Zum Jahreswechsel möchte
ich (nach dem Angebot,
jedem, der es wünscht, meine 18 Chorlieder zuzuschicken, was natürlich
auch weiterhin gilt) jedem, der es wünscht, meinen
Liederzyklus "Der Wind weht wo er will" zusenden: ein atmosphärischer
Kalender in zwölf Liedern für Kinder, und zwar in zwei Fassungen,
nämlich mit Instrumentalbegleitung und dreistimmig (a capella). Wer
mir einen mit 1,45 Euro frankierten großen Briefumschlag von 35 x
25 cm zuschickt, erhält postwendend diese beiden (zusammengehefteten)
Fassungen. Aber dieses Angebot wiederhole ich noch einmal zu Beginn des
nächsten Jahres,
grusz,
hansz
10.
Rundbrief 2009: Stern
Liebe Freunde,
1. als kleinen Gruß,
Weihnachten hinterher und den Weisen aus dem Morgenland voraus (es dämmert
ja schon), hier ein kleiner Sternenhimmel aus dem Morgenland: http://12koerbe.de/bienengold/kachel.htm
2. Und noch ein kleines
Präsent, nur für Euch, die Rundbriefleser (sonst nicht öffentlich,
weil die Urheberrechtsgrenze erst in fünf Jahren erreicht wird): 16
frühe Gemälde von Piet Mondrian (Mondriaan), der ja als Fauve
in der Art von Vlaminck und Derain angefangen hat, aber einen unvergleichlich
zarten, lichten, leichten Mozart-Ton in seinen Bilder erreicht hat, wie
sonst kaum einer. Da kommt er her, aus dieser präexpressionistischen
Richtung vor dem 1. Weltkrieg, der Konstrukteur der in Erregung, Gewichtigkeit
und im Helligkeitswert ihrer Farben peinlich genau ausgewogenen Rechteckfelder
zwischen schwarzen Linien. Diese strengen Kompositionen sind ursprünglich
aus der Abstraktion einer Baumkrone in vielen analytisch-kubistischen Schritten
abgeleitet. Man sieht auch auf früheren Bildern, daß ihn die
zelluläre Blasenstruktur des winterlichen Baumgeästs fasziniert
hat.
3. Und drittens natürlich
das große, materielle, konkret umzusetzende Präsent der zwölf
Lieder des Jahreszyklus für Kinder "Der Wind weht wo er will": Jedem,
der mir mindestens die 1,45-Euro-Briefmarke und natürlich seine Adresse
zuschickt, bekommt umgehend diesen Zyklus als Doppelheft von Instrumental-Fassung
und dreistimmiger Vokal-Fassung zugesandt. Die entsprechenden Briefumschläge
habe ich selber hier.
Wer noch einmal die 18 Chorlieder
dazugelegt bekommen möchte, schreibe das bitte unbedingt dazu, an
mich: Hans Zimmermann, Elisabethstr.35, 02826 Görlitz,
grusz,
hansz
1.
Rundbrief 2010: Sternbilder
Christos
anestê, liebe Freunde,
alêthôs
anestê.
Planeten
unterscheiden sich darin von den uns sichtbaren Sternen, daß sie
heller als diese strahlen und weniger unruhig als die Sterne blinken --
oder fast gar nicht, sondern ruhig und klar leuchten. Natürlich auch
darin, daß sie durch den Sternhimmel hindurchwandern, gewissermaßen
im Jahresverlauf allmählich nach Osten zurückfallen im Verhältnis
zum durch die Erdrotation bedingten Tagesumschwung des Ganzen. Merkur nun,
der wie die hellste aller Schönen nach Sonne und Mond, die Venus,
nur im Morgen- oder Abenddämmerlicht des Himmels erscheinen kann,
ist selten zu sehen, obwohl er durchaus deutlich die Sterne übertrifft,
denn um ihn herum ist es in der Regel nicht dunkel genug: Helligkeit verbirgt
ihn wie die Sterne. So braucht man schon genauere Hinweise, wenn er doch
mal eine Zeitlang von der tyrannischen Sonne frei, weit genug entfernt,
und so über dem Horizont sichtbar wird. Und das ist gerade jetzt,
diese Woche, der Fall: Venus als Abendstern zeigt uns den feineren inneren
Planeten, denn er schwebt bei ausgestrecktem Arm einen Daumen breit-weit
rechts neben ihr, pünktlich-zart, aber eben sichtbar, mit keinem Stern
zu verwechseln, denn die bleiben vom Licht der Abenddämmerung verhüllt.
Seit anderthalb Jahren habe
ich einen Balkon, mit weitem Blick nach Süden über die Dächer
von Görlitz hinweg, über die Kuppel der unzerstörten Synagoge,
die Baumwipfel des Stadtparks hinter der nächsten Häuserzeile.
Gedämpft zwar durch den Kleinstadtdunst und die Lampenlichter, aber
bei Wolkenfreiheit weit ausgreifend, zeigen sich nun die großen Konfigurationen
der Sterne, manche flugs erkennbar wie zur Zeit Orion mit dem fast schon
planetenhellen Sirius links unten und dem Prokyon weiter links neben dem
Orion, die Zwillinge (mit dem Mars links darunter) und der Löwe, vor
einigen Monaten noch das große Pegasus-Rechteck, nach links die Andromeda-Linie
hinüber zum Perseus und der Bogen des Fuhrmanns mit der hellen Capella;
manche schwieriger zu strukturieren wie demnächst der Herkules zwischen
dem Bootes mit seinem hellen Arktur-Stern und dem Sommerdreieck von Wega
oben, Deneb im Schwan links und unten Atair im Adler. Das habe ich mir
schon immer genauer einprägen wollen, um es frei zu verifizieren und
den Sternen ihre Namen zusprechen zu können.
Welche griechischen Namen
stehen hinter den vielen arabischen? Das ist nicht leicht herauszufinden;
mir fehlt vor allem der Almagest des Ptolemaios. Immerhin habe ich nun
den Aratos zur
Hand, das hellenistische griechische hexametrische Lehrgedicht, in dem
die Sternbilder und ihre Lage zueinander so, wie es für die Seeleute
zu deren Orientierung üblich war, beschrieben werden. Zudem noch die
kleineren und größeren Fetzen von Ciceros Übersetzung ins
Lateinische und die vollständiger erhaltene des Germanicus, des Kron-
und Thronprätendenten aus dem Julisch-Claudischen Kaiserhaus (wenn
das tatsächlich eine Schulübung eben dieses Prinzen war, der
einige Jahre nach Varus seine Legionen ein Schlammbad in den niedersächsischen
Mooren nehmen ließ.)
