Hans Zimmermann : 12 KÖRBE: Quellen
zum Thema "Schöpfung" und zum Weltbild der Antike und des Mittelalters
: liber de causis
LIBER
DE CAUSIS
arabische Version und
deutsche Übersetzung
(O. Bardenhewer, Freiburg im Breisgau
1822)
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19 und 20
Kapitel 21,
22, 23,
24 und 25
-
eine arabische Kompilation
der Stoicheiosis Theologike
(griechisch) des Neuplatonikers Proklos,
im 12. Jahrhundert als
angeblicher Aristoteles-Text (vgl.
Metaphysik L)aus
dem Arabischen ins
Lateinische übersetzt,
elementares philosophisches
Lehrbuch der aristotelisch-neuplatonisch
orientierten Hochscholastik
im 13. Jhd. –
ed. O. Bardenhewer,
Die pseudoaristotelische
Schrift "Über das reine Gute", Freiburg im Breisgau
1822,
nach Maßgabe der
textkritischen Ausgabe von Adriaan Pattin (Tijdschr. Filos. 28, 1966) überarbeitet,
satzstrukturell gegliedert
und ins Netz gestellt durch Hans
Zimmermann, Görlitz),
2001
Parmenides
* Platon: Sonnengleichnis,
Höhlengleichnis; Timaios * Aristoteles:
Metaphysik L
Proklos:
stoicheiosis * Boethius: esse * Thomas
von Aquin: Summa
Theologiae, prima pars qu.2
Dreiecksverbindung:
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S. 99
S. 100
§
21.
Die
erste Ursache ist über jedem Namen, der genannt wird.
Der Grund liegt darin, dass
ihr weder das Unvollkommensein eignet noch das blosse Vollkommensein. Denn
das Unvollkommene ist nicht vollkommen und ist nicht fähig, eine vollkommene
Thätigkeit auszuüben, weil es eben unvollkommen ist; das Vollkommene
aber nach unserer Anschauungsweise, wenn es auch sich selbst genügt,
ist doch nicht fähig, ein anderes Ding zu erschaffen oder irgend etwas
von sich selbst ausströmen zu lassen. Wenn aber dem so ist, so wiederholen
wir und sagen: die erste Ursache ist weder unvollkommen noch bloss vollkommen,
sondern sie ist über dem Vollkommensein, weil sie die Dinge erschafft
und in voll– / <S.100>
kommener Weise das Gute auf dieselben ausströmen lässt, weil
sie Güte ist ohne Ende und ohne Massen. Das erste Gute erfüllt
nun also alle Welten mit Gutem, nur dass jede Welt nach Massgabe ihrer
Kraft von diesem Guten aufnimmt. Mithin ist es klar und einleuchtend, dass
die erste Ursache über jedem Nanien, der genannt wird, und höher
und erhabener ist.
S. 100
S. 101
§
22.
Jede
göttliche Intelligenz erkennt die Dinge, weil sie Intelligenz,
und
leitet dieselben, weil sie göttlich ist.
Der Intelligenz nämlich
ist es von Natur aus eigen, zu erkennen, und darin, dass sie erkennend
ist, liegt ihre Vollkommenheit und Vollendung. Gott aber – er sei gepriesen
und verherrlicht! – ist der Dinge Leiter, weil er die Dinge mit Gutem erfüllt.
Die Intelligenz jedoch ist das erste Erschaffene und Gott – er sei verherrlicht!
– am meisten ähnlich. Daher nun kommt es, dass sie die Dinge, welche
unter ihr stehen, leitet, und wie Gott – er sei gepriesen und verherrlicht!
– das Gute auf die Dinge ausströmen lässt, so lässt / <S.101>
die Intelligenz auf die Dinge, welche unter ihr stehen, die Erkenntniss
ausströmen. Wiewohl indessen die Intelligenz die Dinge, welche unter
ihr stehen, leitet, so steht doch Gott – er sei gepriesen und verherrlicht!
– in der Leitung der Dinge vor und über der Intelligenz, und leitet
er die Dinge in einer höheren und erhabeneren Weise als die Intelligenz,
weil er es ist, welcher der Intelligenz die Leitung verlieben hat. Der
Beweis hiefur liegt darin, dass die Dinge, welche von der Leitung der Intelligenz
nicht erreicht werden, wohl erreicht werden von der Leitung des Schöpfers
der Intelligenz. Denn seiner Leitung geht schlechterdings kein Ding verlustig,
weil er sein Gutes zu einem jeden einzelnen von all' den Dingen hingelangen
lassen will. Denn nicht jedes Ding sehnt sich nach der Intelligenz und
verlangt nach ihrem Besitze. Alle Dinge aber sehnen sich nach dem von dem
Ersten kommenden Guten und verlangen gar sehr nach seinem Besitze. Hieran
zweifelt Niemand.
S. 102
S. 103
/ <S.102>
§ 23.
Die
erste Ursache ist in allen Dingen auf Eine Art und Weise,
nicht
aber sind alle Dinge in der ersten Ursache auf Eine Art und Weise.
Denn wenngleich die erste
Ursache in allen Dingen ist, so nimmt doch jedes einzelne Ding dieselbe
auf nach dem Masse seiner Kraft. Denn einige Dinge nehmen sie einfach auf,
andere vielfach, einige ewig, andere zeitlich, einige geistig, andere körperlich.
