Rudolf Steiner : Theosophie
: Die drei Welten : Die Seelenwelt : Die Seele in der Seelenwelt nach dem
Tode
Rudolf
Steiner:
Theosophie
DIE DREI WELTEN
I.
Die Seelenwelt * II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland * IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
1. Die Seelenwelt
Die Betrachtung des Menschen hat gezeigt, daß
er drei Welten angehört. Aus der Welt der physischen Körperlichkeit
sind die Stoffe und Kräfte entnommen, die seinen Leib auferbauen.
Er hat von dieser Welt Kenntnis durch die Wahrnehmungen seiner äußeren
physischen Sinne. Wer allein diesen Sinnen vertraut und lediglich
deren Wahrnehmungsfähigkeit entwickelt, der kann sich keinen Aufschluß
verschaffen über die beiden andern Welten, über die seelische
und geistige. – Ob ein Mensch sich von der Wirklichkeit eines
Dinges oder Wesens überzeugen kann, das hängt davon ab, ob er
dafür ein Wahrnehmungsorgan, einen Sinn, hat. – Es kann natürlich
leicht zu Mißverständnissen führen, wenn man, wie es hier
geschieht, die höheren Wahmehmungsorgane geistige Sinne nennt.
Denn wenn man von «Sinnen» spricht, so verbindet man
damit unwillkürlich den Gedanken des «Physischen». Man
bezeichnet ja gerade die physische Welt auch als die «sinnliche»
im Gegensatz zur «geistigen». Um das Mißverständnis
zu vermeiden, muß man berücksichtigen, daß hier eben von
«höheren Sinnen» nur vergleichsweise, in übertragenem
Sinne gesprochen wird. Wie die physischen Sinne das Physische wahrnehmen,
so die seelischen und geistigen das Seelische und Geistige. Nur in der
Bedeutung von «Wahmehmungsorgan» wird der Ausdruck «Sinn»
gebraucht. Der Mensch hätte keine Kenntnis von dem Licht und der Farbe,
wenn er nicht ein lichtempfindendes Auge hätte; er wüßte
nichts von Klängen, wenn er nicht ein klangempfindendes Ohr hätte.
In dieser Beziehung sagt mit vollem Recht der deutsche Philosoph Lotze:
«Ohne ein Licht empfindendes Auge und ohne ein Klang empfindendes
Ohr wäre die ganze Welt finster und stumm. Es würde in ihr ebensowenig
Licht oder Schall geben, als ein Zahnschmerz möglich wäre ohne
einen den Schmerz empfindenden Nerv des Zahnes.» – Um das, was hiermit
gesagt ist, im richtigen Lichte zu sehen, braucht man sich nur einmal zu
überlegen, wie ganz anders, als für den Menschen, sich die Welt
für die niederen Lebewesen offenbaren muß, die nur eine Art
Tast- oder Gefühlssinn über die ganze Oberfläche ihres Körpers
ausgebreitet haben. Licht, Farbe und Ton können für diese jedenfalls
nicht in dem Sinne vorhanden sein wie für Wesen, die mit Augen und
Ohren begabt sind. Die Luftschwingungen, die ein Flintenschuß verursacht,
mögen auch auf sie eine Wirkung ausüben, wenn sie von ihnen getroffen
werden. Daß sich diese Luftschwingungen der Seele als Knall offenbaren,
dazu ist ein Ohr notwendig. Und daß sich gewisse Vorgänge in
dem feinen Stoffe, den man Äther nennt, als Licht und Farbe offenbaren,
dazu ist ein Auge notwendig. – Nur dadurch weiß der Mensch etwas
von einem Wesen oder Dinge, daß er durch eines seiner Organe eine
Wirkung davon empfängt. Dies Verhältnis des Menschen zur
Welt des Wirklichen kommt trefflich in dem folgenden Ausspruch Goethes
zur Darstellung: «Eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines
Dinges auszudrücken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine
vollständige Geschichte dieser Wirkungen umfaßte wohl allenfalls
das Wesen jenes Dinges. Vergebens bemühen wir uns, den Charakter eines
Menschen zu schildern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Taten
zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten. Die Farben
sind Taten des Lichtes, Taten und Leiden . . . Farben und Licht stehen
zwar untereinander in dem genauesten Verhältnis, aber wir müssen
uns beide als der ganzen Natur angehörig denken; denn sie ist es ganz,
die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will. Ebenso
entdeckt sich die ganze Natur einem anderen Sinne. . . So spricht die Natur
hinabwärts zu anderen Sinnen, zu bekannten, verkannten,
unbekannten Sinnen; so spricht sie mit sich selbst und zu uns durch
tausend Erscheinungen. Dem Aufmerksamen ist sie nirgends tot noch stumm.»
Es wäre unrichtig, wenn man diesen Ausspruch Goethes so auffassen
wollte, daß damit die Erkennbarkeit des Wesens der Dinge in
Abrede gestellt würde. Goethe meint nicht: man nehme nur die Wirkung
des Dinges wahr und das Wesen verberge sich dahinter. Er meint vielmehr,
daß man von einem solchen «verborgenen Wesen» gar nicht
sprechen soll. Das Wesen ist nicht hinter seiner Offenbarung; es kommt
vielmehr durch die Offenbarung zum Vorschein. Nur ist dies Wesen vielfach
so reich, daß es sich andern Sinnen in noch anderen Gestalten
offenbaren kann. Was sich offenbart, ist zum Wesen gehörig,
nur ist es wegen der Beschränktheit der Sinne nicht das ganze Wesen.
Diese Goethesche Anschauung ist auch durchaus die hier geisteswissenschaftlich
gemeinte.
Wie im Leibe Auge und Ohr als Wahmehmungsorgane,
als Sinne für die körperlichen Vorgänge sich entwickeln,
so vermag der Mensch in sich seelische und geistige Wahrnehmungsorgane
auszubilden, durch die ihm die Seelen- und die Geisteswelt erschlossen
werden. Für denjenigen, der solche höhere Sinne nicht hat, sind
diese Welten «finster und stumm», wie für ein Wesen ohne
Ohr und Auge die Körperwelt «finster und stumm» ist. Allerdings
ist das Verhältnis des Menschen zu diesen höheren Sinnen etwas
anders als zu den körperlichen. Daß diese letzteren in ihm vollkommen
ausgebildet werden, dafür sorgt in der Regel die gütige Mutter
Natur. Sie kommen ohne sein Zutun zustande. An der Entwickelung seiner
höheren Sinne muß er selbst arbeiten. Er muß Seele und
Geist ausbilden, wenn er die Seelen- und Geisteswelt wahrnehmen will, wie
die Natur seinen Leib ausgebildet hat, damit er seine körperliche
Umwelt wahrnehmen und sich in ihr orientieren könne. Eine solche Ausbildung
von höheren Organen, welche die Natur noch nicht selbst entwickelt
hat, ist nicht unnatürlich; denn im höheren Sinne gehört
ja auch alles, was der Mensch vollbringt, mit zur Natur. Nur derjenige,
welcher behaupten wollte, der Mensch müsse auf der Stufe der Entwickelung
stehenbleiben, auf der er aus der Hand der Natur entlassen wird, – nur
der könnte die Ausbildung höherer Sinne unnatürlich nennen.
