Rudolf Steiner : Theosophie
: Die drei Welten : Das Geisterland : Der Geist im Geisterland nach dem
Tode
Rudolf
Steiner:
Theosophie
DIE DREI WELTEN
I.
Die Seelenwelt * II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland * IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
III. Das Geisterland
Bevor nun der Geist auf seiner weiteren Wanderung
betrachtet werden kann, muß das Gebiet selbst erst beobachtet werden,
das er betritt. Es ist die «Welt des Geistes». Diese Welt ist
der physischen so unähnlich, daß alles das, was über sie
gesagt wird, demjenigen wie Phantastik vorkommen muß, der nur seinen
physischen Sinnen vertrauen will. Und in noch höherem Maße gilt
hier, was schon bei der Betrachtung der «Welt der Seele» gesagt
worden ist: man muß sich der Gleichnisse bedienen, um zu schildern.
Denn unsere Sprache, die zumeist nur der sinnlichen Wirklichkeit dient,
ist mit Ausdrücken, die sich für das «Geisterland»
unmittelbar anwenden lassen, nicht gerade reich gesegnet. Besonders hier
muß daher gebeten werden, manches, was gesagt wird, nur als Andeutung
zu verstehen. Es ist alles, was hier beschrieben wird, der physischen
Welt so unähnlich, daß es nur in dieser Weise geschildert werden
kann. Der Schreiber dieser Darstellung ist sich immer bewußt, wie
wenig seine Angaben wegen der Unvollkommenheit unserer für die physische
Welt berechneten sprachlichen Ausdrucksmittel wirklich der Erfahrung auf
diesem Gebiete gleichen können.
Vor allen Dingen muß betont werden, daß
diese Welt aus dem Stoffe (auch das Wort «Stoff» ist natürlich
hier in einem sehr uneigentlichen Sinne gebraucht) gewoben ist, aus dem
der menschliche Gedanke besteht. Aber so wie der Gedanke im Menschen lebt,
ist er nur ein Schattenbild, ein Schemen seiner wirklichen Wesenheit. Wie
der Schatten eines Gegenstandes an einer Wand sich zum wirklichen Gegenstand
verhält, der diesen Schatten wirft, so verhält sich der Gedanke,
der durch den menschlichen Kopf erscheint, zu der Wesenheit im «Geisterland»,
die diesem Gedanken entspricht. Wenn nun der geistige Sinn des Menschen
erweckt ist, dann nimmt er diese Gedankenwesenheit wirklich wahr, wie das
sinnliche Auge einen Tisch oder einen Stuhl wahrnimmt. Er wandelt in einer
Umgebung von Gedankenwesen. Das sinnliche Auge nimmt den Löwen wahr
und das auf Sinnliches gerichtete Denken bloß den Gedanken
des Löwen als ein Schemen, als ein schattenhaftes Bild. Das geistige
Auge sieht im «Geisterland» den Gedanken des Löwen
so wirklich wie das sinnliche den physischen Löwen. Wieder kann hier
auf das schon bezüglich des «Seelenlandes» gebrauchte
Gleichnis verwiesen werden. Wie dem operierten Blindgeborenen auf einmal
seine Umgebung mit den neuen Eigenschaften der Farben und Lichter erscheint,
so erscheint dem jenigen, der sein geistiges Auge gebrauchen lernt, die
Umgebung mit einer neuen Welt erfüllt, mit der Welt lebendiger
Gedanken oder Geistwesen. – In dieser Welt sind nun zunächst die
geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen zu sehen, die in der physischen
und in der seelischen Welt vorhanden sind. Man denke sich das Bild eines
Malers im Geiste vorhanden, bevor es gemalt ist. Dann hat man ein Gleichnis
dessen, was mit dem Ausdruck Urbild gemeint ist. Es kommt hier nicht darauf
an, daß der Maler ein solches Urbild vielleicht nicht im Kopfe hat,
bevor er malt; daß es erst während der praktischen Arbeit nach
und nach vollständig entsteht. In der wirklichen «Welt des Geistes»
sind solche Urbilder für alle Dinge vorhanden, und die physischen
Dinge und Wesenheiten sind Nachbilder dieser Urbilder. – Wenn derjenige,
welcher nur seinen äußeren Sinnen vertraut, diese urbildliche
Welt leugnet und behauptet, die Urbilder seien nur Abstraktionen, die der
vergleichende Verstand von den sinnlichen Dingen gewinnt, so ist das begreiflich;
denn ein solcher kann eben in dieser höheren Welt nicht wahrnehmen;
er kennt die Gedankenwelt nur in ihrer schemenhaften Abstraktheit. Er weiß
nicht, daß der geistig Schauende mit den Geisteswesen so vertraut
ist wie er selbst mit seinem Hunde oder seiner Katze und daß die
Urbilderwelt eine weitaus intensivere Wirklichkeit hat als die sinnlich-physische.
Allerdings ist der erste Einblick in dieses «Geisterland»
noch verwirrender als derjenige in die seelische Welt. Denn die Urbilder
in ihrer wahren Gestalt sind ihren sinnlichen Nachbildem sehr unähnlich.
Ebenso unähnlich sind sie aber auch ihren Schatten, den abstrakten
Gedanken. – In
der geistigen Welt ist alles in fortwährender beweglicher Tätigkeit,
in unaufhörlichem Schaffen. Eine Ruhe, ein Verweilen an einem Orte,
wie sie in der physischen Welt vorhanden sind, gibt es dort nicht. Denn
die Urbilder sind schaf/ende Wesenheiten. Sie sind die Werkmeister
alles dessen, was in der physischen und seelischen Welt entsteht. Ihre
Formen sind rasch wechselnd; und in jedem Urbild liegt die Möglichkeit,
unzählige besondere Gestalten anzunehmen. Sie lassen gleichsam die
besonderen Gestalten aus sich hervorsprießen; und kaum ist die eine
erzeugt, so schickt sich das Urbild an, eine nächste aus sich hervorquellen
zu lassen. Und die Urbilder stehen miteinander in mehr oder weniger verwandtschaftlicher
Beziehung. Sie wirken nicht vereinzelt. Das eine bedarf der Hilfe des andern
zu seinem Schaffen. Unzählige Urbilder wirken oft zusammen, damit
diese oder jene Wesenheit in der seelischen oder physischen Welt entstehe.