In den Winterferien (so
etwas haben wir in Sachsen) war ich wieder einmal auf der Hippieinsel Formentera
(südlich von Eivissa bzw. Ibiza) und genoß in den Nächten,
wenn mich die ununterbrochenen, aufdringlich-lauten Rückschmerzen
die Wände hochlaufen ließen und ich also wach vor die Tür
trat (ohne Beleuchtung, vorsichtig am Ohrenkaktus vorbei) den ganz schön
nach Norden verschobenen Himmelsanblick, wo dann die Bilder des Zodiakus
viel besser sichtbar waren als bei uns, wo wir sie im Horizontdunst mehr
vermuten als wirklich sehen: Jungfrau
(mit Spica) und Skorpion (mit Antares), das Riesensystem von Schlange und
Schlangenträger. Da verstand ich schon etwas besser, wie deren
Zusammenhang und Verhältnis bei Aratos geschildert ist: Alles so übergenau,
so sorgfältig und eindringlich, wo wir immer nur im Nebel herumstochern
mit unseren müden Augen, im Morgenmantel auf dem Balkon, kalt ists
und alles viel weniger sichtbar, als der alte Arat es uns zeigen will.
(Die Rückenschmerzen verschwanden übrigens mit der Heimkehr nach
Görlitz, am folgenden Tag, und ich saß umsonst beim Arzt rum.
Große Freude!)
Also, nun sitze ich schon
Monate am Arat-Cicero-Germanicus rum, habe seit über drei Monaten
keinen Rundbrief mehr geschrieben, denn ich bin noch mitten drin: Ich möchte
nämlich eine hexametrische Übersetzung zustandebringen, und natürlich
die lateinischen Fassungen von Cicero und Germanicus mit dem griechischen
Original synoptisch parallelisieren. Aber gerade letzteres ist weit schwieriger,
als zuerst vermutet: Die beiden haben nämlich sehr frei nachgedichtet,
anstatt ihre Verse in eine genaue und saubere Entsprechung zu denen des
Aratos zu bringen. Das zeigt sich leider gerade an den besonders interessanten
mythischen Partien, etwa der Erzählung
von dern Himmelsjungfrau Astraia, die als Rechtsgründerin auf Erden
lebt und zum Ende des silbernen Zeitalters enttäuscht die Menschheit
verläßt: Das kennen wir ja aus Ovids
Metamorphosen, vorher schon aus der vierten
Ekloge Vergils, und beide haben es nicht bloß aus dem Arat, sondern
aus den Weltalterkapiteln
in den Erga (Werke und Tage) Hesiods, wo auch Arat es natürlich
hernahm und erzählerisch ausgestaltete.
Und völlig abweichend
von der berühmten Einleitung
bzw. dem Prolog des Aratos ist natürlich das Prooemium des Germanicus
(Ciceros fehlt). Berühmt? Ja, ein halber Vers daraus liegt der pantheistischen
Areopag-Predigt des Paulus zum Grunde, wo der Apostel in Diskussion
mit den Stoikern in Athen in einer Art platonisch-sokratischer Anamnesis
(Lernen
ist Wiedererinnerung!) aufzeigen will, daß ihnen der Gott,
der in Jesus offenbar geworden sei, längst schon bekannt sei:
en
autôi gar zômen kai kinoumetha kai esmen
hôs
kai tines tôn kath humas poiêtôn eirêkasin:
tou
gar kai genos esmen
(Paulus,
Rede auf dem Areopag, Apostelgesch. 17,28)
denn
in ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir,
wie auch einige der Dichter
unter euch formuliert haben:
"denn wir sind
auch seines Geschlechts".
Und so habe ich auch diese
Rede des stoischen
Philosophen Paulus dreisprachig ins Netz gestellt,
grusz,
hansz
2.
Rundbrief 2010: Botticelli
17.Mai 2010
Liebe Freunde,
nur eine kleine Erinnerung,
"memento": Heute ist der 500. Todestag von Sandro Botticelli (Alessandro
Filipepi). Auf der Seite http://12koerbe.de/pan/hesiod-b.htm#primavera
kann man sich anschaulich vergegenwärtigen, wie gut dieses Datum in
den Zeithorizont seines berühmten Frühlingsbildes einzuordnen
ist: Liest man die Himmelsschrift von rechts nach links, so sind wir heute
im Bereich der drei Grazien angekommen, kurz bevor links von der Dreiergruppe
Merkur als Planetenherr der Zwillinge aktuell wird.
Inzwischen läßt
sich dieses Panorama mit den Phainomena
des Aratos verlinken, wie es zuvor, von Anfang an, schon mit Ovids
Chloris-Flora-Episode in den Fasten belegt und erklärt worden
ist, deren Darstellung ebendieses Bild ja ist:
Gleich
oberhalb der Primavera natürlich das andere, noch berühmtere,
große Querformat Botticellis, die "Geburt
der Venus". Wie das Frühlingsbild
auf Ovids
Fasten, so beruht diese Imagination einer schwerelos-asymmetrisch über
ihrer Muschel daherschwebenden Schönheit auf dem Homerischen
Aphrodite-Hymnus; mehr noch als in Hesiods
Theogonie wird dort, bei dem Hymnendichter, Zephyrs Windesfrische von
der Westseite her und die Einkleidung der jungen Göttin durch die
Horen auf der Ostseite, da die "Kypris" nun in Zypern ankommt, besungen,
genau so, wie wir es auf Botticellis Bild sehen. Natürlich gab
es in der Frührenaissance italienische Nachdichtungen, aber denen
liegt eben der griechische Homerische
Hymnus zugrunde.
grusz,
hansz
3.
Rundbrief 2010: Meditation
Liebe Freunde,
am Pfingstmontagmorgen kam
im Deutschlandfunk ein Interwiew,
dem ich aufmerksam zuzuhören versuchte, obwohl der Interviewte so
wirr und selbstwidersprüchlich "argumentierte", daß man ihm
kaum folgen konnte, ohne permanent in logische Sackgassen und Paradoxien
zu geraten. Der Mann, der da die Chance bekam, sich
und sein frisch veröffentlichtes Buch vorzustellen, war Thomas
Metzinger; er gab sich als Psychologe und Philosoph, und ich sehe: er ist
wohl kaum ein Psychologe (zumal er nur die Forschungsergebnisse anderer
übernimmt), aber ein Philosoph ist er absolut nicht:
Dazu würde gehören, daß, gleich von welcher Stelle in diesem
Universum er einsteigen will, er seinen Weg mit strengster logischer Konsequenz
gehen müßte; aber eben das tut er nicht.
