Hans Zimmermann,
Görlitz : 12
KÖRBE: Quellentexte in zwölf Sprachen : Indien
: Upanishaden des
Sâmaveda : Chândogya-Upanishad
Paul
Deussen: Vorrede zu "Sechzig Upanishads" * Brhadâranyaka-
& Îshâ-Up. * Einl.:
Up. des Sâmaveda * Kena-Up.
Chândogya-Upanishad:
Inhaltsverzeichnis * 1
* 2 * 3 (Weltei)
* 4 * 5 (prâna)
* 6 (tat
tvam asi) * 7 * 8,1-6;
8,7-15
Chândogya-Upanishad
sanskrit /
deutsch
Übersetzung und Voranmerkungen:
Paul Deussen
Sechster Prapâthaka
„tat
tvam asi“
– „das
bist du“
Der
ganze Prapâthaka bildet
ein zusammenhängendes Ganze, in welchem Shvetaketu
von seinem Vater Uddâlaka
über das Seiende und seine Entfaltung
zur Welt belehrt wird. Zwar scheiden sich äußerlich die beiden
Abschnitte 1-7 und 8-16 voneinander durch die Verdopplung der Schlußworte
7,6 und den neuen Anfang 8,1. Indes ist diese Trennung rein äußerlich
und wohl nur (vielleicht hinterher) durch den Wunsch veranlaßt, den
längern Abschnitt für das Studium in zwei annähernd gleiche
Lernpensa zu zerlegen. Innerlich gehören beide Teile eng zusammen,
indem nicht nur im zweiten Teile auf den ersten Rückbeziehung genommen
wird (8,6 tad uktam purastât eva
bhavati, vgl. 4,7 fg.), sondern auch der
Refrain, mit dem 8. 9. 10. 11. 12.
13. 14. 15. 16. schließen, wie wir zeigen werden, eine bloße
Zusammenfassung der Grundgedanken von 1-7 ist. – Noch ist vorweg zu bemerken,
daß die hier vorliegende Situation des aus der zwölfjährigen
Lehrzeit zurückkehrenden und sodann von seinem Vater Uddâlaka
über die tiefsten Geheimnisse des Seins belehrten Shvetaketu in keiner
Weise vereinbar ist mit der Rolle, welche beide Chând.5,3,1 fg. spielen.
Nimmt man dazu die vielfachen andern Widersprüche über diese
Personen (z.B. Brh. 6,3,7. 6,5,3, wo Yâjñavalkya ein Schüler
des Uddâlaka ist, und Brh.3,7, vgl. 3,9,27, wo auch Uddâlaka
von Yâjñavalkya zum Schweigen gebracht wird; oder Brh.
4,6,2, wo Uddâlaka Schüler des Jâbâlâyana
ist, während Brh. 6,3,8-12 Satyakâma erst im fünften
Gliede S.154
nach
Uddâlaka folgt), so wird es wahrscheinlich, daß man aus der
Vorzeit nicht sowohl feste Traditionen als vielmehr nur berühmte Namen
besaß, denen man die neu aufkommenden Lehren zuschrieb, ohne um die
daraus sich ergebenden Widersprüche sehr besorgt zu sein.
Die
Wichtigkeit und stellenweise Schwierigkeit des vorliegenden Prapâthaka
erfordert eine Analysis der sechzehn Abschnitte, aus denen er besteht,
im einzelnen.
1.
Shvetaketu wird, 12 Jahre alt, von seinem Vater als Brahmacârin
in die Lehre gegeben, kehrt nach 12 Jahren
zurück, hat alle Veden studiert (bei dem spätern Umfange erforderte
jeder Veda 12 Jahre Studiums) und ist voll Dünkels über sein
Wissen. Der Vater fragt ihn: „Hast du auch der Unterweisung nachgefragt,
yena ashrutam shrutam bhavati,
etc.?“ Was heißt das? M. Müller: „by which we hear what cannot
be heard“. Böhtlingk: „mittels welcher Ungehörtes gehört
wird“. Beide falsch, wiewohl der letztere das Richtige in meinem „System
des Vedânta“
S.282 hätte finden können: „durch welche [auch] das Ungehörte
ein [schon] Gehörtes wird“. Es ist das Thema des ganzen Buches, welches
sich in diesen Worten ankündigt. Das Seiende ist eins und ist alles;
wer das Seiende kennt, der kennt in ihm alles, auch das Ungekannte. Als
Bestätigung dienen die Worte der alten Weisen 4,5: na
no adya kashcana ashrutam, amatam, avignâtam udâharishyati
(von Böhtlingk völlig mißverstanden), sowie die Nachbildung
und somit älteste Interpretation unsrer Stelle Mund.1,1,3: kasmin
nu, bhagavo, vijñâte sarvam idam vijñâtam bhavati?
Auch die Chând.6,1,3-5 folgenden Beispiele wollen nur diesen Satz
erläutern. Wie durch ein Stück Ton, Kupfer, Eisen, alles Tönerne,
Kupferne, Eiserne erkannt ist, so durch die Erkenntnis des einen Seienden
alles das, was ist: „an Worte sich klammernd ist die Umwandlung, ein bloßer
Name“. Es ist dies die älteste Stelle, in der die Nichtrealität
der vielheitlichen Welt ausgesprochen wird. Nicht lange darauf gelangte
in Griechenland Parmenides zur selben
Erkenntnis und sprach sie fast ebenso aus: tôi pant' onom' estin,
hossa brotoi katethento pepoithotes einai alêthê, ginesthai
te kai hollystai etc. „darum ist alles, was die Menschen vertrauensvoll
für wahr angenommen haben, alles Werden und Vergehen, ein bloßer
Name“. Dieselbe Erkenntnis spricht Spinoza aus, wenn er alle Individuen
für modi der einen göttlichen substantia erklärt.