Von ihm werden diese Organe «verkannt» in ihrer Bedeutung im
Sinne des angeführten Ausspruches Goethes. Ein solcher sollte nur
aber auch gleich alle Erziehung des Menschen bekämpfen, denn auch
sie setzt das Werk der Natur fort. Und insbesondere müßte er
sich gegen die Operation von Blindgeborenen wenden. Denn ungefähr
so wie dem operierten Blindgeborenen ergeht es dem, der in sich seine höheren
Sinne in der Art erweckt, wie im letzten Teile dieser Schrift dargelegt
wird. Mit neuen Eigenschaften, mit Vorgängen und Tatsachen, von denen
die physischen Sinne nichts offenbaren, erscheint ihm die Welt. Ihm ist
klar, daß er durch diese höheren Organe nichts willkürlich
zu der Wirklichkeit hinzufügt, sondern daß ihm ohne dieselben
der wesentliche Teil dieser Wirklichkeit verborgen geblieben wäre.
Die Seelen-und Geisteswelt sind nichts neben oder außer
der physischen, sie sind nicht räumlich von dieser getrennt. So
wie für den operierten Blindgeborenen die vorherige finstere Welt
in Licht und Farben erstrahlt, so offenbaren dem seelisch und geistig Erweckten
Dinge, die ihm vorher nur körperlich erschienen waren, ihre seelischen
und geistigen Eigenschaften. Allerdings erfüllt sich diese Welt auch
noch mit Vorgängen und Wesenheiten, die für den nicht seelisch
und geistig Erweckten völlig unbekannt bleiben. – (Später soll
in diesem Buche genauer über die Ausbildung der seelischen und geistigen
Sinne gesprochen werden. Hier werden zunächst diese höheren Welten
selbst beschrieben. Wer diese Welten leugnet, der sagt nichts anderes,
als daß er seine höheren Organe noch nicht entwickelt hat. Die
Menschheitsentwickelung ist auf keiner Stufe abgeschlossen; sie muß
immer weitergehen. )
Man stellt sich oft unwillkürlich die «höheren
Organe» als zu ähnlich den physischen vor. Man sollte sich aber
klarmachen, daß man es mit geistigen oder seelischen Gebilden in
diesen Organen zu tun hat. Man darf deshalb auch nicht erwarten, daß
dasjenige, was man in den höheren Welten wahrnimmt, etwa nur eine
nebelhaft verdünnte Stofftichkeit sei. Solange man so etwas erwartet,
wird man zu keiner klaren Vorstellung von dem kommen können, was
hier mit «höheren Welten» eigentlich gemeint ist. Es wäre
für viele Menschen gar nicht so schwer, wie es wirklich ist, etwas
von diesen «höheren Welten» zu wissen – zunächst
allerdings nur das Elementare –, wenn sie sich nicht vorstellten, daß
es doch wieder etwas verfeinertes Physisches sein müsse, was sie wahrnehmen
sollen. Da sie so etwas voraussetzen, so wollen sie in der Regel das gar
nicht anerkennen, um was es sich wirklich handelt. Sie finden es unwirklich,
lassen es nicht als etwas gelten, was sie befriedigt, und so weiter. Gewiß:
die höheren Stufen der geistigen Entwickelung sind schwer zugänglich;
diejenige aber, die hinreicht, um das Wesen der geistigen Welt zu erkennen
– und das ist schon viel –, wäre gar nicht so schwer zu erreichen,
wenn man sich zunächst von dem Vorurteile freimachen wollte, welches
darin besteht, das Seelische und Geistige doch wieder nur als ein feineres
Physisches sich vorzustellen.
So wie wir einen Menschen nicht ganz kennen, wenn
wir bloß von seinem physischen Äußeren eine Vorstellung
haben, so kennen wir auch die Welt, die uns umgibt, nicht, wenn wir bloß
das von ihr wissen, was uns die physischen Sinne offenbaren. Und so wie
eine Photographie uns verständlich und lebensvoll wird, wenn wir der
photographierten Person so nahetreten, daß wir ihre Seele erkennen
lernen, so können wir auch die körperliche Welt nur wirklich
verstehen, wenn wir ihre seelische und geistige Grundlage kennenlernen.
Deshalb empfiehlt es sich, hier zuerst von den höheren Welten, von
der seelischen und geistigen, zu sprechen und dann erst die physische vom
geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkte aus zu beurteilen.
Es bietet gewisse Schwierigkeiten, in der gegenwärtigen
Kulturepoche über die höheren Welten zu sprechen. Denn diese
Kulturepoche ist vor allem groß in der Erkenntnis und Beherrschung
der körperlichen Welt. Unsere Worte haben zunächst ihre Prägung
und Bedeutung in bezug auf diese körperliche Welt erhalten. Man muß
sich aber dieser gebräuchlichen Worte bedienen, um an Bekanntes anzuknüpfen.
Dadurch wird bei denen, die nur ihren äußeren Sinnen vertrauen
wollen, dem Mißverständnis Tür und Tor geöffnet. –
Manches kann ja zunächst nur gleichnisweise ausgesprochen und angedeutet
werden. Aber so muß es sein, denn solche Gleichnisse sind
ein Mittel, durch das der Mensch zunächst auf diese höheren Welten
verwiesen wird und durch das seine eigene Erhebung zu ihnen gefördert
wird. (Von dieser Erhebung wird in einem späteren Kapitel zu sprechen
sein, in dem auf die Ausbildung der seelischen
und geistigen Wahrnehmungsorgane hingewiesen werden wird. Zunächst
soll der Mensch durch Gleichnisse von den höheren Welten Kenntnis
nehmen. Dann kann er daran denken, sich selbst einen Einblick in dieselben
zu verschaffen. )
Wie die Stoffe und Kräfte, die unsern Magen,
unser Herz, unsere Lunge, unser Gehirn und so weiter zusaremensetzen und
beherrschen, aus der körperlichen Welt stammen, so stammen unsere
seelischen Eigenschaften, unsere Triebe, Begierden, Gefühle, Leidenschaften,
Wünsche, Empfindungen und so weiter aus der seelischen Welt. Des Menschen
Seele ist ein Glied in dieser seelischen Welt, wie sein Leib ein Teil der
physischen Körperwelt ist. Will man zunächst einen Unterschied
der körperlichen Welt von der seelischen angeben, so kann man sagen,
die letztere ist in allen ihren Dingen und Wesenheiten viel feiner, beweglicher,
bildsamer als die erstere. Doch muß man sich klar darüber bleiben,
daß man eine gegenüber der physischen völlig neue Welt
betritt, wenn man in die seelische kommt. Redet man also von gröber
und feiner in dieser Hinsicht, so muß man sich bewußt bleiben,
daß man vergleichsweise andeutet, was doch grundverschieden
ist. So ist es mit allem, was über die Seelenwelt in Worten gesagt
wird, die der physischen Körperlichkeit entlehnt sind. Berücksichtigt
man dieses, dann kann man sagen, daß die Gebilde und Wesen der Seelenwelt
ebenso aus Seelenstoffen bestehen und ebenso von Seelenkräften gelenkt
werden, wie das in der physischen Welt mit physischen Stoffen und Kräften
der Fall ist.
Wie den körperlichen Gebilden die räumliche
Ausdehnung und räumliche Bewegung eigentümlich sind, so den seelischen
Dingen und Wesenheiten die Reizbarkeit, das triebhafte Begehren. Man bezeichnet
deshalb die Seelenwelt auch als die Begierden- oder Wunschwelt oder als
die Welt des «Verlangens». Diese Ausdrücke sind der menschlichen
Seelenwelt entlehnt. Man muß deshalb festhalten, daß die Dinge
in denjenigen Teilen der Seelenwelt, die außer der menschlichen Seele
liegen, von den Seelenkräften in dieser ebenso verschieden sind wie
die physischen Stoffe und Kräfte der körperlichen Außenwelt
von den Teilen, die den physischen Menschenleib zusammensetzen. (Trieb,
Wunsch, Verlangen sind Bezeichnungen für das Stoffliche der Seelenwelt.
