Hans Zimmermann : 12 KÖRBE: Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: liber de causis
LIBER
DE CAUSIS
arabische Version und
deutsche Übersetzung
(O. Bardenhewer, Freiburg im Breisgau
1822)
zurück zu Kapitel 1,
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7, 8, 9,
10,
11, 12, 13,
14 und 15
Kapitel 16,
17, 18,
19 und 20
-
eine arabische Kompilation
der Stoicheiosis Theologike
(griechisch) des Neuplatonikers Proklos,
im 12. Jahrhundert als
angeblicher Aristoteles-Text (vgl.
Metaphysik L)aus
dem Arabischen ins
Lateinische übersetzt,
elementares philosophisches
Lehrbuch der aristotelisch-neuplatonisch
orientierten Hochscholastik
im 13. Jhd. –
ed. O. Bardenhewer,
Die pseudoaristotelische
Schrift "Über das reine Gute", Freiburg im Breisgau
1822,
nach Maßgabe der
textkritischen Ausgabe von Adriaan Pattin (Tijdschr. Filos. 28, 1966) überarbeitet,
satzstrukturell gegliedert
und ins Netz gestellt durch Hans
Zimmermann, Görlitz),
2001
Parmenides
* Platon: Sonnengleichnis,
Höhlengleichnis; Timaios * Aristoteles:
Metaphysik L
Proklos:
stoicheiosis * Boethius: esse * Thomas
von Aquin: Summa
Theologiae, prima pars qu.2
Dreiecksverbindung:
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Kapitels) wieder hierhin zurück zum arabischen Text.
S. 90
S. 91
§
16.
Die
einige Kraft ist von grösserer Unendlichkeit als die vielfältige
Kraft.
Denn die erste Unendlichkeit,
die Intelligenz, steht dem Einen, Wahren, Reinen nahe, und daher kömmt
es, dass in jeder Kraft, welche dem Einen, Wahren, Reinen nahe steht, die
/ <S.91> Unendlichkeit
grösser ist als in der Kraft, welche jenem ferne steht. Denn wenn
ei ne Kraft anfängt sich zu vervielfaltigen, so verliert sie ihre
Einheit; wenn sie aber ihre Einheit verliert, so verliert sie ihre Unendlichkeit,
welche in ihr war. Die Unendlichkeit aber büsst die Kraft nur in Folge
ihrer Theilung ein. Der Beweis liegt in der getheilten Kraft, insofern
diese, zusammengefügt und geeint, gross und stark ist und wunderbare
Werke wirkt, getheilt und zersplittert aber, klein und schwach ist und
geringfügige Werke wirkt. Es ist demnach klar und einleuchtend, dass,
wenn eine Kraft dem Einen, Wahren , Reinen nahe steht, ihre Einheit stark,
und wenn ihre Einheit stark, die Unendlichkeit in ihr augenscheinlicher
und auffälliger ist und ihre Werke grosse, wunderbare, erhabene Werke
sind.
S. 92
S. 93
/ <S.92>
§
17.
Alle
Dinge haben das Sein durch das erste Sein,
alle
lebenden Dinge sind selbstbewegungsfähig durch das erste Leben
und
alle intellectuellen Dinge sind erkenntnissfähig durch die erste Intelligenz.
Denn wenn jede Ursache dem
von ihr Verursachten etwas mittheilt, so kann kein Zweifel sein , dass
das erste Sein allem von ihm Verursachten das Sein mittheilt; und ebenso
theilt das Leben dem von ihm Verursachten die Bewegung mit, weil das Leben
ein Ausgang von dem ersten, ruhenden, bleibenden Sein und der Anfang der
Bewegung ist; und ebenso theilt die Intelligenz dem von ihr Verursachten
die Erkenntnisskraft mit, denn jede wahre Erkenntnisskraft geht nur von
der Intelligenz aus, und die Intelligenz ist das erste erkennende Wesen,
welches existirt, und zugleich dasjenige, was die Erkenntnisskraft auf
die übrigen erkennenden Wesen ausströmen lässt. Wir wiederholen
und sagen also: Das erste Sein ist ruhend und es ist die Ursache / <S.93>
der Ursachen, und wenn es allen Dingen das Sein mitteilt, so theilt es
dasselbe in der Weise einer Erschaffung mit; das erste Leben hingegen theilt
dem, was unter ihm ist, das Leben mit nicht in der Weise einer Erschaffung,
sondern in der Weise einer Form; und ebenso theilt auch die Intelligenz
dem, was unter ihr ist, von der Erkenntnisskraft und den übrigen Dingen
mit in der Weise einer Form, nicht in der Weise einer Erschaffung, weil
die Weise der Erschaffung ausschliesslich der ersten Ursache eigen ist.
