Rudolf Steiner
Rudolf Steiner Berlin, 7. September 1914
Berlin, Juli1918 Rudolf Steiner
Zur
Gliederung der menschlichen
Wesenheit:
Es kann scheinen, als ob die in diesen Ausführungen
gegebene Gliederung der menschlichen Wesenheit auf einer rein willkürlichen
Unterscheidung von Teilen innerhalb des einheitlichen Seelenlebens beruhte.
Demgegenüber ist zu betonen, daß diese Gliederung im einheitlichen
Seelenleben eine ähnliche Bedeutung hat wie das Erscheinen der sieben
Regenbogenfarbennuancen beim Durchgange des Lichtes durch ein Prisma. Was
der Physiker vollbringt zur Erklärung der Lichterscheinungen, indem
er diesen Durchgang und die sieben Farbennuancen in seinem Gefolge studiert,
das vollbringt in entsprechender Art der Geistesforscher für die Seelenwesenheit.
Die sieben Seelenglieder sind nicht bloße Unterscheidungen des abstrahierenden
Verstandes. Sie sind dies ebensowenig wie die sieben Farben gegenüber
dem Lichte. Es beruht in beiden Fällen die Unterscheidung auf der
inneren Natur der Tatsachen. Nur daß die sieben Glieder am Lichte
sichtbar werden durch eine äußerliche Vorrichtung, die sieben
Glieder der Seele durch die auf das Wesen der Seele gehende geistgemäße
Betrachtung. Es kann das wahre Wesen der Seele ohne die Erkenntnis dieser
Gliederung nicht erfaßt werden. Denn durch die drei Glieder: physischer
Leib, Lebensleib, Seelenleib, gehört die Seele der vergänglichen
Welt an; durch die andern vier Glieder wurzelt sie im Ewigen. In der «einheitlichen
Seele» ist Vergängliches und Ewiges unterschiedslos verbunden.
Man kann, wenn man die Gliederung nicht durchschaut, nicht das Verhältnis
der Seele zur Gesamtwelt kennenlernen. Noch ein anderer Vergleich darf
gebraucht werden. Der Chemiker spaltet das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff.
Diese beiden Stoffe kann man in dem «einheitlichen Wasser»
nicht beobachten. Sie haben aber ihre eigene Wesenheit. Sowohl der Wasserstoff
als auch der Sauerstoff bilden Verbindungen mit anderen Stoffen. So gehen
im Tode die drei «niederen Glieder der Seele» Verbindungen
mit der vergänglichen Weltwesenheit ein; die vier höheren fügen
sich dem Ewigen ein. Wer sich sträubt, in die Gliederung der Seele
sich einzulassen, der gleicht einem Chemiker, der nichts davon wissen wollte,
das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen.
Zur Genauigkeit
geisteswissenschaftlicher Wahrnehmungen:
Geisteswissenschaftliche Darstellungen müssen
ganz genau genommen werden. Denn nur in der genauen Prägung der Ideen
haben sie einen Wert. Wer zum Beispiel in dem Satze: «Sie (die Empfindungen
und so weiter) werden bei ihm (nämlich beim Tier) nicht mit selbständigen,
über das unmittelbare Erleben hinausgehenden Gedanken durchwoben».
die Worte «selbständigen, über das unmittelbare Erleben
hinausgehenden» unbeachtet läßt, der könnte leicht
in den Irrtum verfallen, hier werde behauptet, in dem Empfinden oder in
den Instinkten der Tiere seien keine Gedanken enthalten. Nun steht aber
gerade wahre Geisteswissenschaft auf dem Boden einer Erkenntnis, die sagt,
daß alles innere Erleben der Tiere (wie alles Dasein überhaupt)
gedankendurchwoben ist. Nur sind die Gedanken des Tieres nicht selbständige
eines im Tiere lebenden «Ich», sondern sie sind diejenigen
des tierischen Gruppen-Ich, welches als ein von außen das Tier beherrschendes
Wesen anzusehen ist. Es ist dieses Gruppen-Ich nicht in der physischen
Welt vorhanden wie das Ich des Menschen, sondern es wirkt auf das Tier
herein aus der [später]
beschriebenen Seelenwelt. (Genaueres
darüber ist in meiner «Geheimwissenschaft»
zu finden.) Worauf es beim Menschen ankommt, das ist, daß die Gedanken
in ihm selbständiges Dasein gewinnen, daß sie nicht mittelbar
in der Empfindung, sondern unmittelbar als Gedanken auch seelisch erlebt
werden.