Dieses Stoffliche sei mit «astral» bezeichnet. Nimmt man mehr
Rücksicht auf die Kräfte der Seelenwelt, so kann man von
«Begierdewesenheit» sprechen. Doch darf man nicht vergessen,
daß hier die Unterscheidung von «Stoff» und «Kraft»
keine so strenge sein kann wie in der physischen Welt. Ein Trieb kann ebensogut
«Kraft» wie «Stoff» genannt werden.)
Wer zum erstenmal einen Einblick in die seelische
Welt erhält, für den wirken die Unterschiede, die sie von der
physischen aufweist, verwirrend. Doch das ist ja auch beim Erschließen
eines vorher untätigen physischen Sinnes der Fall. Der operierte Blindgeborene
muß sich auch erst orientieren lernen in der Welt, die er vorher
durch den Tastsinn gekannt hat. Ein solcher sieht zum Beispiel die Gegenstände
zuerst in seinem Auge; dann erblickt er sie außer sich, doch erscheinen
sie ihm zunächst so, wie wenn sie auf einer Fläche aufgemalt
wären. Erst allmählich erfaßt er die Vertiefung, den räumlichen
Abstand der Dinge und so weiter. – In der Seelenwelt gelten durchaus andere
Gesetze als in der physischen. Nun sind ja allerdings viele seelische Gebilde
an solche der andern Welten gebunden. Die Seele des Menschen zum Beispiel
ist an den physischen Menschenleib und an den menschlichen Geist gebunden.
Die Vorgänge, die man an ihr beobachten kann, sind also zugleich von
der leiblichen und geistigen Welt beeinflußt. Darauf muß man
bei der Beobachtung der Seelenwelt Rücksicht nehmen; und man darf
nicht als seelische Gesetze ansprechen, was aus der Einwirkung einer andern
Welt stammt. – Wenn zum Beispiel der Mensch einen Wunsch aussendet, so
ist dieser von einem Gedanken, einer Vorstellung des Geistes getragen und
folgt dessen Gesetzen. So wie man aber die Gesetze der physischen Welt
feststellen kann, indem man von den Einflüssen absieht, die zum Beispiel
der Mensch auf deren Vorgänge nimmt, so ist ein Ähnliches auch
mit der seelischen Welt möglich.
Ein wichtiger Unterschied der seelischen Vorgänge
von den physischen kann dadurch ausgedrückt werden, daß man
die Wechselwirkung bei den ersteren als eine viel innerlichere bezeichnet.
Im physischen Raume herrscht zum Beispiel das Gesetz des «Stoßes».
Wenn eine bewegte Elfenbeinkugel auf eine ruhende aufstößt,
so bewegt sich die letztere weiter in einer Richtung, die sich aus der
Bewegung und Elastizität der ersteren berechnen läßt. Im
Seelenraume hängt die Wechselwirkung zweier Gebilde, die einander
treffen, von ihren inneren Eigenschaften ab. Sie durchdringen sich gegenseitig,
verwachsen gleichsam miteinander, wenn sie miteinander verwandt sind. Sie
stoßen sich ab, wenn ihre Wesenheiten sich widerstreiten. –Im körperlichen
Raume gibt es zum Beispiel für das Sehen bestimmte Gesetze. – Man
sieht entfernte Gegenstände in perspektivischer Verkleinerung. Wenn
man in eine Allee hineinsieht, so scheinen – nach den Gesetzen der Perspektive
– die entfernteren Bäume in kleineren Abständen voneinander zu
stehen als die nahen. Im Seelenraume erscheint dem Schauenden dagegen alles,
das Nahe und das Entfernte, in den Abständen, die es durch seine innere
Natur hat. Durch solches ist natürlich ein Quell der mannigfaltigsten
Irrungen für denjenigen gegeben, der den Seelenraum betritt und da
mit den Regeln zurechtkommen will, die er von der physischen Welt her mitbringt.
Es gehört zu dem ersten, was man sich für
die Orientierung in der seelischen Welt aneignen muß, daß man
die verschiedenen Arten ihrer Gebilde in ähnlicher Weise unterscheidet,
wie man in der physischen Welt feste, flüssige und luft- oder gasförmige
Körper unterscheidet. Um dazu zu kommen, muß man die beiden
Grundkräfte kennen, die hier vor allem wichtig sind. Man kann sie
Sympathie und Antipathie nennen. Wie diese Grundkräfte
in einem seelischen Gebilde wirken, danach bestimmt sich dessen Art. Als
Sympathie muß die Kraft bezeichnet werden, mit der ein Seelengebilde
andere anzieht, sich mit ihnen zu verschmelzen sucht, seine Verwandtschaft
mit ihnen geltend macht. Antipathie ist dagegen die Kraft, mit der
sich Seelengebilde abstoßen, ausschließen, mit der sie ihre
Eigenheit behaupten. In welchem Maße diese Grundkräfte in einem
Seelengebilde vorhanden sind, davon hängt es ab, welche Rolle dieses
in der seelischen Welt spielt. Drei Arten von Seelengebilden hat man zunächst
zu unterscheiden, je nach dem Wirken von Sympathie und Antipathie in ihnen.
Und diese Arten sind dadurch voneinander verschieden, daß Sympathie
und Antipathie in ihnen in ganz bestimmten gegenseitigen Verhältnissen
stehen. In allen dreien sind beide Grundkräfte vorhanden. Man
nehme zunächst ein Gebilde der ersten Art. Es zieht andere Gebilde
seiner Umgebung vermöge der in ihm waltenden Sympathie an. Aber außer
dieser Sympathie ist in ihm zugleich Antipathie vorhanden, durch die es
in seiner Umgebung Befindliches von sich zurückstößt. Nach
außen hin wird ein solches Gebilde so erscheinen, als wenn es nur
mit Kräften der Antipathie ausgestattet wäre. Das ist aber nicht
der Fall. Es ist Sympathie und Antipathie in ihm. Nur ist die letztere
überwiegend. Sie hat über die erstere die Oberhand. Solche Gebilde
spielen eine eigensüchtige Rolle im Seelenraum. Sie stoßen
vieles um sich her ab und ziehen nur weniges liebevoll an sich heran. Daher
bewegen sie sich als unveränderliche Formen durch den Seelenraum.
Durch die Kraft der Sympathie, die in ihnen ist, erscheinen sie als gierig.
Die Gier erscheint aber zugleich unersättlich, wie wenn
sie nicht zu befriedigen wäre, weil die vorwaltende Antipathie so
vieles Entgegenkommende abstößt, daß keine Befriedigung
eintreten kann. Will man die Seelengebilde dieser Art mit etwas in der
physischen Welt vergleichen, so kann man sagen: sie entsprechen den festen
physischen Körpern. Begierdenglut soll diese Region der seelischen
Stofflichkeit genannt werden. – Das, was von dieser Begierdenglut den Seelen
der Tiere und Menschen beigemischt ist, bestimmt dasjenige in ihnen, was
man die niederen sinnlichen Triebe nennt, ihre vorwaltenden selbstsüchtigen
Instinkte. – Die zweite Art der Seelengebilde ist diejenige, bei denen
sich die beiden Grundkräfte das Gleichgewicht halten, bei denen also
Sympathie und Antipathie in gleicher Stärke wirken. Diese treten anderen
Gebilden mit einer gewissen Neutralität gegenüber; sie wirken
als verwandt auf sie, ohne sie besonders anzuziehen und abzustoßen.