Außer dem, was durch «geistiges Sehen»
in diesem «Geisterlande» wahrzunehmen ist, gibt es hier noch
etwas anderes, das als Erlebnis des «geistigen Hörens»
zu betrachten ist. Sobald nämlich der «Hellsehende» aufsteigt
aus dem Seelen- in das Geisterland, werden die wahrgenommenen Urbilder
auch klingend. Dieses «Klingen» ist ein rein geistiger
Vorgang. Es muß ohne alles Mitdenken eines physischen Tones vorgestellt
werden. Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meere von Tönen.
Und in diesen Tönen, in diesem geistigen Klingen drücken sich
die Wesenheiten der geistigen Welt aus. In ihrem Zusammenklingen, ihren
Harmonien, Rhythmen und Melodien prägen sich die Urgesetze ihres Daseins,
ihre gegenseitigen Verhältnisse und Verwandtschaften aus. Was in der
physischen Welt der Verstand als Gesetz, als Idee wahrnimmt, das stellt
sich für das «geistige Ohr» als ein Geistig-Musikalisches
dar. (Die Pythagoreer nannten daher diese Wahrnehmung der geistigen Welt
«Sphärenmusik».
Dem Besitzer des «geistigen Ohres» ist diese «Sphärenmusik»
nicht bloß etwas Bildliches, Allegorisches, sondern eine ihm wohlbekannte
geistige Wirklichkeit.) Man muß nur, wenn man einen Begriff
von dieser «geistigen Musik» erhalten will, alle Vorstellungen
von sinnlicher Musik beseitigen, wie sie durch das «stoffliche Ohr»
wahrgenommen wird. Es handelt sich hier eben um «geistige Wahrnehmung»,
also um eine solche, die stumm bleiben muß für das «sinnliche
Ohr». In den folgenden Beschreibungen des «Geisterlandes»
sollen der Einfachheit halber die Hinweise auf diese «geistige Musik»
weggelassen werden. Man hat sich nur vorzustellen, daß alles, was
als «Bild», als ein «Leuchtendes» beschrieben wird,
zugleich ein Klingendes ist. Jeder Farbe, jeder Lichtwahrnehmung
entspricht ein geistiger Ton, und jedem Zusammenwirken von Farben entspricht
eine Harmonie, eine Melodie und so weiter. Man muß sich nämlich
durchaus vergegenwärtigen, daß auch da, wo das Tönen herrscht,
das Wahrnehmen des «geistigen Auges» nicht etwa aufhört.
Es kommt eben das Tönen zu dem Leuchten nur hinzu. Wo von «Urbildern»
in dem Folgenden gesprochen wird, sind also die «Urtöne»
hinzuzudenken. Auch andere Wahrnehmungen kommen hinzu, die gleichnisartig
als «geistiges Schmecken» und so weiter bezeichnet werden können.
Doch soll hier auf diese Vorgänge nicht eingegangen werden, da es
sich darum handelt, eine Vorstellung von dem «Geisterlande»
durch einige aus dem Ganzen herausgegriffene Wahrnehmungsarten in demselben
zu erwecken.
Nun ist zunächst notwendig, die verschiedenen
Arten der Urbilder voneinander zu unterscheiden. Auch im «Geisterland»
hat man eine Anzahl von Stufen oder Regionen auseinanderzuhalten, um sich
zu orientieren. Auch hier sind, wie in der «Seelenwelt», die
einzelnen Regionen nicht etwa schichtenweise übereinandergelagert
zu denken, sondern sich gegenseitig durchdringend und durchsetzend. Die
erste Region enthält die Urbilder der physischen Welt, insofern
diese nicht mit Leben begabt ist. Die Urbilder der Mineralien sind hier
zu finden, ferner die der Pflanzen; diese aber nur insofern, als sie rein
physisch sind; also insofern man auf das Leben in ihnen keine Rücksicht
nimmt. Ebenso trifft man hier die physischen Tier- und Menschenformen an.
Damit soll dasjenige nicht erschöpft sein, was sich in dieser Region
befindet; es soll nur durch naheliegende Beispiele illustriert werden.
– Diese Region bildet das Grundgerüst des «Geisterlandes».
Es kann verglichen werden mit dem festen Land unserer physischen Erde.
Es ist die Kontinentalmasse des «Geisterlandes». Seine Beziehung
zur physisch-körperlichen Welt kann nur vergleichsweise beschrieben
werden. Man bekommt eine Vorstellung davon etwa durch folgendes: Man denke
sich irgendeinen begrenzten Raum mit physischen Körpern der mannigfaltigsten
Art ausgefüllt. Und nun denke man sich diese physischen Körper
weg und an ihrer Stelle Hohlräume in ihren Formen. Die früher
leeren Zwischenräume denke man sich aber mit den mannigfaltigsten
Formen erfüllt, die zu den früheren Körpern in mannigfachen
Beziehungen stehen. –So etwa sieht es in der niedrigsten Region der Urbilderwelt
aus. In ihr sind die Dinge und Wesen, die in der physischen Welt verkörpert
werden, als «Hohlräume» vorhanden. Und in den Zwischenräumen
spielt sich die bewegliche Tätigkeit der Urbilder (und der «geistigen
Musik») ab. Bei der physischen Verkörperung werden nun die Hohlräume
gewissermaßen mit physischem Stoffe erfüllt. Wer zugleich mit
physischem und geistigem Auge in den Raum schaute, sähe die physischen
Körper und dazwischen die bewegliche Tätigkeit der schaffenden
Urbilder. Die Zweite Region des «Geisterlandes» enthält
die Urbilder des Lebens. Aber dieses Leben bildet hier eine vollkommene
Einheit. Als flüssiges Element durchströmt es die Welt des Geistes,
gleichsam als Blut alles durchpulsend. Es läßt sich mit dem
Meere und den Gewässern der physischen Erde vergleichen. Seine Verteilung
ist allerdings ähnlicher der Verteilung des Blutes in dem tierischen
Körper als derjenigen der Meere und Flüsse. Fließendes
Leben, aus Gedankenstoff gebildet, so könnte man diese zweite Stufe
des «Geisterlandes» bezeichnen. In diesem Element liegen die
schaffenden Urkräfte für alles, was in der physischen Wirklichkeit
als belebte Wesen auftritt. Hier zeigt es sich, daß alles Leben eine
Einheit ist, daß das Leben in dem Menschen verwandt ist mit dem Leben
aller seiner Mitgeschöpfe.