Zur Selbstbezeichnung
bei kleinen Kindern:
Wenn gesagt wird, kleine Kinder sagen: «Karl
ist brav», «Marie will das haben», so muß wohl
beachtet werden, daß es weniger darauf ankommt, wie früh Kinder
das Wort «Ich» gebrauchen, als darauf, wann sie mit diesem
Worte die entsprechende Vorstellung verknüpfen. Wenn Kinder das Wort
von Erwachsenen hören, so mögen sie immerhin dasselbe gebrauchen,
ohne daß sie die Vorstellung des «Ich» haben. Doch deutet
der zumeist späte Gebrauch des Wortes allerdings auf eine wichtige
Entwickelungstatsache hin, nämlich auf die allmähliche Entfaltung
der Ich-Vorstellung aus dem dunklen Ich-Gefühl heraus.
Zum
Begriff der «Intuition»:
Man wird in meinem Buche «Wie
erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in meiner
«Geheimwissenschaft» die eigentliche Wesenheit der «Intuition»
beschrieben finden. Man könnte leicht bei ungenauer Beachtung der
Sache zwischen dem Gebrauche dieses Wortes in den beiden Büchern und
demjenigen, der sich in diesem Buche [a.a.O.]
findet, einen Widerspruch finden. Er ist für den nicht vorhanden,
der genau beachtet, daß dasjenige, was aus der geistigen Welt durch
die Intuition sich in voller Wirklichkeit für die übersinnliche
Erkenntnis enthüllt, sich in seiner niedersten Offenbarung
dem Geistselbst so ankündigt wie das äußere Dasein der
physischen Welt in der Empfindung.
Zum Kapitel «Wiederverkörperung
des Geistes und Schicksal»:
Über «Wiederverkörperung des Geistes
und Schicksal». Gegenüber den Ausführungen dieses Abschnittes
wird zu bedenken sein, daß hier der Versuch gemacht ist, aus der
gedanklichen Betrachtung des menschlichen Lebenslaufes selbst, ohne Hinblick
auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie in den andern Abschnitten
dargestellt werden, Vorstellungen zu gewinnen darüber, inwiefern dieses
Menschenleben und sein Schicksal über sich selbst hinaus zu wiederholten
Erdenleben weist. Diese Vorstellungen werden ganz selbstverständlich
demjenigen recht bedenklich erscheinen müssen, der nur die gewohnten,
auf das Einzelleben gerichteten «fest begründet» findet.
Allein, man sollte auch bedenken, daß die hier gegebene Darstellung
die Meinung zu begründen sucht, eine solch gewohnte Vorstellungsart
könne eben nicht zu Erkenntnissen über die Gründe des Lebenslaufes
führen. Deshalb mlissen andere Vorstellungen gesucht werden,
die den gewohnten scheinbar widersprechen. Und man sucht diese anderen
Vorstellungen nur dann nicht, wenn man es grundsätzlich ablehnt, auf
einen nur seelisch zu erfassenden Verlauf von Vorgängen die gedankliche
Betrachtung ebenso anzuwenden wie auf einen im Physischen sich vollziehenden.
