8.
Rundbrief 2006: Yogasutras, Jesu Berufe, Mozarts Requiem
31.März
2006
Liebe Freunde,
es hat vieler Stunden Fleiß
und Schweiß gekostet, nach dem ersten
Teil des Patanjala-Yoga-Sutram den zweiten
und nun auch den dritten
und vierten Teil zu
übersetzen, und zwar wie im ersten Teil schon so textnah-wörtlich
wie möglich und doch mit einigen zum Verständnis notwendigen
Ergänzungen. Aber auch so ist der Text (gelinde gesagt) noch schwer
verständlich, einige Stellen sind in ihrer Abstraktheit noch zu vieldeutig,
und die Fachzunft wird mich (pünktlich zur Passionszeit) in briefmarkengroße
Stücke reißen, weil ich nicht auch gleich Shankaras Kommentar
mitübersetzt habe. Ja, gewiß, das wäre notwendig, aber
vielleicht später, wenn (und falls) ich lebens- und denk-fähig
das Rentenalter erreiche.
Hier ein Beispiel aus dem
dritten Teil, wo die "Siddhis", die Meister-Fähigkeiten des Erleuchteten
aufgezählt werden; der eigentliche Text ist kurz, da heißt es:
"Weltwesens-Erkenntnis:
in der Sonne (Lokativ) aus Bewußtseinsfokussierung (Ablativ);
im Mond (Lokativ): Sternen-Ordnungs-Erkenntnis"
Ich habe nun also sinngemäß
ergänzt:
bhuvana-
jnânam
sûrye samyamât (26)
Weltwesens-Erkenntnis (ergibt sich) daraus:
das Bewußtsein auf die Sonne zu fokussieren
candre
târâ- vyûha-
jnânam (27)
daraus, es auf den Mond (zu fokussieren, ergibt
sich): Sternen-Ordnungs-Erkenntnis
Hauptthema des vierten,
des "Absolutheits"-Abschnitts, ist die Absolutsetzung des Purusha
(des Allgeistes) gegenüber dem individuellen Bewußtsein, selbst
dann (oder: gerade dann), wenn es völlig von Störungen gereinigt
und geklärt ist. Der philosophische Hintergrund ist das System des
Sâmkhya, mit dem das Yoga-System innerhalb der sechs klassischen
indischen Philosophie-Systeme besonders eng verbunden ist. In der Sâmkhya-Philosophie
steht der Purusha absolut getrennt über den groben, feineren
und feinsten Schichtungen des Leibes und des Bewußtseins, die allesamt
durch die Kräfte der drei "gunas", der drei Erscheinungsfaktoren
sattva (lichte Seinsheit), rajas (Leidenschaft), tamas (Finsternis) bestimmt,
erregt und zu Lebensläufen verwirbelt werden, vergleichbar den Kräften
der Liebe und des Streites bei Empedokles.
Als hochkonzentrierte, asketisch-durchglühte
Übung, von eben diesen Befangenheiten, Überfärbungen, Regungen
frei zu werden, als völlige Klarheit des so gereinigten Bewußtseins
in der Meditation ist "Yoga" schon zu
Beginn des Sûtras definiert; das die Transparenz des Erleuchteten
durchglänzende Licht ist das des
Absoluten, des Purusha, des "Herrn", auf den das Bewußtsein
zu fokussieren geradewegs in das eigentliche Zentrum der Yoga-Übung
zielt, den Weg der Wege findet, die Mitte der Mitten trifft:
klesha-karma-
vipâkâshayair aparâmrshtah
purusha-vishesha
îshvarah (24)
der von Leid, Handlungsfrucht,
Lohnabsichten unberührte Allgeist
insbesondere = "Gott":
tatra
niratishayam sarva-jna-
bîjam (25)
in ihm
konzentriert sich ein unübertrefflicher All-
Wissenheits-Keimpunkt
Mit diesem "Keimpunkt" sind
wir auch nicht weit entfernt von den "Berufen
Jesu", denen in den letzten Monaten (nur) noch das "Priester"-Kapitel
gefehlt hat:
http://12koerbe.de/euangeleion/iesufabr.htm
Ich hatte zu große
Scheu davor, so auch letztendlich beim Aufschreiben einiger wesentlicher
Gedanken dazu; so ist es die kürzeste von allen Berufs-Untersuchungen
geworden und beläßt dem Ganzen einen etwas fragmentarisch-abgebrochenen
Charakter. Diese kleine Schrift ist zwei lieben Menschen gewidmet, in denen
der "heilende
Binnenlehrer"
in besonderer Weise aufleuchtet.