Alle drei, Chândogya, Parmenides, Spinoza (und so alle Philosophen
vor Kant) begehen den Fehler, empirische Vorstellungsformen auf das Metaphysische
zu übertragen, wodurch ihre Metaphysik die Wahrheit nur in bildlicher
Form ausspricht. So hier, wo sie das metaphysisch Seiende (sat,
to on, substantia) nach Analogie der beim
Wechsel ihrer Zustände beharrenden Substanz (d.h. Materie) beschreiben.
Daß diese Vorstellung eine bildliche oder halbbildliche ist, beweist
für Parmenides (in dem Verse
pantothen eukyklou sphairês enalinkion onkôi) das Wort
enalinkion; für Chândogya das Nächstfolgende, in
welchem tejas, âpas, annam,
d.h. die Grundelemente der physischen Substanz oder Materie erst aus der
metaphysischen Substanz, dem sat,
Seienden, abgeleitet werden.
S.155
2. Hervorgehen
der Elemente aus dem Seienden. Zu Anfang war allein das Seiende, Sat,
eines nur und ohne zweites. Dieses Urwesen war schon Rgv.10,129,1
nâsad âsîn no sad asît
tadânîm als weder nichtseiend,
noch auch (in empirischem Sinne) seiend bezeichnet worden. Seitdem hatte
man öfter, die letztere Alternative betonend, das Urwesen als asad,
nichtseiend, bezeichnet. So schon Rgv.10,72,2-3; ferner Shatap.Br.6,1,1
und Taitt.Br.2,2,9 (siehe die Stellen in meiner „Allgemeinen Geschichte
der Philosophie“, 1, S.145, 199, 202); Taitt.Up.2,7,1
und sogar Chând.3,19,1. Hiergegen
wendet sich polemisierend unser Autor: „wie könnte aus dem Nichtseienden
das Seiende entstehen? Vielmehr war diese Welt zu Anfang nur das Seiende“.
Dieses
Seiende beabsichtigte (aikshata)
vieles zu sein und schuf (ließ aus sich hervorgehen, asrjata)
die Glut (tejas), diese
in derselben Weise aus sich die Wasser (âpas),
diese ebenso die Nahrung (annam).
Für das Hervorgehen der Wasser aus der Glut, der Nahrung aus den Wassern
wird, als empirische Bestätigung, auf die Tatsachen des Schwitzens
nach Erhitzung und des Wachstums der Pflanzen nach dem Regen hingewiesen.
Da Glut, Wasser und Nahrung aus dem Seienden hervorgegangen sind, so sind
sie, nach der Ansicht des Verfassers, nur dieses; – doch sind sie, nach
der Art, wie ihr Hervorgehen aus dem Seienden geschildert wird, eine wirkliche
Umwandlung (vikâra)
desselben, deren Realität doch vorher
bestritten wurde. Ein gewisser Rückfall in den Realismus, wahrscheinlich
unter dem Einflusse früherer Darstellungen, ist hier nicht zu verkennen.
– Unser Autor kennt nur drei Elemente, aus denen alles besteht. Eine andre
Auffassung (vertreten namentlich durch Taitt.Up.2,1) schiebt zwischen sie
und das Seiende noch zwei feinere Elemente ein, wodurch man zu der spätem
Fünfzahl âkâsha, vâyu,
agni, âpas, prthivî
gelangte. Dem entsprechend wurde aus der sogleich zu besprechenden Dreifachmachung
der Elemente später eine Fünffachmachung (pañcikaranam).
3-4.
Die Dreifachmachung der Elemente. – Vorher geht eine Bemerkung über
die Einteilung der Lebewesen in Eigeborne, Lebendgeborne, Keimgeborne,
welche den Zusammenhang störend unterbricht und wohl später eingeschoben
ist. – Sodann folgt der allgemeine Grundgedanke der indischen Philosophie,
der sich schon in den Hymnen des Rgveda entwickelt, und wonach das
Urwesen aus sich den Urstoff hervorbringt und in diesem selbst als Erstgebornes
entsteht. (Vgl. die Nachweisungen in meiner „Allgemeinen Geschichte der
Philosophie“.) So beschließt auch hier das Seiende, nachdem es die
drei Urelemente hervorgebracht hat, in dieselben als individuelle Seele
(jîva âtman)
einzugehen und Namen und Gestalten anszubreiten. Zu diesem Zwecke erfolgt
die „Dreifachmachung“ der Elemente, d.h. die Versetzung jedes Elementes
mit Zutaten der beiden andern. (Später wird diese Theorie dahin präzisiert,
daß z.B. empirisches Wasser aus 1/2 Wasser + 1/8 Erde + 1/8 Feuer
+ 1/8 Luft + 1/8 Äther besteht.) Das Motiv dieser Lehre ist offenbar,
alle die mannigfachen empirischen Stoffe als verschiedenartige Mischungen
der drei Urstoffe zu begreifen. Dieses wird beispielsweise an den Erscheinungen
S.156 des
Feuers, der Sonne, des Mondes, des Blitzes erläutert; sie sind nicht
reine Glut, sondern Glut mit Zumischung von Wasser und Nahrung; und so
steht es mit allen empirischen Stoffen; ihre Verschiedenheit ist nur scheinbar
(„an Worte sich klammernd, ein bloßer Name“), in Wahrheit ist überall
nur Glut, Wasser und Nahrung; wer diese drei weiß, der weiß
damit alles, ihm ist das Unbekannte ein schon Bekanntes (diese drei aber
weiß der, welcher das Seiende weiß, das sich zu ihnen entfaltet
hat).