Bei einer solchen Ablehnung legt man zum Beispiel keinen Wert auf die Tatsache,
daß ein Schicksalsschlag, der das Ich trifft, in der Empfindung sich
verwandt erweist dem Auftreffen einer Erinnerung auf ein Erlebnis, das
dem erinnerten verwandt ist. Aber wer versucht, wahrzunehmen, wie ein Schicksalsschlag
wirklich erlebt wird, der kann dieses Erleben unterscheiden von
den Aussagen, die entstehen müssen, wenn der Gesichtspunkt in der
Außenwelt genommen wird und dadurch jede lebendige Beziehung des
Schlages zum Ich selbstverständlich wegfällt. Für einen
solchen Gesichtspunkt erscheint der Schlag entweder als Zufall oder als
eine von außen kommende Bestimmung. Da es auch solche Schicksalsschläge
gibt, die gewissermaßen einen ersten Einschlag in das Menschenleben
bilden und die ihre Folgen erst später zeigen werden, ist die Versuchung
um so größer, das für diese Geltende zu verallgemeinern
und auf eine andere Möglichkeit gar nicht zu achten. Man beginnt erst
darauf zu achten, wenn die Lebenserfahrungen das Vorstellungsvermögen
in eine Richtung bringen, wie sie bei Goethes Freund Knebel sich findet,
der in einem Briefe schreibt: «Man wird bei genauer Beobachtung finden,
daß in dem Leben der meisten Menschen sich ein gewisser Plan findet,
der, durch die eigene Natur oder durch die Umstände, die sie führen,
ihnen gleichsam vorgezeichnet ist. Die Zustände ihres Lebens mögen
noch so abwechselnd und veränderlich sein, es zeigt sich am Ende doch
ein Ganzes, das unter sich eine gewisse Übereinstimmung bemerken läßt
... Die Hand eines bestimmten Schicksals, so verborgen sie auch wirken
mag, zeigt sich auch genau, sie mag nun durch äußere Wirkung
oder innere Regung bewegt sein: ja, widersprechende Gründe bewegen
sich oftmals in ihrer Richtung. So verwirrt der Lauf ist, so zeigt sich
immer Grund und Richtung durch.» Solch einer Beobachtung kann leicht
mit Einwänden begegnet werden, insbesondere von solchen Persönlichkeiten,
die sich auf die Beachtung der Seelenerlebnisse nicht einlassen wollen,
aus der sie stammt. Der Verfasser dieses Buches glaubt in den Ausführungen
über wiederholte Erdenleben und Schicksal aber genau die Grenzen gezeichnet
zu haben, innerhalb der man Vorstellungen über die Gründe der
Lebensgestaltung bilden kann. Er hat darauf verwiesen, daß die Anschauung,
zu der diese Vorstellungen lenken, von ihnen nur «silhouettenhaft»
bestimmt wird, daß sie nur gedanklich vorbereiten können
auf dasjenige, was geisteswissenschaftlich gefunden werden muß. Aber
diese gedankliche Vorbereitung ist eine innere Seelenverrichtung, die,
wenn sie ihre Tragweite nicht falsch einschätzt, wenn sie nicht «beweisen»,
sondern die Seele bloß «üben» will, den Menschen
vorurteilslos-empfänglich macht für Erkenntnisse, die ihm ohne
solche Vorbereitung töricht erscheinen.
Die drei Welten:
Zum Begriff «geistige Wahrnehmungsorgane»:
Was in diesem Buche in dem späteren Kapitel
«Pfad der Erkenntnis» von «geistigen Wahmehmungsorganen»
nur kurz gesagt wird, davon findet sich eine ausführliche Darstellung
in meinen Büchern «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren
Welten?» und in meiner «Geheimwissenschaft».
Zur «fortwährenden
beweglichen Tätigkeit» in der geistigen Welt:
Es wäre unrichtig, wenn man deswegen eine rastlose
Unruhe in der geistigen Welt annehmen wollte, weil es in ihr «eine
Ruhe, ein Verweilen an einem Orte, wie sie in der physischen Welt vorhanden
sind», nicht gibt. Es ist dort, wo «die Urbilder schaffende
Wesenheiten» sind, zwar nicht das vorhanden, was «Ruhe an einem
Orte» genannt werden kann, wohl aber jene Ruhe, welche geistiger
Art ist und welche mit tätiger Beweglichkeit vereinbar ist. Sie läßt
sich vergleichen mit der ruhigen Befriedigung und Beseligung des Geistes,
die im Handeln, nicht im Untätigsein sich offenbaren.