Sie ziehen gleichsam keirie feste Grenze zwischen sich und der Umwelt.
Fortwährend lassen sie andere Gebilde in der Umgebung auf sich einwirken;
man kann sie deshalb mit den flüssigen Stoffen der physischen Welt
vergleichen. Und in der Art, wie solche Gebilde anderes an sich heranziehen,
liegt nichts von Gier. Die Wirkung, die hier gemeint ist, liegt zum Beispiel
vor, wenn die Menschenseele eine Farbe empfindet. Wenn ich die Empfindung
der roten Farbe habe, dann empfange ich zunächst einen neutralen
Reiz aus meiner Umgebung. Erst wenn zu diesem Reiz das Wohlgefallen
an der roten Farbe hinzutritt, dann kommt eine andere Seelenwirkung in
Betracht. Das, was den neutralen Reiz bewirkt, sind Seelengebilde,
die in solchem Wechselverhältnisse stehen, daß Sympathie und
Antipathie einander das Gleichgewicht halten. Man wird die Seelenstofflichkeit,
die hier in Betracht kommt, als eine vollkommen bildsame, fließende
bezeichnen müssen. Nicht eigensüchtig wie die erste bewegt sie
sich durch den Seelenraum, sondern so, daß ihr Dasein überall
Eindrücke empfängt, daß sie sich mit vielem verwandt erweist,
das ihr begegnet. Ein Ausdruck, der für sie anwendbar ist, dürfte
sein: fließende Reizbarkeit. – Die dritte Stufe der Seelengebilde
ist diejenige, bei welcher die Sympathie die Oberhand über die Antipathie
hat. Die Antipathie bewirkt das eigensüchtige Sichgeltendmachen; dieses
tritt aber zurück hinter der Hinneigung zu den Dingen der Umgebung.
Man denke sich ein solches Gebilde innerhalb des Seelenraumes. Es erscheint
als der Mittelpunkt einer anziehenden Sphäre, die sich über die
Gegenstände der Umwelt erstreckt. Solche Gebilde muß man im
besonderen als Wunsch-Stofflichkeit bezeichnen. Diese Bezeichnung
erscheint deshalb als die richtige, weil durch die bestehende, nur gegenüber
der Sympathie schwächere, Antipathie die Anziehung doch so wirkt,
daß die angezogenen Gegenstände in den eigenen Bereich des Gebildes
gebracht yverden sollen. Die Sympathie erhält dadurch einen eigensüchtigen
Grundton. Diese Wunsch-Stofflichkeit darf mit den gas- oder luftförmigen
Körpern der physischen Welt verglichen werden. Wie ein Gas sich nach
allen Seiten auszudehnen bemüht ist, so breitet sich die Wunsch-Stofflichkeit
nach allen Richtungen aus.
Höhere Stufen von Seelen-Stofflichkeit kennzeichnen
sich dadurch, daß bei ihnen die eine Grundkraft völlig zurücktritt,
nämlich die Antipathie, und nur die Sympathie sich als das eigentlich
Wirksame erweist. Nun kann sich diese zunächst innerhalb der Teile
des Seelengebildes selbst geltend machen. Diese Teile wirken gegenseitig
aufeinander anziehend. Die Kraft der Sympathie im Innern eines Seelengebildes
kommt in dem zum Ausdrucke, was man Lust nennt. Und jede Herabminderung
dieser Sympathie ist Unlust. Die Unlust ist nur eine verminderte
Lust, wie die Kälte nur eine verminderte Wärme ist. Lust und
Unlust ist dasjenige, was im Menschen als die Welt der Gefühle
– im engeren Sinne – lebt. Das Fühlen ist das Weben des
Seelischen in sich selbst. Von der Art, wie die Gefühle der Lust und
Unlust in dem Seelischen weben, hängt das ab, was man dessen Behagen
nennt.
Eine noch höhere Stufe nehmen diejenigen Seelengebilde
ein, deren Sympathie nicht im Bereich des Eigenlebens beschlossen bleibt.
Von den drei niederen Stufen unterscheiden sich diese, wie ja auch schon
die vierte, dadurch, daß bei ihnen die Kraft der Sympathie keine
ihr entgegenstrebende Antipathie zu überwinden hat. Durch diese höheren
Arten der Seelen-Stofflichkeit schließt sich erst die Mannigfaltigkeit
der Seelengebilde zu einer gemeinsamen Seelenwelt zusammen. Sofern die
Antipathie in Betracht kommt, strebt das Seelengebilde nach etwas anderem
um seines Eigenlebens willen, um sich selbst durch das andere zu verstärken
und zu bereichern. Wo die Antipathie schweigt, da wird das andere als Offenbarung,
als Kundgebung hingenommen. Eine ähnliche Rolle wie das Licht im physischen
Raume spielt diese höhere Form von Seelen-Stofflichkeit im Seelenraum.
Sie bewirkt, daß ein Seelengebilde das Dasein und Wesen der andern
um deren selbst willen gleichsam einsaugt, oder man könnte auch sagen,
sich von ihnen bestrahlen läßt. Dadurch, daß die Seelenwesen
aus diesen höheren Regionen schöpfen, werden sie erst zum wahren
Seelenleben erweckt. Ihr dumpfes Leben im Finstern schließt sich
nach außen auf, leuchtet und strahlt selbst in den Seelenraum hin;
das träge, dumpfe Weben im Innern, das sich durch die Antipathie abschließen
will, wenn nur die Stoffe der unteren Regionen vorhanden sind, wird Kraft
und Regsamkeit, die vom Innern ausgeht und sich nach außen strömend
ergießt. Die fließende Reizbarkeit der zweiten Region wirkt
nur beim Zusammentreffen der Gebilde.
Dann strömt allerdings eins in das andere über.
Aber Berührung ist hier notwendig. In den höheren Regionen
herrscht freies Hinstrahlen, Ergießen. (Mit Recht bezeichnet man
das Wesen dieses Gebietes als ein «Hinstrahlen», denn die Sympathie,
welche entwickelt wird, wirkt so, daß man als Sinnbild dafür
den Ausdruck gebrauchen kann, der von der Wirkung des Lichtes genommen
ist.) Wie eine Pflanze im Keller verkümmert, so die Seelengebilde
ohne die sie belebenden Seelen-Stoffe der höheren Regionen. Seelenlicht,
tätige Seelenkralt und das eigentliche Seelenleben im engeren
Sinne gehören diesen Regionen an und teilen sich von hier aus den
Seelenwesen mit.
Drei untere und drei obere Regionen der Seelenwelt
hat man also zu unterscheiden; und beide sind vermittelt durch eine vierte,
so daß sich folgende Einteilung der Seelenwelt ergibt:
1. Region der Begierdenglut
2. Region der fließenden Reizbarkeit
3. Region der Wünsche
4. Region von Lust und Unlust
5. Region des Seelenlichtes
6. Region der tätigen Seelenkraft
7. Region des Seelenlebens.
Durch die ersten drei Regionen erhalten die Seelengebilde
ihre Eigenschaften aus dem Verhältnisse von Antipathie und Sympathie;
durch die vierte Region webt die Sympathie innerhalb der Seelengebilde
selbst; durch die drei höchsten wird die Kraft der Sympathie immer
freier und freier; leuchtend und belebend durchwehen die Seelenstoffe dieser
Region den Seelenraum, aufweckend, was sich sonst durch sich selbst im
Eigendasein verlieren müßte.