5.
Anwendung auf den Menschen. Auch beim Menschen findet die „Dreifachmachung“
der Elemente statt, jedoch in ganz anderm Sinne zu verstehen als vorher
(wiewohl mit derselben Redewendung angekündigt). Vorher handelte es
sich um eine Mischung jedes der drei Elemente mit den beiden andern, jetzt,
beim Menschen, hingegen wird die Dreifachmachung verstanden als eine Teilung
jedes einzelnen Elementes in Gröbstes, Mittleres und Feinstes, wodurch
die Bestandteile des Leibes nach folgendem Schema entstehen:
Gröbstes: Mittleres:
Feinstes
Nahrung:
Faeces Fleisch
Manas
Wasser:
Urin.
Blut
Prâna
Glut:
Knochen Mark
Rede.
6. Erläuterung
dieses Vorganges. Wie bei der Milch, wenn sie gequirlt wird, die Feinteile
als Butter nach oben gehen, so sind Manas,
Prâna,
Rede die im Leibe nach oben gehenden Feinteile von Nahrung, Wasser und
Glut.
7.
Beweis, daß Manas aus
Nahrung, Prâna aus
Wasser besteht. Er liegt darin, daß, wenn man sich der Nahrung enthält,
hingegen Wasser trinkt, das Gedächtnis (manas)
schwindet, hingegen das Leben (prâna)
erhalten bleibt. – Dieser Gedanke wird sehr ins Unklare gerückt durch
Verquickung mit einem andern (vielleicht infolge der Benutzung eines ältern,
diesem gewidmeten Textes), wonach der Mensch aus sechzehn Teilen besteht,
von denen durch jeden Fasttag einer schwindet, bis nach fünfzehn Tagen
nur noch einer übrig ist, der dann durch Nahrung, wie ein Funke durch
Zuführung von Brennstoff, wieder angefacht werden kann.
Die
nun folgende zweite Hälfte des Prapâthaka
(5-16) ist nur eine Erläuterung der in
der ersten Hälfte vorgetragenen Gedanken von der alleinigen Realität
des Seienden und seiner Ausbreitung zur vielheitlichen Welt. Teils durch
Bilder ( 9. Bienen, 10.
Flüsse, 13. Salzklumpen, 14.
Verirrter, 16. Ordal), teils an den Erscheinungen
selbst (8. Schlaf, Hunger, Durst, Sterben,
11. verdorrender Baum, 12.
Samenkorn, 15. Sterbender) wird eine Reihe
von Rätseln der Natur vorgeführt und die Lösung derselben
in dem Wurzeln der betreffenden Naturerscheinung in dem subtilen (anu),
d.h. für die Sinne unerkennbaren, einen Seienden gefunden. Diese Rätsel
sind:
8.
Schlaf, Hunger, Durst, Sterben;
9.
Unbewußtheit des Eingehens in das Seiende;.
10.
Unbewußtheit des Hervorgehens aus demselben;
S.157
11.
Das Beseelte stirbt, nicht aber die Seele;
12.
Hervorgehen des vielgestaltigen Baumes aus dem einheitlichen Inhalte des
Keimes;
13.
das unsichtbare Seiende durchdringt alle Dinge;
14.
Rückkehr zum Seienden aus der Verirrung des Daseins;
15.
Schwinden des Bewußtseins beim Eingange in das Seiende;
16.
Unwahrheit bringt Bindung und Leiden, Wahrheit bringt Erlösung.
Am
Schlusse jedes dieser neun Abschnitte folgt dann die
berühmte Formel sa ya' esho
'nimâ, aitadâtmyam idam sarvam, tat satyam, sa âtmâ,
tat tvam asi, Shvetaketo! „Was diese Unerkennbarkeit
(wörtlich Subtilität, in der die betreffende rätselhafte
Erscheinung wurzelt, d.h. das Seiende) ist, ein (bloßes) Bestehen
aus diesem 1
ist dieses Weltall (die ganze Welt ist nur Seiendes, wie in der ersten
Hälfte gezeigt), das ist das Reale (alles andre ist nur „an Worte
sich klammernd, ein bloßer Name“), das ist die Seele (als individuelle
Seele ging das Seiende selbst in Glut, Wasser und Nahrung ein, oben 3.),
das bist du, o Shvetaketu“ (wahrhaft ergreifend ist die Unmittelbarkeit,
mit der hier der ganze Inbegriff des geheimnisvollen, höchsten Wesens,
die ganze Fülle der Gottheit in
dem Angeredeten wiedererkannt wird; die Worte tat
tvam asi gelten mit Recht als die Summa
aller Upanishadlehren). – Es enthält also diese Formel nur
eine Zusammenfassung der vorher (1-7.) vorgetragenen Gedanken. Nunmehr
zu den einzelnen Abschnitten.