S. 93
S. 94
§
18.
Die
Intelligenzen sind theils göttliche Intelligenzen,
weil
sie die ersten Vollkommenheiten,
welche
von der ersten Ursache ausgehen, in reichlichem Masse aufnehmen,
theils
Intelligenzen schlechtweg,
weil
sie von den ersten Vollkommenheiten
nur
durch die Vermittlung der ersten Intelligenz etwas aufnehmen.
Die Seelen ferner sind theils
intellectuelle Seelen, weil sie an der Intelligenz häugen, theils
Seelen schlechtweg. Die physischen Körper endlich sind theils mit
einer Seele ausgestattet, welche sie leitet und ihnen vorsteht, theils
sind es physische Körper schlechtweg ohne Seele. / <S.94>
Es ist dies desshalb der Fall, weil nicht die ganze intellectuelle und
nicht die ganze seelische und nicht die ganze körperliche Gattung
an der Ursache, welche über ihr ist, hängt, sondern nur das Vollkommene
und Vollendete in einer jeden Gattung, denn dieses ist es, was an der Ursache,
die über ihm ist, hängt. Ich will sagen: nicht jede Intelligenz
hängt an den von der ersten Ursache kommenden Vollkommenheiten, sondern
nur die an erster Stelle vollkommenen und vollendeten Intelligenzen, denn
diese (nur) sind fähig, die von der ersten Ursache herabkommenden
Vollkommenheiten aufzunehmen und an denselben zu hängen, wegen der
Stärke ihrer Einheit. Ebenso hängt auch nicht jede Seele an der
Intelligenz, sondern nur die vollkommenen und vollendeten und mit der Intelligenz
am stärksten verbundenen Seelen, denn diese hängen an der Intelligenz,
d. h. an der vollkommenen Intelligenz. Und ebenso hat auch nicht jeder
physische Körper eine Seele, sondern nur die vollkommenen und vollendeten
und gleichsam vernunftbegabten Körper. Und in dieser Weise und nach
dieser Analogie verhält es sich auch mit den übrigen intelligibelen
Ordnungen.
S. 95
S. 96
S. 97
/ <S.95>
§ 19.
Die
erste Ursache lenkt und leitet alle Dinge, ohne sich mit ihnen zu vermischen.
Denn die Leitung kann ihre
über jedes Ding erhabene Einheit nicht schmälern oder aufheben,
und die Natur ihrer von den Dingen gesonderten Einheit (thV xoristhV enwsewV)
kann sie an der Leitung der Dinge nicht hindern. Denn die erste Ursache
verharrt und verbleibt in ihrer reinen Einheit fort und fort, während
sie zugleich alle geschaffenen Dinge lenkt und leitet und die Kraft des
Lebens und das verschiedene Gute auf dieselben ausströmen lässt,
nach Massgabe ihrer Kraft und ihres Vermögens (das Gute) aufzunehmen.