Als dritte Region des «Geisterlandes»
müssen die Urbilder alles Seelischen bezeichnet werden. Man befindet
sich hier in einem viel dünneren und feineren Element als in den beiden
ersten Regionen. Vergleichsweise kann es als der Luftkreis des «Geisterlandes»
bezeichnet werden. Alles, was in den Seelen der beiden anderen Welten vorgeht,
hat hier sein geistiges Gegenstück. Alle Empfindungen, Gefühle,
Instinkte, Leidenschaften und so weiter sind hier auf geistige Art noch
einmal vorhanden. Die atmosphärischen Vorgänge in diesem Luftkreise
entsprechen den Leiden und Freuden der Geschöpfe in den andern Welten.
Wie ein leises Wehen erscheint hier das Sehnen einer Menschenseele; wie
ein stürmischer Luftzug ein leidenschaftlicher Ausbruch. Wer über
das hier in Betracht Kommende sich Vorstellungen bilden kann, der dringt
tief ein in das Seufzen einer jeglichen Kreatur, wenn er seine Aufmerksamkeit
darauf richtet. Man kann hier zum Beispiel sprechen von stürmischen
Gewittern mit zuckenden Blitzen und rollendem Donner; und geht man der
Sache weiter nach, so findet man, daß sich in solchen «Geistergewittern»
die Leidenschaften einer auf der Erde geschlagenen Schlacht ausdrücken.
Die Urbilder der vierten Region beziehen sich nicht
unmittelbar auf die andern Welten. Sie sind in gewisser Beziehung Wesenheiten,
welche die Urbilder der drei unteren Regionen beherrschen und deren Zusammentritt
vermitteln. Sie sind daher beschäftigt mit dem Ordnen und Gruppieren
dieser untergeordneten Urbilder. Von dieser Region geht demnach eine umfassendere
Tätigkeit aus als von den unteren.
Die fünfte, sechste und siebente Region unterscheiden
sich wesentlich von den vorhergehenden. Denn die in ihnen befindlichen
Wesenheiten liefern den Urbildern der unteren Regionen die Antriebe zu
ihrer Tätigkeit. In ihnen findet man die Schöpferkräfte
der Urbilder selbst. Wer zu diesen Regionen aufzusteigen vermag, der macht
Bekanntschaft mit den «Absichten» [Daß
solche Bezeichnungen wie «Absichten» auch nur als «Gleichnisse»
gemeint sind, ist aus dem oben über die Schwierigkeiten des sprachlichen
Ausdrucks Gesagten selbstverständlich. An ein Aufwärmen der
alten «Zweckmäßigkeitslehre» ist nicht gedacht.],
die unserer Welt zugrunde liegen. Wie lebendige Keimpunkte liegen hier
noch die Urbilder bereit, um die mannigfaltigsten Formen von Gedankenwesen
anzunehmen. Werden diese Keimpunkte in die unteren Regionen geführt,
dann quellen sie gleichsam auf und zeigen sich in den mannigfaltigsten
Gestalten. Die Ideen, durch die der menschliche Geist in der physischen
Welt schöpferisch auftritt, sind der Abglanz, der Schatten dieser
Keimgedankenwesen der höheren geistigen Welt. Der Beobachter mit dem
«geistigen Ohr», welcher von den unteren Regionen des «Geisterlandes»
zu diesen oberen aufsteigt, wird gewahr, wie sich das Klingen und Tönen
in eine «geistige Sprache» umsetzt. Er beginnt das «geistige
Wort» wahrzunehmen, durch das für ihn nun nicht allein die Dinge
und Wesenheiten ihre Natur durch Musik kundgeben, sondern in
«Worten» ausdrücken. Sie sagen ihm, wie man das in
der Geisteswissenschaft nennen kann, ihre «ewigen Namen».
Man hat sich vorzustellen, daß diese Gedankenkeimwesen
zusammengesetzter Natur sind. Aus dem Elemente der Gedankenwelt ist gleichsam
nur die Keimhülle genommen. Und diese umschließt den eigentlichen
Lebenskern. Damit sind wir an die Grenze der «drei Welten»
gelangt, denn der Kern stammt aus noch höheren Welten. Als der Mensch,
seinen Bestandteilen nach, in einem vorangehenden Abschnitt beschrieben
worden ist, wurde für ihn dieser Lebenskern angegeben und der «Lebensgeist»
und «Geistesmensch» als seine Bestandteile genannt. Auch für
andere Weltwesenheiten sind ähnliche Lebenskerne vorhanden. Sie stammen
aus höheren Welten und werden in die drei angegebenen versetzt, um
ihre Aufgaben darin zu vollbringen. – Hier soll nun die weitere Pilgerfahrt
des menschlichen Geistes durch das «Geisterland» zwischen zwei
Verkörperungen oder Inkarnationen verfolgt werden. Dabei werden die
Verhältnisse und Eigentümlichkeiten dieses «Landes»
noch einmal klar hervortreten.
IV.
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
Wenn der Menschengeist auf seinem Wege zwischen
zwei Verkörperungen die «Welt der Seelen» durchwandert
hat, dann betritt er das «Land der Geister», um da zu verbleiben,
bis er zu einem neuen leiblichen Dasein reif ist. Den Sinn dieses Aufenthaltes
im «Geisterland» versteht man nur, wenn man die Aufgabe der
Lebenspilgerfahrt des Menschen durch seine Verkörperung hindurch in
der richtigen Art zu deuten weiß. Während der Mensch im physischen
Leibe verkörpert ist, wirkt und schafft er in der physischen Welt.
Und er wirkt und schafft in ihr als geistiges Wesen. Was sein Geist ersinnt
und ausbildet, das prägt er den physischen Formen, den körperlichen
Stoffen und Kräften ein. Er hat also als ein Bote der geistigen Welt
den Geist der Körperwelt einzuverleiben. Nur dadurch, daß er
sich verkörpert, kann der Mensch in der Körperwelt wirken. Er
muß den physischen Leib als sein Werkzeug annehmen, damit er durch
das Körperliche auf Körperliches wirken und damit Körperliches
auf ihn wirken kann. Was aber durch diese physische Körperlichkeit
des Menschen hindurchwirkt, das ist der Geist. Von diesem gehen
die Absichten, die Richtungen aus für das Wirken in der physischen
Welt. – Solange nun der Geist im physischen Leibe wirkt, kann er als Geist
nicht in seiner wahren Gestalt leben. Er kann gleichsam nur durch den Schleier
des physischen Daseins hindurchscheinen. Das menschliche Gedankenleben
gehört nämlich in Wahrheit der geistigen Welt an; und so, wie
es im physischen Dasein auftritt, ist seine wahre Gestalt verschleiert.
Man kann auch sagen, das Gedankenleben des physischen Menschen sei ein
Schattenbild, ein Abglanz der wahren geistigen Wesenheit, zu der es gehört.