Es sollte eigentlich überflüssig sein,
doch wird, der Klarheit willen, hier doch betont, daß diese sieben
Abteilungen der Seelenwelt nicht etwa voneinander getrennte Gebiete darstellen.
So wie Festes, Flüssiges und Gasförmiges sich im Physischen durchdringen,
so durchdringen sich Begierdenglut, fließende Reizbarkeit und die
Kräfte der Wunschwelt im Seelischen. Und wie im Physischen die Wärme
die Körper durchdringt, das Licht sie bestrahlt, so ist es im Seelischen
mit Lust und Unlust und mit dem Seelenlicht der Fall. Und ein Ähnliches
findet statt für die tätige Seelenkraft und das eigentliche Seelenleben.
II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
Die Seele ist das Bindeglied zwischen dem Geiste
des Menschen und seinem Leibe. Ihre Kräfte der Sympathie und Antipathie,
die durch ihr gegenseitiges Verhältnis die Seelenäußerungen:
Begierde, Reizbarkeit, Wunsch, Lust und Unlust und so weiter bewirken –,
sie sind nicht nur zwischen Seelengebilde und Seelengebilde tätig,
sondern sie äußern sich auch gegenüber den Wesenheiten
der anderen Welten, der physischen und der geistigen Welt. Während
die Seele im Leibe wohnt, ist sie gewissermaßen an allem beteiligt,
was in diesem Leibe vorgeht. Wenn die physischen Verrichtungen des Leibes
mit Regelmäßigkeit vor sich gehen, so entsteht in der Seele
Lust und Behagen; wenn diese Verrichtungen gestört sind, so tritt
Unlust und Schmerz ein. –Und auch an den Tätigkeiten des Geistes hat
die Seele ihren Anteif: dieser Gedanke erfüllt sie mit Freude, jener
mit Abscheu; ein richtiges Urteil hat den Beifall der Seele, ein falsches
ihr Mißfallen. – Ja, es hängt die Entwickelungsstufe eines Menschen
davon ab, ob die Neigungen seiner Seele mehr nach der einen oder der andern
Richtung hin gehen. Ein Mensch ist um so vollkommener, je mehr seine Seele
mit den Äußerungen des Geistes sympathisiert; er ist um so unvollkommener,
je mehr ihre Neigungen durch die Verrichtungen des Leibes befriedigt werden.
Der Geist ist der Mittelpunkt des Menschen, der
Leib der Vermittler, durch den der Geist die physische Welt betrachtet
und erkennt und durch den er in ihr wirkt. Die Seele aber ist der Vermittler
zwischen beiden. Sie entbindet dem physischen Eindruck, den die Luftschwingungen
auf das Ohr machen, die Empfindung des Tones, sie erlebt die Lust an
diesem Ton. Alles das teilt sie dem Geiste mit, der dadurch zum Verständnisse
der physischen Welt gelangt. Ein Gedanke, der in dem Geiste auftritt,
wird durch die Seele in den Wunsch nach Verwirklichung umgesetzt
und kann erst dadurch mit Hilfe des leiblichen Werkzeuges zur Tat werden.
– Nun kann der Mensch nur dadurch seine Bestimmung erfüllen, daß
er all seinem Wirken die Richtung durch den Geist geben läßt.
Die Seele kann durch sich selbst ihre Neigungen ebensogut dem Physischen
wie dem Geistigen entgegenbringen. Sie senkt gleichsam ihre Fühlfäden
ebenso zum Physischen hinunter, wie sie sie zum Geistigen hinaufstreckt.
Durch das Einsenken in die physische Welt wird ihre eigene Wesenheit von
der Natur des Physischen durchdrungen und gefärbt. Da der Geist aber
nur durch ihre Vermittlung in der physischen Welt wirken kann, so wird
ihm selbst dadurch die Richtung auf das Physische gegeben. Seine Gebilde
werden durch die Kräfte der Seele nach dem Physischen hingezogen.
Man betrachte den unentwickelten Menschen. Die Neigungen seiner Seele hängen
an den Verrichtungen seines Leibes. Er empfindet nur Lust bei den Eindrücken,
welche die physische Welt auf seine Sinne macht. Und auch sein Geistesleben
wird dadurch ganz in diese Sphäre herabgezogen. Seine Gedanken dienen
nur der Befriedigung seines physischen Bedürfnislebens. – Indem das
geistige Selbst von Verkörperung zu Verkörperung lebt, soll es
immer mehr aus dem Geistigen heraus seine Richtung erhalten. Sein Erkennen
soll von dem Geiste der ewigen Wahrheit, sein Handeln von der ewigen Güte
bestimmt werden.
Der Tod bedeutet, als Tatsache der physischen Welt
betrachtet, eine Veränderung der Verrichtungen des Leibes. Dieser
hört mit dem Tode auf, durch seine Einrichtung der Vermittler der
Seele und des Geistes zu sein. Er zeigt fernerhin sich in seinen Verrichtungen
ganz der physischen Welt und ihren Gesetzen unterworfen; er geht in dieselbe
über, um sich in ihr aufzulösen. Nur diese physischen Vorgänge
des Leibes können mit den physischen Sinnen nach dem Tode betrachtet
werden. Was mit Seele und Geist dann geschieht, das entzieht sich diesen
Sinnen. Denn sinnlich können ja auch während des Lebens Seele
und Geist nur insofern beobachtet werden, als diese in physischen Vorgängen
ihren äußeren Ausdruck erlangen. Nach dem Tode ist ein solcher
Ausdruck nicht mehr möglich. Deshalb kommt die Beobachtung der
physischen Sinne und die sich auf sie begründende Wissenschaft für
das Schicksal von Seele und Geist nach dem Tode nicht in Betracht. Da
tritt eben eine höhere Erkenntnis ein, die auf der Beobachtung der
Vorgänge in der Seelen- und der Geisteswelt beruht.
Hat sich nun der Geist von dem Leibe gelöst,
so ist er noch immer mit der Seele verbunden. Und wie ihn während
des physischen Lebens der Leib an die physische Welt gekettet hat, so jetzt
die Seele an die seelische. – Aber in dieser seelischen Welt ist nicht
sein ureigenes Wesen zu finden. Sie soll ihn nur verbinden mit dem Felde
seines Schaffens, mit der physischen Welt. Um in einer neuen Verkörperung
mit vollkommenerer Gestalt zu erscheinen, muß er Kraft und Stärkung
aus der geistigen Welt schöpfen. Er ist aber durch die Seele in die
physische Welt verstrickt worden. Er ist an ein Seelenwesen gebunden, das
durchdrungen und gefärbt ist von der Natur des Physischen, und er
hat dadurch selbst diese Richtung erhalten. Nach dem Tode ist die Seele
nicht mehr an den Leib, sondern nur noch an den Geist gebunden. Sie lebt
nun in einer seelischen Umgebung. Nur die Kräfte dieser Welt können
daher noch auf sie eine Wirkung haben. Und an dieses Leben der Seele in
der Seelenwelt ist zunächst auch der Geist gebunden. Er ist so an
dasselbe gebunden, wie er während der physischen Verkörperung
an den Leib gebunden ist. Wann der Leib stirbt, das wird durch dessen
Gesetze bestimmt. Im allgemeinen muß ja gesagt werden: nicht
die Seele und der Geist verlassen den Leib, sondern er wird von denselben
entlassen [Anmerkung des Herausgebers: Von der 19. (Stuttgart
1922) bis zur 26. Auflage (Stuttgart 1948) lautete diese Stelle:
. . . sondern sie werden von demselben entlassen . . . Seit
der 27. Auflage (Stuttgart 1955) wurde der Text der 1.-18. Auflage wiederhergestellt.
