Hans
Zimmermann, Görlitz)
(HAN SHAN SZI ) : Rundbriefe 2003
Liebe
Freunde,
-
diese Rundbriefe sollen natürlich den privaten Briefkontakt weder
ersetzen noch aufheben, also schreibt mir weiterhin auch "seitlich" der
öffentlichen Informationsstraße ("auf dem Bürgersteig"),
da will ich auch weiterhin Briefe mit Euch individuell austauschen,
liebe
Grüße,
Hans
Neue Rundbrief-Runde
2003
1.
Rundbrief 2003: Yoga-Sûtra; Perlenlied griechisch; Latein ist die
Mathematik der Sprachen
7.Januar
2003
Liebe Freunde,
nach dem Zusammenbruch von
newsletterz.de mußte ich den Rundbrief neu einrichten. Die alten
Adressen, ein halbes Tausend, sind verloren; durch die Briefwechsel konnte
ich etwa 200 wiederherstellen, eine Arbeit von vier Stunden.
Wenn
Sie in den Verteiler aufgenommen worden sind, aber den Rundbrief gar nicht
empfangen möchten, schreiben Sie mir bitte, damit ich Sie wieder aus
der Liste entferne. Wer diesen Brief bekommt, ist angemeldet.
Für die Neuen: Die
Briefe des vorigen Jahres sind alle auf folgender Seite abgedruckt:
und eine Gesamtüberschau
der von mir edierten und versammelten Internetseiten, Inhalt des ersten
Rundbriefs des vorigen Jahrs, findet sich nun auf:
ansonsten natürlich
auf den Indexseiten:
und
und weiteren Index-Seiten, die
dort angezeigt und angelinkt sind.
Seit dem letzten Rundbrief
hat sich folgendes getan:
Die Yoga-Sutras sind erneuert
und weiter übersetzt worden:
Die deutsche Übersetzung
des Perlenlieds (aus dem Syrischen) ist um die griechische Version ergänzt
worden:
und die Seite "Latein
ist die Mathematik der Sprachen" ist um einen logisch-grammatischen
Systematisierungsversuch (Definitionen und Grundsätze) erweitert worden:
Ich wünsche allen lieben
Lesern ein fröhliches, fruchtbares, tatenreiches neues Jahr, Gesundheit
und viel Güte, Güte, Güte! (Selbstbeschwörung...)
also -
grusz,
hansz
2.
Rundbrief 2003: Yoga-Sûtra
8.Januar
2003
es bleibt jedem
Empfänger unbenommen, sich von mir aus der Liste austragen zu lassen.
Kostenlose Internet-Dienste bedeuten immer, daß man Werbung mittragen
muß, etwa so wie die Werbung an Straßenbahnen, mit denen man
fährt (bei denen man außerdem noch die Fahrt bezahlt...)
Liebe Freunde,
Die ganze Übersetzung,
soweit sie bis zum Herbst vorigen Jahres gediehen war (bzw. seit ein-zwei
Jahren liegengelassen worden war), wurde überarbeitet: Es sollte eine
Wort-für-Wort-Übersetzung werden, eben das, dessen Möglichkeit
jeder Sanskritist, Altsprachler, Übersetzer, Yogakundige und Interpretationstaucher
verneint.
Ganz ohne sinngemäße
Ergänzungen ging es nicht, die Grenze der deutschen Sprach-"Normen"
wurde allerdings gelegentlich unterschritten, und zwar dem Text gemäß,
der selbst ja eine Formelreihe darstellt, einen wissenschaftlich formalisierten
"Leitfaden" (=sûtra)
der Selbst-Unterjochung, "yoga", von mir gleich zu Beginn mit "Selbstbeherrschung"
übersetzt.
Ein Sûtra (Stamm eines
Neutrums, Nominativ: sûtram) kann so knapp abgefaßt sein, daß
es ohne Kommentar nicht verständlich ist. Das Yoga-Sûtram bewegt
sich knapp an der Schwelle zur Kommentarbedürftigkeit; das Experiment
dieser Übersetzung besteht darin, OHNE Kommentar die Definitionen
und Grundsätze darzubieten und für die Interpretation offenzuhalten.
Denn die üblichen kommentierenden Ergänzungen gehen mir schlicht
und einfach zu weit. Immer das schon vorauszusetzen, was erst "more geometrico"
dargestellt werden soll, widerspricht auch dem wissenschaftlichen Anspruch,
der mit der Formalisierung in den alten indischen Wissenschaften gegeben
ist, man vergleiche die Sanskrit-Grammatik Paninis (5. Jhd. vor Chr.),
die trotz extremer Formelkürze vollständig ist bzw. trotz ihrer
Vollständigkeit extrem durchformalisiert ist.
also:
http://12koerbe.de/hanumans/yoga.htm
grusz,
hansz
3. Rundbrief 2003: Was
sind Imperative? – ein Definitionsversuch
13.Januar
2003
Liebe Freunde,
beim Versuch, auf der Seite
"Latein ist die Mathematik
der Sprachen" die
Grundzüge der logischen Sprachgrundlagen in Definitionen und Grundsätzen
("more geometrico", wie Spinoza die deduktive Methodik seiner "Ethik" nennt)
darzustellen:
bin ich auf das Problem gestoßen,
wie sich denn eigentlich "Imperative" definieren lassen.
Sätze
sind Prädikationen von Subjekten (d.h. Aussagen über Subjekte);
die Prädikatverben dieser Prädikationen haben verschiedene Valenzen
(so wie die Valenzen der Atome in der Chemie), die bei Fragen offen-ungesättigt
und bei Aussagen "beantwortet", gesättigt sind. Aber was sind Imperative?
Interessant, daß meine
Lexika nur Tautologien und Direktübersetzungen von der Art "Aufforderungen"
oder "Befehle" geben, statt den Terminus zu definieren. Unbefriedigend
auch die "Imperativtransformation" der Transformationsgrammatik, die Imperative
von Aussagesätzen abzuleiten versucht (so in der gewiß allzu
knappen Darstellung in Hadumod Bußmanns "Lexikon der Sprachwissenschaft").
Also, was sind Imperative?
Nachzulesen in einer kleinen
Überlegungs-Skizze (nicht gerade hoch wissenschaftlich) unter:
Den Philosophen unter den
Briefempfängern sei die Überlegung zum "fiat" ("jehij", "Es werde")
im Anschluß an den Novalissatz "Die Sprachlehre ist die Dynamik des
Geisterreichs" und zum Ur-Imperativ "Sei!" ("Sey!", Schellings Fassung
des Kategorischen Imperativs in den transzendental-idealistischen Frühschriften)
ans Herz gelegt. Das ist eine sprudelkräftige Doppel- und Dreifachquelle
unendlich reichhaltiger weiterer Überlegungen, etwa zur rein imperativischen
Sprache der Natur in den lebendigen Organismen (DNA und Proteinsynthese
z.B.), die mehr sein sollte als bloß die silberne Spiegelfläche
für einen waldverborgenen Narkissos.
grusz, Echo hmmm hansz
4.