Zum Begriff «Absichten»:
Man muß das Wort «Absichten» gegenüber
den treibenden Gewalten der Weltentwickelung gebrauchen, obwohl dadurch
zu der Versuchung Veranlassung gegeben wird, diese Gewalten einfach so
vorzustellen, wie menschliche Absichten sind. Vermieden kann diese Versuchung
nur werden, wenn man sich bei solchen Worten, die doch nun einmal aus dem
Bereich der menschlichen Welt genommen werden müssen, erhebt zu einer
Bedeutung derselben, in welcher ihnen alles genommen ist, was sie an engbegrenztem
Menschlichem haben, dafür ihnen aber gegeben wird dasjenige, was der
Mensch ihnen in den Fällen seines Lebens annähernd gibt, in denen
er sich gewissermaßen über sich selbst erhebt.
Über das «geistige
Wort»:
Weiteres über das «geistige Wort»
findet man in meiner «Geheimwissenschaft».
Zur Bestimmung des zukünftigen Lebens «von
dem Ewigen aus»:
Wenn an dieser Stelle gesagt ist: «. . . er
kann von dem Ewigen aus die Richtung für die Zukunft bestimmen»,
so ist dies ein Hinweis auf die besondere Art der menschlichen Seelenverfassung
in der entsprechenden Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Ein
Schicksalsschlag, der den Menschen im Leben der physischen Welt trifft,
kann für die Seelenverfassung dieses Lebens etwas dem Willen
des Menschen ganz Widerstrebendes zu haben scheinen: in dem Leben zwischen
Tod und Geburt waltet in der Seele eine dem Willen ähnliche Kraft,
welche dem Menschen die Richtung gibt nach dem Erleben dieses Schicksalsschlages.
Die Seele sieht gewissermaßen, daß ihr aus früheren Erdenleben
eine Unvollkommenheit anhaftet. Eine Unvollkommenheit, die von einer unschönen
Tat oder einem unschönen Gedanken herrührt. In der Seele entsteht
zwischen Tod und Geburt der willensähnliche Impuls, die Unvollkommenheit
auszugleichen. Sie nimmt deswegen in ihr Wesen die Tendenz auf, in dem
weiteren Erdenleben sich in ein Unglück zu stürzen, um durch
dessen Erleiden den Ausgleich herbeizuführen. Nach der Geburt im physischen
Leibe ahnt die Seele, die von einem Schicksalsschlage getroffen wird, nicht,
daß sie in dem rein geistigen Leben vor der Geburt sich selbst
die Richtung nach diesem Schicksalsschlage gegeben hat. Was also völlig
ungewollt erscheint vom Gesichtspunkt des Erdenlebens, ist von der
Seele gewollt im Übersinnlichen. «Von dem Ewigen aus
bestimmt sich der Mensch die Zukunft.»
Das Kapitel dieses Buches: «Von
den Gedankenformen und der menschlichen Aura», ist wohl das,
welches am leichtesten zu Mißverständnissen Anlaß gibt.
Gegnerische Empfindungen finden gerade in diesen Ausführungen die
besten Gelegenheiten zu ihren Einwänden. Es liegt zum Beispiel wirklich
recht nahe, zu verlangen, daß die Aussagen des Sehers auf diesem
Gebiete durch Versuche bewiesen werden sollen, welche der naturwissenschaftlichen
Vorstellungsart entsprechen. Man kann fordern, es sollen sich eine Anzahl
von Menschen, die vorgeben, das Geistige der Aura zu schauen, anderen Menschen
gegenüberstellen und deren Aura auf sich wirken lassen. Dann mögen
die Seher sagen, welche Gedanken, Empfindungen und so weiter sie als Aura
bei den beobachteten Menschen schauen. Wenn dann ihre Angaben untereinander
übereinstimmen und wenn sich herausstellt, daß die beobachteten
Menschen wirklich die von den Sehern angegebenen Empfindungen, Gedanken
und so weiter gehabt haben, dann wolle man an das Vorhandensein der Aura
glauben. Das ist gewiß ganz naturwissenschaftlich gedacht. Allein,
es kommt das Folgende in Betracht: Die Arbeit des Geistesforschers an der
eigenen Seele, die ihm die Fähigkeit des geistigen Schauens gibt,
geht dahin, eben diese Fähigkeit zu erwerben. Ob er dann in
einem einzelnen Falle etwas in der geistigen Welt wahrnimmt und was
er wahrnimmt, das hängt nicht von ihm ab. Das fließt ihm
zu als eine Gabe aus der geistigen Welt. Er kann sie nicht erzwingen,
er muß warten, bis sie ihm wird. Seine Absicht, die Wahrnehmung
herbeizuführen, kann nie zu den Ursachen des Eintreffens dieser Wahrnehmung
gehören. Gerade diese Absicht aber fordert die naturwissenschaftliche
Vorstellungsart für das Experiment. Die geistige Welt aber läßt
sich nicht befehlen. Sollte der Versuch zustande kommen, so müßte
er von der geistigen Welt aus angestellt werden. In dieser müßte
ein Wesen die Absicht haben, die Gedanken eines oder mehrerer Menschen
einem oder mehreren Sehern zu offenbaren. Diese Seher müßten
dann durch «geistigen Antrieb» zur Beobachtung zusammengeführt
werden. Dann würden ihre Angaben ganz gewiß miteinander stimmen.