Es ist nicht sicher, daß die Änderung 1922 auf den Autor zurückgeht.
Deshalb werden hier beide Fassungen angeführt.], wenn seine
Kräfte nicht mehr im Sinne der menschlichen Organisation wirken können.
Ebenso ist das Verhältnis von Seele und Geist. Die Seele wird den
Geist in die höhere, in die geistige Welt entlassen, wenn ihre Kräfte
nicht mehr im Sinne der menschlichen Seelenorganisation wirken können.
In dem Augenblicke wird der Geist befreit sein, wenn die Seele dasjenige
der Auflösung übergeben hat, was sie nur innerhalb des Leibes
erleben kann, und nur das übrig behält, was mit dem Geiste weiterleben
kann. Dies Ubrigbehaltene, was zwar im Leibe erlebt, aber als Frucht in
den Geist eingeprägt werden kann, verbindet die Seele mit dem Geist
in der rein geistigen Welt. –Um das Schicksal der Seele nach dem Tode kennenzulernen,
muß also ihr Auflösungsprozeß betrachtet werden. Sie hatte
die Aufgabe, dem Geist die Richtung nach dem Physischen zu geben. In dem
Augenblicke, wo sie diese Aufgabe erfüllt hat, nimmt sie die
Richtung nach dem Geistigen. Wegen dieser Natur ihrer Aufgabe müßte
sie eigentlich sofort nur geistig tätig sein, wenn der Leib von ihr
abfällt, wenn sie also nicht mehr Bindeglied sein kann. Und
sie würde das auch sein, wenn sie nicht durch ihr Leben im Leibe von
diesem beeinflußt, in ihren Neigungen zu ihm hingezogen worden wäre.
Ohne diese Färbung, die sie durch die Verbindung mit dem Leiblichen
erhalten hat, würde sie sogleich nach der Entkörperung den bloßen
Gesetzen der geistig-seelischen Welt folgen und keine weitere Hinneigung
zum Sinnlichen entwickeln. Und das wäre der Fall, wenn der Mensch
beim Tode vollständig alles Interesse an der irdischen Welt verloren
hätte, wenn alle Begierden, Wünsche und so weiter befriedigt
wären, die sich an das Dasein knüpfen, das er verlassen hat.
Sofern dies aber nicht der Fall ist, haftet das nach dieser Richtung Übriggebliebene
an der Seele.
Man muß hier, um nicht in Verwirrung zu geraten,
sorgfältig unterscheiden zwischen dem, was den Menschen an die Welt
so kettet, daß es auch in einer folgenden Verkörperung ausgeglichen
werden kann, und dem, was ihn an eine bestimmte, an die jeweilig
letzte Verkörperung kettet. Das erstere wird durch das Schicksalsgesetz,
Karma, ausgeglichen; das andere aber kann nur nach dem Tode von der Seele
abgestreift werden.
Es folgt auf den Tod für den Menschengeist
eine Zeit, in der die Seele ihre Neigungen zum physischen Dasein abstreift,
um dann wieder den bloßen Gesetzen der geistig-seelischen Welt zu
folgen und den Geist freizumachen. Es ist naturgemäß, daß
diese Zeit um so länger dauern wird, je mehr die Seele an das Physische
gebunden war. Sie wird kurz sein bei einem Menschen, der wenig an dem physischen
Leben gehangen hat, lang dagegen bei einem solchen, der seine Interessen
ganz an dieses Leben gebunden hat, so daß beim Tode noch viele Begierden,
Wünsche und so weiter in der Seele leben.
Am leichtesten erhält man von dem Zustande,
in dem die Seele in der nächsten Zeit nach dem Tode lebt, eine Vorstellung
durch folgende Überlegung. Man nehme ein ziemlich krasses Beispiel
dazu: die Genüsse eines Feinschmeckers. Er hat seine Lust am Gaumenkitzel
durch die Speisen. Der Genuß ist natürlich nichts Körperliches,
sondern etwas Seelisches. In der Seele lebt die Lust und auch die Begierde
nach der Lust. Zur Befriedigung der Begierde ist aber das entsprechende
körperliche Organ, der Gaumen und so weiter, notwendig. Nach dem Tode
hat nun die Seele eine solche Begierde nicht sogleich verloren, wohl aber
hat sie das körperliche Organ nicht mehr, welches das Mittel ist,
die Begierde zu befriedigen. Es ist nun –zwar aus einem anderen
Grunde, der aber ähnlich, nur weit stärker wirkt – für den
Menschen so, wie wenn er in einer Gegend, in der weit und breit kein Wasser
ist, brennenden Durst litte. So leidet die Seele brennend an der Entbehrung
der Lust, weil sie das körperliche Organ abgelegt hat, durch das sie
die Lust haben kann. So ist es mit allem, wonach die Seele verlangt und
das nur durch die körperlichen Organe befriedigt werden kann. Es dauert
dieser Zustand (brennender Entbehrung) so lange, bis die Seele gelernt
hat, nicht mehr nach solchem zu begehren, was nur durch den Körper
befriedigt werden kann. Und die Zeit, welche in diesem Zustande verbracht
wird, kann man den Ort der Begierden nennen, obgleich man es natürlich
nicht mit einem «Orte» zu tun hat.
Betritt die Seele nach dem Tode die seelische Welt,
so ist sie deren Gesetzen unterworfen. Diese wirken auf sie; und von dieser
Wirkung hängt es ab, in welcher Art die Neigung zum Physischen in
ihr getilgt wird. Die Wirkungen müssen verschieden sein, je nach den
Arten der Seelenstoffe und Seelenkräfte. in deren Bereich sie nunmehr
versetzt ist. Jede dieser Arten wird ihren reinigenden, läuternden
Einfluß geltend machen. Der Vorgang, der hier stattfindet, ist so,
daß alles Antipathische in der Seele allmählich von den Kräften
der Sympathie überwunden und daß diese Sympathie selbst bis
zu ihrem höchsten Gipfel geführt wird. Denn durch diesen höchsten
Grad von Sympathie mit der ganzen übrigen Seelenwelt wird die Seele
gleichsam in dieser zerfließen, eins mit ihr werden; dann ist ihre
Eigensucht völlig erschöpft. Sie hört auf, als ein Wesen
zu existieren, das dem physisch-sinnlichen Dasein zugeneigt ist: der Geist
ist durch sie befreit. Daher läutert sich die Seele durch die oben
beschriebenen Regionen der Seelenwelt hindurch, bis sie in der Region der
vollkommenen Sympathie mit der allgemeinen Seelenwelt eins wird. Daß
der Geist bis zu diesem letzten Momente der Befreiung seiner Seele selbst
an diese gebunden ist, rührt davon her, daß er durch sein Leben
mit ihr ganz verwandt geworden ist. Diese Verwandtschaft ist eine viel
größere als die mit dem Leibe. Denn mit dem letzteren ist er
mittelbar durch die Seele, mit dieser aber unmittelbar verbunden. Sie ist
ja sein Eigenleben. Deshalb ist der Geist nicht an den verwesenden Leib,
wohl aber an die sich allmählich befreiende Seele gebunden. – Wegen
der unmittelbaren Verbindung des Geistes mit der Seele kann der erstere
sich von dieser erst dann frei fühlen, wenn sie selbst mit der allgemeinen
Seelenwelt eins geworden ist.