Er behauptet, daß
er, er selbst in Person mit Selbstreferenz, nicht wirklich existiere und
daß sein Bewußtsein nur eine erscheinungshafte Reflexion seines
Gehirns sei, und dieses Gehirn sei seine eigentliche Wahrheit. Nicht so,
daß etwa sein Gehirn dann als "Ich" sich selbst referierte, sondern
eher so, daß es, das Gehirn nämlich, ein seinem "Ich" fremder
Untergrund, eine nicht verfügbare Ursache seines "Ich"-Kinos sei.
Wie er in die "Wahrheit" dieser ihm fremden Ursache eindringen will, läßt
er unausgemacht, es sei denn, die Hirnforschungsbeobachtungen der Hirnforscher,
die natürlich in unserer Erscheinungswelt in der Sprache der Erscheinungswelt
mit der Befangenheit des naiven Realismus ebendieser Erscheinungswelt mitgeteilt
werden, wären jene "Wahrheit". Nun ja, ein "Ich" kann man hirnforschend
von außen nicht finden, also gibt es kein Ich. Sagt irgendein Hirn.
In unserer Sprache. Als Botschaft innerhalb der Erscheinungswelt. Mmmh.
Thomas Metzinger will, daß
in den Schulen "Meditation" eingeführt wird, als Hirn-Selbstwäsche
(ohne "Selbst" natürlich, also würde er korrigieren: als "Hirnwäsche").
Es ist ihm wichtig, daß nicht etwa Religionslehrer und Philosophen
hier ihre altbekannten Wege vermitteln, sondern daß die Hirne der
Sportlehrer die Hirne ihrer Schüler damit kondizionieren bzw. trainieren.
Recht hat er, denn Kondizion (von lat. condicio, wieso soll man das mit
t schreiben?) und Training gehören ins Reich der systematischen geistlosen
Fremdbestimmung, die wir "Sportunterricht" nennen. Wenn die lieben Kollegen
Sportlehrer schon Yoga üben,
warum dann nicht gleich Meditation? Denn, da hat er auch wieder recht,
Yoga ist nur der Sanskrit-Name
für die "Selbstbeherrschung"
(genauer sogar: Selbstunterjochung, verwandt mit dem deutschen Wort
Joch), die in Meditationen geübt wird. Wer
Yoga lehrt, lehrt Meditation (wenn es denn tatsächlich
Yoga ist...) Der Vorteil bei Sportlehrern liegt darin, daß
sie Meditation dann genauso kondizionieren und trainieren können,
wie sie das schon beim Yoga
zu tun pflegen.
Seit 35 Jahren meditiere
er (bzw. sein Gehirn) schon, sagte Thomas Metzinger; das heißt also:
etwa 1975 hat er begonnen. Das ist, wie wir uns erinnern, die hohe Zeit
der "Transzendentalen Meditation"; Bhagwan kam etwas später, und in
der Hare-Krischna-Bewegung wird der Mann nicht gewesen sein.
Das veranlaßt mich
dazu, einmal kurz darzulegen, was Meditation
denn ist und welche Rolle Mantren
in ihr spielen. In dem gleichen Aufsatz, den ich nun also geschrieben
habe, weiter unten, eine Liste
der Mantren, die zur Transzendentalen Meditation gemäß Maharshi
Mahesh Yogi vergeben worden sind, als sich noch alle Welt bei ihm initiieren
ließ. Ich vermute, daß Thomas Metzinger genau diese Meditationsform
meint. Die Verwirrtheit der Tee-Emm-Berauschten ist allerdings, wenn es
um wissenschaftliche oder philosophische Argumentation geht, von der Verwirrtheit
der sogenannten Sanjassins im Gefolge Bhagwans kaum zu unterscheiden. Vielleicht
ist Thomas Metzinger auch nur ein sogenannter Sanjassin. Ist ja auch egal,
denn auf ihn selbst, auf sein "Ich behaupte, vertrete, verantworte, erkenne,
lehre..." kommt es an, nicht auf irgendwelche Herkünfte. Wie Sokrates
im Menon
nicht Gorgias, den abwesenden, hören will, sondern das, was Menon,
der anwesende, denn selber denkt. Und da eben, in dem Getaumel und der
Selbstwidersprüchlichkeit des angeblichen Philosophen Thomas Metzinger
liegt der Hase im Pfeffer, liegt der Hund begraben.
grusz,
hansz
4.
Rundbrief 2010: Dominus Iesus
Liebe Freunde,
es war immer Prinzip meiner
religiösen Ausrichtung, daß ich allen Religionen angehöre,
die nicht ausschließlich sind. Und dies in einer durchaus
konservativen Weise, mich einschmiegend, hineintastend, so daß ich
gerne und oft den Theologen Ratzinger verteidigt habe und mit Bewunderung
und Hochschätzung angesehen habe, wenn er z.B. die Transsubstantiation
als die Grundrevolution des Kosmos, gewissermaßen als die in der
Wandlung evozierte, sich selbst offenbarend hervortretende Schöpfungswurzel
"entdeckte". Vielleicht nicht ganz mit diesen Worten, ich formuliere frei,
wie ich ihn verstanden habe.
Und ich würde jetzt
auch einen ganzen Monat lang täglich einen großen Koran-Abschnitt
lesen, hätte nicht pünktlich zum Beginn des Ramadan die brutale
Verfolgung der Bahai im Iran mit den harten Urteilen über ihre Hauptvertreter
einen grausigen Höhepunkt erreicht, weil "Mohammed das Siegel der
Propheten" sei und somit alle Offenbarung abschließe: Die Bahai gelten
als Abtrünnige, Abgefallene, als "Feinde Gottes", weil sie diese Schranken
der islamischen Tradition mit frischer Prophetie spirituell aufbrechen
wollten.