Rundbrief 2003: Ovid, Metamorphoses 15: Die Lehren des Pythagoras
19.Januar
2003
Liebe Freunde,
nicht nur (aber auch) wegen
des Phönix-Motivs
habe ich nun das ganze riesige Pythagoras-Kapitel aus Ovids Metamorphosen
ins Netz gestellt:
Gute Nacht,
grusz,
hansz
5.
Rundbrief 2003: Noch einmal der Phönix und die Grammatik "more geometrico"
5.Februar
2003
Liebe Freunde,
als ich "den Pythagoras"
Ovids (Metamorphosen, Buch XV) ins Netz stellte, wußte ich noch nicht,
daß das nächste Harry-Potter-Buch den Phönix
im Titel "ordert". Das freut mich natürlich gewaltig.
Nun, diese Ovid-Pythagoras-Seite
ist umgezogen:
Und umgezogen ist auch die
sprachwissenschatliche Skizze "Latein
ist die Mathematik der Sprachen", in der ein kräftiger Keimling
zu weiteren Untersuchungen zur organischen "Sprache
(in) der Natur" und (noch etwas subtiler und verborgener) auch zur
"Musik als Sprache" verborgen liegt und des Frühlings harrt:
Soweit also dieser Nachklapp
zum 4.Rundbrief,
-
ach ja, auch die Rundbriefe
sind mit Mann und Maus umgezogen:
grusz,
hansz
6.
Rundbrief 2003: Thomas von Aquin: Summa Theologiae prima pars quaestio
2
23.Februar
2003
Liebe Freunde,
die gesamte quaestio 2 der
Summa Theologiae ist nun auf Latein und in einer (zum direkten Textvergleich
"roh"-wörtlichen) Übersetzung (per me) im Netz. Das klingt etwas
abstrakt - nun, es ist der eigentliche, nämlich inhaltliche
Anfang der großen Summa, der in mittelalterlicher metaphysischer
Systematik (und noch bei Spinoza, Jakob Böhme oder in den Systemwürfen
des Deutschen Idealismus) übliche Anfang de Deo mit den berühmten
fünf Gottesbeweisen:
Ich hab's noch knapp vor
meinen zwei Wochen Portugal zusammengezimmert, aber gestern erst mit den
Bezugs-Seiten verlinkt; das dauerte den ganzen lieben langen Tag bis in
die tiefe Nacht.
Die Teilnehmer des freitäglichen
Görlitzer Philosophiekreises kennen diese Gottesbeweise; wir haben
durchaus erst Aristoteles
(Metaphysik L)
behandelt, so daß wir bei dem Ursachen-Begriff dieser Beweise nicht
das neuzeitliche Billardkugel-Modell der Bewegungsfortsetzung, sondern
eher die biologische Fortpflanzung zugrundegelegt haben. Vereinfacht gesagt:
Bei Aristoteles (und Thomas) ist die Frage, ob zuerst Henne oder zuerst
Ei sei, so entschieden, daß die Henne (imago der Metamorphose) die
Verwirklichung (actus) des ganzen Huhnwerdungsprezesses ist: die wesentliche
Ursache, die sich des Eies bedient, um sich aus dessen Potenzialität
neu zu entwickeln. Die das Ei legende und bebrütende Henne ist das
Erste. Das kann man nicht oft genug mitdenken, zumal es unserer mechanisch
bestimmten Kausalitätsauffassung (etwa nach dem Muster der Billardkugel)
entgegensteht. Die mechanische läßt aber weder Lebensentfaltungen
(Genotypus als Ursachenfeld der Phaenotypen) noch gar Bewußtseinshandlungen
(wie Lesen und Gespräche) oder Persönlichkeits-Selbstbestimmungen
ableiten.
Immerhin gab Aristoteles
mit dem Verbot der Selbstverursachung dem puren Außenbezug des mechanischen
Modells eine geradezu axiomatische Grundlage; Persönlichkeits-Selbstbestimmung
ist auch bei ihm nur über strikte Ebenentrennung der Handlungssubjekte
von den Handlungsobjekten möglich. Widerspruch zu Platon, Phaidros,
übersetzt von Cicero im Somnium Scipionis:
wo Selbstbewegung (Selbstveränderung)
gerade das Kriterium des aktiven Lebens ist.
grusz,
hansz
7.
Rundbrief 2003: die Gralsnamen: lapsit exillis, lapis exilis usw.
5.März
2003
Liebe Freunde,
heute nur eine kleine Erweiterung
innerhalb der Grals-Erklärung Trevrizents in Wolfram von Eschenbachs
Parzival: Da die Handschriften gerade beim Namen des Grals einige interessante
Differenzen aufweisen, habe ich eben diese nun neben dem Text eingefügt:
http://12koerbe.de/lapsitexillis/trevriz.htm#stein
Der dort einfügte Kasten
läßt sich hier auflösen und enpassen:
Varianten der Handschriften
zum Namen des Grals
G = Münchner Ms.;
D = St.Gallener Ms.
- unten weitere Anklänge
-
lapsit (GDg)
~ er fiel
exillis (GD)
aus jenen
(unkorrekte Aktiv-Perfekt-Form
statt Deponens)
erillis (G)
~ des Herrn
iaspis (gg)
Jaspis
exilis (g)
klein, dürftig
lapis
(d)
Stein
Genesis 28,11;18
Psalm 118,22
exillix (g)
~ aus Kiesel
=1 Petrus 2,7
=Mt 21,42
exilix (dg)
(unkorr.: ex silex
Jesaja 28,16
=Mk
12,10
statt ex silice?)
Apokalypse
2,17;
=Lk
20,17
4,3
und 21,11
=Apg 4,11
1 Petrus 2,4 f
exilii
des Exils
lapis
ein Stein
exulis
des Verbannten
lapsus
gefallen
excelis
aus Himmeln
vgl. die Kaaba in
Mekka excelsis
in den Höhen
die drei Anfangswörter
(lapsit, iaspis
und lapis), alle drei gut begründbar, z.B. auch aus den angegebenen
Bibelstellen, finden sich durchaus über Kreuz verbunden mit den fünf
Wörtern der dritten Spalte (exillis,
erillis, exilis, exillix und exilix), wobei exilis besonders plausibel
klingt, gerade in der Verbindung mit iaspis oder lapis (Stein), zumal Trevrizent
ja gerade in diesem Zusammenhang vom Gral als einem Stein redet; "lapis
exilis", "das unscheinbare Steinchen". Deshalb auch die (angegebenen) Bibelstellen
vom Stein, den die Bauleute verworfen haben.
grusz,
hansz
8.