1
aitadâtmyam, von Böhtlingk
unnötig in etadâtmakam abgeschwächt;
etad-âtman
adj. "dieses als Wesen habend", davon das Substantivum abstractum aitadâmyam
"das dieses-als-Wesen-Haben". Die Welt
ist nicht eine Substanz, welche etadâtman
als Eigenschaft trüge, sondern sie
ist durch und durch nur diese Eigenschaft (sie ist nicht aus ihm bestehend
sondern ein bloßes Aus-ihm-Bestehen) und im übrigen ein wesenloser
Schein. So ist aitadâtmyam das
Produkt einer sich selbst überbietenden und (streng logisch genommen)
über das Ziel hinausschießenden Kraft der Abstraktion.
8.a.
Der Schlaf. Wir haben hier zwei Erklärungen desselben, die nicht recht
zusammenstimmen. 1) Der Schlaf ist ein Eingehen in das Seiende, und, da
dieses im Menschen als seine Seele, sein Selbst weilt, ein Eingehen in
sich selbst (svam apîta,
daher svapiti).
– 2) Der Schlaf ist ein Eingehen des (bewußten) Manas in den (unbewußten)
Prâna.
b.
Der Hunger besteht in einer Wegführung (zum Aufbau des Organismus)
der gegessenen Nahrung durch die Wasser, aus denen sie (oben 2.) entstanden
ist; sein Name ashanâya wird
etymologisch gedeutet auf diese Wasser als „Wegführer der Nahrung“.
– „Dieser Leib“ (etad,
ergänze sharîram)
ist eine Wirkung (shûngam,
wörtlich „Knospendecke“, in weiterm Sinne „Schößling“ im
allgemeinen) und hat als Ursache (mûlam,
wörtlich „Wurzel“) die Nahrung, diese hat als Ursache das Wasser,
dieses die Glut, diese das Seiende (wie oben 2. entwickelt).
c.
Ebenso besteht der Durst in einer Wegführung (zum Aufbau des
S.158 Organismus)
des getrunkenen Wassers durch die Glut, aus der es entstanden ist; daher
udanyâ,
Durst, auf die Glut als „Wegführer der Wasser“ gedeutet wird. – Wieder
ist der Leib (etad)
seinem flüssigen Teile nach eine Wirkung der Wasser, diese der Glut,
diese des Seienden.
d.
Beim Sterben (für welches diese Stelle grundlegend ist) geht zuerst
die Rede ein in das Manas (Sprachlosigkeit
bei Fortbestehen des Bewußtseins), dann das Manas
in den Prâna
(Bewußtloslgkeit bei Fortbestehen des
Lebens), dann der Prâna in
das Seiende (Tod). Diese Beschreibung entspricht dem tatsächlichen
Vorgange, widerspricht aber dem oben (5.) gegebenen Schema, nach welchem
die Rede nicht aus dem Manas sondern
aus der Glut, das Manas nicht
aus dem Prâna sondern
aus der Nahrung, der Prâna nicht
aus der Glut direkt sondern aus dem Wasser entstanden ist.
9-10.
Die individuellen Wesen haben, wenn sie (in Tiefschlaf und Tod) in
das Seiende eingehen, kein Bewußtsein davon, in das Seiende einzugehen
(9.), und ebenso, wenn sie (beim Erwachen und Wiedergeborenwerden) aus
dem Seienden wieder hervorgehen, so haben sie kein Bewußtsein davon,
aus dem Seienden wieder hervorzugehen (10.). Diese beiden Vorgänge
sollen durch die beiden Bilder von der Einswerdung der Blumensäfte
im Honig (9.) und von der Einswerdung der Flüsse im Ozean (10.) erläutert
werden. Jedoch erläutern diese Bilder nicht, wie man erwarten sollte,
den Gegensatz des Eingehens und Wiederhervorgehens, sondern seltsamerweise
nur das Gemeinsame in beiden Vorgängen, so daß sie ohne Störung
des Sinnes ihre Stelle miteinander vertauschen könnten. Eine weitere
Inkonzinnität liegt darin, daß die Bilder das Nichtbewußtsein
des Eingehens und Wiederhervortretens erläutern sollten, in der Tat
jedoch nicht dieses, sondern das Nichtbewußtsein der bestimmten Individualität
nach dem Eingange ins Seiende erläutern.
11.
Das Seiende, als Seele, ist unsterblich. Der Beweis dafür berührt
sich merkwürdig mit dem Hauptbeweise im platonischen
Phaedon, cap. 52-54. Wie die Kälte vom Schnee, die Wärme vom
Feuer unabtrennbar ist, sagt Platon, so das Leben von der Seele. Eine nichtlebende
Seele ist ein innerer Widerspruch, wie nichtkalter Schnee, nichtwarmes
Feuer. Oukoun hê psychê to enantion hôi autê
epipherei aei ou mê pote dexêtai, „die Seele kann also
niemals das Gegenteil von dem, was sie immer mitbringt, annehmen“. – Denselben
Beweis führt, am Beispiele des absterbenden Baumes, unsre Upanishadstelle;
nur daß sie viel einfacher verfahren kann, weil die Untrennbarkeit
von Seele und Leben dem Inder selbstverständlich ist, sofern beide
im Sanskrit (nicht zufällig, sondern vermöge der philosophischen
Anlage der Sprache) durch dasselbe Wort jîva
bezeichnet werden. „Es stirbt, was vom
Leben (von der Seele, jîva)
verlassen wird, nicht aber stirbt das Leben (die Seele, jîva).“
Aber wohin geht es beim Tode? Zurück zu jenem unerkennbaren Untergrunde
der Natur, dem Seienden, welches das Thema des ganzen Buches ist. – Beide,
Platon und die Upanishad, treffen die Wahrheit, soweit man sie
S.159 vor
der Kantischen Grundlegung treffen konnte. Die Kraft, die Seele, das „Ding
an sich“ tritt in die Erscheinung, indem sie die Materie (Raum, Zeit und
Kausalität) ergreift und wieder losläßt. Die Erscheinung
entsteht und vergeht, nicht aber das Erscheinende, weil ihm die Kausalität
und mit ihr alles Werden abzusprechen ist.