Insofern die seelische Welt der Aufenthalt des Menschen
unmittelbar nach dem Tode ist, kann sie der «Ort der Begierden»
genannt werden. Die verschiedenen Religionssysteme, die ein Bewußtsein
von diesen Verhältnissen in ihre Lehren aufgenommen haben, kennen
diesen «Ort der Begierden» unter dem Namen «Fegefeuer»,
«Läuterungsfeuer» und so weiter.
Die niederste Region der Seelenwelt ist diejenige
der Begierden glut. Durch sie wird nach dem Tode alles das aus der
Seele ausgetilgt, was sie an gröbsten, mit dem niedersten Leibesleben
zusammenhängenden selbstsüchtigen Begierden hat. Denn durch solche
Begierden kann sie von den Kräften dieser Seelenregion eine Wirkung
erfahren. Die unbefriedigten Begierden, die aus dem physischen Leben zurückgeblieben
sind, bilden den Angriffspunkt. Die Sympathie solcher Seelen erstreckt
sich nur über das, was ihr eigensüchtiges Wesen nähren kann;
und sie wird weit überwogen von der Antipathie, die sich über
alles andere ergießt. Nun gehen aber die Begierden auf die physischen
Genüsse, die in der Seelenwelt nicht befriedigt werden können.
Durch diese Unmöglichkeit der Befriedigung wird die Gier aufs höchste
gesteigert. Zugleich muß aber diese Unmöglichkeit die Gier allmählich
verlöschen. Die brennenden Gelüste verzehren sich nach und nach;
und die Seele hat erfahren, daß in der Austilgung solcher Gelüste
das einzige Mittel liegt, das Leid zu verhindern, das aus ihnen kommen
muß. Während des physischen Lebens tritt ja doch immer wieder
und wieder Befriedigung ein. Dadurch wird der Schmerz der brennenden Gier
durch eine Art Illusion verdeckt. Nach dem Tode, im «Läuterungsfeuer»,
tritt dieser Schmerz ganz unverhüllt auf. Die entsprechenden Entbehrungserlebnisse
werden durchgemacht. Ein finsterer Zustand ist es, in dem die Seelen sich
dadurch befinden. Nur diejenigen Menschen können selbstverständlich
diesem Zustande verfallen, deren Begierden im physischen Leben auf die
gröbsten Dinge abzielten. Naturen mit wenig Gelüsten gehen, ohne
daß sie es merken, durch ihn hindurch, denn sie haben zu ihm keine
Verwandtschaft. Es muß gesagt werden, daß durch die Begierdenglut
die Seelen um so länger beeinflußt werden, je verwandter sie
durch ihr physisches Leben dieser Glut geworden sind; je mehr sie es daher
nötig haben, in ihr geläutert zu werden. Man darf solche Läuterung
nicht in demselben Sinne als ein Leiden bezeichnen, wie man Ähnliches
in der Sinnenwelt nur als Leiden empfinden müßte. Denn
die Seele verlangt nach dem Tode nach ihrer Läuterung, weil
nur durch diese eine in ihr bestehende Unvollkommenheit getilgt werden
kann.
Eine zweite Art von Vorgängen der Seelenwelt
ist so, daß sich Sympathie und Antipathie bei ihnen das Gleichgewicht
halten. Insofern eine Menschenseele in dem gleichen Zustande nach dem Tode
ist, wird sie eine Zeitlang von diesen Vorgängen beeinflußt.
Das Aufgehen im äußeren Tand des Lebens, die Freude an den vorüberflutenden
Eindrücken der Sinne bedingen diesen Zustand. Die Menschen leben in
ihm, insofern er durch die angedeuteten Seelenneigungen bedingt ist. Sie
lassen sich von jeder Nichtigkeit des Tages beeinflussen. Da aber ihre
Sympathie sich keinem Dinge in besonderem Maße zuwendet, gehen die
Einflüsse rasch vorüber. Alles, was nicht diesem nichtigen Reich
angehört, ist solchen Personen antipathisch. Erlebt nun nach dem Tode
die Seele diesen Zustand, ohne daß die sinnlich-physischen Dinge
da sind, die zu seiner Befriedigung notwendig gehören, so muß
er endlich verlöschen. Natürlich ist die Entbehrung, die vor
dem völligen Erlöschen in der Seele herrscht, leidvoll. Diese
leidvolle Lage ist die Schule zur Zerstörung der Illusion, in die
der Mensch während des physischen Lebens eingehüllt ist.
Drittens kommen in der Seelenwelt die Vorgänge
in Betracht mit vorherrschender Sympathie, diejenigen mit vorherrschender
Wunschnatur. Ihre Wirkung erfahren die Seelen durch alles das, was eine
Atmosphäre von Wünschen nach dem Tode erhält. Auch diese
Wünsche ersterben allmählich wegen der Unmöglichkeit ihrer
Befriedigung.
Die Region der Lust und Unlust in der Seelenwelt,
die oben als die vierte bezeichnet worden ist, legt der Seele besondere
Prüfungen auf. Solange diese im Leibe wohnt, nimmt sie an allem teil,
was diesen Leib betrifft. Das Weben von Lust und Unlust ist an diesen geknüpft.
Er verursacht ihr Wohlgefühl und Behagen, Unlust und Unbehagen. Der
Mensch empfindet während des physischen Lebens seinen Körper
als sein Selbst. Das, was man Selbstgefühl nennt, gründet
sich auf diese Tatsache. Und je sinnlicher die Menschen veranlagt sind,
desto mehr nimmt ihr Selbstgefühl diesen Charakter an. – Nach dem
Tode fehlt der Leib als Gegenstand dieses Selbstgefühls. Die Seele,
welcher dieses Gefühl geblieben ist, fühlt sich deshalb wie ausgehöhlt.
Ein Gefühl, wie wenn sie sich selbst verloren hätte, befällt
sie. Dieses hält so lange an, bis erkannt ist, daß im Physischen
nicht der wahre Mensch liegt. Die Einwirkungen dieser vierten Region zerstören
daher die Illusion des leiblichen Selbst. Die Seele lernt diese Leiblichkeit
nicht mehr als etwas Wesentliches empfinden. Sie wird geheilt und geläutert
von dem Hang zu der Leiblichkeit. Dadurch hat sie überwunden, was
sie vorher stark an die physische Welt kettete, und sie kann die Kräfte
der Sympathie, die nach außen gehen, voll entfalten. Sie ist sozusagen
von sich abgekommen und bereit, teilnahmsvoll sich in die allgemeine Seelenwelt
zu ergießen.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß
die Erlebnisse dieser Region im besonderen Maße Selbstmörder
durchmachen. Sie verlassen auf künstlichem Wege ihren physischen Leib,
während doch alle Gefühle, die mit diesem zusammenhängen,
unverändert bleiben. Beim natürlichen Tode geht mit dem Verfall
des Leibes auch ein teilweises Ersterben der an ihn sich heftenden Gefühle
einher. Bei Selbstmördern kommen dann noch zu der Qual, die ihnen
das Gefühl der plötzlichen Aushöhlung verursacht, die unbefriedigten
Begierden und Wünsche, wegen deren sie sich entleibt haben.
Die fünfte Stufe der Seelenwelt ist die des
Seelenlichtes. Die Sympathie mit anderem hat in ihr bereits eine
hohe Geltung. Mit ihr sind die Seelen verwandt, insofern sie während
des physischen Lebens nicht in der Befriedigung niederer Bedürfnisse
aufgegangen sind, sondern Freude, Lust an ihrer Umwelt gehabt haben. Die
Naturschwärmerei, insofern sie einen sinnlichen Charakter an sich
getragen hat, unterliegt zum Beispiel hier der Läuterung. Man muß
aber diese Art von Naturschwärmerei wohl unterscheiden von
jenem höheren Leben in der Natur, das geistiger Art ist und welches
den Geist sucht, der sich in den Dingen und Vorgängen der Natur offenbart.
