher:
Warum
suchst du gerade hier danach?
Alexander:
Man
sagte mir, dies sei die Pforte zur Ewigkeit,
und
hier würde ich den Hüter des Unsterblichkeitstrankes finden!
Chidher:
Dies
ist die Pforte zum Todesreich.
Sterben
mußt du, Alexander, willst du die Unsterblichkeit finden!
Abgeben
mußt du dein Königtum, aufgeben alle Macht,
vergessen
mußt du all deine Erwerbungen, alles abstreifen wie ein Kleid.
Ich
prüfe dich, führe dich, zeige dir einige Rätsel,
doch
du darfst mich nicht fragen, sei still und lerne!
Dann
geleite ich selbst dich zum Quell,
denn
ich bin Chidher, der ewig junge, der ewige Wanderer durch das Totenreich.
Elias
nennen mich die Juden, die Perser kennen mich als Chidar,
die
Araber nennen mich den „Grünen“, da mir immer neu das Leben ausgrünt.
So
tritt nun ein! Bist du zur Prüfung bereit?
Chidher
läßt Alexander ein, bleibt aber selber noch vor der Tür
Dichter
/ Chidher:
Und
aber nach fünfhundert Jahren
Kam
ich desselbigen Weges gefahren.
Da
fand ich einen waldigen Raum,
Und
einen Mann in der Siedelei,
Er
fällte mit der Axt den Baum;
Ich
fragte, wie alt der Wald hier sei?
Er
sprach: der Wald ist ein ewiger Hort;
Schon
ewig wohn’ ich an diesem Ort.
Und
ewig wachsen die Bäum’ hier fort.
Und
aber nach fünfhundert Jahren
Kam
ich desselbigen Weges gefahren.
Da
fand ich eine Stadt, und laut
Erschallte
der Markt vom Volksgeschrei.
Ich
fragte: seit wann ist die Stadt erbaut?
Wohin
ist Wald und Meer und Schalmei?
Sie
schrien, und hörten nicht mein Wort:
So
ging es ewig an diesem Ort,
Und
wird so gehen ewig fort.
Und
aber nach fünfhundert Jahren
Will
ich desselbigen Weges fahren.
II.
Chidher
tritt zur Paradiespforte ein; der Astronom
kommt herbei:
Astronom:
Daß
du nicht enden kannst, das macht dich groß,
Und
daß du nie beginnst, das ist dein Los.
Dein
Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang
und Ende immerfort dasselbe,
Und
was die Mitte bringt, das zeigt fürwahr
Das,
was am Ende bleibt und anfangs war.
Dichter:
Astronom:
Dasselbe
wie dein Lied: immer das Gleiche im Kreis der Jahres:
Sieh
dort mit dem Auge des Wissens durch die Wolken hindurch,
ungetrübt
vom Lichtdunst und den Schafherden des Mondenhirten:
Orion
dort, links unten von ihm Sirius,
rechts
hinauf über die Plejaden zum Perseus
mit dem Medusenhaupt in der Hand,
dort
Andromeda,
das große Viereck des Pegasus,
so
ists nun, wo der Winter kommt,
so
zeigt sich der Abendhimmel der Sonne gegenüber.
Dichter:
Und
nie etwas Neues, keine Entwicklung im Kreisen der feinen Glanzpunkte?
Geht
denn diese Lichtsaat im Himmelsfeld niemals auf?
Keimen
diese Samen nie?
Blühen
diese Sonnen nicht
und
reifen nie zur Frucht?
Astronom:
Das
übersteigt unser kurzes Leben,
die
Sonnen reifen zu sehen in den Jahreszeiten der himmlischen Gärten!
Aber
auch für uns bricht sich der ewige Akkord der Gestirne zu Melodien,
denn
die Planeten ziehen andere Schleifen durch die Sternenkreise hindurch:
Sieh
dort, Jupiter und Venus in der Abenddämmerung,
und
gegenüber im Osten Saturn unter dem Löwen.
Langsam
verschiebt er sich, so kreuzen die nahen Planeten die fernen Sternenbahnen.
Sie
sind auch viel heller als die Sterne.
Und
nun noch ein wirklicher Neuling, eine Überraschung in den letzten
Monaten:
Da
erschien ein Komet, ein Revolutionär, quer zu all jenen Unveränderlichen,
ja
quer noch zu den sanften Schleifenbögen der Planeten,
ein
schräger Vogel, ein ungenau, unscharf schimmernder Haarstern,
wild
durch den Himmel geworfen,
der
uns im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Rechnung macht!
Hier
ist er eingetaucht, und ich zog ihm forschend hinterher.
Hier
muß er sein. Ist das nicht die Pforte zum Paradies?
Manche
sagen, zur Unterwelt.
Dichter:
Fragen
wir Chidher, den ewig jungen,
den
ewigen Wanderer durch das Totenreich,
den
die Juden Eliah nennen und die Araber den „Grünen“,
da
ihm immer neu das Leben ausgrünt.
Sie
klopfen an; Chidher öffnet die Pforte: .
Chidher:
Freunde,
ich grüße euch,
dich
den Dichter, der in die innere Unendlichkeit der Seele taucht,
und
dich, den Sternenkundigen, der das Unendliche des Alls auslotet!
Was
sucht ihr?
Astronom:
Wir
suchen den Stern, der die Gesetzesbahn aller alten Sterne durchkreuzt hat,
diesen
einen Stern, der uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hat!
Dichter:
Chidher:
Nicht
doch, Freunde.
Der
Herr der Zeiten selbst, er steigt vom Himmel herab,
kommt
nieder auf die Erde und schläft im Erdengrab.
Er
wandelt unsre Erde zu einer reifen Frucht,
aus
der das Leben neu entkeimt! Ihr werdet, den ihr sucht,
den
Stern, bald wiedersehn;
er
wird bald überm Lebensquell in
blauen Tiefen stehn,
dort
wo der Zeiten Quellkeim selbst als Kind erscheinen will.
Folgt
mir: Ich trage diesen Stern dorthin. Kommt, leise! still!
Ein
Kind ist Herr der Zeiten, ja, der Herr der Zeit erscheint als Kind;
er
selber ist der Weltenkeim,
dem alles Leben neu entspringt,
ist
Frühling aus des Winters Not,
ist
Morgen aus dem Blau der Nacht,
dann
Sonne aus des Morgenrots
Geburt,
vom Todesschlaf erwacht!
Er
wandelt unsre Erde zu einer reifen Frucht,
aus
der das Leben neu entkeimt! Ihr werdet, den ihr sucht,
den
Stern, bald wiedersehn;
er
wird bald überm Lebensquell in
blauen Tiefen stehn,
dort
wo der Zeiten Quellkeim selbst als Kind erscheinen will.
Folgt
mir: Ich trage diesen Stern dorthin. Kommt, leise! still!
Alle
vier singen und ziehen langsam zur Pforte ein:
Friedrich
Rückert, Jelal ad-Din Rumi,
Johann Wolfgang von Goethe
Wer ist "Chidher"?
* Koran
* Bibel
Matthäus-Evangelium:
Die Weisen (die
Magier, die sternkundigen Zarathustrapriester)
aus dem Orient
al-Qur'ân,
Sure 18: Der Diener Gottes (al-Chider) prüft Moses / Alexander ("mit
den zwei Widderhörnern")
*
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*
Rundbrief
* Rundbriefe
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