So tritt während des physischen Lebens der Geist auf der Grundlage
des physischen Körpers mit der irdischen Körperwelt in Wechselwirkung.
Wenn nun auch gerade in dem Wirken auf die physische Körperwelt eine
der Aufgaben des Menschengeistes liegt, solange er von Verkörperung
zu Verkörperung schreitet, so könnte er doch diese Aufgabe keineswegs
entspre chend erfüllen, wenn er nur im leiblichen Dasein lebte. Denn
die Absichten und Ziele der irdischen Aufgabe werden ebensowenig innerhalb
der irdischen Verkörperung ausgebildet und gewonnen, wie der Plan
eines Hauses auf dem Bauplatz zustande kommt, auf dem die Arbeiter wirken.
Wie dieser Plan im Büro des Architekten ausgearbeitet wird, so werden
die Ziele und Absichten des irdischen Schaffens «im Lande der Geister»
ausgebildet. – Der Geist des Menschen muß in diesem Lande immer wieder
zwischen zwei Verkörperungen leben, um, gerüstet mit dem, was
er sich von da mitbringt, an die Arbeit in dem physischen Leben herantreten
zu können. Wie der Architekt, ohne die Ziegel und den Mörtel
zu bearbeiten, in seiner Arbeitsstube den Hausplan verfertigt nach Maßgabe
der baukünstlerischen und anderer Gesetze, so muß der Architekt
des menschlichen Schaffens, der Geist oder das höhere Selbst, im «Geisterland»
die Fähigkeiten und Ziele nach den Gesetzen dieses Landes ausbilden,
um sie dann in die irdische Welt überzuführen. Nur wenn der Menschengeist
immer wieder und wieder in seinem eigenen Bereich sich aufhält, wird
er auch durch die physisch-körperlichen Werkzeuge in die irdische
Welt den Geist tragen können. – Auf dem physischen Schauplatz lernt
der Mensch die Eigenschaften und Kräfte der physischen Welt kennen.
Er sammelt da während des Schaffens die Erfahrungen darüber,
was für Anforderungen die physische Welt an den stellt, der in ihr
arbeiten will. Er lernt da gleichsam die Eigenschaften des Stoffes kennen,
in dem er seine Gedanken und Ideen verkörpern will. Die Gedanken und
Ideen selbst kann er nicht aus dem Stoff heraussaugen. So ist die irdische
Welt zugleich der Schauplatz des Schaffens und des Lernens. Im «Geisterland»
wird dann das Gelernte in lebendige Fähigkeit des Geistes umgebildet.
Man kann den obigen Vergleich fortsetzen, um die Sache sich zu verdeutlichen.
Der Architekt arbeitet den Plan eines Hauses aus. Dieser wird ausgeführt.
Dabei macht er eine Summe der mannigfaltigsten Erfahrungen. Alle diese
Erfahrungen steigern seine Fähigkeiten. Wenn er den nächsten
Plan ausarbeitet, fließen alle diese Erfahrungen mit ein. Und dieser
nächste Plan erscheint gegenüber dem ersten bereichert um alles
das, was an dem vorigen gelernt worden ist. So ist es mit den aufeinanderfolgenden
menschlichen Lebensläufen. In den Zwischenzeiten zwischen den Verkörperungen
lebt der Geist in seinem eigenen Bereich. Er kann sich ganz den Anforderungen
des Geisteslebens hingeben; er bildet sich, befreit von der physischen
Körperlichkeit, nach allen Seiten aus und arbeitet in diese seine
Bildung die Früchte der Erfahrungen seiner früheren Lebensläufe
hinein. So ist sein Blick immer auf den Schauplatz seiner irdischen Aufgaben
gerichtet, so arbeitet er stets daran, die Erde, insofern diese der Platz
seines Wirkens ist, durch die ihr notwendige Entwickelung hindurch zu verfolgen.
Er arbeitet an sich, um bei jedesmaliger Verkörperung dem Zustande
der Erde entsprechend seine Dienste im irdischen Wandel leisten zu können.
– Dies ist allerdings nur ein allgemeines Bild von den aufeinanderfolgenden
menschlichen Lebensläufen. Und die Wirklichkeit wird mit diesem Bilde
niemals ganz, sondern nur mehr oder weniger übereinstimmen. Die Verhältnisse
können es mit sich bringen, daß ein folgendes Leben eines Menschen
viel unvollkommener ist als ein vorhergehendes. Allein im ganzen und großen
gleichen sich in den aufeinanderfolgenden Lebensläufen solche Unregelmäßigkeiten
innerhalb bestimmter Grenzen wieder aus.
Die Bildung des Geistes im «Geisterland»
geschieht dadurch, daß der Mensch sich in die verschiedenen Regionen
dieses Landes einlebt. Sein eigenes Leben verschmilzt in entsprechender
Aufeinanderfolge mit diesen Regionen; er nimmt vorübergehend ihre
Eigenschaften an. Sie durchdringen dadurch sein Wesen mit ihrem Wesen,
auf daß ersteres dann mit dem letzteren gestärkt im Irdischen
wirken könne. – In der ersten Region des «Geisterlandes»
ist der Mensch umgeben von den geistigen Urbildem der irdischen Dinge.
Während des Erdenlebens lernt er ja nur die Schatten dieser Urbilder
kennen, die er in seinen Gedanken erfaßt. Was auf der Erde bloß
gedacht wird, das wird in dieser Region erlebt. Der Mensch wandelt unter
Gedanken, aber diese Gedanken sind wirkliche Wesenheiten. Was er während
des Erdenlebens mit seinen Sinnen wahrgenommen hat, das wirkt auf ihn jetzt
in seiner Gedankenform. Aber der Gedanke erscheint nicht als der Schatten,
der sich hinter den Dingen verbirgt, sondern er ist lebensvolle Wirklichkeit,
welche die Dinge erzeugt. Der Mensch ist gleichsam in der Gedankenwerkstätte,
in der die irdischen Dinge geformt und gebildet werden. Denn im «Lande
des Geistes» ist alles lebensvolle Tätigkeit und Regsamkeit.
Hier ist die Gedankenwelt am Werke als Welt lebendiger Wesen, schöpferisch
und bildend. Man sieht da, wie das gebildet wird, was man im Erdendasein
erlebt hat. Wie man im physischen Leibe die sinnlichen Dinge als Wirklichkeit
erlebt, so erlebt man jetzt als Geist die geistigen Bildungskräfte
als wirklich Unter den Gedankenwesen, die da vorhanden sind, ist auch der
Gedanke der eigenen physischen Leiblichkeit. Dieser fühlt man sich
entrückt. Nur die geistige Wesenheit empfindet man als zu sich gehörig.