Philosophisch sich begründender
Atheismus scheint mir wahrhaftiger, ehrlicher und steht mir näher,
als dieser ganze herrschsüchtige Religionsmist mit seiner Fremderlösung
und Fremdbestimmung. "Gott existiert nicht, er ist kein seiendes
Wesen, sondern er ist das Existieren, das Sein selbst", wischt dieser alte
Grundsatz nicht die Fremderlöser und Fremdbestimmer hinweg oder verweist
sie auf abgeleitete, zweite Plätze neben, unter, außerhalb des
all-einen Seins?
Angeregt durch solche Gespräche
mit Freunden suchte ich und fand tatsächlich den verloren geglaubten
alten email-Briefwechsel
mit Gerald Kluge, dem Sektenbeauftragten der katholischen Kirche im Bistum
Meißen aus dem Jahre 1998 in einer alten Briefe-Datei wieder,
kramte ihn hervor und veröffentliche ihn jetzt, aber nur für
die Leser dieses Rundbriefs.
Wäre nicht jener Briefwechsel
Anlaß für meinen Kirchenaustritt gewesen, so wäre ich allerdings
spätestens nach dem Lesen der Enzyklika
"Dominus Iesus" aus der Feder des hochverehrten Theologen Ratzinger,
nun Papst Benedikt XVI., aus der Römisch-Katholischen Kirche ausgetreten,
da dort besonders nachdrücklich, in immer neuen Formulierungen, behauptet
wird, die Offenbarung sei mit den Texten des Neuen Testaments abgeschlossen
worden; dies steht aber, soweit ich weiß, im Widerspruch zu den Entwicklungs-Entfaltungen
der Himmelreichgleichnisse, zur alle Todesgrenzen sprengenden Auferstehung,
zur Ausgießung des Heiligen Geistes und last but not least zur Wiederkunft
des Menschensohnes, denn all diese keimkräftigen Offenbarungskerne
betonen die Zukunftsoffenheit der ewigen Sohnesgeburt im Menschen: Nichts
ist da "abgeschlossen" oder überhaupt abschließbar, und wozu
auch? Der Sohn ist die "Tür",
nicht die Wand. So, wie nirgends im Koran steht, daß nach Mohammed
kein Prophet mehr kommen könne, genauso steht auch nirgends in der
Bibel, daß nach der Apokalypse und dem Evangelium des Johannes keine
Selbstoffenbarung Gottes mehr den Menschen durchleuchten könne. Aber
jeder Grashalm, jeder Windhauch, jeder ernsthafte Gedanke offenbart den
All-Ein-Seienden. Ich fürchte, das einzige Stück Welt, in dem
Gott sich nicht offenbart, ist diese törichte Enzyklika
"Dominus Iesus" ...
Nun also zu jenem Briefwechsel
aus dem Jahre 1998.
Ich fragte Gerald Kluge:
Wenn Christen eine Aufgabe auf dieser Erde
haben, dann ist es die Austeilung des Herrn, das ist ihre wahre Mission
- was für eine Reflexionslosigkeit steht hinter den vereinsmeierischen
Ausschlußformeln! Gott sei Dank ist die Praxis anders: Ich
habe noch keinen katholischen Priester einem Menschen die Kommunion verweigern
gesehen, der "an die Schranke" kam.
Der Beleg: "Gebt ihr ihnen zu essen", Markus
6,37.
Oder wollen Sie Ausnahmen vom Herrenwort
machen?
Und dies war der Anfang
vom Ende, nachzulesen unter: http://12koerbe.de/hansz/news/kluge.html
P.S.: Heute ging die erste
Blüte unter den Kaiserwinden auf meinem Balkon auf: ein blauer Himmel
unter schweren Regenwolken
5.
Rundbrief 2010: Werk, Werke und Wirken
Liebe Freunde,
heute ist der 40. Todestag
jenes phainomenalen Dionysos,
der dem Instrument des Apollon Stimmen entlockt hat, die wie Menschensprache
in gleitenden, sprudelnden, ausdrucksvoll-deutlichen Silben und Sätzen
redeten, der großartig-kühle Jazzakkorde in südamerikanischer
Rhythmik, leicht, leicht!, in die schwere Rockmusik hineintrug, der mit
symphonischen Farben malte, großherzig-jovial-expressiv, königlich,
und zugleich feinsinnig, zärtlich, überströmend in menschlicher
Wärme und Mitteilsamkeit, kurz: bedeutungsvoll in jedem Ton, wenn
er nur im Studio allein arbeiten durfte mit seinem kongenialen Schlagzeuger
Mitch Mitchell und dem besten aller Toningenieure, Eddie Kramer. Ein fleißiger
Gestalter, ein anspruchsvoller Künstler, sein Tonmaterial durchformend,
durchsingend, hingebungsvoll, schönheitstrunken, ein Zauberer. Ich
empfehle "House burning
down", diesen lodernden Tango auf "Electric Ladyland".
Noch nicht ganz fertig bin
ich mit einer Gesamt-Netzedition des Römerbriefs, griech./lat./Luther.
Ich hatte immer eine Abneigung gegen diese Luther-Epistel, in der die "Werke",
was auch immer das sein mag, verdammt werden. Besteht der Mensch nicht
aus permanent tätiger Umsetzung geistiger Impulse, also aus Arbeiten,
Wirken, energeia? Ist
der Sohn selbst nicht die in Ewigkeit, immer neu, geborene Substanz aller
Wandlung, Schöpfung, Revolution, "die Auferstehung und das Leben"?
Na, da kratz ich mich am Kopf und frage mich, was Paulus wohl mit "Werk"
gemeint hat, zumal der Römerbrief einige Fenster und Türen in
die lichte Weisheit der Himmel enthält, die ich unbedingt mit-"bringen"
muß.
Meine Vorliebe gilt dem
Kolosser- und
Epheserbrief,
und auch dem 15.
Kapitel des 1.Korintherbriefes, auf dem das hier folgende Postscriptum
aufbaut.
Kommt bald,
grusz, hansz
P.S. Ein Hörerbrief
an den Deutschlandfunk:
Sehr geehrte Redaktion der Sendung "Tag für Tag",
sehr geehrter Herr Pietscher,
Ich grüße Sie. Vor einigen Tagen, am 7.9.2010, kam in der
Sendung "Tag für Tag" ein
Beitrag zur ethischen Diskussion um Organspenden. Eigentlich kein besonders
kontroverses Thema, da das Hingeben des eigenen Leibes "für seine
Freunde" schon gemäß dem entsprechenden "autos êpha" Jesu
und dessen Opfertod "pro nobis" als eine zentrale christliche Tugend gilt.