12.
Hervorgehen der Unterschiede aus dem Unterschiedslosen. Wie aus dem
scheinbar gleichartigen Inhalte des Samenkornes der große Nyagrodhabaum
hervorgeht, so entspringt die ganze Mannigfaltigkeit der Welt aus dem unterschiedslosen
Seienden.
13.
Das Seiende ist unwahrnehmbar und doch überall gegenwärtig.
Wie der Salzklumpen, im Wasser aufgelöst, verschwindet, aber in allen
Teilen des Wassers durch den Salzgeschniack sich als vorhanden beweist,
so ist auch das Seiende selbst unwahrnehmbar nnd verleiht doch nur durch
sein Vorhandensein allem, was ist, die Realität.
14.
Gewißhelt der Erlösung schon innerhalb des Samsâra.
Wem durch einen Lehrer die ewige Wahrheit zuteil geworden, der ist wie
ein Verirrter, dem die Binde von den Augen genommen und der Weg zur Heimat
gezeigt wurde. Er ist damit noch nicht zu Hause, aber er weiß, daß
er dorthin gelangen wird; er weiß (von M. Müller und Böhtlingk
mißverstanden): „dieser Welt“ (tasya
scil. samsârasya)
gehöre ich nur so lange (tavad eva
ciram, wie tâva
jyok Shat.Br.11,5,1,2), bis ich erlöst
sein werde; darauf werde ich heimgehen“.
15.
Das Schwinden des Bewußtseins beim Sterben ist (wie bereits oben
8. d. gelehrt wurde) nur ein Zurückkehren der Rede in das Manas,
des Manasin den
Prâna,
des Prânain
die Glut, der Glut in die höchste Gottheit, d.h. in das Seiende.
16.
Das Ordal. Ein des Raubes, des Diebstahls Verdächtiger, wenn er leugnet,
muß eine glühende Axt anfassen. Sagt er die Unwahrheit, so verbrennt
er sich an ihr und wird gerichtet, sagt er die Wahrheit, so verbrennt er
sich nicht an ihr und wird losgelassen. Ebenso bleibt der, welcher noch
in der Unwahrheit der empirischen Realität befangen ist, den Leiden
des Samsâra preisgegeben,
während der, welcher die Wahrheit von dem einen Seienden erkannt hat,
der Erlösung teilhaftig wird. – Mit der Parabel vom ungerechten Haushalter,
Luk.16,1-9, hat dieses Stück gemeinsam, daß man nicht das ganze
Bild, sondern nur das tertium comparationis ins Auge fassen darf.
Dies besteht im vorliegenden Falle einfach darin, daß die Unwahrheit
Bindung und Leiden, die Wahrheit Erlösung bringt. Daß es sich
im Vergleiche um ein Bekennen der Unwahrheit oder Wahrheit, im Verglichenen
um ein Erkennen derselben handelt, muß außer Augen gelassen
werden.
Erster
Khanda
shvetaketur
hâruneya âsa tam ha pitovâca
shvetaketo
vasa brahmacaryam
na vai somyâsmatkulîno
'nanûcya
brahma-bandhur iva bhavatîti (1)
1. Shvetaketu war der Sohn des [Uddâlaka]
Âruni. Zu ihm sprach sein Vater:
„Shvetaketu!
ziehe aus, das Brahman zu studieren,
denn einer aus unsrer Familie, o Teurer,
pflegt S.160
nicht ungelehrt
und ein [bloßes] Anhängsel der Brahmanenschaft zu bleiben.“
–
sa ha dvâdasha-varsha upetya
caturvinshati-varshah sarvân vedân
adhîpya
mahâ-manâ anûcânamânî
stabdhah eyâya
tam ha pitovâca
shvetaketo
yan nu somyedam
mahâ-manâ anûcânamânî
stabdho 'sy
uta tam âdesham aprâshyah (2)
yenâshrutam shrutam bhavaty
amatam matam avijñâtam vijñâtam
iti
2. Da ging er, zwölf Jahre
alt, in die Lehre,
und mit vierundzwanzig Jahren hatte
er alle Veden durchstudiert
und kehrte zurück hochfahrenden
Sinnes, sich weise dünkend und stolz.