Und über diese Brücke
sind wir auch nicht weit entfernt vom Weltenrichter
des "dies
irae"
in Mozarts Requiem:
http://12koerbe.de/apokalypse/requiem.htm
Wir (der Görlitzer
Bachchor) singen es morgen (Samstag, den 1.April, ohne Scherz) in der St-Jakobus-Kirche
(südlich vom Görlitzer Hauptbahnhof) um 20 Uhr. Ich habe es schon
einige Male mitgesungen, und es macht süchtig, zieht mich in sich
hinein, in immer neue musikalische Wandlungen und Melodiegeflechte, und
zur Zeit am meisten in das längere, strophisch gegliederte Quartett
der vier Solostimmen im "Dies irae": das "Recordare"
(mit der Süße
einer unerfüllbaren Sehnsucht...) zwischen dem "Rex
tremendae maiestatis"-Chor und dem (durch den Amadeus-Film besonders
bekannten) "Confutatis
maledictis".
Und immer natürlich
die "atmend"-pulsierende
Anfangs-Klimax (deren Melodielinien in gewisser Weise an die Holzbläser-Kreuzzeichen
auf rotierenden Streicherwogen in Bachs Johannespassion erinnern), mit
dem Einsatz der Bässe ("requiem aeternam...") und nach und nach auch
der anderen Stimmen jeweils auf unbetonten Taktteilen (trotz der trochäisch
betonten Anfangssilben) – das gehört vielleicht mehr in den apokalyptischen
November und in die Erwartung des Menschensohnes im Dezember (Advent),
spiegelt und verdichtet sich aber zugleich an der Passion, wie in Jesu
prophetischer Spruch-Antwort gegenüber dem Hohenpriester.
grusz,
hansz
9.
Rundbrief 2006: Wo ist denn dein Freund hingegangen, o du Schönste?
13.April 2006
Liebe Freunde,
zur Passionszeit habe ich
nun das apokryphe Nikodemus-Evangelium ins Netz gestellt (vorläufig
nur auf Deutsch, aber bald am griechischen Text überarbeitet und neuübersetzt):
Es enthält eine Art
Dialog, ein den älteren, dichteren, authentischeren Evangelienstoff
weiter ausgestaltendes Drama – einen Gesprächswechsel also zwischen
den Anklägern von seiten der Hohen-Priester-Partei und Pilatus sowie
den beiden Alten des Begräbnisses, Nikodemus und Joseph von Arimathia
– "Pilatusakten" genannt, und daran angehängt einen narrativen Visionsbericht
von Menschen, die die "Höllenfahrt"
Jesu als "Zeugen" geschaut haben. Schlüsselcharakter für die
prototypische Exegese – jeder Schritt, jeder Spruch, jede Bedeutung im
neutestamentlichen Feld, auch in den nicht-kanonischen Schriften, muß
sich prinzipiell im Alten Testament verankern lassen – hat dabei der Psalm
24: "Öffnet eure Häupter, ihr Tore". Damit wird der österliche
Durchbruch des Lebens mitten im Totenreich besungen. Händel hat diesen
Psalm in seinem "Messias" ganz entsprechend zwischen die Passion und das
österliche "Hallelujah" gesetzt.