Das ist auch nicht der Grund, weshalb ich hier schreibe.
Was mich in der Sendung erstaunt und bestürzt hat, war die zitierende
Hineinnahme der Äußerungen von Wilfried Härle in diesen
Kontext. Ist es Ihnen denn nicht aufgefallen, daß die Behauptung,
der Mensch sei sein Leib und nichts darüber hinaus, jedem Spender
Angst machen muß, er würde etwas von sich selbst weggeben, wenn
er Organe weggibt? Das Schlimme an dem Härle-Zitat ist gewiß
nicht so sehr dessen (ungewollt) spenderfeindliche Argumentationsrichtung,
als vielmehr die Unlogik, die Gedankenlosigkeit, die Selbstwidersprüchlichkeit
dieser unbelegten, unbewiesenen, schlicht-schlecht dogmatischen Behauptung,
der Mensch selbst sei nichts als sein Leib, und er werde nicht wie ein
Kleidungsstück an- und ausgezogen, und eben das sei die leibliche
Auferstehung,
daß wir unser Leib seien.
Es kommt, wenn es darum geht, diese krude Behauptung zu entdogmatisieren,
also zu durchdenken und philosophisch zu durchleuchten (was für so
einen antiphilosophischen Barthianer wie Härle wohl eine Quälerei
sein mag, da tut er mir leid, man kann es ihm kaum zumuten) natürlich
darauf an, was man unter "Leib" versteht. Wenn ich mein Leib bin, dann
besteht mein Leib aus Selbstbewußtsein, denn Ich bin Selbstreferenz,
die Bewußtheit meiner selbst im Hintergrund aller Bewußtseinsakte.
Und auf der Suche nach dem, was an mir ewig ist, und bei der Ergründung
dessen, was an mir aufersteht, entdecke ich (und entdeckt der
Autor des 1.Korintherbriefs, Paulus) die Geistseite meiner Selbstreferenz;
und diese Geistseite meines Bewußtseins entdecke ich vor allem in
der Wahrheitsevidenz logischer Schlüsse, in der rückkoppelnden
Selbstüberprüfung meiner Denkakte, z.B., wenn ich etwas durchrechne
und verschiedene Lösungswege miteinander vergleiche, um die gegenseitige
Abhängigkeit und Unabhängigkeit der gewählten Vorgehensweisen
zu überprüfen. Dies nur als Beispiel dafür, wie gerade im
Denken etwas Ewiges im Bewußtsein aufleuchtet. Der Zusammenhang von
Identifizierung und Selbstidentifizierung, also von Prädikatsnominalsätzen
(A = A) und Selbstreferenz (Ich = Ich), ist bekanntlich das Generalthema
der ersten Wissenschaftslehre von Johann Gottlieb Fichte.
Wenn das einem Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts zu abstrakt ist
(heiliger Augustinus! o tempora! heiliger Aquinatus! o mores!), dann mag
er sich mit dem schlichten Gedanken begnügen, daß bei allen
Bewußtseins- und Informations-Vorgängen, insbesondere beim äußeren
und inneren Sprechen und Hören, zwischen Kanal und Information zu
unterscheiden ist: Die Buchstaben hier im weißen Feld tragen klangliche
Silben; diese sind phonetische Grundlage des sprachlichen Textes; der ist
wiederum in Sätzen formuliert, die einen Inhalt tragen, der last but
not least meine kommunikative Überzeugungsabsicht ausdrückt.
Optisch-schriftliche, phonetische, syntaktisch-grammatische, Bedeutungs-
und pragmatische Ebene sind nicht schlichtweg identisch miteinander, so
wie die drei Dimensionen des Raumes nicht schlichtweg miteinander identisch
sind. Ich höre mittels des Ohres, sehe mittels des Auges, schreibe
mittels meiner Hände, nutze deutsche Lexeme, Wortformen und syntaktische
Möglichkeiten zur Mitteilung. Das
einzige mir bekannte Geschehen, bei dem Kanal und Information identisch
sind, ist das Licht, insofern es bloß als Licht (nicht etwa als Senderfrequenz
oder optische Bildübermittlung) betrachtet wird; dies gilt auch
für das innere
Licht des Bewußtseins, Platons "agathon", aber eben nicht
für die vielen Ebenen meiner Leiblichkeit. Die Radiowellen Ihres Senders
tragen Ihre Sendung, sie sind nicht mit ihr identisch.
Wenn ich mein Leib bin, ist Leib so vielschichtig, daß ich auch
das "Ich will", das "Ich denke" und das "Ich bin Selbstreferenz im Hintergrund
aller Denkakte" und das "Ich verantworte meine Handlungen" hineinnehmen
muß in die Definition dessen, was mein Leib ist. Er hat dann seine
Basis in den vielen Schichten, die sich zueinander verhalten wie Kanal
und Information, und zuoberst, zuinnigst, alle durchdringend, mein alle
Schichten durchhandelndes Ich, in
dessen Lichtquelle Kanal und Information durchaus identisch, ja selbstreferent
werden.
Aber Mozarts Klavier ist nicht mit seinen Sonaten identisch und meine
Gedanken nicht mit meinem Hirn. Ich bin ein Geistwesen, und wenn ich mein
Leib bin, bin ich ein Geistleib.
Wenn unter Leib aber der physische Körper verstanden wird, der
uns von außen als nacktes Säugetier erscheint, als schöngestalteter,
feingliedriger Organismus von Fleisch, Knochen, Blut und viel Wasser, dieser
irrsinnig kompliziert zusammengestrickte Knoten aus endlos langen Wasserstoff-,
Sauerstoff- und Kohlenstoffatom-Ketten mit gelegentlichen Einschlüssen
von Stickstoff und anderen einfachen Elementen des Sternenstaubs aus ehemaligen
Sonnenexplosionen, dann ist wohl das alte Argument aus dem achten
Kapitel der Chandogya-Upanishad nicht von der Hand zu weisen:
Hingegen Indra, ehe er noch bei den Göttern angelangt war,
hatte dieses Bedenken:
„Ebensowohl wie,
wenn dieser Leib schön geschmückt,
mit schönen Kleidern
angetan und ausgeputzt ist,
auch dieses [im Leibe bestehende] Selbst schön
geschmückt,
mit schönen Kleidern
angetan und ausgeputzt ist,
ebensowohl ist auch dieses Selbst,
wenn der Leib blind ist, blind,
wenn er lahm ist, lahm,
wenn er verstümmelt ist, verstümmelt;
auch gehet es mit dem Untergange des Leibes zugleich
mit zugrunde.
Hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken.“ –
(Übersetzung von Paul Deussen, siehe http://12koerbe.de/hanumans/cha-8-7.htm)
Wobei es mir, kurz gefaßt, um die Argumentschleife zu schließen,
keineswegs um irgendetwas Tröstliches geht, sondern um die Gedankenlosigkeit,
Geistlosigkeit und Selbstwidersprüchlichkeit des Härle-Dogmas.
Mag Härle auf seinem Lehrstuhl gewesen sein, was und wer auch immer
er wollte, so bin ich, Hans Zimmermann, nicht mit meinem physischen Leib
identisch, verliere nichts, wenn ich mir Haare und Nägel schneide,
nutze aber gerne diese Finger, hier zu schreiben, und diese Augen, das
Geschriebene zu kontrollieren, ohne mit meinen Fingern oder Augen identisch
zu sein. Ich bin vielmehr der Tätige in ewiger Neugeburt im ewigen
Jetzt, nicht wegdenkbar, ja!!: nicht einmal wegdenkbar; so, wie ja auch
kein bewußter Mensch aus dem Jetzt herausfallen kann (obwohl er es
kaum bewußt stärker fassen kann, als gerade im schwergreiflichen
Hintergrund der Selbstreferenz, des Beisichseins, des schlichten Ich-bin).
Wir fallen nicht aus dem Jetzt, wir können uns nicht einmal wegdenken,
wir sind selbstreferente Geistwesen.
Mit freundlichen Grüßen,
Hans Zimmermann,
Jakob-Böhme-Stadt Görlitz
--
http://12koerbe.de
http://12koerbe.de/hansz/news.htm
grusz,
hansz
6.
Rundbrief 2010: Schopenhauer; Anhang: Organentnahme bei Hirntoten
Liebe Freunde,
aus allen Sendungen und
Magazinen schreit Rüdiger Safranski uns zu, daß Arthur
Schopenhauer heute seinen 150. Todestag hat -- da hat er recht -- und
daß jener alte Pudelmeister die "biologische Wende" gebracht habe.
Völliger Quark, er hat ihn wohl mit Darwin verwechselt. Nichts bei
ihm über Richard
Wagner als den großen Umsetzer und Verwirklicher des Schopenhauerschen
Buddhismus (vor allem
im Tristan,
aber auch im Ring und im Parsifal),
kaum was über Nietzsche,
-- und das Wenige ist ärgerlich, weil Safranski nicht erkennt, daß
Nietzsche seinen
"Schopenhauer" in Wagners Tristan spiegelt; die Linie zu Freud bleibt
bei ihm ohne die Vermittlung durch diese beiden Thematiker und Theoretiker
des "Unbewußten".
Als geistigen Weg von
Kants Idealismus zu Nietzsche und Wagner achte ich Schopenhauer hoch;
aber er ist als Philosoph nicht ganz konsistent, nicht wahrhaft mit sich
übereinstimmend, ist trotz der Kantschen
Systematik kein absolut konsequenter Denker. Das zeigt sich schon an
dem einführenden Gedankengang gleich auf der ersten Seite von "Die
Welt als Wille und Vorstellung", seinem einen großen Hauptwerk:
"Die Welt ist meine Vorstellung"
-- dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende
Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektierte abstrakte
Bewußtsein bringen kann: und thut er dies wirklich; so ist die philosophische
Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm dann deutlich und gewiß,
daß er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge,
das eine Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt; daß die
Welt, welche ihn umgiebt, nur als Vorstellung da ist, d.h. durchweg nur
in Beziehung auf ein Anderes, das vorstellende, welches er selbst ist.
--
Denn konsequenterweise wären
demnach auch Auge und Hand bloße Vorstellungen des Vorstellenden,
des Subjekts.
Ich muß aber zugeben,
daß er genau das zwei Seiten weiter doch behauptet, daß er
also den kleinen Denkfehler der ersten Seite dort schon aufhebt, wo er
sagt, daß auch der menschliche Leib zur Welt als Vorstellung gehört,
zur Objektwelt, die es ohne ein vorstellendes Subjekt nicht geben kann.
Da wird er wieder Kant-Interpret wie seine "Feinde" Fichte und Schelling,
die genauso wie er eine tiefgründig-konsequente Kant-Interpretation
betreiben. Schopenhauer ist zunächst ein Idealist wie diese, er zählt
durchaus zu den Deutschen Idealisten, er macht aber logische Fehler im
Kleinen (s.o.) wie leider auch im Großen. Sein logischer Hauptfehler
liegt wohl darin, daß er (mit Kant, entsprechend der Kritik der praktischen
Vernunft) zwar den Willen als das wahre "Ding an sich" ansieht, diesen
Willen aber (gegen Kant) für ein blindes Gewühl und Gewoge hält,
in dem sich die Erscheinungswelt verliert wie ein Luftbläschen im
Ozean oder wie
ein kleiner Kahn kurz vorm Kentern. Wohin gehört dann sein eigenes
Werk, die Erkenntnis und Mitteilung der "Welt als Wille und Vorstellung"?
In den Selbstbetrug des Willens qua Erscheinungswelt oder in die wahre
Substanz des Ozeans, den blind tobenden Willen selbst? Es ist der alte
Selbstwiderspruch der Sophisten, vielfach aufgezeigt durch Sokrates, gewiß:
die fruchtbare Urwurzel der Philosophie, wie z.B. in den drei Thesen des
Gorgias: "Es gibt nichts, und wenn es etwas gäbe, wäre es nicht
erkennbar; und wäre es erkennbar, wäre es nicht mitteilbar" --
Aber wollte jener Nichtexistente uns nicht eben in diesen drei Thesen selbst
seine Erkenntnis mitteilen?
Nein, Safranski (um zum
Anfang des Briefs zurückzukehren) irrt sich mit seiner "Biologismus"-These:
Da dem kantianischen Idealisten Schopenhauer der Leib bloße Erscheinung
ist, ist er kein Biologist, dafür ist er wiederum als Erkenntnistheoretiker
zu konsequent, zu stimmig, einfach zu gut. Nein: er ist ein richtiger Idealist,
genauso wie die anderen Kant-Diadochen. Wenn er überhaupt ein "-ist"
ist, ist er wohl eher ein "Musikalist", denn alle Welt wird ihm zu Musik.