Da sprach zu ihm sein Vater:
„Shvetaketu!
dieweil du, o Teurer,
also hochfahrenden Sinnes, dich
weise dünkend und stolz bist,
hast du denn auch der Unterweisung nachgefragt,
durch welche [auch] das Ungehörte
ein [schon] Gehörtes,
das Unverstandene ein Verstandenes,
das Unerkannte ein Erkanntes wird?“
–
katham nu bhagavah sa âdesho bhavatîti
(3)
3. „Wie
ist denn, o Ehrwürdiger, diese Unterweisung? –
yathâ
somyaikena mrtpindena sarvam mrtpayam vijñâtam
syâd
vâcârambhanam vikâro nâmadheyam mrttiketyeva
satyam (4)
„Gleichwie,
o Teurer, durch einen Tonklumpen alles, was aus Ton besteht, erkannt ist,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name, Ton nur ist es in Wahrheit; –
yathâ
somyaikena lohapaninâ sarvam lohapayam vijñâtam
syâd
vâcârambhanam vikâro nâmadheyam loham ityeva
satyam (5)
4. gleichwie, o Teurer, durch einen
kupfernen Knopf alles, was aus Kupfer besteht, erkannt ist,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name, Kupfer nur ist es in Wahrheit; –
yathâ
nakhanikrntanena sarvam kârshnâyasam vijñâtam
syâd
vâcârambhanam vikâro nâmadheyam krshnâyasam
ityeva satyam eva
somya sa âdesho
bhavatîti (6)
5. gleichwie, o Teurer, durch eine Nagelschere
alles, was aus Eisen besteht, erkannt ist,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name, Eisen nur ist es in Wahrheit, –
also, o Teurer, ist diese Unterweisung.“
–
na vai nûnam bhagavantas ta etad avedishur
yaddhy etad avedishyan katham me nâvakshyann
iti
bhagavâms tv eva me tad bravîtv iti
6. „Gewiß
haben meine ehrwürdigen Lehrer dieses selbst nicht gewußt;
denn wenn sie es gewußt hätten,
warum hätten sie mir es nicht gesagt?
Du aber, o Ehrwürdiger, wollest
mir solches nunmehr auslegen!“
–
iti prathamah khandah (1)
Zweiter
Khanda
sad eva somyedam
agra âsîd ekam evâdvitîyam
tadvaika âhur
asad evedam agra âsîd ekam evâdvitîyam
tasmâd
asatah saj jâyata (1)
1. Seiend nur, o Teurer, war dieses
am Anfang, eines nur und ohne zweites.
Zwar sagen einige, nichtseiend sei
dieses am Anfang gewesen, eines nur und ohne zweites;
aus diesem Nichtseienden sei das
Seiende geboren.
kutas tu khalu
somyaivam syâd iti
hovâca katham
asatah saj jâyeteti
sat tv eva somyedam
agra âsîd ekam evâdvidîyam (2)
2. Aber wie könnte es wohl,
o Teurer, also sein?
Wie könnte aus dem Nichtseienden
das Seiende geboren werden?
Seiend also vielmehr, o Teurer, war
dieses am Anfang, eines nur und ohne zweites.
S.161
tad aikshata
bahu syâm prajâyeyeti
tat teja aikshata
bahu syâm prajâyeyeti
tasmâd yatra
kvaca shocati svedate vâ purushas tejasa eva
3. Dasselbe beabsichtigte: «Ich
will vieles sein, will mich fortpflanzen»;
da schuf es die Glut (tejas).
Diese Glut beabsichtigte: Ich will vieles
sein, will mich fortpflanzen»;
da schuf sie die Wasser (apas).
Darum wenn ein Mensch die Glut des Schmerzes
fühlt oder schwitzt,
so entstehet aus der Glut das Wasser
[der Tränen, des Schweißes].
vâ âpo
aikshanta bahvyah syâma prajâyemahîti
tasmâd yatra
kvaca varshati tad eva bhûyishtam annam bhavaty adbhya
eva
tad adhy annâdyam
jâyate (4)
4. Diese Wasser beabsichtigen: «Wir
wollen vieles sein, wollen uns fortpflanzen»;
da schufen sie die Nahrung (annam).
Darum, wenn es regnet, so entstehet
reichliche Nahrung,
denn aus den Wassern eben entstehet
die Nahrung, die man isset.
iti dvitîyah khandah
(2)
Dritter
Khanda
teshâm
khalv eshâm bhûtânâm trîny eva bîjâni
bhavanty
ânda-jam
jîva-jam udbhij-jam iti (1)
1. Fürwahr, diese Wesen hier haben
dreierlei Samen [d.h. Ursprung]:
aus dem Ei Gebornes, lebend Gebornes
und aus dem Keim Gebornes.
seyam devataikshata
hantâham imâs tisro devatâ
anena jîvenâtmanânupravishya
nâmarûpe vyâkaravânîti
(2)
2. Jene Gottheit beabsichtigte:
«Wohlan, ich will in diese
drei Gottheiten (Glut, Wasser, Nahrung)
mit diesem lebenden Selbste [der individuellen
Seele] eingehen
und auseinanderbreiten Namen und
Gestalten:
tâsâm trivrtam trivrtam
ekaikâm karavânîti
seyam devatemâs tisro devatâ
anenaiva jîvenâtmanânupravishya
3. jede einzelne von ihnen aber will
ich dreifach machen.» –
Da ging jene Gottheit in diese drei
Gottheiten
mit diesem lebenden Selbste ein
und breitete auseinander Namen und
Gestalten;
tâsâm trivrtam trivrtam
ekaikâm akarod
yathâ tu khalu somyemâs tisro devatâs
trivrd ekaikâ bhavati
4. jede einzelne von ihnen aber machte
sie dreifach.