Diese Art von Natursinn gehört zu den Dingen, die den Geist selbst
entwickeln und die ein Bleibendes in diesem Geiste begründen. Von
diesem Natursinn ist aber eine solche Lust an der Natur zu unterscheiden,
die ihren Grund in den Sinnen hat. Dieser gegenüber bedarf die Seele
ebenso der Läuterung wie gegenüber anderen Neigungen, die im
bloßen physischen Dasein begründet sind. Viele Menschen sehen
in Einrichtungen, die der sinnlichen Wohlfahrt dienen, in einem Erziehungssystem,
das vor allem sinnliches Behagen herbeigeführt, eine Art Ideal. Von
ihnen kann man nicht sagen, daß sie nur ihren selbstsüchtigen
Trieben dienen. Aber ihre Seele ist doch auf die Sinnenwelt gerichtet und
muß durch die in der fünften Region der seelischen Welt herrschende
Kraft der Sympathie, der diese äußeren Befriedigungsmittel fehlen,
geheilt werden. Die Seele erkennt hier allmählich, daß diese
Sympathie andere Wege nehmen muß. Und diese Wege werden gefunden
in der durch die Sympathie mit der Seelenumgebung bewirkten Ausgießung
der Seele in den Seelenraum. – Auch diejenigen Seelen, welche von ihren
religiösen Verrichtungen zunächst eine Erhöhung ihrer sinnlichen
Wohlfahrt verlangen, werden hier geläutert. Sei es, daß ihre
Sehnsucht auf ein irdisches, sei es, daß sie auf ein himmlisches
Paradies gehe. Sie finden im «Seelenlande» dieses Paradies;
aber nur zu dem Zwecke, um die Wertlosigkeit desselben zu durchschauen.
Alles das sind natürlich nur einzelne Beispiele für Läuterungen,
die in dieser fünften Region stattfinden. Sie könnten beliebig
vermehrt werden.
Durch die sechste Region, diejenige der tätigen
Seelenkraft, findet die Läuterung des tatendurstigen Teiles der
Seele statt, der nicht einen egoistischen Charakter trägt, doch aber
in der sinnlichen Befriedigung, welche die Taten bringen, seine Motive
hat. Naturen, die eine solche Tatenlust entwickeln, machen äußerlich
durchaus den Eindruck von Idealisten, sie zeigen sich als aufopferungsfähige
Personen. Im tieferen Sinne kommt es ihnen aber doch auf die Erhöhung
eines sinnlichen Lustgefühls an. Viele künstlerische Naturen
und solche, welche sich wissenschaftlicher Betätigung hingeben, weil
es ihnen so gefällt, gehören hierher. Was diese an die physische
Welt kettet, das ist der Glaube, daß Kunst und Wissenschaft um eines
solchen Gefallens willen da seien.
Die siebente Region, die des eigentlichen Seelenlebens,
befreit den Menschen von seinen letzten Hinneigungen zur sinnlich-physischen
Welt. Jede vorhergehende Region nimmt von der Seele das auf, was ihr verwandt
ist. Was nun noch den Geist umgibt, das ist die Meinung, daß seine
Tätigkeit der sinnlichen Welt ganz gewidmet sein soll. Es gibt hochbegabte
Persönlichkeiten, die aber über nicht viel anderes nachsinnen
als über die Vorgänge der physischen Welt. Man kann einen solchen
Glauben einen materialistischen nennen. Dieser Glaube muß zerstört
werden, und er wird es in der siebenten Region. Da sehen die Seelen, daß
keine Gegenstände für materialistische Gesinnung in der wahren
Wirklichkeit vorhanden sind. Wie Eis in der Sonne schmilzt dieser Glaube
der Seele hier dahin. Das Seelenwesen ist nunmehr aufgesogen von seiner
Welt, der Geist aller Fesseln ledig. Er schwingt sich auf in die Regionen,
wo er nur in seiner eigenen Umgebung lebt. – Die Seele hat ihre vorige
Erdenaufgabe erfüllt, und es hat sich nach dem Tode gelöst, was
von dieser Aufgabe als eine Fessel für den Geist geblieben ist. Indem
die Seele den Erdenrest überwunden hat, ist sie selbst ihrem Elemente
zurückgegeben.
Man sieht aus dieser Darstellung, daß die
Erlebnisse der seelischen Welt, und damit auch die Zustände des seelischen
Lebens nach dem Tode, ein immer weniger der Seele widerstrebendes Aussehen
gewinnen, je mehr der Mensch von dem abgestreift hat, was ihm von der irdischen
Verbindung mit der physischen Körperlichkeit an unmittelbarer Verwandtschaft
mit dieser anhaftet. – Je nach den im physischen Leben geschaffenen Vorbedingungen
wird die Seele länger oder kürzer der einen oder anderen Region
angehören. Wo sie Verwandtschaft fühlt, bleibt sie so lange,
bis diese getilgt ist. Wo keine Verwandtschaft vorhanden ist, geht sie
unfühlend über die möglichen Einwirkungen hinweg. Es sollten
hier nur die Grundeigenschaften der Seelenwelt geschildert und der Charakter
des Lebens der Seele in dieser Welt in allgemeinen Zügen dargestellt
werden. Dasselbe gilt für die folgenden Darstellungen des Geisterlandes.
Es würde die Grenzen, welche dieses Buch einhalten soll, überschreiten,
wenn auf weitere Eigenschaften dieser höheren Welten eingegangen werden
sollte. Denn von dem, was sich mit Raumverhältnissen und dem Zeitverlauf
vergleichen läßt, in bezug auf die hier alles ganz anders ist
als in der physischen Welt, kann nur verständlich gesprochen werden,
wenn man es in ganz ausführlicher Art darstellen will. Einiges Wichtige
darüber findet man in meiner «Geheimwissenschaft».
Rudolf
Steiner:
Theosophie
Einführung
in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung
Vorrede
1910 * Vorrede 1914
* Vorrede 1918
Einleitung
Das
Wesen des Menschen
I.
Die leibliche Wesenheit des Menschen
II.
Die seelische Wesenheit des Menschen
III.
Die geistige Wesenheit des Menschen
IV.
Leib, Seele und Geist
Wiederverkörperung
des Geistes und Schicksal
(Reinkarnation
und Karma)
Die drei
Welten
I.
Die Seelenwelt
II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland
IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
Der Pfad der
Erkenntnis
Einzelne
Bemerkungen und Ergänzungen
*
* *
*
* *
*
°
pagina domestica editoris /
index / links /
lapsit exillis (index) * emaille?!
-
° Rgveda,
Yoga-Sutras,
Bhagavad-Gita;
Genesis, Johannes-Evangelium
.
- ° Thomas von Aquin:
Summa
Theol. prima pars qu.2: IST Gott? Fünf
Gottesbeweise
. – ° Jakob
Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang
: Philipp Otto Runge: Der Morgen
. – ° Joh.
Val. Andreae: Die chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz
. – ° Novalis:
Die Lehrlinge zu Sais; Schelling:
Die Weltalter (Einleitung)
. – ° Wolfram
/ Chretien /
Wagner: Parzival/ Parsifal und
der Gral
. – ° Feuerprobe
und Lebensschrift-Chiffre: Von dem Machandelboom
. – ° Anthroposophie-links
Rudolf
Steiner : Theosophie : Die drei Welten : Die Seelenwelt : Die Seele
in der Seelenwelt nach dem Tode