Und wenn man den abgelegten Leib, wie in der Erinnerung, nicht mehr als
physisch, sondern als Gedankenwesen gewahr wird, dann tritt schon in der
Anschauung seine Zugehörigkeit zur äußeren Welt hervor.
Man lernt ihn als etwas zur Außenwelt Gehöriges betrachten,
als ein Glied dieser Außenwelt. Man trennt folglich nicht mehr seine
Leiblichkeit von der anderen Außenwelt als etwas dem eigenen Selbst
näher Verwandtes ab. Man fühlt in der gesamten Außenwelt
mit Einschluß der eigenen leiblichen Verkörperungen eine Einheit.
Die eigenen Verkörperungen verschmelzen hier mit der übrigen
Welt zur Einheit. So blickt man hier auf die Urbilder der physisch-körperlichen
Wirklichkeit als auf eine Einheit, zu der man selbst gehört hat. Man
lernt deshalb nach und nach seine Verwandtschaft, seine Einheit mit der
Umwelt durch Beobachtung kennen. Man lernt zu ihr sagen: Das, was sich
hier um dich ausbreitet, das warst du selbst. –Das aber ist einer der Grundgedanken
der alten indischen Vedanta-Weisheit. Der «Weise» eignet sich
schon während des Erdenlebens das an, was der andere nach dem Tode
erlebt, nämlich den Gedanken zu fassen, daß er selbst mit allen
Dingen verwandt ist, den Gedanken: «Das
bist du.» Im irdischen Leben ist das ein Ideal, dem sich das
Gedankenleben hingeben kann; im «Lande der Geister» ist es
eine unmittelbare Tatsache, die uns durch die geistige Erfahrung immer
klarer wird. –Und der Mensch selbst wird in diesem Lande sich immer mehr
bewußt, daß er, seinem eigentlichen Wesen nach, der Geisterwelt
angehört. Er nimmt sich als Geist unter Geistern, als ein Glied der
Urgeister wahr, und er wird in sich selbst des Urgeistes Wort fühlen:
«Ich bin der Urgeist.» (Die Weisheit des Vedanta sagt: «Ich
bin Brahman», das heißt ich gehöre als ein Glied dem Urwesen
an, aus dem alle Wesen stammen. ) – Man sieht: was im Erdenleben als schattenhafter
Gedanke erfaßt wird und wohin alle Weisheit abzielt, das wird im
«Geisterland» unmittelbar erlebt. Ja es wird während des
Erdenlebens nur deswegen gedacht, weil es im geistigen Dasein eine Tatsache
ist.
So sieht der Mensch während seines geistigen
Daseins die Verhältnisse und Tatsachen, in denen er während des
Erdenlebens mitten drinnen steht, von einer höheren Warte aus, gleichsam
von außen. Und in der untersten Region des «Geisterlandes»
lebt er auf solche Art gegenüber den irdischen Verhältnissen,
die unmittelbar mit der physischen körperlichen Wirklichkeit zusammenhängen.
– Der Mensch ist auf der Erde in eine Familie, in ein Volk hineingeboren;
er lebt in einem gewissen Lande. Durch alle diese Verhältnisse wird
sein irdisches Dasein bestimmt. Er findet, weil es die Verhältnisse
in der physischen Welt mit sich bringen, diesen oder jenen Freund. Er treibt
diese oder jene Geschäfte. Alles das bestimmt seine irdischen Lebensverhältnisse.
Alles das tritt ihm nun während seines Lebens in der ersten Region
des «Geisterlandes» als lebendige Gedankenwesenheit entgegen.
Er durchlebt das alles in einer gewissen Art noch einmal. Aber er durchlebt
es von der tätig-geistigen Seite aus. Die Familienliebe, die er geübt
hat, die Freundschaft, die er entgegengebracht hat, werden in ihm von innen
aus lebendig, und seine Fähigkeiten werden in dieser Richtung gesteigert.
Dasjenige im Menschengeist, was als Kraft der Familien-, der Freundesliebe
wirkt, wird gestärkt. Er tritt in dieser Beziehung später als
ein vollkommenerer Mensch wieder ins irdische Dasein. – Es sind gewissermaßen
die alltäglichen Verhältnisse des Erdenlebens, die in dieser
untersten Region des «Geisterlandes» als Früchte reifen.
Und dasjenige im Menschen, das mit seinen Interessen ganz in diesen alltäglichen
Verhältnissen aufgeht, wird den längsten Teil des geistigen Lebens
zwischen zwei Verkörperungen mit dieser Region sich verwandt fühlen.
– Die Menschen, mit welchen man in der physischen Welt zusammengelebt hat,
findet man in der geistigen Welt wieder. Gleich wie von der Seele alles
abfällt, was ihr durch den physischen Leib eigen war, so löst
sich auch das Band, das im physischen Leben Seele und Seele verknüpft,
von den Bedingungen los, welche nur in der physischen Welt Bedeutung und
Wirksamkeit haben. Doch setzt sich über den Tod hinaus alles – in
die geistige Welt hinein – fort, was im physischen Leben Seele der Seele
war. Es ist naturgemäß, daß Worte, welche für physische
Verhältnisse geprägt sind, nur ungenau wiedergeben können,
was in der geistigen Welt vorgeht. Sofern aber dieses in Betracht gezogen
wird, so darf es durchaus als richtig bezeichnet werden, wenn gesagt wird:
die im physischen Leben zusammengehörigen Seelen finden sich in der
geistigen Welt wieder, um ihr Zusammenleben da in entsprechender Weise
fortzusetzen. – Die nächste Region ist diejenige, in welcher das gemeinsame
Leben der irdischen Welt als Gedankenwesenheit, gleichsam als das flüssige
Element des «Geisterlandes», strömt. Solange man in physischer
Verkörperung die Welt beobachtet, erscheint das Leben an einzelne
Lebewesen gebunden. Im «Geisterland» ist es davon losgelöst
und durchfließt als Lebensblut gleichsam das ganze Land. Es ist da
die lebendige Einheit, die in allem vorhanden ist. Während des irdischen
Lebens erscheint dem Menschen auch davon nur ein Abglanz. Und dieser spricht
sich in jeder Form von Verehrung aus, die der Mensch dem Ganzen, der Einheit
und Harmonie der Welt, entgegenbringt. Das religiöse Leben der Menschen
schreibt sich von diesem Abglanze her. Der Mensch wird gewahr, inwiefern
nicht im Vergänglichen, im einzelnen, der umfassende Sinn des Daseins
liegt. Er betrachtet dieses Vergängliche als ein «Gleichnis»
und Abbild eines Ewigen, einer harmonischen Einheit. Er blickt in Verehrung
und Anbetung zu dieser Einheit auf. Er bringt ihr religiöse Kultushandlungen
dar. – Im «Geisterland» erscheint nicht der Abglanz, sondern
die wirkliche Gestalt als lebendige Gedankenwesenheit. Hier kann sich der
Mensch mit der Einheit, die er auf Erden verehrt hat, wirklich vereinigen.