Prototypische Verankerung
– oder für uns: Bohrung durch die Bedeutungsschichten – auch hier,
im folgenden Beispiel: Bachs Matthäuspassion hat Stellen von berückender
Süße, schmerzdurchdrungen und den Schmerz in Mitleid lösend
zugleich, wie besonders die die beiden Hälften rahmenden Chorpartien:
den Anfangs-Chor ("Kommt ihr Töchter, helft mir klagen"), den Schluß
des ersten Teils ("O Mensch bewein dein Sünde groß"), den Anfang
des zweiten Teils ("Wo ist denn dein Freund hingegangen, o du Schönste?")
und den Schluß des Ganzen ("Wir setzen uns mit Tränen nieder").
Der Anfang des zweiten Teils ist Vertonung eines Verses aus dem Hohen
Lied, dem "Lied der Lieder" Salomons (je nach Zählung entweder
Schluß des 5. oder Anfang des 6.Kapitels):
'ânâh
hâlak dowdek
haj-jâpâ ban-nâschijm
pou apêlthen
ho adelph idos sou hê kalê en gynaixin?
quo abiit
dilectus tuus,
o pulcherrima mulierum?
Wohin ging
dein Liebster,
du Schönste unter den Frauen?
'ânâh
pânâh dowdek
wu-nebaqeschännwu °immâk
pou apeblepsen
ho adelphidos sou? kai zêtêsomen auton meta sou
quo declinavit
dilectus tuus?
et quaeremus eum tecum
Wohin wandte
sich dein Liebster? Ja, laßt uns ihn
suchen, zusammen mit dir!
In dieser Stelle der Passion
– Jesus wurde soeben im Garten Gethsemane gefangengenommen – wird dieses
alte Liebeslied aus Salomons Mund ganz selbstverständlich auf die
suchende Menschenseele und ihren göttlichen Bräutigam bezogen,
mit dem sie sich hochzeitlich vereinigen will; das ist mittelalterliche
Tradition, z.B. bei Bernhard von Clairvaux und Thomas von Aquin, und siehe
da, Bach läßt es uns in diesem Sinne mitsingen.
Ähnlich dieser bräutlichen
Seele – und gleichfalls "salomonisch" besungen – zeigt sich die "Chokhma",
die "Weisheit" der "Sprüche Salomons": In den Kapiteln 7 und 8 dieser
Sammlung werden die kluge Verführung und die (wie Jesajahs
"Immanuel", Heraklits
"Aiôn" und Vergils
"puer") kindliche Weisheit einander gegenübergestellt etwa wie
bei Herakles am Scheideweg, und soweit habe ich nun den
alten Ausschnitt (8,22 ff) ergänzt und die beiden Kapitel (vollständig
und hebräisch-griechisch-lateinisch-deutsch, eigene Übersetzung)
auf einer besonderen Seite untergebracht:
Und in ähnlicher Weise
sind auch die beiden Jesajah-Seiten durch neue Übersetzungen
erweitert worden: Die Stelle vom Sturz
des "Luzifer", die bei Jakob
Böhme eine maßgebliche Rolle spielt (allerdings in Tradition
der mittelalterlichen Deutung dieses Motivs, das ja bei Jesajah zunächst
den König von Babylon meint, sich aber schon im Schwung des prophetischen
Spruchs verselbständigt, universalisiert, zur existentiellen Chiffre
wird), und das Lied
auf Kyros den Großen als den "Messias", den "Christus Domini" in
Kapitel 45, gleichfalls hymnisch weit über die historische Situation
ausgreifend:
Und demnächst: Das
Hohe Lied?, Lied der Lieder? – o du Schönstes, – –
grusz,
hansz
10.
Rundbrief 2006: Das Hohe Lied (Lied der Lieder) Salomons
21.April 2006
Liebe Freunde,
geschafft: das gesamte Hohe
Lied, hebräisch-griechisch-lateinisch-deutsch, von mir abgeschrieben
und übersetzt, allseitig verlinkt und ins Netz gestellt, – puhhh,
geschafft ist nicht nur dieses Sammelbecken hebräischer hapax legomena
(das sind nur ein einziges Mal in aller Literatur vorkommende Wörter,
die nur durch etymologische Vergleiche mit verwandten Sprachen geknackt
werden können), sondern auch ich selbst...
http://12koerbe.de/phosphoros/h-lied.htm
und
http://12koerbe.de/phosphoros/hohelied.htm
Es ist leider nicht alles
perfekt übertragbar, so schon der Anfang des ersten Kapitels mit seinem
Wortspiel:
jischschâqenij min-neschijqowt pijhwu
philêsatô me apo philêmatôn somatos autou
osculetur me osculo oris sui
Er tränke
mich mit den Küssen seines Mundes!