Rundbrief 2003: der Phönix im Physiologus und bei Herodot
13.März
2003
Liebe Freunde,
vier Phönix-Stellen
sind nun auf der folgenden Seite zusammengefaßt:
http://12koerbe.de/pan/phoenix.htm
und zwar der spätantike
Physiologus, griechisch/deutsch,
der für das Phönixmotiv im Mittelalter die maßgebliche
Quelle ist; ferner die alte Herodotstelle,
wo der ägyptische Auferstehungsvogel, der Banu, als Phönix benannt
wird – aber statt der Selbstverbrennung legt er bei Herodot den Leichnam
seines Vaters in ein Myrrhe-Ei und trägt dieses Ei nach Heliopolis;
diese Fassung liegt stark dem Phönix
in der Pythagorasrede der Metamorphosen Ovids zugrunde; und vierte
Quelle nach Herodot, Ovid und dem Physiologus ist Wolframs
Trevrizentbuch im Parzival, wo gerade bei der wichtigen Stelle der
Grals-Erklärung, ja im unmittelbaren Reim auf "lapsit exillis" (s.
den letzten
Rundbrief) der "fenis" erwähnt wird, der an diesem Stein zu Asche
verbrenne, aus der er neu geboren werde.
Im Physiologus
ist der Phönix in Indien beheimatet; schon unabhängig davon hat
das Selbstopfer des geflügelten Schöpfers, des Vishvakarma
(=All-Tat) in Rgveda 10,81, eine gewisse Verwandtschaft mit dem Auferstehungs-Vogel.
Last but not least wäre
noch der Phönix des Machandelboom-Märchens
und die Vogelmetamorphose
des sechsten Tages der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz zu
erwähnen, aber dieses alte Lied können die hoch verehrten Leser
dieser Briefe hier schon mitsingen...
Irgendwann in der Passionszeit
kommt das Qumran-Loblied Nr.3 zur Netzedition, ein starkes Stück,
aber schwer übersetzbar in der Vieldeutigkeit der wesentlichen Wörter
des Textes. Es ist nicht sicher, daß ich's schaffe.
grusz,
hansz
9.
Rundbrief 2003: der Zimtadler bei Plinius, Tacitus, Mela und Isidor
17.März
2003
Liebe Freunde,
vier weitere lateinische
Phönix-Stellen habe ich auf der Phönix-Seite hinzugefügt
und übersetzt:
http://12koerbe.de/pan/phoenix.htm
Diese Sammlung kleiner Originaltexte
zum verduftenden oder verflammenden Selbstopferer, dieses kleine Würmchen
in der Zimt- und Weihrauchasche, ist nun bei google bereits Nr.1 von 6500
Seiten, wenn man als Suchworte "Vogel Phönix" eingibt; bei Eingabe
von "Phönix" allerdings werden über 100.000 Seiten angezeigt,
von denen die meisten den goldbunten Vogel im Firmen-, Software- und Produktnamen
führen. Aha, so läuft das im Netz der Netze bzw. vielmehr im
Netz der Wirtschaftswerbung. Warum auch nicht, ich hab nichts dagegen.
Der Name meines kleinen Aschenwurms ist halt sehr beliebt, weil verheißungsvoll.
grusz,
hansz
10.
Rundbrief 2003: Einhorn und Löwe im Physiologus
laetare!
2003
Liebe Freunde,
wenn schon der
Phönix aus dem antiken Physiologus der Stellensammlung zu ebendem
Motiv als Haupttext vorangestellt war, muß natürlich auch die
Verbindung des Physiologus
zu den sechs Teppichen
der "Dame mit Einhorn" geknüpft werden:
http://12koerbe.de/lapsitexillis/licorne.htm
Löwe und Einhorn, die
beiden Tiere, die die mit den Sinnesempfindungen befaßte Seelen-Dame
in der Mitte immer links und rechts flankieren, sind ja zwei richtige Physiologus-Exemplare:
Der Löwe ist als Nr.1 mehr als nur der König der Tiere, genauso
wie das Einhorn ein besonders exemplarischer Fall der typologischen Deutung,
die der Physiologus pflegt: Es geht nie um das entsprechende Naturwesen
oder eine Tierart, sondern um den Archetypos, das in die Seele geprägte
Bild (carakthr
und imago) und seine moralische Farbkraft. Das Einhorn ist dabei auf höchst
kritische Weise ambivalent: Die unverhüllte Erotik der Fangmethode
(die Übersetzung schärft hier nichts zu, sondern bleibt bei der
Stelle wörtlich: die Parthenos soll dem unbezähmbar wilden Monokeros
in der Tat vorgeworfen werden) läßt sich mit der auf Christus
gedeuteten Typologie des Physiologus
kaum zur Deckung bringen.
http://12koerbe.de/pan/einhorn.htm
Denn Löwe und Einhorn
haben gemeinsam, daß sie im Physiologus
als typoi des Herabstiegs Christi durch die Hierarchie der Engelwelten
verstanden werden: Die dynameis, exiousiai, archangeloi und angeloi – vier
der von Dionysius Areopagita im 5.Jhd.n.Chr. aufgeführten neun Engelchöre
- sollten den Sohn bei dessen Menschwerdung nicht erkennen, sie sollten
ihn nicht bei sich festhalten wollen. Vergleiche die Darstellung
der neun Engelchöre (Allgemeingut des religiösen und kosmologischen
Weltbildes im Mittelalter) im Baptisterium von Florenz:
http://12koerbe.de/mosaiken/baptist1.html
Webmart schickte mir dann nach einigen Stunden
den folgenden Ablehnungsbescheid:
Hallo,
Sie erhalten diese Mail, weil Ihr Newsletter Inhalte enthält, die
gegen unsere Regeln verstossen, und deshalb nicht kostenlos verschickt
werden konnte. Ihr Newsletter wurde jetzt der Kategorie 'Erotik / Kostenpflichtig'
zugeordnet.
Gründe hierfür können sein:
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solche Seiten
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jugendfrei sind
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Network Marketing oder aus Werbung für Inhalte, die unsere Werbepartner
ausschliessen
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Hinweis: Wir versenden keine Newsletter, wenn wir der Meinung sind,
dass ein Grossteil der Abonnenten mit dem Empfang nicht einverstanden ist.
Gründe wie: "Sie erhalten diesen Newsletter, weil Sie bei uns eine
Anzeige aufgegeben haben oder in der Vergangenheit mit uns in Kontakt standen!"
reichen nicht aus um jemanden in einen Newsletter-Verteiler aufzunehmen.
Solche Newsletter kommen beim Empfänger i.d.R. sehr negativ an, was
nicht in unserem Interesse ist.
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass kostenlose Newsletter nur dann
verschickt werden können, wenn dies für uns refinanzierbar bleibt.
Newsletter mit Inhalten, die von unseren Werbekunden nicht erwünscht
sind, können über unser System nicht kostenlos verschickt werden.
Damit Ihr Newsletter in Zukunft verschickt werden kann, muss Ihr Kundenkonto
ein Guthaben aufweisen. Pro Empfänger kostet der Versand 0,003 EUR
- dadurch sind unsere Kosten gedeckt und es wird keine Fremdwerbung oder
Links zu unserer Homepage eingeblendet.
Wir hoffen auf Ihr Verständnis.
Ihr WebMart Team
http://www.webmart.de
Ich habe dann den 10. Rundbrief noch einmal versucht, zu versenden,
nachdem ich die drei Wörter "unverhüllte Erotik der" aus dem
Brief entfernt hatte; der Satz ("Die Fangmethode ...") gibt dann ja noch
immer den Sinn, den er geben soll.
Oder waren vielleicht die Wörter "charaktêr" und "imago"
gemeint? Nein, dann wohl eher das "Horn", das eine einzige mitten auf dem
Kopf des wilden Böckchens. Nun ja.
Oder gar die vielen Kopulae (!) in der parataktischen Verknüpfung
der Sätze zu Satzreihen? mmh
hansz
Nachklapp
zum 10. Rundbrief 2003: Einhorn und Löwe im Physiologus
3.April
2003
Liebe Freunde,
Der Rundbrief wird nun nicht
mehr über Webmart versandt, da der
letzte über das Einhorn im Physiologus mit dem denkwürdigen
Urteil abgelehnt wurde: "Ihr Newsletter enthält
Inhalte oder Links zu Inhalten, die nicht jugendfrei sind". Ich habe
dann die drei Wörter, auf die deren Zensurmaschine angesprungen sein
mußte, aus dem Text entfernt.
Es ist natürlich erfreulich,
daß endlich mal jemand den nicht-jugendfreien Charakter des Physiologus
und speziell der Einhorn-Fangmethoden erkennt. Dieses Lob und meine Anerkennung
solcher Einsichten bei einer ansonsten doch rein kommerziell orientierten
Werbeveranstaltung habe ich denn auch Webmart geschrieben, habe deren Weisheit
gepriesen, und dann haben die Brüder das wohl als ironisch mißverstanden
und mich rausgeschmissen.
Nun bin ich also bei Newsletterboy
untergekommen und versende diesen ersten Versuchsbrief.
Der vollständige
Webmart-Brief kann übrigens im Zusammenhang der bei mir archivierten
Rundbriefe nachgelesen werden unter:
http://12koerbe.de/hansz/news-3.htm#Webmart
Aber es lohnt kaum.
Bis auf bald, wenn die Qumran-Übersetzung
nennbare Fortschritte gemacht hat: eine konzentrierte, dicht-schwere Substanz,
grusz,
hansz
11.
Rundbrief 2003: Qumran, Hymnen-Rolle aus Höhle 1, Nr.3
15.April
2003
Liebe Freunde!
Die
Funde in Qumran am Toten Meer entbergen die mit Abstand ältesten Handschriften
des Alten Testaments, insbesondere Jesajah, aber auch originäre Dichtungen
und die Gemeinderegel der dort (vor allem im letzten Jahrhundert vor Christus
und gleichzeitig mit dem aus der Passion des Messias hervorgeborenen Christentum)
ansässigen Essenergemeinschaft, in denen sich die schriftgelehrte
moralische Gesetzesstrenge sowie die nicht minder schriftgelehrte apokalyptisch
aufgeladene-aufgespannte Bilder- und Vorstellungswelt dieses Ordens dokumentiert,
der in einer heftigen endzeitlichen Erwartung eines
priesterlichen Gesalbten, des Messias Aarons, und eines königlichen
Gesalbten, des Messias Israels, stand. Kultische Waschungen und intensives
Gebetsleben erfüllten ihre Schriftgelehrtheit
mit dramatischer
religiöser Erfahrung, die die Bedrängnisse, Kämpfe und
Geburten des Seelenlebens tief in die körperliche Verdichtung und
Empfindungsspiegelung hineinzutreiben scheint, so jedenfalls in der Hymnenrolle,
aus deren Psalmen bzw. Lobliedern hier die besonders bildreiche, plastische
dritte Hymne wiedergegeben wird:
http://12koerbe.de/apokalypse/qumran.htm
Ein
Passionspsalm, vergleichbar besonders dem von
Christus am Kreuz zitierten Psalm
22, zugleich ein apokalyptisches
Lied, vergleichbar den Prophetensprüchen und den kleinen
Apokalypsen der Evangelien, und durchaus auch den ältesten
Suren des Qur'an. Der Spruch von den Geburtswehen
in Johannes 16,21 steht in vergleichbaren Zusammenhängen: Die
kleinen Apokalypsen der Evangelien mit der bebenden
Erwartung der Offenbarung des Menschensohnes sind Jesu letzte öffentliche
Worte in Jerusalem vor Abendmahl und Passion, wie die herandrängende
Menschensohn-Offenbarung überhaupt Jesu letzte Antwort an den Hohenpriester
darstellt (Mt
26,64; Mk 14,62;
Lk 22,69); das Geburtsgleichnis
bei Johannes steht im Kontext des Abendmahls, Psalm
22 ist Gebet und Existenz-Exegese des Sohnes am Kreuz, und die
kürzesten und dramatischsten Suren des Qur'an, die das Weltgericht
in der ringenden Seele des Gottergebenen konkretisieren, entspringen
als älteste Kerne der Sammlung schließlich der unmittelbarsten
religiösen Urerfahrung des Propheten.
Aber
dieser apokalyptische
Passionspsalm nun, dieses dritte Loblied aus der Hymnenrolle von Qumran
ist in der Dichte und im Reichtum seiner Bilder und in der Authentizität
seiner Erfahrung einzigartig, am ehesten noch dem Psalm
22, dem Passionspsalm schlechthin, vergleichbar. Die dualistischen
Stereotypen des weiteren Qumran-Schrifttums werden dramatisch gesprengt,
in schmerzhafter Geburt des himmlischen Helden wird die Höllenpforte
durchbrochen. Hier wie dort wird im Durchbruch der Existenz Gott als österliche
Rettung offenbart, erwiesen und gefeiert, deshalb: ein "Loblied".
Die
Übersetzung ist mir, dem sprachlich erwiesenermaßen ziemlich
Unbegabten, nicht leicht gefallen; für Fehlerhinweise bin ich deshalb
dankbar; der Wort-für-Wort-Satzbau soll den Blick auf das hebräische
Original lenken: Man beachte den Gleichklang, die Gleichartigkeit z.B.
der beiden Wörter für Brandungspforte (eigentlich Muttermund)
und Brandungswellen, in beiden Fällen mischbarim, aber doch mit verschiedener
Bedeutung, die schwer durch ein ähnlich gleichklingendes Wort im Deutschen
zu vermitteln ist. Und auch: be-kur (im Schoß) oder bekur (Erstgeburt).
Und noch andere Probleme dieser Art, bis hin zu einigen hapax legomena
(nur einmalig, nur an einer einzigen Belegstelle in der gesamten Literatur
vorkommende Wörter).
Kommt, Ihr Töchter
...
Heute Abend Chorprobe zu
Bachs Matthäuspassion, die wir Gründonnerstag Abend 19.30 in
der Kreuzkirche in Görlitz aufführen. Eine ganz andere Sichtweise,
Empfindungssättigung, Stimmungslage.
grusz,
hansz
12.
Rundbrief 2003: Ostern
22.April
2003
Liebe Freunde!
Was
kann ich Euch als besonderen Ostergruß darbieten?
Ich
glaube, alle von mir ins Netz gestellte Seiten sind österlich, manche
gewiß in besonderem Maße:
Die
Osterevangelien Matthäus
28, Markus 16, Lukas
24, und Johannes
20; die Geburt des Auferstandenen aus dem Gespräch im Lukasevangelium
(Emmaus-Pilger) hervor und im Wechselspiel von Frühlingsgarten (mit
dem tätigen Hintergrund des "Gärtners") und weinendem Gemüt
(Maria von Magdala) im Johannesevangelium erstaunen und bewegen mich selbst
besonders;
die Gralsepen,
besonders das
unscheinbare Steinchen bei Wolfram;
das Machandelboom-Märchen;
die
Sonnengeburt auf dem Isenheimer
Altar;
die
Morgenröte
(Aurora) Jakob Böhmes durch die dynamisch entwickelte Auseinander-Hervorgeburt
der Quellgeister längs der Jakobsleiter gemäß Johannes
1,51, die der ewig in Gott hervorgeborene Menschensohn selber ist (vgl.
Johannes 3,13);
die
nur wenige Jahre nach der Morgenröte erschienene Chymische
Hochzeit Christiani Rosencreutz von Johann Valentin Andreae, die sich
in den sieben Tagen von Karsamstag
bis zum nächsten
Freitag verzeitlicht – heute ist also der mittlere, der vierte
Tag dieser Verwandlung: eine bloße Satire auf die Alchemie, wie
oft behauptet, ist der Text keineswegs, sonst müßten die Prüfungsschwellen,
die nur ein absolut bescheidenes, demütiges, ehrfurchtvolles Bewußtsein
durch die Einladung
des ersten Tags, durch die drei
wohlgehüteten Tore des zweiten Tags, durch die Seelenwägung
und die Rätsel des dritten Tags und alle weiteren Stufen bis zum
scheinbaren (aber
inner-imaginativen) Scheitern am Ende durchschreiten kann, gleichfalls
Satire sein. Für eine bloße Satire ist der Charakter des alten
Christian Rosencreutz auch zu humorvoll und selbstironisch. Das satirische
Element dieses Humors wird zu oft mit dem fleißig-genauen
Ganzen der inspirativen Imaginationsbearbeitung verwechselt. Ich lese
diesen Text jedes Jahr von Karsamstag an einmal durch.
Nach
Veröffentlichung der entsprechenden (griechischen) Physiologus-Originale
fällt mir natürlich die Erwähnung von Löwe
und Einhorn (in Gemeinsamkeit beider wie auf den Teppichen
der Dame à la licorne) innerhalb
der Schloß-Erkundungen des dritten Tages und kurz darauf des
"herrlichen
Phönix" besonders auf – auch diese alte Metamorphose formuliert
bereits ein kräftiges Ostern.
Wo
ist der Auferstandene in
der Natur zu finden? – eine alte Frage im
seelenverwühlten Hans Zimmermann,
Görlitz) -
Wo
in der Körperchemie, in der biologischen Sphäre, wo im physikalischen
Zusammenspiel der Kräfte,
wo
in der Geistesgeschichte der Völker, in den Inspirationen ihrer Weltbewußtwerdung?
Wo in
der Mathematik, in der Arithmetik,
der Geometrie, der Zahlentheorie?
Wo in
der Welt der Berufe
und Techniken?
Klitzekleine
Antwortansätze zum Weitertreiben dieser Fragen vielleicht auf
der Samenkorngleichnis-Seite, ansonsten gewiß bei meinem Lehrer
Novalis (Die Lehrlinge
zu Sais).
Einige
Freunde haben ein Osterlied
von mir zugesteckt bekommen; ich hoffe, es bringt ein wenig Freude.
Zur
Zeit kommen übrigens neue Psalmenübersetzungen
ins Netz.
grusz,
hansz
P.S.:
Dies ist der erste Versuch, den Rundbrief in htm-Form zu versenden. In
solch einer Fassung, wo die unterlinkten Belegangaben unmittelbar angeklickt
werden können, finden sich ja auch alle bisherigen Rundbriefe auf
der allgemeinen Rundbriefe-Seite, z.B. auch der letzte, der an solchen
Belegstellen besonders reich gewesen ist:
news-2.htm
aber 1. ist das Geschmackssache,
2. sind die Ladezeiten bei Bildergalerien (un)ziemlich lang und 3. ist
es eine Zumutung, die angegebenen URLs selbst hier kopieren und zum Aufrufen
der entsprechenden Seite(n) in die Adressenzeile einfügen zu müssen,
bloß um das bunt aufs Papier projizierte organische Innenleben des
Herrn Zimmermann fleischbeschauen zu dürfen. Was sagen uns diese Opfer-Orakel?
grusz,
hansz
19.
Rundbrief 2003: Philipp Otto Runge: Der Morgen
Liebe
Freunde!
Wie tief die frühe Romantik in
klassischer Formkonstruktion gegründet ist, zeigen nicht nur die
Systeme der Deutschen
Idealisten (zunächst Fichte, noch "romantischer" Schelling), die more
geometrico aus Prinzipien entwickelt werden und die Natur als Tätigkeiten-Organismus
eines reflexiv sich hervorbringenden Bewußtseins aufklären
- vgl. den Novalis-Aphorismus
in "Blüthenstaub": "Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis"
- oder die klassische Transparenz der Schubertschen Lieder und Symphonien
und die lichte Leichtigkeit Mendelssohn-Bartholdys, sondern auch die
symmetrischen Empfindungsblüten Runges.
Nicht nur die Formbewußtheit
ist klassisch-klassizistisch, sondern auch die Bündelung
der antiken Traditionsstränge geradezu in einem Bild, einer zentralen
Figur, einer ursprünglichen zarten Geste: Die Geburt
des Aion gemäß Vergils 4.Ekloge, verwandt mit dem "Sohn
der Jungfrau" und dem "puer natus est nobis, filius datus est nobis" Jeschajahus,
die Geburt der Venus gemäß
Hesiod und dem Homerischen
Aphrodite-Hymnus, bei Botticelli
in ein vergleichbar symmetrisches Bild gebracht, dann besonders auch
die
"Weisheit" aus dem alttestamentlichen Sprüche-Buch Kap.8, 22 ff,
diese zumindest sind wohl die bekanntesten alten Quellen für Runges
Zeiten-Zyklus und die
beiden Gemälde-Fassungen des "Morgens".
Aber auch Jakob
Böhmes "Morgenröte", nämlich die in diesem Werktitel
zitierte Braut des "Hohen Liedes Salomons", verjüngt
sich zu diesem Tagesanbruch, in der letzten Sekunde vor dem Sonnenaufgang,
dem Aufwachen des Lichts.
Dies nur zu den im Erdreich
verborgenen literarischen Wurzelknollen dieser Licht-Gesten-Pflanze;
der Sproß,
die Lilienblüte,
die gläsern-luftigen Geister, die
Bild-in-Bild-Rahmung, all das mag sich dem Auge ohne weiteren Kommentar
erschließen: es zeigt sich selbst.
grusz,
hansz
20.
Rundbrief 2003: Samuel Taylor Coleridge: Kubla Khan
Liebe
Freunde!
In Verbindung mit den Hymnen
an den Nektar (=tod-überschreitend) der Götter, den Soma, die
im neunten Buch des Rgveda versammelt sind, habe ich nun Coleridge
berühmtes Gedicht "Kubla Khan" ins Netz gestellt, englisch und deutsch:
Die tausend Verbindungen medizinischer, tiefenpsychologischer, literarhistorischer
und ästhetischer Art, die sich hier knüpfen lassen, seien jedem
Leser selbst überlassen. Wichtig ist wohl jede klassische Bewältigung
romantischer Phantasmen, sei es bereits durch die dichterische Formung,
die mit der ästhetisch-verallgemeinernden Distanz die mitsingende
Seele des Lesers von Coleridges Biographie freihält, sei es dann auch
durch die Erkenntnis, daß solche "landschaftlichen" Visionen reich
ausdeutbare Wanderungen in den menschlichen Körper hinein aufs Bild
bringen.
Die rhetorische Schleife am Ende des Liedes, wo der Dichter eine andere
visionäre Imagination einführt, um die vorher geschilderte auszulegen
und konzentrierend zu steigern, dieser Wunsch nach intensiverem, süßerem
Ausdruck für das, was er angeblich unfähig sei, mitzuteilen,
teilt doch wunderbar das Unausdrückbare seiner Hingerissenheit mit;
und seine Warnung, einen dreifachen magischen Zirkel um den "Khan" im Dichter
zu ziehen, bannt schließlich den Leser selbst, spendet ihm zu guter
Letzt durch die eigenen Worte den Honig-Tau und die Paradiesesmilch der
reinen ästhetischen Empfindung, des musikalischen Liedgenusses, des
Wundersam-Schönen (ohne daß man mit dem biographischen Anker
von Coleridges Medizin in dessen Körperlichkeit festgehalten wird).
Dieses schlimme, gefährliche Lied ist, will ich sagen, nicht nur Verführung.
Oder doch? Nun gut denn: Drei Bannkreise um den Sänger!
grusz, hansz
Nachklapp
zum 20. Rundbrief 2003
14.Oktober 2003
Liebe
Freunde,
wer
ist (der historische) Kubla Khan? Was ist "Xanadu"? Vor allem letztere
Frage war nicht leicht zu beantworten, da hier ein Name durch mehrere Sprachmedien
hindurchgegangen ist und entsprechende Brechungen erfahren hat. Ich habe
nun die Coleridge-Seite
http://12koerbe.de/phosphoros/xanadu.htm#Kubilai
Chan
erweitert
und die gefundenen Informationen gesammelt, insbesondere eine Stelle
bei Marco Polo, die den welthistorischen Wälzern der frühen
Neuzeit (auch für Coleridge) zugrunde gelegen hat.
Natürlich
ist "Kubla Khan" kein historisches, nicht einmal ein historisierendes Klein-Epos,
sondern ein entzücktes Lied von romantischer Phantastik (und deshalb
schrieb ich, Hans, hingerissen von den geheimen dulcimer-Symphonien der
keimverschlossenen Weltkomponistin, es ab).
grusz,
hansz
21.
Rundbrief 2003: Alhambra in Granada und Moschee in Cordoba
Liebe
Freunde!
Die Herbstferien boten mir die Gelegenheit, endlich einmal nach Spanien
zu kommen: nach Andalusien, nämlich Sevilla, Cordoba
und Granada, wo
die geistige Auseinandersetzung und der Wetteifer zwischen Christentum
und Islam (und
zu Maimonides' Zeiten auch mit dem Judentum) sich literarisch,
historisch und
für die Dauer auch architektonisch
ausgeprägt, ausgewirkt und sinnenfällig dokumentiert hat.
Averroes
in Cordoba hat mit seinem Aristoteleskommentar
die wissenschaftlich-theologische
Diskussion des Abendlandes maßgeblich angeregt – und wurde zugleich
im orthodoxen Islam
Nordafrikas verfemt; Maimonides floh (im Gegenzug) von Cordoba nach
Kairo. Übrigens sind auch Seneca der Ältere (Jurist) und der
Jüngere (Philosoph) sowie der Ependichter Lucanus in Cordoba geboren,
erstrangige lateinische Schriftsteller des ersten Jahrh.n.Chr.
Soweit die wichtigsten Persönlichkeiten,
ohne eigentliche Spuren in der orientalisch-verwinkelten Altstadt. Den
Sinnen präsentiert sich heute die
große Moschee (von den Reconquistadoren später durch einige
Eingriffe in eine Kathedrale
verwandelt) mit
ihrem parallel gereihten Säulenwald und den rot-weiß gestreiften
übereinander gedoppelten Hufeisenbögen im milden Dämmerschein.
Das ist die eine der beiden kleinen Bildergalerien, die ich nun ins Netz
gestellt habe:
http://12koerbe.de/zimmerman-goerlitz/cordoba.htm
Die andere bietet Bilder
der Alhambra in Granada:
http://12koerbe.de/bienengold/alhambra.htm
http://12koerbe.de/bienengold/al-hamra.htm
A: Wie zauberhaft! Die
feinen Reliefornamente über die Wände hinweg: Die
Stalaktiten und Waben in den Stufungen und Zwickeln der Gewölbe-Himmel!
Die geometrisch
gebänderten Rosetten und die kalligraphischen Borten! Alles
Zeichen und Schrift, Wort
Gottes in den mathematischen Ordnungen der von ihm ausblühenden Ideenwelt,
wo die Sonnen
durch- und ineinanderscheinen zu weiteren Strahlensternen, deren lichten
Gesetzesbahnen die Scherben der Sinnenwelt bunt eingelagert sind, so jedenfalls
in den Fayencemosaiken der Sockel!
B:
Allzu üppig, horror vacui, unbescheiden und letzten Endes nur
zum Vergnügen der Fürsten und Haremsdamen, Arabesken
ins Endlose bei Verlust der Substanz. Die Verzierung frißt den
Gegenstand.
A:
Wäre eben das nicht Vergeistigung und Auflösung widerständiger
Materien?
B:
Erträumte
Paradiese statt Wirklichkeit, epikureische Intermundien!
A:
Gewiß, wenn bunte Bilder das Bewußtsein bänden,
wie in den wahrlich überladenen, aufdringlichen, ja oft genug unerträglich
sentimentalen Gemälden der siegreichen Christenheit und ihrer späten,
überreifen, vergorenen Gotik; aber hier, diese
sparsam eingefärbten Reliefs im Goldton alten Elfenbeins bleiben verhalten
abstrakt, sind kostbar durch die mathematischen Gesetzmäßigkeiten
des reinen Raumes, der euklidisch durchdachten Ebene: Gibt es gelungenere
Ausführungen der reinen Geometrie als diese spielerisch-strengen Wandgliederungen?
B:
Stereometrische Gesetzmäßigkeiten konkretisieren sich
in der Statik der großen Dome, in den Gewölben, die auf Schlußsteine
zustreben, von deren Last sie gehalten werden, den Druck auf die Stützstreben
außen verteilend: Bewältigung der Schwere, die Wände fast
zu Säulen aufgelöst, frei
für die großen Glasfenster – - -
Verglichen
damit ist das hier alles nur Geometrie fürs Auge, meinetwegen für
die wissenschaftliche Erkundung der Ebene, kaum architektonisch wirksam,
alles Tapete, Teppich, Beschäftigung der Sinne l'art pour l'art.
Ich empfinde
es so: Jede
aufblätternde, ja noch jede verwelkende Rose in den Gärten des
Generalife übertrifft diesen ganzen toten Schmuck und offenbart Gottes
entzückendes Schöpfungswort wirklicher als alle menschlichen
Ästhetizismen.
A:
Aber du wirst doch den kufisch
stilisierten Koranversen in den breiten Borten um die Türen und Tore
die dovotionsgesättigte Ernsthaftigkeit nicht absprechen wollen?
B: Liest
du sie mir vor?
grusz,
hansz
22.
Rundbrief 2003: Gaudis Mosaiken im Park Güell (Barcelona)
Liebe
Freunde!
Zum
Nachtisch nach den Cordoba- und Alhambragängen nun noch Gaudís
Scherbensalat:
http://12koerbe.de/bienengold/gaudi.htm
Antoni
Gaudí ist der berühmte Künstler und Architekt des Art
Nouveau (des Jugendstils), dem Barcelona vor allem die unvollendete "Sagrada
Familia", die neugotische Kathedrale zur Heiligen Familie, verdankt, wo
er einerseits die
"Stalaktiten" und "Wespennester" der andalusisch-maurischen Bauten
in den spätimpressionistischen Formenrausch übersetzt, der besonders
in der Inkarnations-Fassade der Kathedrale aufbrandet, und andererseits
die organischen Formen des ersten Goetheanums in Dornach vorwegzunehmen
scheint.
Auch
einige Profanbauten in Barcelona stammen von ihm, die stärker als
die Sagrada Familia die pflanzlich-organischen Tendenzen des Jugendstils
umsetzen, und so auch die
Terrasse im Park Güell, die vom Serpentinenband einer langen Bank
umrandet wird: Mosaiken aus Keramikscherben und Fliesenbruchstücken
zeigen die Faszination für ungewöhnliche Materialien und schlichte
Abstraktion, die für den Art Nouveau typisch ist.
gaudeamus
(vel potius: gaudíamus)
grusz,
hansz
23.
Rundbrief 2003: Requiem: Dies irae
Liebe
Freunde!
Angeregt von unserer Probenarbeit
und Aufführung des Mozart-Requiems hier nun dieses Geringe: Der Text
des Requiem, wie er von Mozart vertont worden ist, und zentral dabei das
Dies irae; ein sehr kleines Bißchen Musikanalyse des Introitus-Anfangs
und der zwei Strophen, auf die schon der "Amadeus"-Film aufmerksam gemacht
hat, nebst etwas Notenzeug als Belegstelle:
http://12koerbe.de/apokalypse/requiem.htm
Der "Tag des Zornes, jener
Tag" ist der jüngste Tag, wo gemäß den "kleinen Apokalypsen"
der Evangelien der Menschensohn mit seinen Engeln in den Wolken des Himmels
erscheint, um die Welt durch ihre Entscheidung (krisis) zu führen;
der Mensch, das schlechthin tätige Lebewesen, wird an seinen Taten
gemessen, in der Spiegelung seines Tuns am Nächsten, denn "was
ihr dem Geringsten unter meinen Brüdern angetan habt, das habt ihr
mir getan" (Matthäus
25,33 ff).
Der Weltenrichter, "Sohn
des Menschen", erweist sich als das wahre Selbst, das durch alle selbstverantworteten
Handlungen der
einzelnen Menschen hindurchgeht
und sie durchlebt, im Kreuzweg der Passion wie im davon auskeimenden
"Weltverjüngungsfest" der Auferstehung. Das Dies
irae vergegenwärtigt dem Bewußtsein des Betenden gerade
diesen Weg Gottes durch das Menschendasein, das Menschenantlitz Gottes,
man bedenke den wunderbaren, schlichten Vers
Der Lebensweg des Sohnes ist
Suche nach dem einzelnen Menschen, sucht die letzten Winkel der individuellen
Lebensführung und ihre in Unscheinbarkeit verborgenen Kostbarkeiten
sorgfältig auf, Verstehensbemühung bis zur Ermüdung. Wo
wäre je deutlicher gesagt worden, daß Gott Mensch geworden ist?
Auf dem Thron des Herrschers sitzt der Sucher nach Menschlichkeit, ermüdet
vom Suchen!
grusz,
hansz
24.
Rundbrief 2003: Platon: Menon
Liebe
Freunde!
Der "Menon" ist, meinem bisherigen Eindruck nach, der bestgeeignete Einstiegsdialog
nicht nur zu Sokrates/Platon, sondern in den Traditionshauptstrang der
Philosophie schlechthin: Er beginnt mit dem Definitionsproblem des "Gutseins"
und einer Untersuchung des "Definierens" allgemeiner Begriffe überhaupt,
streift die Frage, ob Böses bewußt gewollt werden kann, und
fördert dann in der Mitte des Ganzen (bevor die Anfangsfrage nach
der Lehrbarkeit des "Gutseins" wieder aufgegriffen wird) mit einem pädagogischen
Experiment die apriorische Quelle des Wissens zutage, die Kenntnisse also,
die innerhalb des vom Gedächtnis ausgeleuchteten individuellen Erfahrungszeitraums
nicht erworben sein können, sondern in absoluter Allgemeinheit eben
auch über diesen Erfahrungsraum hinaus gelten: Sätze, Strukturen,
Formeln der Arithmetik und Geometrie insbesondere.
Beim Suchen weiterer "apriorischer" Felder sind wir in unserer freitäglichen
Philosophierunde noch auf die harmonischen Grundverhältnisse der Intervalle
(Prime, Oktave, Quinte, große und kleine Terz) gestoßen, die
zwar zugleich mathematisch darstellbar sind, aber in den Tönen, Klängen,
Akkorden, Melodien durch die Erwartungsspannung der Musik hindurch noch
einer ganz eigenen Welt Raum schaffen.
Das Untersuchungsbeispiel für solche Universalia ist nun im Menon
die Frage (und ihre beweisfähige Beantwortung), wie man die Fläche
eines Quadrats so verdoppeln kann, daß ein neues Quadrat dabei entsteht.
Bloßes Herumprobieren, Interpolationen oder Schätzungen usw.
reichen nicht aus, wie ja auch (um ein anderes Beispiel zu nennen) die
Winkelsumme im Dreieck nicht aus Meßwerten zwischen 178,253... und
180,0038... bestimmt wird, sondern aus der Flächengliederungsstruktur
der An- und Gegenwinkel zu einem gegebenen (Ausgangs-) Winkel erschlossen
wird, die einander zu einem Halbkreis (180°) ergänzen.
Das sind natürlich primitive Beispiele, aber es geht um allgemeine
Begriffe, Sätze ("Urteile a priori") und Sachverhalte, deren Erkenntnis
den Charakter einer Wiedererinnerung an Ewiges hat, ein Selbstvergegenwärtigen,
Aufwachen des sich zeitlos wissenden "Selbstverständlichen" längs
der zeitgestreckten Bewußtwerdung des Menschen. Ein immerzu in die
räumlich-zeitliche Individualität hinein einschlafendes Wesen
schmiegt sich einem immerfort neu aufwachenden Wesen an, wie die innere
und die äußere Seite einer Spirale, die doch zugleich nur eine
einzige sich längs der unendlich-einen Trennung berührende Fläche
sind.
Platons Menon also, vollständig, griechisch-deutsch, alle Abschnitte
mit PERSEUS verlinkt, unabhängig von t-online... auf dem Sächischen
Bildungsserver:
http://12koerbe.de/pan/menon.htm
grusz,
hansz
25.
Rundbrief 2003: Weihnachten
Liebe
Freunde!
In aller Mitteilung sind Vermittlungs-Medium
und vermittelte Botschaft ("Kanal und Information") verschieden, z.B. als
Brieffläche und Text, als Schrift und Bedeutung, oft vielfach weitergestuft
in weiteren Dimensionen und Schichtungen, z.B. Luft, Stimme, Sprache, Satzsinn.
In welchem Wesen nun sind Mitteilung und Träger identisch? Welche
Botschaft trägt sich selbst? In welchem unter allen Wesen teilt sich
die Vermittlung des Mitzuteilenden unmittelbar selbst mit?
Bitte erlaubt mir, liebe Freunde, hier ein wenig nach- mit- und vorzudenken:
Vom Farbenbogen des Zeitenkreises, gestuft in Mineral- Pflanzen- Tier und
Menschenreich, gerundet im Vegetationszyklus der Jahreszeiten, verdichtet
in den Morgen- und Abenddämmerungen der dreieinhalb Adventswochen,
tauchen wir ein in die
Nacht, in der Joseph träumt, versenkt in die Prophetenbotschaft des
Engels (Matthäusevangelium). In der Frühe, noch vor der Dämmerung,
die himmelweite
Doxa-Gloria-Glanzfülle der Engelbotschaft im Bewußtsein der
nachtwachenden Hirten (Lukasevangleium), mit dem jungen Tag in ewiger
Frische die Klarheit
des Logos, des Schöpfungswortes, "durch das alles geworden ist" (Johannesevangelium).
Das erste Schöpfungswort, in dem noch der Schöpfer sich selbst
ausspricht, ist "jehî
or wa jehî or" = "Es werde Licht! – und es ward Licht". Aber
dieses erste ist zugleich das letzte erscheinende Wesen: substanzgleich
mit dem Bewußtsein, in dem es aufscheint, bleibt es immer neu, solange
es ein Jetzt gibt, in dem es geboren wird, in dem es hervorsprießt,
jüngster Keimkegel allen Bewußtseins.
"Ich bin der Erste
und Letzte und der Lebendige" – individuelle Persönlichkeit, ein
einzelner Mensch, zeitunterworfen, geboren in der Zeit, erfahren und gestorben
in der Zeit, die er doch selbst umfaßt, zu Kreisen schließt,
in Entwicklungen aufbricht? Ich weiß nicht, ob jeder meinen Untersuchungsdrang
versteht, ich bin ganz verrückt danach, diesen Rätselschatz,
der sich in den verschiedenen Lebensbereichen, Wissenschaften, Erfahrungs-Ausdrücken
verbirgt, zu heben, selbst wenn er sich gerade dadurch entdeckt, daß
er sich (wie die Schönste) in subtiler Unscheinbarkeit oder gar Mißachtung
aller verhüllt?
Ja: Jesus – wenn sein brotgestorbner
Leib
als Schrift in unsrem Sinn
Verstehen sucht:
Empfindung – unsere Ohrenmünder
öffnend
Ja: Jesus – wenn der Erdatome
Staub
gewoben und gestrickt zum
Lebenskleid
ihn offenbart – verhüllt
im Grund der Blüte
Ja: Jesus – wenn sein pfingstgeborner
Geist
das Wort spricht: aller
Sprachen "Du" und "Ja";
Musik, die, selbst wenn
sie im Ton verschlossen,
mit Schweigen alles füllt
- wie Glanz die Nacht -
mit Jetzt die Zeit erfüllt
- wie "Ja" das "Du":
unendlich weit gespannter
Bogen: Tiefe,
die Strahlengarben schießend
immerdar,
- kontinuierlich, unaufhörlich
jetzt -
und immer doch gespannt
hält ihre Sehne – - -
In diesem Sinne:
Gesegnete Weihnachten,
hansz
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