Die Früchte des religiösen Lebens und alles dessen, was damit
zusammenhängt, treten in dieser Region hervor. Der Mensch lernt nun
aus der geistigen Erfahrung erkennen, daß sein Einzelschicksal nicht
getrennt werden soll von der Gemeinschaft, der er angehört. Die Fähigkeit,
sich als Glied eines Ganzen zu erkennen, bildet sich hier aus. Die religiösen
Empfindungen, alles, was schon im Leben nach einer reinen, edlen Moral
gestrebt hat, wird während eines großen Teiles des geistigen
Zwischenzustandes Kraft aus dieser Region schöpfen. Und der Mensch
wird mit einer Erhöhung seiner Fähigkeiten nach dieser Richtung
hin wiederverkörpert werden.
Während man in der ersten Region mit den Seelen
zusammen ist, mit denen man im vorangegangenen physischen Leben durch die
nächsten Bande der physischen Welt zusammengehangen hat, tritt man
in der zweiten Region in den Bereich aller derjenigen, mit denen man in
einem weiteren Sinne sich eins fühlte: durch eine gemeinsame Verehrung,
durch gemeinsames Bekenntnis und so weiter. Betont muß werden, daß
die geistigen Erlebnisse der vorangegangenen Regionen während der
folgenden bestehen bleiben. So wird der Mensch nicht etwa den durch Familie,
Freundschaft und so weiter geknüpften Banden entrissen, wenn er in
das Leben der zweiten und der folgenden Regionen eintritt. – Auch liegen
die Regionen des «Geisterlandes» nicht wie «Abteilungen»
auseinander; sie durchdringen sich, und der Mensch erlebt sich in einer
neuen Region nicht deswegen, weil er sie in irgendeiner Form äußerlich
«betreten» hat, sondern weil er in sich die inneren Fähigkeiten
erlangt hat, das wahrzunehmen, innerhalb dessen er vorher unwahmehmend
war.
Die dritte Region des «Geisterlandes»
enthält die Urbilder der seelischen Welt. Alles, was in dieser Welt
lebt, ist hier als lebendige Gedankenwesenheit vorhanden. Man findet da
die Urbilder der Begierden, der Wünsche, der Gefühle und so weiter.
Aber hier in der Geisterwelt haftet dem Seelischen nichts von Eigensucht
an. Ebenso wie alles Leben in der zweiten Region, bildet in dieser dritten
alles Begehren, Wünschen, alle Lust und Unlust eine Einheit. Das Begehren,
der Wunsch des andern unterscheiden sich nicht von meinem Begehren und
Wünschen. Die Empfindungen und Gefühle aller Wesen sind eine
gemeinsame Welt, die alles übrige einschließt und umgibt, wie
der physische Luftkreis die Erde umgibt. Diese Region ist gleichsam die
Atmosphäre des «Geisterlandes». Es wird hier alles Frtichte
tragen, was der Mensch im irdischen Leben im Dienste der Gemeinsamkeit,
in selbstloser Hingabe an seine Mitmenschen geleistet hat. Denn durch diesen
Dienst, durch diese Hingabe hat er in einem Abglanz der dritten Region
des «Geisterlandes» gelebt. Die großen Wohltäter
des Menschengeschlechtes, die hingebungsvollen Naturen, diejenigen, welche
die großen Dienste in den Gemeinschaften leisten, haben ihre Fähigkeit
hierzu in dieser Region erlangt, nachdem sie sich in früheren Lebensläufen
die Anwartschaft zu einer besonderen Verwandtschaft mit ihr erworben haben.
Es ist ersichtlich, daß die beschriebenen
drei Regionen des «Geisterlandes» in einem gewissen Verhältnis
stehen zu den unter ihnen stehenden Welten, zu der physischen und der seelischen
Welt. Denn sie enthalten die Urbilder, die lebendigen Gedankenwesen, die
in diesen Welten körperliches oder seelisches Dasein annehmen. Die
vierte Region erst ist das «reine Geisterland». Aber auch diese
ist es nicht in vollem Sinne des Wortes. Sie unterscheidet sich von den
drei unteren Regionen dadurch, daß in diesen die Urbilder jener physischen
und seelischen Verhältnisse angetroffen werden, die der Mensch in
der physischen und seelischen Welt vorfindet, bevor er selbst in diese
Welten eingreift. Die Verhältnisse des alltäglichen Lebens knüpfen
sich an die Dinge und Wesen, die der Mensch in der Welt vorfindet; die
vergänglichen Dinge dieser Welt lenken seinen Blick zu deren ewigem
Urgrund; und auch die Mitgeschöpfe, denen sich sein selbstloser Sinn
widmet, sind nicht durch den Menschen da. Aber durch ihn sind in der Welt
die Schöpfungen der Künste und Wissenschaften, der Technik, des
Staates und so weiter, kurz alles das, was er als originale Werke seines
Geistes der Welt einverleibt. Zu alledem wären, ohne sein Zutun, keine
physischen Abbilder in der Welt vorhanden. Die Urbilder nun zu diesen rein
menschlichen Schöpfungen finden sich in der vierten Region des «Geisterlandes».
Was der Mensch an wissenschaftlichen Ergebnissen, an künstlerischen
Ideen und Gestalten, an Gedanken der Technik während des irdischen
Lebens ausbildet, trägt in dieser vierten Region seine Früchte.
Aus dieser Region saugen daher Künstler, Gelehrte, große Erfinder
während ihres Aufenthaltes im «Geisterland» ihre Impulse
und steigern hier ihr Genie, um bei einer Wiederverkörperung in verstärktem
Maße zur Fortentwickelung der menschlichen Kultur beitragen zu können.
– Man soll sich nicht vorstellen, daß diese vierte Region des «Geisterlandes»
nur für besonders hervorragende Menschen eine Bedeutung habe. Sie
hat eine solche für alle Menschen. Alles, was den Menschen im physischen
Leben über die Sphäre des alltäglichen Lebens Wünschens
und Wollens hinaus beschäftigt, hat seinen Urquell in dieser Region.