Das erste Gute lässt in einem und demselben Ergusse das verschiedene
Gute auf alle Dinge ausströmen; jedes einzelne Dinge aber nimmt von
diesem Ergusse auf nach Massgabe seines Wesens und seines Seins. Das erste
Gute lässt das verschiedene Gute auf alle Dinge in einer und derselben
Weise ausströmen , weil es Gutes ist vermöge seines Seins und
seiner / <S.96>
Wesenheit und seiner Kraft, insofern es Gutes ist und das Gute und die
Wesenheit eines und dasselbe sind. Wie nun die erste Wesenheit Wesenheit
und Gutes ist in einer und derselben Weise, so lässt sie in einem
und demselben Ergusse das Gute auf die Dinge ausströmen, und es strömt
nicht auf das eine Ding weniger, auf das andere mehr aus. Der Grund für
die Verschiedenheit des Guten und der Vollkommenheiten liegt vielmehr lediglich
auf Seiten des Aufnehmenden; denn die Dinge, welche das Gute aufnehmen,
nehmen dasselbe nicht gleichmässig auf; sondern das eine nimmt mehr
auf als das andere, und hat dies seinen Grund in der grossen Fülle
des Guten. Wir wiederholen und sagen also: zwischen dem durch sein blosses
Sein Wirkenden und seiner Wirkung gibt es kein Verhältijiss (sxesiV)
und nichts anderes Vermittelndes. Das Verhältniss zwischen dem Wirkenden
und der Wirkung ist etwas zum Sein Hinzukommendes (prosqesiV tou einai).
Ich will sagen: wenn zwischen dem Wirkenden und der Wirkung ein Werkzeug
liegt und das Erstere nicht durch sein Sein und einen Theil seiner / <S.97>
Attribute wirkt und sein Sein zusammengesetzt ist, so wirkt das Wirkende
mittelst eines Verhältnisses zwischen ihm und seiner Wirkung, und
das Ende des Wirkenden ist gesondert von seinem Werke, und es lenkt und
leitet dasselbe nicht in vollkommener und höchster Weise. Wenn hingegen
zwischen dem Wirkenden nnd seinem Werke durchaus kein Verhältniss
ist , so wirkt das Wirkende in Wahrheit und lenkt und leitet in Wahrheit,
indem es die Dinge wirkt mit der vollendetsten Ordnung und Schönheit,
aber welche hinaus es keine Ordnung und Schönheit mehr geben kaim,
mid in der vollendetsten Weise sein Werk leitet. Denn es leitet das Ding
in der Weise, in welcher es wirkt, und weil es durch sein Sein wirkt, so
leitet es auch durch sein Sein. In Folge dessen leitet und wirkt es in
der vollendetsten Weise, ohne Verschiedenheit und ohne Widerspruch. Die
Verschiedenheit der Werke und der Leitung seitens der ersten Ursachen ist
lediglich durch die Tauglichkeit (axia) des Aufnehmenden bedingt.
S. 98
S. 99
/ <S.98>
§ 20.
Die
erste Ursache ist sich selbst genügend (autarkhV),
denn
sie ist der grösste Reichthum.
Der Beweis hiefür liegt
in ihrer Einheit, weil diese nicht eine in ihr zerstreute Einheit ist,
sondern eine reine Einheit, weil sie im höchsten Grade einfach ist.
Wenn aber Jemand erkennen will, dass die erste Ursache der grösste
Reichthum ist, so werfe er seinen Blick auf die zusammengesetzten Dinge
und untersuche sie mit höchster Genauigkeit. Er wird dann finden,
dass jedes zusammengesetzte Ding unvollkommen ist, weil entweder anderer
Dinge bedürfend oder doch der Dinge, aus welchen es zusammengesetzt
ist. Das einfache Ding hingegen, ich meine das Eine, welches Güte
ist, ist eines und seine Einheit ist Güte und die Güte und das
Eine sind Eines und dasselbe. Dieses Ding ist daher der grösste Reichthum
und es lässt (das Gute auf die anderen Dinge) ausströmen, nimmt
aber selbst in keiner Weise eine Ausströmung (von einem anderen Dinge)
auf. Die übrigen / <S.99>
Dinge hingegen, seien sie intelligibel oder sinnenfällig, sind nicht
sich selbst genügend, sondern sie bedürfen des Einen, Wahren,
welches die verschiedenen Vollkommenheiten und alles Gute auf sie ausströmen
lässt.
Kapitel 1,
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5, 6, 7,
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14, 15, 16,
17, 18,
19, 20,
21, 22, 23,
24, 25,
arabische
Schrift (Alphabet, Ligaturen, Zusatzzeichen)
*)
Ethik:
Philosophie/ Religion
* inter nodos – Latein/
Griechisch
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