Wie nun, o Teurer, von diesen drei
Gottheiten jede einzelne dreifach wird,
das sollst du von mir erfahren.
iti trtîyah khandah
(3)
Vierter
Khanda
yad agne rohitam
rûpam tejasas tad rûpam
yac chuklam
tad apâm yad krshnam tad annasya
apâgâd
agner agnitvam
vâcâr
ambhanam vikâro nâmadheyam
trîni
rûpânîty eva satyam (1)
1. Was an dem Feuer die rote Gestalt
ist, das ist die Gestalt der Glut,
was die weiße, das der Wasser,
was die schwarze, das der Nahrung.
Verschwunden ist das Feuersein des Feuers,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name,
drei Gestalten nur sind in Wahrheit.
yad âdityâsya
rohitam rûpam tejasas tad rûpam
yac chuklam
tad apâm yad krshnam tad annasya
apâgâd
âdityâd âdityatvam
vâcâr
ambhanam vikâro nâmadheyam
trîni
rûpânîty eva satyam (2)
2. Was an der Sonne die rote Gestalt
ist, das ist die Gestalt der Glut,
was die weiße, das der Wasser,
was die schwarze, das der Nahrung.
Verschwunden ist das Sonnesein der Sonne,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name,
drei Gestalten nur sind in Wahrheit.
S.162
yad candramaso
rohitam rûpam tejasas tad rûpam
yac chuklam
tad apâm yad krshnam tad annasya
apâgâc
candrâc candratvam
vâcâr
ambhanam vikâro nâmadheyam
trîni
rûpânîty eva satyam (3)
3. Was an dem Monde die rote Gestalt
ist, das ist die Gestalt der Glut,
was die weiße, das der Wasser,
was die schwarze, das der Nahrung.
Verschwunden ist das Mondsein am Monde,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name,
drei Gestalten nur sind in Wahrheit.
yad vidyuto
rohitam rûpam tejasas tad rûpam
yac chuklam
tad apâm yad krshnam tad annasya
apâgâd
vidyuto vidyuttvam
vâcâr
ambhanam vikâro nâmadheyam
trîni
rûpânîty eva satyam (4)
4. Was an dem Blitze die rote Gestalt
ist, das ist die Gestalt der Glut,
was die weiße, das der Wasser,
was die schwarze, das der Nahrung.
Verschwunden ist das Blitzsein des Blitzes,
an Worte sich klammernd ist die
Umwandlung, ein bloßer Name,
drei Gestalten nur sind in Wahrheit.
etad sma vai tad vidvâmsa âhuh
pûrve
mahâ-shâlâ mahâ-shrotriyâ
na no 'dya kashcanâshrutam
amatam avijñâtam udâharishyatîti
5. Dieses fürwahr war es, was die
Altvordern,
die Großen an Reichtum, die
Großen an Schriftkunde, wußten, wenn
sie sprachen:
«Nunmehr kann keiner uns etwas
vorbringen, was wir nicht [schon]
gehört,
nicht [schon] verstanden, nicht
[schon] erkannt hätten!»
Dies wußten sie aus jenen
[Glut, Wasser, Nahrung];
yad u rohitam ivâbhûd iti tejasas
tad rûpam iti tad vidâñcakrur
yad u shuklam ivâbhûd ity apâm
rûpam iti tad vidâñcakrur
yad u krshnam ivâbhûd ity
anasya rûpam iti tad vidâñcakruh (6)
6. denn was gleichsam ein Rotes war,
das wußten sie als die Gestalt der Glut,
und was gleichsam ein Weißes
war, das wußten sie als die Gestalt der Wasser,
und was gleichsam ein Schwarzes
war, das wußten sie als die Gestalt der Nahrung;
yad v avijñâtam avâbhûd
ity
etâsâm eva devatânâm
samâsa iti tad vidâñcakrur
yatâ khalu nu somyemâs tisro devatâh
purusham prâpya
trivrt trivrd ekaikâ bhavati
tan me vijânîhîti (7)
7. und was gleichsam ein Unbekanntes
war,
das wußten sie als eine Zusammensetzung
eben jener Gottheiten [Glut, Wasser, Nahrung].
Wie nun, o Teurer, von diesen drei Gottheiten,
wenn sie in den Menschen gelangen,
jede einzelne dreifach wird, das
sollst du von mir erfahren:
iti caturthah khandah (4)
Fünfter
Khanda
annam ashitam
tredhâ vidhîyate
tasya yah
sthavishto dhâtus tat purîsham bhavati
yo madhyamas
tan mâmsam yo 'nishtas tan manah (1)
1. Die Nahrung, wenn sie genossen worden,
zerlegt sich in drei Teile;
was an ihr der gröbste Bestandteil
ist, der wird zu Faeces,
was der mittlere, der zu Fleisch,
was der feinste, der zu Manas.