So paradox dies alles für das rein naturwissenschaftliche Denken erscheinen
mag: es ist doch so. Geistige «Experimente» können nicht
wie physische zustande kommen. Wenn der Seher zum Beispiel den Besuch einer
ihm fremden Person erhält, so kann er nicht ohne weiteres sich «vornehmen»,
die Aura dieser Person zu beobachten. Aber er schaut die Aura, wenn innerhalb
der geistigen Welt Veranlassung ist, daß sie sich ihm enthüllt.
– Mit diesen wenigen Worten soll nur auf das Mißverständliche
des oben angedeuteten Einwurfes hingewiesen werden. Was die Geisteswissenschaft
zu erfüllen hat, ist, anzugeben, auf welchem Wege der Mensch zum Schauen
der Aura kommt; auf welchem Wege er sich also selbst die Erfahrung von
ihrem Vorhandensein verschaffen kann. Es kann also die Wissenschaft dem,
der erkennen will, nur erwidern: wende die Bedingungen des Schauens auf
deine eigene Seele an, und du wirst schauen. Die obige Forderung der naturwissenschaftlichen
Vorstellungsart erfüllt zu sehen, wäre allerdings bequemer; allein,
wer sie stellt, zeigt, daß er sich nicht von den allerersten Ergebnissen
der Geisteswissenschaft wirklich unterrichtet hat.
Mit der in diesem Buche gegebenen Darstellung der
«menschlichen Aura» sollte nicht der auf das «Übersinnliche»
gehenden Sensationslust entgegengekommen werden, die sich gegenüber
der geistigen Welt nur dann für befriedigt erklärt, wenn man
ihr etwas als «Geist» vorweist, das sich in der Vorstellung
nicht von dem Sinnlichen unterscheidet, bei dem sie also mit ihrem Vorstellen
bequem in diesem Sinnlichen bleiben kann. Was auf Seiten 122 und 123 f.
gesagt ist über die besondere Art, wie die aurische Farbe vorzustellen
ist, könnte doch wohl geeignet sein, diese Darstellung vor einem solchen
Mißverständnis zu bewahren. Aber es muß auch von dem,
der nach rechter Einsicht auf diesem Gebiete strebt, durchschaut werden,
daß die Menschenseele notwendig die geistige – nicht sinnliche –
Anschauung des Aurischen vor sich hinstellt, wenn sie das Erlebnis
des Geistigen und Seelischen hat. Ohne eine solche Anschauung bleibt
das Erlebnis im Unbewußten. Man sollte die bildhafte Anschauung nicht
mit dem Erlebnis selbst verwechseln; aber man sollte sich auch klar darüber
sein, daß in dieser bildhaften Anschauung das Erlebnis einen völlig
zutreffenden Ausdruck findet. Nicht einen solchen etwa, den die anschauende
Seele willkürlich macht, sondern einen solchen, der sich selbst
im übersinnlichen Wahrnehmen bildet. – Man wird gegenwärtig
einem Naturforscher verzeihen, wenn er sich veranlaßt findet, von
einer Art «menschlicher Aura» so zu sprechen, wie es Professor
Dr. Moritz Benedikt in seinem Buche über «Ruten- und Pendellehre»
tut. «Es gibt, wenn auch eine geringe Anzahl von Menschen, die "dunkelangepaßt"
sind. Ein relativ größerer Teil dieser Minorität sieht
in der Dunkelheit sehr viel Objekte ohne Farben, und nur relativ
sehr wenige sehen die Objekte auch gefärbt... Eine größere
Anzahl Gelehrter und Ärzte wurden in meiner Dunkelkammer von meinen
zwei klassischen "Dunkelangepaßten" ... untersucht, und es konnte