Septuaginta und Vulgata
fallen prompt auf die Wortähnlichkeit herein und wiederholen den gleichen
Wortstock. In der Tat ist jischschâqenij (lies:
jischakéni) eine Form von schaqah, das -nij-Suffix bedeutet "mich";
"schaqah heißt "tränken"; die "neschijqowt"
dagegen sind Küsse: "küssen" heißt "naschaq",
wobei das n am Anfang solcher Verben bei den meisten Formen wegfällt
(ein Vergnügen bei der Suche im Lexikon), und so sahen die "siebzig
Übersetzer" in Alexandria und der heilige Hieronymus nicht die Verschiedenheit
der Bedeutungen hinter der Oberfläche des Gleichklangs. Aber ins Deutsche
übertragen läßt es sich kaum. ("Er tränke mich
mit dem Drängen..." o.ä., nein!)
Hier noch einmal die Stelle
im 6. Kapitel, auf der der Titel von Jakob
Böhmes Erstlings- und Hauptwerk beruht:
chorus:
10. mij-so't
han-nischeqâpäh kemow-schâchar
tis hautê
hê ekkyptousa hôsei
orthros
9. quae est
ista quae progreditur
quasi aurora consurgens
Wer ist diese, die hervorglänzt
gleichwie die Morgenröte,
jâpâh kal-lebânâh
bârâh ka-chammâh
'ajummâh
kan-nideggâlowt
kalê hôs selênê
eklektê hôs ho hêlios
thambos hôs
tetagmenai
pulchra ut luna
electa ut sol
terriblis
ut castrorum acies ordinata
schön wie der Mond,
erlesen wie die Glutvolle,
erschreckend wie die von Bannern Umwehten?
sponsa:
11. 'äl-ginnat
'ägows jâradettij
li-re'owt be-'ibbej han-nâchal
eis kêpon karyas katebên
idein en genêmasin tou cheimarrou
10. descendi
in hortum nucum
ut viderem poma convallium
In den
Garten der Nußbäume stieg ich hinab,
zu sehen an den Knospen des Flußtals,
li-re'owt ha-pârechâh hag-gäpän
henezwu hâ-rimmonijm
idein ei ênthêsen hê ampelos
exênthêsan hai rhoai
[ekei dôsô tous mastous mou soi]
et inspicerem si floruisset
vinea
et germinassent mala punica
zu sehen: ob
da ausgrünt der Weinstock,
ob da erblühen die Granatapfelbäume?
Erstaunlich, was die "Siebzig"
(jeder angeblich unabhängig vom anderen, vereinzelt weggesperrt durch
den Auftraggeber Ptolemaios) da für eine Marginalie hintergesetzt
haben ... aber auch sonst ist der Text in der griechischen und viel
öfter noch in der lateinischen Fassung derartig verdorben, daß
es ein Wunder ist, wie Origenes und später vor allem Bernhard von
Clairvaux ihre theologische Psychologie daran entwickeln konnten.
Gewiß ist schon in
den dramatischen Wechselreden des bukolischen
Textes zwischen der luziferischen Verführung der Seele (Sündenfall
und Herumirren in der Nacht) und der Erweckung ihrer Liebe (durch Weisheit)
so schwer zu unterscheiden wie zwischen dem aus Übersättigung
unersättlichen Salomon mit seinen tausend Frauen einerseits und dem
geliebten Naturburschen, dem vertrauten Hirten, andererseits, und ist jener
nicht Urbild
der Weisheit? Oder ist
der frische Frühling ("Seht die Lilien auf dem Felde ...") eben weiser
als jener, der im Prunk ertrinkt? Sind das zwei, oder ist es nur einer?
