Rudolf Steiner : Theosophie
: Die drei Welten : Die physische Welt : Die menschliche Aura
Rudolf
Steiner:
Theosophie
DIE DREI WELTEN
I.
Die Seelenwelt * II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland * IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
Die Gebilde der Seelenwelt und des Geisterlandes
können nicht der Gegenstand äußerer sinnlicher Wahrnehmung
sein. Die Gegenstände dieser sinnlichen Wahrnehmung sind den beschriebenen
beiden Welten als eine dritte anzureihen. Auch während seines leiblichen
Daseins lebt der Mensch gleichzeitig in den drei Welten. Er nimmt die Dinge
der sinnlichen Welt wahr und wirkt auf sie. Die Gebilde der Seelenwelt
wirken durch ihre Kräfte der Sympathie und Antipathie auf ihn ein;
und seine eigene Seele erregt durch ihre Neigungen und Abneigungen, durch
ihre Wünsche und Begierden Wellen in der Seelenwelt. Die geistige
Wesenheit der Dinge aber spiegelt sich in seiner Gedankenwelt; und er selbst
ist als denkendes Geistwesen Bürger des Geisterlandes und Genosse
alles dessen, was in diesem Gebiete der Welt lebt. – Daraus wird ersichtlich,
daß die sinnliche Welt nur ein Teil dessen ist, was den Menschen
umgibt. Aus der allgemeinen Umwelt des Menschen hebt sich dieser Teil mit
einer gewissen Selbständigkeit ab, weil ihn die Sinne wahrnehmen können,
die das Seelische und Geistige unberücksichtigt lassen, das ebenso
dieser Welt angehört. Wie ein Stück Eis, das auf dem Wasser schwimmt,
Stoff ist des umgebenden Wassers, aber sich durch gewisse Eigenschaften
von diesem abhebt, so sind die Sinnendinge Stoff der sie umgebenden Seelen-
und Geisterwelt; und sie heben sich von diesen durch gewisse Eigenschaften
ab, die sie sinnlich wahrnehmbar machen. Sie sind – halb bildlich gesprochen
verdichtete Geist- und Seelengebilde; und die Verdichtung bewirkt, daß
die Sinne sich von ihnen Kenntnis verschaffen können. Ja, wie das
Eis nur eine Form ist, in der das Wasser existiert, so sind die Sinnendinge
nur eine Form, in der die Seelen- und Geistwesen existieren. Hat man das
begriffen, so faßt man auch, daß, wie das Wasser in Eis, so
die Geist- in die Seelenwelt und diese in die Sinnenwelt übergehen
können.
Von diesem Gesichtspunkte aus ergibt sich auch,
warum der Mensch sich Gedanken über die sinnlichen Dinge machen kann.
Denn es gibt eine Frage, welche sich doch jeder Denkende stellen müßte,
nämlich die: in welchem Verhältnisse steht der Gedanke, den sich
der Mensch über einen Stein macht, zu diesem Steine selbst? Denjenigen
Menschen, die besonders tiefe Blicke in die äußere Natur tun,
tritt diese Frage in voller Klarheit vor das geistige Auge. Sie empfinden
die Zusammenstimmung der menschlichen Gedankenwelt mit dem Bau und der
Einrichtung der Natur. In schöner Art spricht sich zum Beispiel der
große Astronom Kepler über diese Harmonie aus: «Wahr ist's,
daß der göttliche Ruf, welcher die Menschen Astronomie lernen
heißt, in der Welt selbst geschrieben steht, nicht zwar in Worten
und Silben, aber der Sache nach, vermöge der Angemessenheit der menschlichen
Begriffe und Sinne zu der Verkettung der himmlischen Körper und Zustände.»
– Nur weil die Dinge der Sinnenwelt nichts anderes sind als die verdichteten
Geistwesenheiten, kann der Mensch, der sich durch seine Gedanken zu diesen
Geistwesenheiten erhebt, in seinem Denken die Dinge verstehen. Es stammen
die Sinnendinge aus der Geisterwelt, sie sind nur eine andere Form der
Geisteswesenheiten; und wenn sich der Mensch Gedanken über die Dinge
macht, so ist sein Inneres nur von der sinnlichen Form ab- und zu den geistigen
Urbildern dieser Dinge hingerichtet. Ein Ding durch Gedanken verstehen
ist ein Vorgang, der verglichen werden kann mit dem, durch welchen ein
fester Körper zuerst im Feuer flüssig gemacht wird, damit ihn
der Chemiker dann in seiner flüssigen Form untersuchen kann.
In den verschiedenen Regionen des Geisterlandes
zeigen sich (s.o.) die geistigen Urbilder
der sinnlichen Welt. In der fünften, sechsten und siebenten Region
finden sich diese Urbilder noch als lebendige Keimpunkte, in den vier unteren
Regionen gestalten sie sich zu geistigen Gebilden. Diese geistigen Gebilde
nimmt in einem schattenhaften Abglanz der Menschengeist wahr, wenn er durch
sein Denken sich das Verständnis der sinnlichen Dinge verschaffen
will. Wie diese Gebilde sich zur sinnlichen Welt verdichtet haben, das
ist für denjenigen eine Frage, der ein geistiges Verständnis
seiner Umwelt anstrebt. – Zunächst gliedert sich für die menschliche
Sinnesanschauung diese Umwelt in die vier deutlich voneinander geschiedenen
Stufen: die mineralische, die pflanzliche, die tierische und die menschliche.
Das Mineralreich wird durch die Sinne wahrgenommen und durch das Denken
begriffen. Macht man sich über einen mineralischen Körper einen
Gedanken, so hat man es somit mit einem Zweifachen zu tun: mit dem Sinnendinge
und mit dem Gedanken. Demgemäß hat man sich vorzustellen, daß
dieses Sinnending ein verdichtetes Gedankenwesen ist. Nun wirkt ein mineralisches
Wesen auf ein anderes in äußerlicher Weise. Es stößt
an dasselbe und bewegt es; es erwärmt es, beleuchtet es, löst
es aüf und so weiter. Diese äußerliche Wirkungsart ist
durch Gedanken auszudrücken. Der Mensch macht sich Gedanken darüber,
wie die mineralischen Dinge äußerlich gesetzmäßig
aufeinander wirken. Dadurch erweitern sich seine einzelnen Gedanken zu
einem Gedankenbilde der gesamten mineralischen Welt. Und dieses Gedankenbild
ist ein Abglanz des Urbildes der ganzen mineralischen Sinnenwelt. Es ist
als ein Ganzes in der geistigen Welt zu finden. – Im Pflanzenreiche treten
zu der äußeren Wirkung eines Dinges auf das andere noch die
Erscheinungen des Wachstums und der Fortpflanzung hinzu. Die Pflanze vegrößert
sich und bringt aus sich Wesen ihresgleichen hervor. Zu dem, was dem Menschen
im Mineralreiche entgegentritt, kommt hier noch das Leben. Die einfache
Besinnung auf diese Tatsache gibt einen Ausblick, der hier lichtbringend
ist. Die Pflanze hat in sich die Kraft, sich selbst ihre lebendige Gestalt
zu geben und diese Gestalt an einem Wesen ihresgleichen hervorzubringen.
Und zwischen der gestaltlosen Art der mineralischen Stoffe, wie sie uns
in den Gasen, in den Flüssigkeiten und so weiter gegenübertreten,
und der lebendigen Gestalt der Pflanzenwelt stehen die Formen der Kristalle
mitten drinnen. In den Kristallen haben wir den Übergang von der gestaltlosen
Mineralwelt zu der lebendigen Gestaltungsfähigkeit des Pflanzenreiches
zu suchen. – In diesem äußerlich sinnlichen Vorgang der Gestaltung
– in den beiden Reichen, dem mineralischen und dem pflanzlichen – hat man
die sinnliche Verdichtung des rein geistigen Vorganges zu sehen, der sich
abspielt, wenn die geistigen Keime der drei oberen Regionen des Geisterlandes
sich zu den Geistgestalten der unteren Regionen bilden. Dem Prozeß
der Kristallisation entspricht in der geistigen Welt als sein Urbild der
Übergang von dem formlosen Geistkeim zu dem gestalteten Gebilde. Verdichtet
sich dieser Übergang so, daß ihn die Sinne in seinem Ergebnis
wahrnehmen können, so stellt er sich in der Sinnenwelt als mineralischer
Kristallisationsprozeß dar. – Nun ist aber auch in dem Pflanzenleben
ein gestalteter Geistkeim vorhanden. Aber hier ist dem gestalteten Wesen
noch die lebendige Gestaltungsfähigkeit erhalten geblieben. In dem
Kristall hat der Geistkeim bei seiner Gestaltung die Bildungsfähigkeit
verloren. Er hat sich in der zustande gebrachten Gestalt ausgelebt. Die
Pflanze hat Gestalt und dazu auch noch Gestaltungsfähigkeit. Die Eigenschaft
der Geistkeime in den oberen Regionen des Geisterlandes ist dem Pflanzenleben
bewahrt geblieben. Die Pflanze ist also Gestalt wie der Kristall, und dazu
noch Gestaltungskraft. Außer der Form, welche die Urwesen in der
Pflanzengestalt angenommen haben, arbeitet an dieser noch eine andere Form,
die das Gepräge der Geistwesen aus den oberen Regionen trägt.
Sinnlich wahrnehmbar ist an der Pflanze aber nur, was sich in der fertigen
Gestalt auslebt; die bildenden Wesenheiten, welche dieser Gestalt die Lebendigkeit
geben, sind im Pflanzenreiche auf sinnlich-unwahrnehmbare Art vorhanden.
Das sinnliche Auge sieht die kleine Lilie von heute und die größer
gewordene nach einiger Zeit. Die Bildungskraft, welche die letztere aus
der ersten herausarbeitet, sieht dieses Auge nicht. Diese bildende Kraftwesenheit
ist der sinnlich-unsichtbar webende Teil in der Pflanzenwelt. Die Geistkeime
sind um eine Stufe herabgestiegen, um im Gestaltenreich zu wirken. In der
Geisteswissenschaft kann von Elementarreichen gesprochen werden. Bezeichnet
man die Urformen, die noch keine Gestalt haben, als erstes Elementarreich,
so sind die sinnlich unsichtbaren Kraftwesenheiten, die als die Werkmeister
des Pflanzenwachstums wirken, Angehörige des zweiten Elementarreiches.
– In der tierischen Welt kommt zu den Fähigkeiten des Wachstums und
der Fortpflanzung noch Empfindung und Trieb hinzu. Das sind Äußerungen
der seelischen Welt. Ein Wesen, das mit ihnen begabt ist, gehört dieser
Welt an, empfängt von ihr Eindrücke und übt auf sie Wirkungen.
Nun ist jede Empfindung, jeder Trieb, die in einem tierischen Wesen entstehen,
aus dem Untergrunde der Tierseele hervorgeholt. Die Gestalt ist bleibender
als die Empfindung oder der Trieb. Man kann sagen, so wie sich die sich
verändernde Pflanzengestalt zur starren Kristallform verhält,
so das Empfindungsleben zur bleibenderen lebendigen Gestalt. Die Pflanze
geht in der gestaltbildenden Kraft gewissermaßen auf; sie gliedert
immer neue Gestalten während ihres Lebens an. Erst setzt sie die Wurzel,
dann die Blattgebilde, dann die Blüten und so weiter an. Das Tier
schließt mit einer in sich vollendeten Gestalt ab und entwickelt
innerhalb derselben das wechselvolle Empfindungs- und Triebleben. Und dieses
Leben hat sein Dasein in der seelischen Welt. So wie nun die Pflanze das
ist, was wächst und sich fortpflanzt, so ist das Tier dasjenige, was
empfindet und seine Triebe entwickelt. Diese sind für das Tier das
Formlose, das sich in immer neuen Formen entwickelt. Sie haben letzten
Endes ihre urbildlichen Vorgänge in den höchsten Regionen des
Geisterlandes. Aber sie betätigen sich in der seelischen Welt. So
kommen in der Tierwelt zu den Kraftwesenheiten, die als sinnlich-unsichtbare
das Wachstum und die Fortpflanzung lenken, andere hinzu, die noch eine
Stufe tiefer gestiegen sind in die seelische Welt. Im tierischen Reich
sind als die Werkmeister, welche die Empfindungen und Triebe bewirken,
formlose Wesenheiten vorhanden, die sich in seelische Hüllen kleiden.
Sie sind die eigentlichen Baumeister der tierischen Formen. Man kann das
Gebiet, dem sie angehören, in der Geisteswissenschaft als das dritte
Elementarreich bezeichnen. – Der Mensch ist außer mit den bei Pflanzen
und Tieren genannten Fähigkeiten noch mit derjenigen ausgestattet,
die Empfindungen zu Vorstellungen und Gedanken zu verarbeiten und seine
Triebe denkend zu regeln. Der Gedanke, der in der Pflanze als Gestalt,
im Tiere als seelische Kraft erscheint, tritt bei ihm als Gedanke selbst,
in seiner eigenen Form, auf. Das Tier ist Seele; der Mensch ist Geist.
Die Geistwesenheit ist noch um eine Stufe tiefer herabgestiegen. Beim Tiere
ist sie seelenbildend. Beim Menschen ist sie in die sinnliche Stoffwelt
selbst eingezogen. Der Geist ist innerhalb des menschlichen Sinnenleibes
anwesend. Und weil er im sinnlichen Kleide erscheint, kann er nur als jener
schattenhafte Abglanz erscheinen, welchen der Gedanke vom Geistwesen darstellt.
Durch die Bedingungen des physischen Gehirnorganismus erscheint im Menschen
der Geist. – Aber der Geist ist dafür auch des Menschen innerliche
Wesenheit geworden. Der Gedanke ist die Form, welche die formlose Geistwesenheit
im Menschen annimmt, wie sie in der Pflanze Gestalt, im Tiere Seele annimmt.
Dadurch hat der Mensch kein ihn aufbauendes Elementarreich außer
sich, insofern er denkendes Wesen ist. Sein Elementarreich arbeitet in
seinem sinnlichen Leibe. Nur insofern der Mensch Gestalt und Empfindungswesen
ist, arbeiten an ihm die Elementarwesen derselben Art, die an den Pflanzen
und Tieren arbeiten. Der Gedankenorganismus aber wird im Menschen ganz
vom Inneren seines physischen Leibes herausgearbeitet. Im Geistorganismus
des Menschen, in seinem zum vollkommenen Gehirn ausgebildeten Nervensystem,
hat man sinnlich-sichtbar vor sich, was an den Pflanzen und Tieren als
unsinnliche Kraftwesenheit arbeitet. Dies macht, daß das Tier Selbstgefühl,
der Mensch aber Selbstbewußtsein zeigt. Im Tiere fühlt sich
der Geist als Seele; er erfaßt sich noch nicht als Geist. Im Menschen
erkennt der Geist sich als Geist, wenn auch – durch die physischen Bedingungen
– als schattenhaften Abglanz des Geistes, als Gedanke. – In diesem Sinne
gliedert sich die dreifache Welt in der folgenden Art: 1. Das Reich der
urbildlichen formlosen Wesen (erstes Elementarreich); 2. das Reich der
gestaltenschaffenden Wesen (zweites Elementarreich); 3. das Reich der seelischen
Wesen (drittes Elementarreich); 4. das Reich der geschaffenen Gestalten
(Kristallgestalten); 5. das Reich, das in Gestalten sinnlich wahrnehmbar
wird, an dem aber die gestaltenschaffenden Wesen wirken (Pflanzenreich);
6. das Reich, das in Gestalten sinnlich wahrnehmbar wird, an dem aber außerdem
noch die gestaltenschaffenden und die sich seelisch auslebenden Wesenheiten
wirken (Tierreich); und 7. das Reich, in dem die Gestalten sinnlich wahrnehmbar
sind, an dem aber noch die gestaltenschaffenden und seelisch sich auslebenden
Wesenheiten wirken und in dem sich der Geist selbst in Form des Gedankens
innerhalb der Sinnenwelt gestaltet (Menschenreich).
Hieraus ergibt sich, wie die Grundbestandteile des
im Leibe lebenden Menschen mit der geistigen Welt zusammenhängen.
Den physischen Körper, den Ätherleib, den empfindenden Seelenleib
und die Verstandesseele hat man als in der Sinnenwelt verdichtete Urbilder
des Geisterlandes anzusehen. Der physische Körper kommt dadurch zustande,
daß des Menschen Urbild bis zur sinnlichen Erscheinung verdichtet
wird. Man kann deshalb auch diesen physischen Leib eine zur sinnlichen
Anschaulichkeit verdichtete Wesenheit des ersten Elementarreiches nennen.
Der Ätherleib entsteht dadurch, daß die auf diese Art entstandene
Gestalt beweglich erhalten wird durch eine Wesenheit, die ihre Tätigkeit
in das sinnliche Reich herein erstreckt, selbst aber nicht sinnlich anschaubar
wird. Will man diese Wesenheit vollständig charakterisieren, so muß
man sagen, sie hat zunächst ihren Ursprung in den höchsten Regionen
des Geisterlandes und gestaltet sich dann in der zweiten Region zu einem
Urbild des Lebens. Als solches Urbild des Lebens wirkt sie in der sinnlichen
Welt. In ähnlicher Art hat die Wesenheit, welche den empfindenden
Seelenleib aufbaut, ihren Ursprung in den höchsten Gebieten des Geisterlandes,
gestaltet sich in der dritten Region desselben zum Urbilde der Seelenwelt
und wirkt als solches in der sinnlichen Welt. Die Verstandesseele aber
wird dadurch gebildet, daß des denkenden Menschen Urbild sich in
der vierten Region des Geisterlandes zum Gedanken gestaltet und als solcher
unmittelbar als denkende Menschenwesenheit in der Sinneswelt wirkt. – So
steht der Mensch innerhalb der Sinneswelt; so arbeitet der Geist an seinem
physischen Körper, an seinem Ätherleib und an seinem empfindenden
Seelenleib. So kommt dieser Geist in der Verstandesseele zur Erscheinung.
– An den drei unteren Gliedern des Menschen arbeiten also die Urbilder
in Form von Wesenheiten mit, die ihm in einer gewissen Art äußerlich
gegenüberstehen; in seiner Verstandesseele wird er selbst zum (bewußten)
Arbeiter an sich. – Und die Wesenheiten, die an seinem physischen Körper
arbeiten, sind dieselben, welche die mineralische Natur bilden. An seinem
Ätherleib wirken Wesenheiten von der Art, die im Pflanzenreich, an
seinem empfindenden Seelenleib solche, die im Tierreich auf sinnlich-unwahrnehmbare
Art leben, die aber ihre Wirksamkeit in diese Reiche herein erstrecken.
So wirken die verschiedenen Welten zusammen. Die
Welt, in welcher der Mensch lebt, ist der Ausdruck dieses Zusammenwirkens.
*
Hat man die sinnliche Welt in dieser Art begriffen,
so eröffnet sich auch das Verständnis für Wesen anderer
Art, als diejenigen sind, die in den genannten vier Reichen der Natur ihr
Dasein haben. Ein Beispiel für solche Wesenheiten ist das, was man
Volksgeist (Nationalgeist) nennt. Dieser kommt nicht in sinnlicher Art
unmittelbar zur Erscheinung. Er lebt sich aus in den Empfindungen, Gefühlen,
Neigungen und so weiter, die man als die einem Volke gemeinsamen beobachtet.
Er ist eine Wesenheit, die sich nicht sinnlich verkörpert; sondern
wie der Mensch seinen Leib sinnlich anschaulich gestaltet, so gestaltet
sie den ihrigen aus dem Stoffe der Seelenwelt. Dieser Seelenleib des Volksgeistes
ist wie eine Wolke, in welcher die Glieder eines Volkes leben, deren Wirkungen
in den Seelen der betreffenden Menschen zum Vorschein kommen, die aber
nicht aus diesen Seelen selbst stammt. Wer sich den Volksgeist nicht in
dieser Art vorstellt, für den bleibt er ein schemenhaftes Gedankenbild
ohne Wesen und Leben, eine leere Abstraktion. – Und ein Ähnliches
wäre zu sagen in bezug auf das, was man Zeitgeist nennt. Ja, es wird
dadurch der geistige Blick geweitet über eine Mannigfaltigkeit von
anderen, von niederen und höheren Wesenheiten, die in der Umwelt des
Menschen leben, ohne daß er sie sinnlich wahrnehmen kann. Diejenigen,
welche geistiges Anschauungsvermögen haben, nehmen aber solche Wesen
wahr und können sie beschreiben. Zu den niedrigeren Arten solcher
Wesen gehört alles, was die Wahmehmer der geistigen Welt als Salamander,
Sylphen, Undinen, Gnomen beschreiben. Es sollte nicht gesagt zu werden
brauchen, daß solche Beschreibungen nicht als Abbilder der
ihnen zugrunde liegenden Wirklichkeit gelten können. Wären sie
dieses, so wäre die durch sie gemeinte Welt keine geistige, sondern
eine grobsinnliche. Sie sind Veranschaulichungen einer geistigen Wirklichkeit,
die sich eben nur auf diese Art, durch Gleichnisse, darstellen läßt.
Wenn derjenige, der nur das sinnliche Anschauen gelten lassen will, solche
Wesenheiten als Ausgeburten einer wüsten Phantasie und des Aberglaubens
ansieht, so ist das durchaus begreiflich. Für sinnliche Augen können
sie natürlich nie sichtbar werden, weil sie keinen sinnlichen Leib
haben. Der Aberglaube liegt nicht darin, daß man solche Wesen als
wirklich ansieht, sondern daß man glaubt, sie erscheinen auf sinnliche
Art. – Wesen solcher Form wirken an dem Weltenbau mit, und man trifft mit
ihnen zusammen, sobald man die höheren, den leiblichen Sinnen verschlossenen
Weitgebiete betritt. Abergläubisch sind nicht diejenigen, welche in
solchen Beschreibungen die Bilder geistiger Wirklichkeiten sehen, sondern
diejenigen, welche an das sinnliche Dasein der Bilder glauben, aber auch
diejenigen, welche den Geist ablehnen, weil sie das sinnliche Bild ablehnen
zu müssen vermeinen. – Auch solche Wesen sind zu verzeichnen, die
nicht bis in die Seelenwelt herabsteigen, sondern deren Hülle nur
aus Gebilden des Geisterlandes gewoben ist. Der Mensch nimmt sie wahr,
wird ihr Genosse, wenn er das geistige Auge und das geistige Ohr sich für
sie eröffnet. – Durch eine solche Eröffnung wird dem Menschen
vieles verständlich, was er ohne dieselbe nur verständnislos
anstarren kann. Es wird hell um ihn herum; er sieht die Ursachen zu dem,
was sich in der Sinnenwelt als Wirkungen abspielt. Er erfaßt dasjenige,
was er ohne geistiges Auge entweder ganz ableugnet oder demgegenüber
er sich mit dem Ausspruch begnügen muß: «Es gibt mehr
Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen
läßt.» Feiner – geistig empfindende Menschen werden unruhig,
wenn sie eine andere Welt als die sinnliche um sich herum ahnen, dumpf
gewahr werden und innerhalb ihrer tappen müssen wie der Blinde zwischen
sichtbaren Gegenständen. Nur die klare Erkenntnis von diesen höheren
Gebieten des Daseins, das verständnisvolle Eindringen in dasjenige,
was in ihnen vorgeht, kann den Menschen wirklich festigen und ihn seiner
wahren Bestimmung zuführen. Durch die Einsicht in das, was den Sinnen
verborgen ist, erweitert der Mensch sein Wesen in der Art, daß er
sein Leben vor dieser Erweiterung wie ein «Träumen über
die Welt» empfindet.
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
Es ist gesagt worden, daß die Gebilde einer
der drei Welten nur dann für den Menschen Wirklichkeit haben, wenn
er die Fähigkeiten oder die Organe hat, sie wahrzunehmen. Gewisse
Vorgänge im Raum nimmt der Mensch nur dadurch als Lichterscheinungen
wahr, daß er ein wohlgebildetes Auge hat. Wieviel sich von dem, was
wirklich ist, einem Wesen offenbart, das hängt von dessen Empfänglichkeit
ab. Niemals darf somit der Mensch sagen: nur das sei wirklich, was er wahrnehmen
kann. Es kann vieles wirklich sein, für dessen Wahrnehmung ihm die
Organe fehlen. – Nun sind die Seelenwelt und das Geisterland ebenso wirklich,
ja in einem viel höheren Sinne wirklich als die sinnliche Welt. Zwar
kann kein sinnliches Auge Gefühle, Vorstellungen sehen; aber sie sind
wirklich. Und wie der Mensch durch seine äußeren Sinne die körperliche
Welt als Wahmehmung vor sich hat, so werden für seine geistigen Organe
Gefühle, Triebe, Instinkte, Gedanken und so weiter zu Wahmehmungen.
Genau wie durch das sinnliche Auge zum Beispiel räumliche Vorgänge
als Farbenerscheinungen gesehen werden können, so können durch
die inneren Sinne die genannten seelischen und geistigen Erscheinungen
zu Wahrnehmungen werden, die den sinnlichen Farbenerscheinungen analog
sind. Vollkommen verstehen, in welchem Sinne das gemeint ist, kann allerdings
nur derjenige, welcher auf dem im nächsten Kapitel zu beschreibenden
Erkenntnispfad gewandelt ist und sich dadurch seine inneren Sinne entwickelt
hat. Für einen solchen werden in der ihn umgebenden Seelenwelt die
Seelenerscheinungen und im geistigen Gebiet die geistigen Erscheinungen
übersinnlich sichtbar. Gefühle, welche er an anderen Wesen erlebt,
strahlen wie Lichterscheinungen für ihn von dem fühlenden Wesen
aus; Gedanken, denen er seine Aufmerksamkeit zuwendet, durchfluten den
geistigen Raum. Für ihn ist ein Gedanke eines Menschen, der sich auf
einen andern Menschen bezieht, nicht etwas Unwahrnehmbares, sondern ein
wahrnehmbarer Vorgang. Der Inhalt eines Gedankens lebt als solcher nur
in der Seele des Denkenden; aber dieser Inhalt erregt Wirkungen in
der Geistwelt. Diese sind für das Geistesauge der wahrnehmbare
Vorgang. Als tatsächliche Wirklichkeit strömt der Gedanke von
einer menschlichen Wesenheit aus und flutet der andern zu. Und die Art,
wie dieser Gedanke auf den andern wirkt, wird erlebt als ein wahrnehmbarer
Vorgang in der geistigen Welt. So ist für den, dessen geistige Sinne
erschlossen sind, der physisch wahrnehmbare Mensch nur ein Teil des ganzen
Menschen. Dieser physische Mensch wird der Mittelpunkt seelischer und geistiger
Ausströmungen. Nur angedeutet kann die reich-mannigfaltige Welt werden,
die sich vor dem «Seher» hier auftut. Ein menschlicher Gedanke,
der sonst nur in dem Denkverständnisse des Zuhörenden lebt, tritt
zum Beispiel als geistig wahrnehmbare Farbenerscheinung auf. Seine Farbe
entspricht dem Charakter des Gedankens. Ein Gedanke, der aus einem sinnlichen
Trieb des Menschen entspringt, hat eine andere Färbung als ein im
Dienste der reinen Erkenntnis, der edlen Schönheit oder des ewig Guten
gefaßter Gedanke. In roten Farbennuancen durchziehen Gedanken, welche
dem sinnlichen Leben entspringen, die Seelenwelt. [Die hier
gegebenen Auseinandersetzungen sind naturgemäß den stärksten
Mißverständnissen ausgesetzt. Es soll deshalb in dieser neuen
Auflage ganz kurz am Schlusse in einer Bemerkung auf sie zurückgekommen
werden. (Vgl. S.158ff.)]
In schönem hellem Gelb erscheint ein Gedanke, durch den der Denker
zu einer höheren Erkenntnis aufsteigt. In herrlichem Rosarot erstrahlt
ein Gedanke, der aus hingebungsvoller Liebe stammt. Und wie dieser Inhalt
eines Gedankens, so kommt auch dessen größere oder geringere
Bestimmtheit in seiner übersinnlichen Erscheinungsform zum Ausdruck.
Der präzise Gedanke des Denkers zeigt sich als ein Gebilde von bestimmten
Umrissen; die verworrene Vorstellung tritt als ein verschwimmendes, wolkiges
Gebilde auf.
Und die Seelen- und Geisteswesenheit des Menschen
erscheint in dieser Art als übersinnlicher Teil an der ganzen menschlichen
Wesenheit.
Die dem «geistigen Auge» wahrnehmbaren
Farbenwirkungen, die um den in seiner Betätigung wahrgenommenen physischen
Menschen herumstrahlen und ihn wie eine Wolke (etwa in Eiform) einhüllen,
sind eine menschliche Aura. Bei verschiedenen Menschen ist die Größe
dieser Aura verschieden. Doch kann man sich – im Durchschnitt – etwa vorstellen,
daß der ganze Mensch doppelt so lang und viermal so breit
erscheint als der physische.
In der Aura fluten nun die verschiedensten Farbentöne.
Und dieses Fluten ist ein getreues Bild des inneren menschlichen Lebens.
So wechselnd wie dieses sind einzelne Farbentöne. Doch drücken
sich gewisse bleibende Eigenschaften: Talente, Gewohnheiten, Charaktereigenschaften
auch in bleibenden Grundfarbtönen aus.
Bei Menschen, welche den Erlebnissen des in einem
späteren Kapitel dieses Buches geschilderten «Erkenntnispfades»
vorerst ferne stehen, können sich Mißverständnisse ergeben
über die Wesenheit dessen, was hier als «Aura» geschildert
wird. Man kann zu der Vorstellung kommen, als ob dasjenige, was hier als
«Farben» geschildert wird, vor der Seele so stünde, wie
eine physische Farbe vor dem Auge steht. Eine solche «seelische Farbe»
wäre aber nichts als eine Halluzination. Mit Eindrücken, die
«halluzinatorisch» sind, hat die Geisteswissenschaft nicht
das geringste zu tun. Und sie sind jedenfalls in der hier vorliegenden
Schilderung nicht gemeint. Man kommt zu einer richtigen Vorstellung, wenn
man sich das Folgende gegenwärtig hält. Die Seele erlebt an
einer physischen Farbe nicht nur den sinnlichen Eindruck, sondern
sie hat an ihr ein seelisches Erlebnis. Dieses seelische Erlebnis
ist ein anderes, wenn die Seele – durch das Auge – eine gelbe, ein anderes,
wenn sie eine blaue Fläche wahrnimmt. Man nenne dieses Erlebnis das
«Leben in Gelb» oder das «Leben in Blau». Die Seele
nun, welche den Erkenntnispfad betreten hat, hat ein gleiches «Erleben
in Gelb» gegenüber den aktiven Seelenerlebnissen anderer Wesen:
ein «Erleben in Blau» gegenüber den hingebungsvollen Seelenstimmungen.
Das Wesentliche ist nicht, daß der «Seher» bei einer
Vorstellung einer anderen Seele so «blau» sieht, wie er dies
«blau» in der physischen Welt sieht, sondern daß er ein
Erlebnis hat, das ihn berechtigt, die Vorstellung «blau» zu
nennen, wie der physische Mensch einen Vorhang zum Beispiel «blau»
nennt. Und weiter ist es wesentlich, daß der «Seher»
sich bewußt ist, mit diesem seinem Erlebnis in einem leibfreien Erleben
zu stehen, so daß er die Möglichkeit empfängt, von dem
Werte und der Bedeutung des Seelenlebens in einer Welt zu sprechen, deren
Wahrnehmung nicht durch den menschlichen Leib vernuttelt ist. Wenn auch
dieser Sinn der Darstellung durchaus berücksichtigt werden muß,
so ist es für den «Seher» doch ganz selbstverständlich,
von «Blau», «Gelb», «Grün» und
so weiter in der «Aura» zu sprechen.
Sehr verschieden ist die Aura nach den verschiedenen
Temperamenten und den Gemütsanlagen der Menschen; verschieden auch
je nach den Graden der geistigen Entwickelung. Eine völlig andere
Aura hat ein Mensch, der sich ganz seinen animalischen Trieben hingibt,
als ein solcher, der viel in Gedanken lebt. Wesentlich unterscheidet sich
die Aura einer religiös gestimmten Natur von einer solchen, die in
den trivialen Erlebnissen des Tages aufgeht. Dazu kommt, daß alle
wechselnden Stimmungen, alle Neigungen, Freuden und Schmerzen in der Aura
ihren Ausdruck finden.
Man muß die Auren der verschiedenartigen Seelenerlebnisse
miteinander vergleichen, um die Bedeutung der Farbentöne verstehen
zu lernen. Man nehme zunächst Seelenerlebnisse, die von stark ausgeprägten
Affekten durchsetzt sind. Sie lassen sich in zwei verschiedene Arten sondern,
in solche, bei denen die Seele zu diesen Affekten vorzüglich durch
die animalische Natur getrieben wird, und solche, welche eine raffiniertere
Form annehmen, die sozusagen durch das Nachdenken stark beeinflußt
werden. Bei der ersteren Art von Erlebnissen durchfluten vorzügl ich
braune und rötlich-gelbe Farbenströmungen aller Nuancen an bestimmten
Stellen die Aura. Bei denen mit raffinierteren Affekten treten an denselben
Stellen Töne von hellerem Rotgelb und Grün auf. Man kann bemerken,
daß mit wachsender Intelligenz die grünen Töne immer häufiger
werden. Sehr kluge Menschen, die aber ganz in der Befriedigung ihrer animalischen
Triebe aufgehen, zeigen viel Grün in ihrer Aura. Doch wird dieses
Grün immer einen stärkeren oder schwächeren Anflug von Braun
oder Braunrot haben. Unintelligente Menschen zeigen einen großen
Teil der Aura durchflutet von braun-roten oder sogar dunkelblutroten Strömungen.
Wesentlich anders als bei solchen Affektzuständen
ist die Aura bei der ruhigen, abwägenden, nachdenklichen Seelenstimmung.
Die bräunlichen und rötlichen Töne treten zurück und
verschiedene Nuancen des Grün treten hervor. Bei angestrengtem Denken
zeigt die Aura einen wohltuenden grünen Grundton. So sehen vorzüglich
jene Naturen aus, von denen man sagen kann, sie wissen sich in jede Lage
des Lebens zu finden.
Die blauen Farbentöne treten bei den hingebungsvollen
Seelenstimmungen auf. Je mehr der Mensch sein Selbst in den Dienst einer
Sache stellt, desto bedeutender werden die blauen Nuancen. Zwei ganz verschiedenen
Arten von Menschen begegnet man auch in dieser Beziehung. Es gibt Naturen,
die nicht gewohnt sind, ihre Denkkraft zu entfalten, passive Seelen, die
gewissermaßen nichts in den Strom der Weltereignisse zu werfen haben
als ihr «gutes Gemüt». Ihre Aura glimmt in schönem
Blau. So zeigt sich auch diejenige vieler hingebungsvoller, religiöser
Naturen. Mitleidsvolle Seelen und solche, die sich gerne in einem Dasein
voll Wohltun ausleben, haben eine ähnliche Aura. Sind solche Menschen
außerdem intelligent, so wechseln grüne und blaue Strömungen,
oder das Blau nimmt wohl auch selbst eine grünliche Nuance an. Es
ist das Eigentümliche der aktiven Seelen im Gegensatz zu den passiven,
daß sich ihr Blau von innen heraus mit hellen Farbentönen durchtränkt.
Erfindungsreiche Naturen, solche, die fruchtbringende Gedanken haben, strahlen
gleichsam von einem inneren Punkte heraus helle Farbentöne. Im höchsten
Maße ist dies der Fall bei denjenigen Persönlichkeiten, die
man «weise» nennt, und namentlich bei solchen, welche von fruchtbaren
Ideen erfüllt sind. Überhaupt hat alles, was auf geistige Aktivität
deutet, mehr die Gestalt von Strahlen, die sich von innen ausbreiten; während
alles, was aus dem animalischen Leben stammt, die Form unregelmäßiger
Wolken hat, welche die Aura durchfluten.
Je nachdem die Vorstellungen, welche der Aktivität
der Seele entspringen, sich in den Dienst der eigenen animalischen Triebe
oder in einen solchen idealer, sachlicher Interessen stellen, zeigen die
entsprechenden Auragebilde verschiedene Färbungen. Der erfinderische
Kopf, der alle seine Gedanken zur Befriedigung seiner sinnlichen Leidenschaften
verwendet, zeigt dunkelblaurote Nuancen; derjenige dagegen, welcher seine
Gedanken selbstlos in ein sachliches Interesse stellt, hellrotblaue Farbtöne.
Ein Leben im Geiste, gepaart mit edler Hingabe und Aufopferungsfähigkeit,
läßt rosarote oder hellviolette Farben erkennen.
Allein nicht nur die Grundverfassung der Seele,
sondern auch vorübergehende Affekte, Stimmungen und andere innere
Erlebnisse zeigen ihre Farbenflutungen in der Aura. Ein plötzlich
ausbrechender heftiger Ärger erzeugt rote Flutungen; gekränktes
Ehrgefühl, das sich in plötzlicher Aufwallung auslebt, kann man
in dunkelgrünen Wolken erscheinen sehen. – Aber nicht allein in unregelmäßigen
Wolkengebilden treten die Farbenerscheinungen auf, sondern auch in bestimmt
begrenzten, regelmäßig gestalteten Figuren. Bemerkt man bei
einem Menschen eine Anwandlung von Furcht, so sieht man diese zum Beispiel
in der Aura von oben bis unten wie wellige Streifen in blauer Farbe, die
einen blaurötlichen Schimmer haben. Bei einer Person, an der man bemerkt,
wie sie mit Spannung auf ein gewisses Ereignis wartet, kann man fortwährend
rotblaue Streifen radienartig von innen gegen außen hin die Aura
durchziehen sehen.
Für ein genaues geistiges Wahmehmungsvermögen
ist jede Empfindung, die der Mensch von außen empfängt, zu bemerken.
Personen, die durch jeden äußeren Eindruck stark erregt werden,
zeigen ein fortwährendes Aufflackern kleiner blaurötlicher Punkte
und Fleckchen in der Aura. Bei Menschen, die nicht lebhaft empfinden, haben
diese Fleckchen eine orange-gelbe oder auch eine schöne gelbe Färbung.
Sogenannte «Zerstreutheit» der Personen zeigt sich als bläuliche,
ins Grünliche spielende Flecke von mehr oder weniger wechselnder Form.
Für ein höher ausgebildetes «geistiges
Schauen» lassen sich innerhalb dieser den Menschen umflutenden und
umstrahlenden «Aura» drei Gattungen von Farbenerscheinungen
unterscheiden. Da sind zuerst solche Farben, die mehr oder weniger den
Charakter der Undurchsichtigkeit und Stumpfheit tragen. Allerdings, wenn
wir diese Farben mit denjenigen vergleichen, die unser physisches Auge
sieht, dann erscheinen sie diesen gegenüber flüchtig und durchsichtig.
Innerhalb der übersinnlichen Welt selbst aber machen sie den Raum,
den sie erfüllen, vergleichsweise undurchsichtig; sie erfüllen
ihn wie Nebelgebilde. – Eine zweite Gattung von Farben sind diejenigen,
welche gleichsam ganz Licht sind. Sie durchhellen den Raum, den sie ausfüllen.
Dieser wird durch sie selbst zum Lichtraum. – Ganz verschieden von diesen
beiden ist die dritte Art der farbigen Erscheinungen. Diese haben nämlich
einen strahlenden, funkelnden, glitzernden Charakter. Sie durchleuchten
nicht bloß den Raum, den sie ausfüllen: sie durchglänzen
und durchstrahlen ihn. Es ist etwas Tätiges, in sich Bewegliches in
diesen Farben. Die anderen haben etwas in sich Ruhendes, Glanzloses. Diese
dagegen erzeugen sich gleichsam fortwährend aus sich selbst. – Durch
die beiden ersten Farbengattungen wird der Raum wie mit einer feinen Flüssigkeit
ausgefüllt, die ruhig in ihm verharrt; durch die dritte wird er mit
einem sich stets anfachenden Leben, mit nie ruhender Regsamkeit erfüllt.
Diese drei Farbengattungen sind nun in der menschlichen
Aura nicht etwa durchaus nebeneinander gelagert; sie befinden sich nicht
etwa ausschließlich in voneinander getrennten Raumteilen, sondern
sie durchdringen einander in der mannigfaltigsten Art. Man kann an einem
Orte der Aura alle drei Gattungen durcheinanderspielen sehen, wie man einen
physischen Körper, zum Beispiel eine Glocke, zugleich sehen und hören
kann. Dadurch wird die Aura zu einer außerordentlich komplizierten
Erscheinung, denn man hat es, sozusagen, mit drei ineinander befindlichen,
sich durchdringenden Auren zu tun. Aber man kann ins klare kommen, wenn
man seine Aufmerksamkeit abwechselnd auf eine dieser drei Auren richtet.
Man tut dann in der übersinnlichen Welt etwas Ähnliches, wie
wenn man in der sinnlichen zum Beispiel – um sich ganz dem Eindruck eines
Musikstückes hinzugeben – die Augen schließt. Der «Seher»
hat gewissermaßen dreierlei Organe für die drei Farbengattungen.
Und er kann, um ungestört zu beobachten, die eine oder andere Art
von Organen den Eindrücken öffnen und die andern verschließen.
Es kann bei einem «Seher» zunächst überhaupt nur
die eine Art von Organen, die für die erste Gattung von Farben, entwickelt
sein. Ein solcher kann nur die eine Aura sehen; die beiden anderen bleiben
ihm unsichtbar. Ebenso kann jemand für die beiden ersten Arten eindrucksfähig
sein, für die dritte nicht. – Die höhere Stufe der «Sehergabe»
besteht dann darin, daß ein Mensch alle drei Auren beobachten und
zum Zwecke des Studiums die Aufmerksamkeit abwechselnd auf die eine oder
die andere lenken kann.
Die dreifache Aura ist der übersinnlich-sichtbare
Ausdruck für die Wesenheit des Menschen. Die drei Glieder: Leib, Seele
und Geist, kommen in ihr zum Ausdruck.
Die erste Aura ist ein Spiegelbild des Einflusses,
den der Leib auf die Seele des Menschen übt; die zweite kennzeichnet
das Eigenleben der Seele, das sich über das unmittelbar Sinnlichreizende
erhoben hat, aber noch nicht dem Dienst des Ewigen gewidmet ist; die dritte
spiegelt die Herrschaft, die der ewige Geist über den vergänglichen
Menschen gewonnen hat. Wenn Beschreibungen der Aura gegeben werden – wie
es hier geschehen ist –, so muß betont werden, daß diese Dinge
nicht nur schwer zu beobachten, sondern vor allem schwierig zu beschreiben
sind. Deshalb sollte niemand in solchen Darstellungen etwas anderes als
eine Anregung erblicken.
Für den «Seher» drückt sich
also die Eigentümlichkeit des Seelenlebens in der Beschaffenheit der
Aura aus. Tritt ihm Seelenleben entgegen, das ganz den jeweiligen sinnlichen
Trieben, Begierden und den augenblicklichen äußeren Reizen hingegeben
ist, so sieht er die erste Aura in den schreiensten Farbentönen; die
zweite dagegen ist nur schwach ausgebildet. Man sieht in ihr nur spärliche
Farbenbildungen; die dritte aber ist kaum angedeutet. Da und dort nur zeigt
sich ein glitzerndes Farbenfünkchen, darauf hindeutend, daß
auch bei solcher Seelenstimmung in dem Menschen das Ewige als Anlage lebt,
daß es aber durch die gekennzeichnete Wirkung des Sinnlichen zurückgedrängt
wird. – Je mehr der Mensch seine Triebnatur von sich abstreift, desto unaufdringlicher
wird der erste Teil der Aura. Der zweite Teil vergrößert sich
dann immer mehr und mehr und erfüllt immer vollständiger mit
seiner leuchtenden Kraft den Farbenkörper, innerhalb dessen der physische
Mensch lebt. – Und je mehr der Mensch sich als «Diener des Ewigen»
erweist, zeigt sich die wundersame dritte Aura, jener Teil, der Zeugnis
liefert, inwiefern der Mensch ein Bürger der geistigen Welt ist. Denn
das göttliche Selbst strahlt durch diesen Teil der menschlichen Aura
in die irdische Welt herein. Insofern die Menschen diese Aura zeigen, sind
sie Flammen, durch welche die Gottheit diese Welt erleuchtet. Sie zeigen
durch diesen Aurateil, inwieweit sie nicht sich, sondern dem ewig Wahren,
dem edel Schönen und Guten zu leben wissen: inwiefern sie ihrem engen
Selbst abgerungen haben, sich hinzuopfern auf dem Altar des großen
Weltwirkens.
So kommt in der Aura zum Ausdrucke, was der Mensch
im Laufe seiner Verkörperungen aus sich gemacht hat.
In allen drei Teilen der Aura sind Farben der verschiedensten
Nuancen enthalten. Es ändert sich aber der Charakter dieser Nuancen
mit dem Entwickelungsgrade des Menschen. – Man kann im ersten Teil der
Aura das unentwickelte Triebleben in allen Nuancen sehen vom Rot bis zum
Blau. Es haben da diese Nuancen einen trüben, unklaren Charakter.
Die aufdringlich roten Nuancen deuten auf die sinnlichen Begierden, auf
die fleischlichen Lüste, auf die Sucht nach den Genüssen des
Gaumens und des Magens. Grüne Nuancen scheinen sich vorzüglich
bei denjenigen niederen Naturen hier zu finden, die zum Stumpfsinn, zur
Gleichgültigkeit neigen, die gierig jedem Genusse sich hingeben, aber
doch die Anstrengungen scheuen, die sie zur Befriedigung bringen. Wo die
Leidenschaften heftig nach irgendeinem Ziele verlangen, dem die erworbenen
Fähigkeiten nicht gewachsen sind, treten bräunlichgrüne
und gelblichgrtine Aurafarben auf. Gewisse moderne Lebensweisen züchten
allerdings geradezu diese Art von Auren.
Ein persönliches Selbstgefühl, das ganz
in niederen Neigungen wurzelt, also die unterste Stufe des Egoismus darstellt,
zeigt sich in unklar-gelben bis braunen Tönen. Nun ist ja klar, daß
das animalische Triebleben auch einen erfreulichen Charakter annehmen kann.
Es gibt eine rein natürliche Aufopferungsfähigkeit, die sich
schon im Tierreiche im hoben Grade findet. In der natürlichen Mutterliebe
findet diese Ausbildung eines animalischen Triebes ihre schönste Vollendung.
Diese selbstlosen Naturtriebe kommen in der ersten Aura in hellrötlichen
bis rosaroten Farbennuancen zum Ausdruck. Feige Furchtsamkeit, Schreckhaftigkeit
vor sinnenfälligen Reizen zeigt sich durch braunblaue oder graublaue
Farben in der Aura.
Die zweite Aura zeigt wieder die verschiedensten
Farbenstufen. Stark entwickeltes Selbstgefühl, Stolz und Ehrgeiz bringen
sich in braunen und orangefarbenen Gebilden zum Ausdruck. Auch die Neugierde
gibt sich durch rotgelbe Flecken kund. Helles Gelb spiegelt klares Denken
und Intelligenz ab; Grün ist der Ausdruck des Verständnisses
für Leben und Welt. Kinder, die leicht auffassen, haben viel Grün
in diesem Teil ihrer Aura. Ein gutes Gedächtnis scheint sich durch
«Grüngelb» in der zweiten Aura zu verraten. Rosenrot deutet
auf wohlwollende, liebevolle Wesenheit hin; Blau ist das Zeichen von Frömmigkeit.
Je mehr sich die Frömmigkeit der religiösen Inbrunst nähert,
desto mehr geht das Blau in Violett über. Idealismus und Lebensernst
in höherer Auffassung sieht man als Indigoblau.
Die Grundfarben der dritten Aura sind Gelb, Grün
und Blau. Helles Gelb erscheint hier, wenn das Denken erfüllt
ist von hohen, umfassenden Ideen, welche das Einzelne aus dem Ganzen der
göttlichen Weltordnung heraus erfassen. Dieses Gelb hat dann, wenn
das Denken intuitiv ist und ihm vollkommene Reinheit von sinnlichem Vorstellen
zukommt, einen goldigen Glanz. Grün drückt aus die Liebe
zu allen Wesen; Blau ist das Zeichen der selbstlosen Aufopferungsfähigkeit
für alle Wesen. Steigert sich diese Aufopferungsfähigkeit bis
zum starken Wollen, das werktätig in die Dienste der Welt sich stellt,
so hellt sich das Blau zum Hellviolett auf. Sind trotz eines höher
entwickelten Seelenwesens noch Stolz und Ehrsucht, als letzte Reste des
persönlichen Egoismus, vorhanden, so treten neben den gelben Nuancen
solche auf, welche nach dem Orange hin spielen. – Bemerkt muß allerdings
werden, daß in diesem Teil der Aura die Farben recht verschieden
sind von den Nuancen, die der Mensch gewohnt ist in der Sinnenwelt zu sehen.
Eine Schönheit und Erhabenheit tritt dem «Sehenden» hier
entgegen, mit denen sich nichts in der gewöhnlichen Welt vergleichen
läßt. – Diese Darstellung der «Aura» kann derjenige
nicht richtig beurteilen, welcher nicht den Hauptwert darauf legt, daß
mit dem «Sehen der Aura» eine Erweiterung und
Bereicherung des in der physischen Welt Wahrgenommenen gemeint ist.
Eine Erweiterung, die dahin zielt, die Form des Seelenlebens zu erkennen,
die außer der sinnlichen Welt geistige Wirklichkeit hat. Mit einem
Deuten des Charakters oder der Gedanken eines Menschen aus einer halluzinatorisch
wahrgenommenen Aura hat diese ganze Darstellung nichts zu tun. Sie will
die Erkenntnis nach der geistigen Welt hin erweitern und will nichts zu
tun haben mit der zweifelhaften Kunst, Menschenseelen aus ihren Auren zu
deuten.
Rudolf
Steiner:
Theosophie
Einführung
in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung
Vorrede
1910 * Vorrede 1914
* Vorrede 1918
Einleitung
Das
Wesen des Menschen
I.
Die leibliche Wesenheit des Menschen
II.
Die seelische Wesenheit des Menschen
III.
Die geistige Wesenheit des Menschen
IV.
Leib, Seele und Geist
Wiederverkörperung
des Geistes und Schicksal
(Reinkarnation
und Karma)
Die drei
Welten
I.
Die Seelenwelt
II.
Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode
III.
Das Geisterland
IV
Der Geist im Geisterland nach dem Tode
V.
Die physische Welt und ihre Verbindung mit Seelen- und Geisterland
VI.
Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura
Der Pfad der
Erkenntnis
Einzelne
Bemerkungen und Ergänzungen
*
* *
*
* *
*
°
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index / links /
lapsit exillis (index) * emaille?!
-
° Rgveda,
Yoga-Sutras,
Bhagavad-Gita;
Genesis, Johannes-Evangelium
.
- ° Thomas von Aquin:
Summa
Theol. prima pars qu.2: IST Gott? Fünf
Gottesbeweise
. – ° Jakob
Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang
: Philipp Otto Runge: Der Morgen
. – ° Joh.
Val. Andreae: Die chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz
. – ° Novalis:
Die Lehrlinge zu Sais; Schelling:
Die Weltalter (Einleitung)
. – ° Wolfram
/ Chretien /
Wagner: Parzival/ Parsifal und
der Gral
. – ° Feuerprobe
und Lebensschrift-Chiffre: Von dem Machandelboom
. – ° Anthroposophie-links
Rudolf
Steiner : Theosophie : Die drei Welten : Die physische Welt : Die menschliche
Aura