den von denselben Untersuchten kein gerechter Zweifel an der Richtigkeit
der Beobachtung und Schilderung zurückbleiben ... Farbenwahrnehmende
Dunkelangepaßte sehen nun an der Vorderseite die Stirne und den Scheitel
blau, die übrige rechte Hälfte ebenfalls blau und die linke rot
oder mancher... orangegelb. Rückwärts findet dieselbe Teilung
und dieselbe Färbung statt.» Aber man wird das Sprechen von
«Aura» dem Geistesforscher nicht so leicht verzeihen. Hier
soll nun weder zu diesen Ausführungen Benedikts – die zu den interessantesten
der modernen Naturlehre gehören – irgendwie Stellung genommen werden,
noch soll eine billige Gelegenheit ergriffen werden, die manche so gerne
ergreifen, um Geisteswissenschaft durch die Naturwissenschaft zu «entschuldigen».
Es sollte nur darauf hingewiesen werden, wie in einem Falle ein Naturforscher
zu Behauptungen kommen kann, die solchen der Geisteswissenschaft nicht
so ganz unähnlich sind. Betont muß dabei aber auch werden, daß
die geistig zu erfassende Aura, von der in diesem Buche die Rede ist, etwas
ganz anderes ist als die mit physischen Mitteln zu erforschende, von der
bei Benedikt die Rede ist. Man gibt sich natürlich einer groben Täuschung
hin, wenn man meint, die «geistige Aura» könne ein mit
äußeren naturwissenschaftlichen Mitteln zu Erforschendes sein.
Sie ist nur dem geistigen Schauen zugänglich, das durch den Erkenntnispfad
gegangen ist (wie er im letzten Kapitel dieses Buches beschrieben ist).
Aber auf einem Mißverständnisse beruhte es auch, wenn man geltend
machte, daß die Wirklichkeit des geistig Wahrzunehmenden auf dieselbe
Art erwiesen werden soll wie diejenige des sinnlich Wahrzunehmenden.
Bibl.-Nr. Titel
GA 1 (Tb 649) Einleitungen
zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (1884 - 1897)
GA 2 (Tb 629) Grundlinien
einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht
auf Schiller
GA 3 (Tb 628) Wahrheit und
Wissenschaft
GA 4 (Tb 627) Die Philosophie
der Freiheit
GA 5 (Tb 621) Friedrich Nietzsche,
ein Kämpfer gegen seine Zeit
GA 6 (Tb 625) Goethes Weltanschauung
GA 7 (Tb 623) Die Mystik im
Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen
Weltanschauung
GA 8 (Tb 619) Das Christentum
als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums
GA 10 (Tb 600) Wie erlangt
man Erkenntnisse der höheren Welten?
GA 11 (Tb 616) Aus der Akasha
- Chronik
GA 12 (Tb 641) Die Stufen
der höheren Erkenntnis
GA 13 (Tb 601) Die Geheimwissenschaft
im Umriß.
GA 14 (Tb 607/Tb 608) Vier
Mysteriendramen
GA 15 (Tb 614) Die geistige
Führung des Menschen und der Menschheit
GA 16 (Tb 602) Ein Weg zur
Selbsterkenntnis des Menschen. In acht Meditationen
GA 17 (Tb 602) Die Schwelle
der geistigen Welt. Aphoristische Ausführungen
GA 18 (Tb 610/11) Das Rätsel
der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt
GA 23 (Tb 606) Die Kernpunkte
der sozialen Frage
GA 24 (Tb 667) Aufsätze
über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915
- 1921
GA 25 (Tb 641) Drei Schritte
der Anthroposophie. Kosmologie, Religion und Philosophie.
GA 28 (Tb 636) Mein Lebensgang