Aber wozu darüber bei
Schopenhauer lesen, statt es unmittelbar zu hören, hörend zu
erleben? Wagners Tristan setzt es um, schon im Vorspiel, dieses Gewoge
des reinen Sehnens, des transindividuellen Willens. Und der Übergang
ins Nirwana am Ende ist so gestaltet, daß er Auflösung in reine
Musik bedeutet: Isolde verwandelt sich singend, den Vorgang selbst beschreibend,
in Musik:
"In
dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall,
in des Weltathems wehendem All
ertrinken, versinken,
unbewusst,
höchste
Lust"
In dieser Verwandlung der
Philosophie in Musik ist Schopenhauer fruchtbar geworden. Wie schön,
mit welch sehnsüchtiger Süße: Die endliche Entsagung endet
in Lust, höchster Lust (Sprung von fis nach fis' als lang anhaltender
Quinte des abschließenden H-Dur-Akkords),
grusz, hansz
P.S.
Antwort von M.W. auf
meinen letzten Rundbrief zum Thema "Organentnahme aus Hirntoten":
Lieber Hans,
Verzeih, lieber Freund, wenn ich hier ausnahmsweise nicht gleich einstimme
und übereinstimme, wenns auch gewiss nur eine kleine Nebensache Deines
Briefes betrifft, für den ich wieder herzlich danke. Zwar kenne ich
nicht die genannte Sendung und die Argumentation, doch kann ich nicht zustimmen,
dass das Thema Organspende nicht doch hochkontrovers sei. Zwar nicht bezüglich
der beeindruckenden Form, in der unser ehemaliger Aussenminister seiner
Frau eine seiner Nieren im wahrsten Sinne des Wortes opferte, also der
seltenen und selten möglichen Lebendspende, die ja nur bei sehr wenigen
Organen überhaupt erfolgen kann, weil die Organentnahme prinzipiell
zwar schwerwiegend, auch riskant und fast immer bleibend labilisierend
ist (außer vielleicht bei der Blutspende und der Markspende), aber
die Aussicht auf das lebenswerte Weiterleben des Spenders dabei doch mindestens
sehr hoch sein muss.
Anders bei der viel häufigeren und mit Recht von der Bevölkerung
so zurückhaltend aufgegriffenen sog. Totenspende. Da die dort entnommenen
Organe je lebensnotwendig sind, können sie Lebenden nicht entnommen
werden, ohne sie gleichzeitig zu töten, was dann Mord, oder mit Einverständnis,
Beihilfe zum Selbstmord (oder evtl Beihilfe zu jenem grossen Liebesopfer???)
wäre.
Nun können sie aber auch nicht den im herkömmlichen Sinne
Toten entnommen werden, da sie unmittelbar mit dem Kreislauftod unbrauchbar
werden. (weißt Du vermutlich alles?) Man hat ja deswegen eigens einen
neuen Tod erfunden, den Hirntod, der seit einigen Jahrzehnten erst bei
warmen, durchbluteten atmenden Menschen festgestellt werden kann. Diese,
obgleich Hirn-tot, reagieren aber nach übereinstimmenden Berichten
dennoch oft heftig auf das Herannahen der Operateure mit Schwitzen, heftigem
Atem, Unruhe etc, so dass diese "Toten" heute routinemäßig betäubt
werden, bevor die Organentnahme erfolgt. Die Ärzte, die mit den entnommenen
frischen Organen sofort ins Nebenzimmer zu den Empfängern eilen, erleben
meist nur das Lebensrettende ihrer Tat und das Sinnvolle der "Spende".
Die OP-Krankenschwestern aber, die mit dem nun langsam erkaltenden, ausgeweideten
Leichnam zurückbleiben, berichten oft von ganz anderen alptraumähnlichen
Erfahrungen. Sie erleben, dass der Mensch vor der OP durchaus noch gelebt
hatte, zwar todkrank und im Sterben begriffen, aber doch ein lebendiger
Mensch war, und nun durch den Eingriff gewaltsam zu Tode gekommen ist.
Ich vermute, es ist ein sehr ähnliches Erlebnis für sie wie am
anderen Tor des Lebens bei den operativen Abtreibungen, die ebenfalls immer
die Zerstörung menschlichen Lebens bedeuten.
Es ist also durchaus eine sehr berechtigte und dringende Frage, ob
der hirntote Mensch in der Tat schon tot ist. Wenn man einen irreversibel
komatösen Menschen mit Gemüse vergleicht (Peter Singer), dann
ist der seines Hirnes beraubte Mensch kein Mensch mehr, als solcher
also tot..... Aber ist Menschliches Leben durch das Gehirn begründet?...
Der Hinweis auf Den, der im höchsten Sinne seinen Leib hingab,
auf dass die Menschenseele leben könne, ist hier insofern doch wohl
sehr deplaciert, als wohl keiner derer, die heute einer Organentnahme bei
ihrem eigenen Hirntod zustimmen, wohl irgend der Auffassung sind, dass
das für sie selbst irgend eine Bedeutung haben könnte, geschweige
denn ein Verlust oder Opfer beinhalte. Sie gehen davon aus, was ihnen ja
auch suggeriert wird, dass sie dann tot sind und nichts mehr davon merken,
dass es also sowieso völlig gleichgültig für sie ist. Kaum
einer würde wohl zu so einer "Spende", noch dazu an einen anonymen
Empfänger bereit sein, wenn er irgendwie befürchten würde,
dass Schmerz oder andere, selbst wenig gravierende Folgen für sein
eigenes Erleben und Sein damit verknüpft sein könnten.
Eine weitere Seite, die das Hochproblematische dieser sog. Totenspende
beleuchtet, ist die Tatsache, dass die Organe von den Empfängern regelmäßig
aufs heftigste abgestossen werden. Mit aller Gewalt wehrt sich das Immunsystem
gegen diese Aufnahme eines doch als Heilmittel gedachten gesunden Organes
und nur durch den lebenslangen Einsatz heftigster Immunsuppressiva kann
eine Abstoßung heute vermieden werden. Aber was ist das für
ein Leben, dem die körperliche Integrität fortdauernd unterdrückt
werden muss? Schwerwiegende Persönlichkeitsveränderungen udn
-störungen werden von Organempfängern berichtet. Die Zeitungen
berichten von den geheilten Patienten, die wieder Lebensqualität hätten,
weil sie "wieder Fußballspielen und Bier trinken können wie
früher". Aber ist das feine labile, auch körperliche Gleichgewicht
der Substanzen und Organe, das als Widerlager geschaffen werden muss, damit
unsere Ichempfindung im Leibe sich überhaupt ereignen kann, nicht
durch solche Mittel grundsätzlich ausgeschlossen?