Der Grund für die Verschiedenheit der Aufnahme liegt nicht in der
ersten Ursache, sondern auf Seiten d essen, w as a ufnimmt. Denn das, was
aufnimmt, ist verschieden und desshalb ist auch die Aufnahme verschieden.
Das, was ausströmen lässt, hingegen ist (immer) Eines und dasselbe
ohne Verschiedenheit und es lässt das Gute auf alle Dinge gleichmässig
ausströmen. Denn d as Gute strömt auf alle Dinge von der ersten
Ursache gleichmässig aus. Die Dinge selbst also sind die Ursache der
Verschieden– / <S.103>
heit der Ausströmung des Guten auf die Dinge. Es ist mithin kein Zweifel,
dass nicht alle Dinge in der ersten Ursache auf Eine und dieselbe Weise
sind. Demnach ist es klar, dass die erste Ursache in allen Dingen auf Eine
und dieselbe Weise ist, aber nicht alle Dinge in ihr auf Eine und dieselbe
Weise sind. Also gemäss der Nähe der ersten Ursache und gemäss
der Fähigkeit des Dinges, die erste Ursache aufzunehmen, nach dieser
Massgabe vermag dasselbe an der ersten Ursache Antheil zu haben und sich
ihrer zu erfreuen. Denn nur gemäss seinem Sein hat ein Ding an der
ersten Ursache Antheil und erfreut sich ihrer. Unter dem Sein aber verstehe
ich die Erkenntniss; denn gemäss der Erkenntniss der ersten schaffenden
Ursache seitens des Dinges nach dieser Massgabe hat das Ding an derselben
Antheil und erfreut sich ihrer, wie wir es auseinandergesetzt haben.
S. 104
S. 105
/ <S.104>
§ 24.
[Die
einfachen, intellectuellen Wesen
sind
nicht hervorgebracht von einem anderen Dinge.]
Jedes
Wesen, welches durch sich selbst subsistirt,
ist
nicht hervorgebracht von einem anderen Dinge.
Wenn aber Jemand behauptet,
es sei doch möglich, dass dasselbe hervorgebracht sei von einem anderen
Dinge, so erwiedern wir: wenn es möglich ist, dass ein Wesen, welches
durch sich selbst subsistirt, hervorgebracht sei von einem anderen Dinge,
so ist dieses Wesen offenbar unvollendet und bedarf der Vollendung durch
das, was dasselbe hervorbringt. Der Beweis hiefur liegt in dem Begriffe
des Werdens selbst. Denn das Werden ist eben nur ein Weg von der Unvollendetheit
zu der Vollendetheit. Wenn sich also ein Ding findet, welches zu seinem
Werden, d. i. zu seiner Wesenheit und seiner Bildung, keines anderen Dinges
ausser ihm bedarf, vielmehr selbst die Ursache / <S.105>
seiner Bildung und seiner Vollendung ist, so ist dies immer vollendet und
vollkommen. Es ist aber die Ursache seiner Bildung und seiner Vollendung
vermöge seines immerwährenden Verbundenseins mit seiner Ursache,
und ist dieses Verbundensein zugleich seine Bildung und seine Vollendung.
Demnach ist es also einleuchtend, dass jedes Wesen , welches durch sich
selbst subsistirt, nicht hervorgebracht ist von einem anderen Dinge
S. 105
S. 106
§
25.
Jedes
Wesen welches durch sich selbst subsistirt, ist nicht dem Vergehen unterworfen.
Wenn aber Jemand behauptet,
es sei doch möglich, dass ein Wesen, welches durch sich selbst subsistirt,
dem Vergehen unterworfen sei, so erwiedern wir: wenn es möglich ist,
dass ein Wesen, welches durch sich selbst subsistirt, dem Vergehen unterworfen
sei, so ist es möglich, dass dasselbe sich von sich selbst trenne
und also durch sich selbst subsistire und existire ausser sich selbst.
Das aber ist absurd und unmöglich; denn weil es Eines ist und einfach
und nicht zusammengesetzt, so ist es / <S.106>
selbst die Ursache und das Verursachte zugleich. Alles aber, was dem Vergehen
unterworfen ist, vergeht nur dadurch, dass es sich trennt von seiner Ursache.
So lange hingegen ein Ding in Abhängigkeit von und in Verbindung mit
seiner Ursache, welche es hält und schützt, verbleibt, ist es
unzerstörbar und unvergänglich. Wenn aber dem so ist, so kann
ein Wesen, welches durch sich selbst subsistirt, sich nie von seiner Ursache
trennen, weil es sich nicht von sich selbst trennt, insofern es selbst
seine Ursache ist zu seiner Bildung. Es ist aber die Ursache seiner selbst
in Folge seines Verbundenseins mit seiner Ursache, indem eben dieses Verbundensein
seine Bildung ist. Weil es nun immer verbunden ist mit seiner Ursache und
selbst die Ursache dieses Verbundenseins ist, so ist es auch die Ursache
seiner selbst in der Weise, wie wir gesagt haben, dass es unzerstörbar
und unvergänglich ist, weil es die Ursache und das Verursachte zugleich
ist, wie wir auch gesagt haben. Demnach ist es klar und einleuchtend, dass
jedes Wesen, welches durch sich selbst subsistirt, unzerstörbar und
unvergänglich ist.
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arabische
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*)
Ethik:
Philosophie/ Religion
* inter nodos – Latein/
Griechisch
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