Ginge der Mensch in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durch
sie nicht hindurch, so würde er in einem weiteren Leben keine Interessen
haben, welche über den engen Kreis der persönlichen Lebensführung
hinaus zum Allgemein-Menschlichen führen. – Es ist oben gesagt worden,
daß auch diese Region nicht im vollen Sinne das «reine Geisterland»
genannt werden kann. Das ist deshalb der Fall, weil der Zustand, in dem
die Menschen die Kulturentwickelung auf der Erde verlassen haben, in ihr
geistiges Dasein hineinspielt. Sie können im «Geisterland»
nur die Früchte dessen genießen, was nach ihrer Begabung und
nach dem Entwickelungsgrade des Volkes, Staates und so weiter, in die sie
hineingeboren waren, ihnen zu leisten möglich war.
In den noch höheren Regionen des «Geisterlandes»
ist der Menschengeist nun jeder irdischen Fessel entledigt. Er steigt auf
in das «reine Geisterland», in dem er die Absichten, die Ziele
erlebt, die sich der Geist mit dem irdischen Leben gesetzt hat. Alles,
was in der Welt schon verwirklicht ist, bringt ja die höchsten Ziele
und Absichten nur in einem mehr oder weniger schwachen Nachbilde zum Dasein.
Jeder Kristall, jeder Baum, jedes Tier und auch alles das, was im Bereiche
menschlichen Schaffens verwirklicht wird, – all das gibt nur Nachbilder
dessen, was der Geist beabsichtigt. Und der Mensch kann während seiner
Verkörperungen nur anknüpfen an diese unvollkommenen Nachbilder
der vollkommenen Absichten und Ziele. So kann er aber innerhalb einer seiner
Verkörperungen selbst nur ein solches Nachbild dessen sein, was im
Reiche des Geistes mit ihm beabsichtigt ist. Was er als Geist im «Geisterland»
eigentlich ist, das kommt daher erst dann zum Vorschein, wenn er im Zwischenzustand
zwischen zwei Verkörperungen in die fünfte Region des «Geisterlandes»
aufsteigt. Was er hier ist, das ist wirklich er selbst. Das ist dasjenige,
was in den mannigfaltigen Verkörperungen ein äußeres Dasein
erhält. In dieser Region kann sich das wahre Selbst des Menschen nach
allen Seiten frei ausleben. Und dieses Selbst ist also dasjenige, welches
in jeder Verkörperung immer von neuem als das eine erscheint. Dieses
Selbst bringt die Fähigkeiten mit, die sich in den unteren Regionen
des «Geisterlandes» ausgebildet haben. Es trägt somit
die Früchte der früheren Lebensläufe in die folgenden hinüber.
Es ist der Träger der Ergebnisse früherer Verkörperungen.
Im Reiche der Absichten und Ziele befindet sich
also das Selbst, wenn es in der fünften Region des «Geisterlandes»
lebt. Wie der Architekt an den Unvollkommenheiten lernt, die sich ihm ergeben
haben, und wie er in seine neuen Pläne nur das aufnimmt, was er von
diesen Unvollkommenheiten in Vollkommenheiten zu wandeln vermochte, so
streift das Selbst von seinen Ergebnissen aus früheren Leben in der
fünften Region dasjenige ab, was mit den Unvollkommenheiten der unteren
Welten zusammenhängt, und befruchtet die Absichten des «Geisterlandes»,
mit denen es nunmehr zusammenlebt, mit den Ergebnissen seiner früheren
Lebensläufe. Klar ist, daß die Kraft, die aus dieser Region
geschöpft werden kann, davon abhängen wird, wieviel sich das
Selbst während seiner Verkörperung von solchen Ergebnissen erworben
hat, die geeignet sind, in die Welt der Absichten aufgenommen zu werden.
Das Selbst, das während des irdischen Daseins durch ein reges Gedankenleben
oder durch weise, werktätige Liebe die Absichten des Geistes zu verwirklichen
gesucht hat, wird sich eine große Anwartschaft auf diese Region erwerben.
Dasjenige, das ganz in den alltäglichen Verhältnissen aufgegangen
ist, das nur im Vergänglichen gelebt hat, das hat keine Samen gesät,
die in den Absichten der ewigen Weltordnung eine Rolle spielen können.
Nur das wenige, das es über die Tagesinteressen hinaus gewirkt hat,
kann als Frucht in diesen oberen Regionen des «Geisterlandes»
sich entfalten. Aber man soll nicht meinen, daß hier etwa vor allem
solches in Betracht kommt, was «irdischen Ruhm» oder ähnliches
bringt. Nein, gerade das kommt in Frage, was im kleinsten Lebenskreise
zum Bewußtsein führt, daß alles einzelne seine Bedeutung
für den ewigen Werdegang des Daseins hat.
Man muß sich vertraut machen mit dem Gedanken,
daß der Mensch in dieser Region anders urteilen muß, als er
dies im physischen Leben tun kann. Hat er zum Beispiel weniges sich erworben,
was mit dieser fünften Region verwandt ist, so entsteht in ihm der
Drang, sich für das folgende physische Leben einen Impuls einzuprägen,
welcher dieses Leben so verlaufen läßt, daß im Schicksal
(Karma) desselben die entsprechende Wirkung des Mangels zutage tritt. Was
dann in dem folgenden Erdenleben als leidvolles Geschick, vom Gesichtspunkte
dieses Lebens aus, erscheint–ja vielleicht als solches tief beklagt wird
–, das findet der Mensch in dieser Region des «Geisterlandes»
als für ihn durchaus notwendig. – Da der Mensch in der fünften
Region in seinem eigentlichen Selbst lebt, so ist er auch herausgehoben
aus allem, was ihn aus den niederen Welten während der Verkörperungen
umhüllt. Er ist, was er immer war und immer sein wird während
des Laufes seiner Verkörperungen. Er lebt in dem Walten der Absichten,
welche für diese Verkörperungen bestehen und die er in sein eigenes
Selbst eingliedert. Er blickt auf seine eigene Vergangenheit zurück
und er fühlt, daß alles, was er in derselben erlebt hat, in
die Absichten, die er in Zukunft zu verwirklichen hat, aufgenommen wird.
Eine Art Gedächtnis für seine früheren Lebensläufe
und der prophetische Vorblick für seine späteren blitzen auf.