Und wer von diesen beiden
Männern (oder als dritter zwischen ihnen?) ist der "Dodi", der "Liebling",
der da geschildert
wird wie ein aus edlen Metallen und Steinen gefertigtes Götterbild?
Tammuz?, heftig, mutig, initiativ umworben von der enthüllt (!) tanzenden
Seele?, hieros gamos ("heilige Hochzeit")? in einem (allerdings
erst seit dem 1.Jhd.n.Chr. aufgrund spiritualistischer Deutung der "Braut")
kanonischen Text des streng-monotheistischen und antikanaanäischen
Judentums?
Ja, gewiß, all das,
und noch viel mehr in den vielen Deutungsebenen zwischen naturhaft-drastischer
Metaphorik einer bloß körperlichen Vereinigung einerseits und
der himmlischen Süße der Erkenntnis-Vereinigung von Seele und
Wahrheit andererseits.
Dies nun, gerade noch am
Freitag (Venustag, vgl. den 5.
Tag der "Chymischen Hochzeit" mit dem "Kellerbesuch" des Christian Rosencreutz
und der Überfahrt zum "Turm") der ersten Osterwoche dieses Jahres,
als Ostergabe und Ostergruß allen (inzwischen 700) Lesern dieser
Rundbriefe,
grusz,
hansz
11.
Rundbrief 2006: Plutarch: Das E in Delphi; Wagner: Aether-Substanz im Parsifal
Liebe Freunde,
man mag mit Aristoteles
in der Erforschung
der "ousia" danach fragen, was zuerst ist:
die reife Vollendung oder
die alles in sich bergende Keimanlage, "Henne oder Ei"?
Bei Plutarch, in dem kleinen
Dialog "Über das E in Delphi" nun finden sich beide in Identität:
'Ei
Hen', "Du BIST das EINE!"
"Das Eine" ("hen") nämlich
als das all-ein Seiende ("on"),
und das "Du bist!" ("ei")
als Anrede an den Gott in der Erkenntnis eben dieses all-ein Seienden,
wie in der geradezu neuplatonischen
Erklärung des Schriftzeichens "E" an der Frontseite des berühmten
Apollontempels in Delphi, die Plutarch, der ja selbst Priester ebendort
war, uns in diesem kostbaren Dialog-Juwel gibt bzw. seinem platonischen
Lehrer Ammonios in den Mund legt:
"ho
men gar theos hekaston [hêmôn] tôn entautha prosiontôn
hoion
aspazomenos prosagoreuei to 'GNÔTHI
SAUTON'
ho
tou 'CHAIRE' dêpouthen ouden meion estin
hêmeis
de palin ameibomenoi ton theon 'EI' phamen
hôs
alêthê kai apseudê kai monên monôi
prosêkousan
tên
tou EINAI prosagoreusin apodidontes"
"Denn der Gott ruft jedem von uns, die wir
hierherkommen,
gleichsam als Gruß das «ERKENNE
DICH SELBST!» entgegen,
das doch gewiß nicht weniger ist als
das übliche Grußwort «SEI FROH!»,
und wir wiederum sprechen, dem Gott antwortend,
«DU BIST!»,
womit wir ihm das Wahre, das Truglose und
das ihm allein einzig Zukommende,
das Prädikat des SEINs zuschreiben.
Denn wir haben in Wahrheit am Sein gar keinen
Anteil,
sondern jede sterbliche Natur, die mitten
zwischen Entstehen und Vergehen sich findet,
bietet nur ein Trugbild und einen dunklen
und ungewissen Schein ihrer selbst." [...]
"Daher gelangt auch ihr Werden gar nicht zum
Sein,
weil das Entstehen niemals aufhört noch
zum Stehen kommt,
sondern aus dem Samen unter ständigem
Wandel den Embryo schafft,
dann den Säugling, dann das Kind, anschließend
den Knaben, den Jüngling,
dann den Mann, den alten Mann, den Greis,
wobei die ersten Entwicklungen und Lebensalter
stets durch die folgenden vernichtet werden.
Aber wir fürchten lächerlicherweise
den einen Tod,
nachdem wir schon so viele gestorben sind
und täglich sterben."