Das nicht mehr Überraschende, aber doch tief Bewegende ist nun
aber die Erfahrung, dass die echt gespendeten Organe der Lebendspender
(Steinmeyer) demgegenüber oft sehr wenig bis gar keine Abstoßungsreaktionen
hervorrufen, sehr gut aufgenommen werden und mit nur leichten Immunsuppressiva,
die möglicherweise nach einiger Zeit sogar ganz abgesetzt werden können,
im fremden Körper weiterleben. Diese intentionale Liebestat fehlt
den Totspendern fast völlig, und ich möchte behaupten, der unmittelbare
Eindruck der Ausschlachtung wird das tiefe Innenbewußtsein der Organe
so vergiften, dass es ein Wunder ist, dass sie überhaupt im Empfänger
noch zum ordentlichen Leben kommen (was übrigens ohnehin längst
nicht immer der Fall ist).
Ich jedenfalls habe einen Zettel in meinem Portmonai, in dem
eine Organentnahme aus meinem hirntoten Leib eindeutig untersagt wird und
in dem ich im Gegenzuge auch auf die Entgegennahme von gespendeten Organen
in meinen Leib endgültig verzichte. Ein Weiterleben können
nur unter der Voraussetzung der gewaltsamen Beendigung des Lebens eines
anderen Menschen ist für mich keine Option. Ich verurteile deswegen
nicht die, die ihre Organe "spenden" wollen, und selbstverständlich
auch nicht die, die totkrank dankbar ein solches Organ empfangen haben
und heute damit weiterleben können. Ob die ersteren durch ihre Tat
wirklich moralisch höher stehen, oder nur einer tragischen Illusion
unterliegen, und ob die letzteren die Lebensverlängerung, die sie
gewollt und ergriffen haben, wirklich richtig einschätzen, dass müssen
sie einst selbst beurteilen.
7.
Rundbrief 2010: Römerbrief
Liebe Freunde,
ich "habe fertig": den Römerbrief
von Rabbi Paulos, griechisch (transkribiert und in griechischer Schrift),
lateinisch (Vulgata) und in der deutschen Übersetzung von Luther (1545).
Mit einer gewissen Erleichterung
stelle ich fest, daß Luthers Ausfälle gegen die wirkende Tätigkeit
des Menschen, seine "Werke", und gegen die Willensfreiheit, ohne die das
menschliche Arbeiten und Wirken unverantwortbar bleiben, durch seinen großen
Reformationsbeleg, nämlich den Text des Römerbriefs, nicht gedeckt
werden. Paulus argumentiert nicht gegen die Tätigkeit des Menschen,
sondern gegen "des
Gesetzes Werk", dem er die betende Versenkung in den Auferstandenen
entgegensetzt bzw. das er durch die betende Versenkung in den Lebenskeimling,
den in Ewigkeit neu geborenen Sohn, aufgebrochen sieht, wie eine Samenschale
durch den aufsprießenden Keim aufgebrochen wird. Er argumentiert
also gegen die gesetzförmig organisierte Religion und ruft eine permanente
Revolution der Willensfreiheit aus, insofern "freier Wille" dadurch definiert
ist, daß er die
Art von Handlungsmotivation ist, die sich am Geist statt am leiblichen
Triebleben orientiert. Allerdings genügt ihm der Gesetzeskomplex
der Religion, das System der Gebote, nicht zu dieser Geistorientierung,
darin besteht seine kühne Idee, sein genialer Durchbruch: Am
Gesetz wird nur die Schuldhaftigkeit des menschlichen Handelns deutlich,
die Leibgebundenheit, die Sackgasse der Sündenkrankheit, der Tod des
irdisch verstrickten individuellen Lebens. Um nun über diesen
Tatenspiegel hinauszugelangen und in die Weite des unbegrenzten, selbstschöpferischen
Lebens hinauszuschauen, um den Spiegel "Tod" zu zerbrechen, bietet sich
die Möglichkeit an, das Sterben und Wiederauferstehen Jesu in betender
Versenkung (griech. "pistis") mitzuverfolgen, innerlich nachzugestalten,
mitzuerleben, mitzusterben und mitzuleben, um mit ihm geistig neugeboren
zu werden, aufzuerstehen. Menschliches Wollen, Tun, Wirken wird damit bis
ins aktive, bewußt angezielte, mutige Sterben und Neu-Sein vertieft.
Goethes Schmetterling ("Sagt es niemand, nur dem Weisen..."). Und
ja, in dieser Vertiefung, Stärkung, Existenzialisierung der Tathandlung,
aus der der Mensch in geistiger Hinsicht allein besteht, in diesem Selbstopfer,
werden
wir "versohnschaftlicht", werden wir zu Söhnen Gottes. Und nicht
allein wir Menschen, sondern die gesamte Natur, alle Kreatur
wartet auf die Enthüllung der Kinder Gottes, auch
die Kreatur wird frei zur Freiheit der Kinder Gottes, vgl. Richard
Wagners Erklärung im "Karfreitagszauber" des Parsifal.
Die Binnendiskussion des Paulus im Römerbrief mündet auf diese
Weise zum Ende des achten Kapitels in die jubelnde, gewaltige Apotheose
der Menschen, als schließe sich mit der Auferstehung das
Ende des Zeitenkreises mit seinem Anfang zusammen, wie ihn einst das
Schöpfungslied in Hiob 40,7 zu schildern wagte:
7. be-rân-jachad kôkebê
boqär
waj-jârî°û kâl-benê 'älohîm
7. hote egenêthêsan astra
êinesan me phônêi megalêi
pantes angeloi mou.
7. cum me laudarent simul astra matutina
et jubilarent omnes filii Dei?
7. Da jubelten zusammen die Sterne des Morgens und jauchzten
alle Söhne der Gottheit!
Und nun die Kapitel und
Themen des Römerbriefs im einzelnen: