Hans Zimmermann : 12 KÖRBE: Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: liber de causis
LIBER
DE CAUSIS
arabische Version und
deutsche Übersetzung
(O. Bardenhewer, Freiburg im Breisgau
1822)
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und 10
Kapitel 11,
12, 13, 14 und
15
-
eine arabische Kompilation
der Stoicheiosis Theologike
(griechisch) des Neuplatonikers Proklos,
im 12. Jahrhundert als
angeblicher Aristoteles-Text (vgl.
Metaphysik L)aus
dem Arabischen ins
Lateinische übersetzt,
elementares philosophisches
Lehrbuch der aristotelisch-neuplatonisch
orientierten Hochscholastik
im 13. Jhd. –
ed. O. Bardenhewer,
Die pseudoaristotelische
Schrift "Über das reine Gute", Freiburg im Breisgau
1822,
nach Maßgabe der
textkritischen Ausgabe von Adriaan Pattin (Tijdschr. Filos. 28, 1966) überarbeitet,
satzstrukturell gegliedert
und ins Netz gestellt durch Hans
Zimmermann, Görlitz)
2001
Parmenides
* Platon: Sonnengleichnis,
Höhlengleichnis; Timaios * Aristoteles:
Metaphysik L
Proklos:
stoicheiosis * Boethius: esse * Thomas
von Aquin: Summa
Theologiae, prima pars qu.2
Dreiecksverbindung:
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S. 82
S. 83
§
11.
Alle
die Ersten sind wechselseitig in einander
in
der Weise, in welcher es angeht, dass das eine derselben in dem anderen
ist.
Denn in dem Sein ist das
Leben und die Intelligenz, in dem Leben das Sein und die Intelligenz und
in der Intelligenz das Sein und das Leben; nur sind das Sein und das Leben
in der Intelligenz zwei Intelligenzen, das Sein und die Intelligenz in
dem Leben zwei Leben und die Intelligenz und das Leben in dem Sein zwei
Sein. Es ist dies desshalb der Fall, weil jedes einzelne von den Ersten
entweder Ursache ist oder Verursachtes. Das Verursachte nun ist / <S.83>
in der Ursache in der Weise der Ursache, und die Ursache ist in dem Verursachten
in der Weise des Verursachten. Wir wollen uns aber kurz fassen und sagen:
was in einem anderen ist in der Weise einer Ursache, ist in ihm in der
Weise, in welcher dieses letztere (selbst) ist. So ist der Sinn in der
Seele in seelischer Weise, die Seele in der Intelligenz in intellectueller
Weise, die Intelligenz in dem Sein in seiender Weise, das erste Sein aber
in der Intelligenz in intellectueller Weise, die Intelligenz in der Seele
in seelischer Weise, die Seele in dem Sinne in sinnlicher Weise. Wir wiederholen
und sagen also: der Sinn und die Seele sind in der Intelligenz und der
ersten Ursache in verschiedenen Weisen, wie wir es auseinandergesetzt haben.
S. 83
S. 84
§
12.
Jede
Intelligenz erfasst sich selbst.
Der Grund liegt darin, dass
sie intelligent und intelligibel (Erkenntnisssubject und Erkennt– / <S.84>
nissobject) zugleich ist. Wenn aber die Intelligenz intelligent und intelligibel
ist, so ist es nuzweifelhaft, dass sie sich selbst schaut; wenn sie aber
sich selbst schaut, so erkemit sie, dass sie eine Intelligenz ist, welche
sich selbst erfasst. Wenn sie aber sich selbst erkennt, so erkennt sie
die übrigen Dinge, welche unter ihr sind, weil sie aus ihr sind; in
intellectueller Weise jedoch sind sie in ihr, und es sind daher die Intelligenz
und die intelligibelen Dinge Eines. Denn wenn alle intelligibelen Dinge
in der Intelligenz sind, und die Intelligenz sich selbst erkennt, so ist
es unzweifelhaft, dass sie, wenn sie sich selbst erkennt, die übrigen
Dinge erkennt, und wenn sie die übrigen Dinge erkennt, sich selbst
erkennt; wenn sie aber die Dinge erkennt, so erkennt sie dieselben nur
desshalb, weil sie intelligibel sind. Mithin erkennt also die Intelligenz
sich selbst und die intelligibelen Dinge zugleich, wie wir es auseinandergesetzt
haben.
S. 85
S. 86
§
13.
In
jeder Seele sind die sinnlichen Dinge, weil sie Vorbild (paradeigma)
derselben ist,
und
die intelligibelen Dinge sind in ihr, weil sie Abbild (ekwn)
derselben ist.
Es ist dies desshalb der
Fall, weil sie in der Mitte steht zwischen den intelligibelen Dingen, welche
unbeweglich sind, und den sinnlichen, beweglichen Dingen. Aus dieser Stellung
der Seele aber folgt, dass sie die körperlichen Dinge hervorbringt
und also die Ursache der Körper ist, während sie selbst verursacht
ist von der Intelligenz, welche vor ihr ist. Die Dinge nun, welche von
der Seele hervorgebracht sind, sind in der Seele nach Art eines Vorbildes;
ich will sagen: die sinnlichen Dinge sind gebildet nach detn Vorbilde der
Seele. Die Dinge hingegen, welche über der Seele sind, sind in ihr
in einer erworbenen Weise. Wenn aber dem so ist, so wiederholen wir und
sagen: alle sinnlichen Dinge sind in der Seele in der Weise einer Ursache,
mit der Massgabe; dass die Seele vorbildliche Ursache ist. Unter Seele
aber verstehe ich die Kraft, welche die / <S.86>
sinnlichen Dinge wirkt, wobei indessen festzuhalten, dass die wirkende
Kraft in der Seele nicht materiell, die körperliche Kraft in der Seele
geistig und die auf die Dinge einwirkende ausgedehnte Kraft unausgedehnt
ist. Die intelligibelen Dinge aber sind in der Seele in accidenteller Weise;
ich will sagen: die intelligibelen Dinge, welche nicht getheilt sind, sind
in der Seele in getheilter Weise, die intelligibelen, einfachen Dinge sind
in der Seele in vielfältiger Weise und die intelligibelen Dinge, welche
unbeweglich sind. sind in der Seele in beweglicher Weise. Es ist denmach
klar, dass alle Dinge, die intelligibelen wie die sinnlichen, in der Seele
sind, die sinnlichen, körperlichen, beweglichen Dinge jedoch sind
in der Seele in seelischer, geistiger, einfacher Weise, die intelligibelen,
einfachen, ruhenden Dilige aber sind in der Seele in vielfältiger,
beweglicher Weise, wie wir es auseinandergesetzt haben.
S. 87
§
14.
Alles,
was sich selbst erkennt,
wendet
sich vollständig zu sich selbst hin.
Das Erkennen nämlich
ist eine intellectuelle Thätigkeit. Wenn nun etwas sich selbst erkennt,
so wendet es sich mit seinem Erkennen zu sich selbst hin. Der Grund liegt
dann, dass ja das Erkenntnisssubject und das Erkenntnissobject Eines und
dasselbe sind, weil das Erkennen dessen, was sich selbst erkennt, von diesem
Wesen ausgeht und auf dieses Wesen hinzielt, ersteres, weil es Erkenntnisssubject,
letzteres, weil es Erkenntnissobject. Denn da das Erkennen das Erkennen
des erkennenden Subjectes ist und dieses sich selbst erkennt, so wendet
es sich mit seiner Thätigkeit zu sich selbst hin. Ebendesshalb aber
wendet auch seine Wesenheit sich zu sich selbst hin. Unter dein Sichhinwenden
der Wesenheit zu sich selbst aber verstehen wir, dass die Wesenheit durch
sich selbst existirt und subsistirt; ohne zu ihrer Subsistenz und Existenz
eines anderen Dinges zu bedürfen, welches ihr Existenz verliehe, weil
sie eine einfache Weseuheit ist, welche sich selbst genügt.
S. 88
S. 89
S. 90
/ <S.88>
§
15.
Alle
unendlichen Kräfte
hängen
an der ersten Unendlichkeit, welche die Kraft der Kräfte ist,
weil
sie nicht erworben ist oder in den seienden Dingen subsistirt und existirt,
sondern
vielmehr die Kraft der seienden, Subsistenz habenden Dinge ist.
Wenn aber Jemand sagt, das
erste geschaffene Seiende, ich meine die Intelligenz, sei unendliche Kraft,
so erwiedern wir: das geschaffene Seiende ist nicht Kraft , sondern hat
etwas von Kraft , und nach unten hin, nicht nach oben hin, ist seine Kraft
ohne Ende. weil es incht die reine Kraft ist, welche mir dadurch Kraft
ist, dass sie eben Kraft ist, und welche durchaus kein Ende hat , nach
unten wie nach oben hin. Das erste geschaffene Seiende vielmehr, ich meine
die Intelligenz, hat ein Ende und seine Kraft hat auch ein Ende, insofern
seine Ursache (über ihm) bleibt. Das erste schaffende Seiende / <S.89>
hingegen ist die erste, reine Unendlichkeit. Denn wenn die kraftbegabten
Seienden kein Ende haben, weil sie (diese Vollkommenheit) erlangen von
der ersten, reinen Unendlichkeit, durch welche die Seienden sind, und wenn
das erste Seiende es ist, welches die Dinge, die kein Ende haben, in's
Dasein gesetzt hat, so kann kein Zweifel sein, dass dieses über der
Unendlichkeit ist. Das erste geschaffene Seiende hingegen , ich meine die
Intelligenz, ist nicht Unendlichkeit; es ist vielmehr zu sagen, dass es
ohne Ende ist, aber nicht, dass es das ist, was seinem Wesen nach Unendlichkeit
ist. Das erste Seiende also ist das Mass der ersten, intelligibelen und
der zweiten, sinnlichen Seienden; ich will sagen: dieses ist es, was die
Seienden geschaffen und mit dem einem jeden einzelnen zukommenden Masse
gemessen hat. Wir wiederholen und sagen also: das erste, schaffende Seiende
ist über der Unendlichkeit, das zweite, geschaffene Seiende ist ohne
Ende, und das, was zwischen dem ersten, schaffenden Seienden und dem zweiten,
geschaffenen / <S.90> Seienden
ist, ist Unendlichkeit. Die übrigen einfachen Vollkommenheiten aber,
wie das Leben, das Licht u. s. f., sind die Ursachen aller Dinge, welche
(diese) Vollkommenheiten besitzen. Ich will sagen: die Unendlichkeit stammt
aus der ersten Ursache, das erste Verursachte aber ist die Ursache alles
Lebens und ebenso der übrigen Vollkommenheiten, welche von der ersten
Ursache zunächst auf das erste Verursachte, die Intelligenz, und dann
durch die Vermittlung der Intelligenz auf die übrigen verursachten
Dinge, intelligibele wie körperliche, herabkommen.
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arabische
Schrift (Alphabet, Ligaturen, Zusatzzeichen)
*)
Ethik:
Philosophie/ Religion
* inter nodos – Latein/
Griechisch
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