– Man sieht: dasjenige, was in dieser Schrift das «Geistselbst»
genannt worden ist, lebt in dieser Region, soweit es entwickelt ist, in
seiner ihm angemessenen Wirklichkeit. Es bildet sich aus und bereitet sich
vor, um in einer neuen Verkörperung sich ein Vollziehen der geistigen
Absichten in der irdischen Wirklichkeit zu ermöglichen.
Hat sich dieses «Geistselbst» während
einer Reihe von Aufenthalten im «Geisterland» so weit entwickelt,
daß es sich völlig frei in diesem Lande bewegen kann, dann wird
es seine wahre Heimat immer mehr hier suchen. Das Leben im Geiste wird
ihm so vertraut, wie dem irdischen Menschen das Leben in der physischen
Wirklichkeit. Die Gesichtspunkte der Geisterwelt wirken fortan auch als
die maßgebenden, die es für die folgenden Erdenleben zu den
seinigen, mehr oder weniger bewußt oder unbewußt, macht. Als
ein Glied der göttlichen Weltordnung kann sich das Selbst fühlen.
Die Schranken und Gesetze des irdischen Lebens berühren es nicht in
seiner innersten Wesenheit. Die Kraft zu allem, was es vollführt,
kommt ihm aus der geistigen Welt. Die geistige Welt aber ist eine Einheit.
Wer in ihr lebt, weiß, wie das Ewige an der Vergangenheit geschaffen
hat, und
er kann von dem Ewigen aus die Richtung für die Zukunft bestimmen.
Der Blick über die Vergangenheit weitet sich zu einem vollkommenen.
Ein Mensch, der diese Stufe erreicht hat, gibt sich selbst Ziele, die er
in einer nächsten Verkörperung ausführen soll. Vom «Geisterland»
aus beeinflußt er seine Zukunft, so daß sie im Sinne des Wahren
und Geistigen verläuft. Der Mensch befindet sich während des
Zwischenzustandes zwischen zwei Verkörperungen in Gegenwart aller
derjenigen erhabenen Wesen, vor deren Blicken die göttliche Weisheit
unverhüllt ausgebreitet liegt. Denn er hat die Stufe erklommen, auf
der er sie verstehen kann. In der sechsten Region des «Geisterlandes»
wird der Mensch in allen seinen Handlungen dasjenige vollbringen, was dem
wahren Wesen der Welt am angemessensten ist. Denn er kann nicht nach dem
suchen, was ihm frommt, sondern einzig nach dem, was geschehen soll nach
dem richtigen Gang der Weltordnung. Die siebente Region des «Geisterlandes»
führt an die Grenze der «drei Welten». Der Mensch steht
hier den «Lebenskernen» gegenüber, die aus höheren
Welten in die drei beschriebenen versetzt werden, um da ihre Aufgaben zu
vollbringen. Ist der Mensch an der Grenze der drei Welten, so erkennt er
sich somit in seinem eigenen Lebenskern. Das bringt mit sich, daß
die Rätsel dieser drei Welten für ihn gelöst sein müssen.
Er überschaut also das ganze Leben dieser Welten. Im physischen Leben
sind die Fähigkeiten der Seele, durch welche sie die hier geschilderten
Erlebnisse in der geistigen Welt hat, unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen
nicht bewußt. Sie arbeiten in ihren unbewußten Tiefen an den
leiblichen Organen, welche das Bewußtsein der physischen Welt zustande
bringen. Dies ist gerade der Grund, warum sie für diese Welt unwahrnehmbar
bleiben. Auch das Auge sieht nicht sich, weil in ihm die Kräfte wirken,
welche anderes sichtbar machen. Will man beurteilen, inwiefern ein zwischen
Geburt und Tod verlaufendes Menschenleben das Ergebnis vorangehender Erdenleben
sein kann, so muß man in Erwägung ziehen, daß ein innerhalb
dieses Lebens selbst gelegener Gesichtspunkt, wie man ihn zunächst
naturgemäß einnehmen muß, keine Beurteilungsmöglichkeit
liefert. Für einen solchen Gesichtspunkt könnte zum Beispiel
ein Erdenleben als leidvoll, unvollkommen und so weiter erscheinen, während
es gerade in dieser Gestaltung für einen außerhalb dieses Erdenlebens
selbst liegenden Gesichtspunkt mit seinem Leid, in seiner Unvollkommenheit
als Ergebnis früherer Leben sich ergeben muß. Durch das Betreten
des Erkenntnispfades in dem Sinne, wie dies in einem der nächsten
Kapitel geschildert wird, löst sich die Seele los von den Bedingungen
des Leibeslebens. Sie kann dadurch im Bilde die Erlebnisse wahrnehmen,
welche sie zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht. Solches
Wahrnehmen gibt die Möglichkeit, die Vorgänge des «Geisterlandes»
so zu schildern, wie es hier skizzenhaft geschehen ist. Nur wenn man nicht
versäumt, sich gegenwärtig zu halten, daß die ganze Verfassung
der Seele eine andere ist im physischen Leibe als im rein geistigen Erleben,
wird man die hier gegebene Schilderung im rechten Lichte sehen.
Rudolf
Steiner:
Theosophie
Einführung
in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung
Vorrede
1910 * Vorrede 1914
* Vorrede 1918
Einleitung
Das
Wesen des Menschen
I.
Die leibliche Wesenheit des Menschen
II.
Die seelische Wesenheit des Menschen
III.
Die geistige Wesenheit des Menschen
IV.
Leib, Seele und Geist
Wiederverkörperung
des Geistes und Schicksal
(Reinkarnation
und Karma)
Die drei
Welten
I.
Die Seelenwelt
II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland
IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
Der Pfad der
Erkenntnis
Einzelne
Bemerkungen und Ergänzungen
*
* *
*
* *
*
°
pagina domestica editoris /
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lapsit exillis (index) * emaille?!
-
° Rgveda,
Yoga-Sutras,
Bhagavad-Gita;
Genesis, Johannes-Evangelium
.
- ° Thomas von Aquin:
Summa
Theol. prima pars qu.2: IST Gott? Fünf
Gottesbeweise
. – ° Jakob
Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang
: Philipp Otto Runge: Der Morgen
. – ° Joh.
Val. Andreae: Die chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz
. – ° Novalis:
Die Lehrlinge zu Sais; Schelling:
Die Weltalter (Einleitung)
. – ° Wolfram
/ Chretien /
Wagner: Parzival/ Parsifal und
der Gral
. – ° Feuerprobe
und Lebensschrift-Chiffre: Von dem Machandelboom
. – ° Anthroposophie-links
Rudolf
Steiner : Theosophie : Die drei Welten : Das Geisterland : Der Geist
im Geisterland nach dem Tode