âpah
pîtâs tredhâ vidhîyante
tâsâm
yah sthavishto dhâtus tan mûtram bhavati
yo madhyamas
tal lohitam yo 'nishtah sa prânah
(2)
2. Die Wasser, wenn sie getrunken worden,
zerlegen sich in drei Teile;
was an ihnen der gröbste Bestandteil
ist, der wird zu Urin,
was der mittlere, der zu Blut, was
der feinste, der zu Prâna.
tejo 'shitam
tredhâ vidhîyate
tasya yah
sthavishto dhâtus tad asthi bhavati
yo madhyamas
sa majjâ yo 'nishtah sâ vâk (3)
3. Die Glut, wenn sie genossen worden,
zerlegt sich in drei Teile;
was an ihr der gröbste Bestandteil
ist, der wird
S.163 zu
Knochen,
was der mittlere, der zu Mark, was
der feinste, der zu Rede.
anna-mayam hi sâmya mana
4. Denn aus Nahrung bestehend, o Teurer,
ist das Manas,
aus Wasser bestehend der Prâna,
aus Glut bestehend die Rede.“
–
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
„Noch weiter,
o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti pañcamah khandah
(5)
Sechster
Khanda
dadhnah
somya mathyamânasya yo 'nimâ
sa ûrdhvah
samudîshati tat sarpir bhavati (1)
1. „Was
an der Milch, o Teurer, wenn sie gequirlt wird, das Feine ist,
das strebt nach oben hin, das wird
zu Butter.
evam eva khalu
somya annasyâshyamânasya yo 'nimâ
sa ûrdhvah
samudîshati tat mano bhavati (2)
2. Ebenso, o Teurer, was an der Nahrung,
wenn sie genossen wird, das Feine ist,
das strebt nach oben hin, das wird
zu Manas.
apâm
somya pîyamânânâm yo 'nimâ
sa ûrdhvah
samudîshati sa prâno bhavati (3)
3. Und was an dem Wasser, o Teurer,
wenn es getrunkân wird, das Feine ist,
das strebt nach oben hin, das wird
zu Prâna.
tejasah
somyâshyamânasya yo 'nimâ
sa ûrdhvah
samudîshati sâ vâg bhavati (4)
4. Und was an der Glut, o Teurer, wenn
sie genossen wird, das Feine ist,
das strebt nach oben hin, das wird
zu Rede.
anna-mayam hi sâmya mana
5. Denn aus Nahrung bestehend, o Teurer,
ist das Manas,
aus Wasser bestehend der Prâna,
aus Glut bestehend die Rede.“
–
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
„Noch weiter,
o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti shashtah khandah
(6)
Siebenter
Khanda
shodasha-kalah
somya purushah
pañcadashâhâni
mâshîh kâmam apah piba
âpomayah
prâno
na pibato
vicchetsyata iti (1)
1. „Aus
sechzehn Teilen, o Teurer, besteht der Mensch.
Fünfzehn Tage lang sollst du
jetzt nicht essen; aber Wasser trinke, soviel du willst.
Der Prâna (der Lebensodem),
da er aus Wasser besteht,
wird, wenn du trinkst, nicht aus
dir entweichen.“
sa ha pañcadashâhâni
nâshâtha hainam upasasâda
rcah somya
yajûmshi sâmânîti sa hovâca
na vai mâ
pratibhânti bho iti (2)
2. Und er aß nicht fünfzehn
Tage hindurch. Darauf nahte er jenem und sprach:
„Was
soll ich hersagen, o Herr?“
–
„Sage die
Rgverse her, o Teurer, die Opfersprüche, die Sâmalieder“,
sprach er. –
„Ei,
sie wollen mir nicht einfallen, o Herr“,
sprach er. –
S.164
tam hovaca
3. Und jener sprach zu ihm:
yatha somya mahato 'bhyâhitasyaiko 'ngârah
khadyota-mâtrah parishishtah
syât tena tato 'pi na bahu dahed
evam somya te shodashânâm
kalânâm eko kalâ nishishtâ syât
tayaitarhi vedân nânubhavasy
„Gleichwie,
o Teurer, von einem großen angelegten Feuer zuletzt nur noch eine
Kohle,
so groß wie ein Leuchtkäfer,
übrig bleibt, und es durch diese dann weiter nicht mehr sehr brennt,
also, o Teurer, ist auch an dir von
den sechzehn Teilen nur noch ein Teil übrig geblieben,
und durch diesen kannst du dich
jetzt auf die Veden nicht besinnen.
ashânâtha
sa hâshâtha hainam upasasâda
tam ha yat kiñca papraccha sarvam ha pratipede
(4)
Iß jetzt,
4. nachher sollst du mehr von mir
hören.“
Da aß er und trat dann wieder
zu ihm.
Da konnte er auf alles antworten,
was jener ihn fragte.
tam hovâca
Und der Vater sprach zu ihm:
yatha somya mahato 'bhyâhitasyaiko 'ngâram
khadyota-mâtram parishishtam
tam trnair upasamâdhâya prâjvalayet
tena tato 'pi bahu dahet (5)
5. „Gleichwie,
o Teurer, von einem großen angelegten Feuer zuletzt nur noch eine
Kohle,
so groß wie ein Leuchtkäfer,
übrig bleibt,
und man diese dann durch Stroh, indem
man es darauf legt, wieder zum Flammen bringt,
und es durch dieses dann weiter
sehr brennt,
evam somya te shodashânâm
kalânâm
sânnenopasamâhitâ prâjvâlî
tayaitarhi vedân anubhavasy
anna-mayam hi somya mana
6. also, o Teurer, war an dir von den
sechzehn Teilen
ein Teil übrig geblieben,
und dieser ist durch die Nahrung, mit
der er versehen wurde, wieder zum Flammen gebracht worden;
durch diesen kannst du dich jetzt
wieder auf die Veden besinnen;
denn aus Nahrung bestehend, o Teurer,
ist das Manas,
aus Wasser bestehend der Prâna,
aus Glut bestehend die Rede.“
taddhâsya vijajñâv iti
Also wurde er von ihm belehrt,
iti saptamah khandah (6)
Achter
Khanda
Uddâlako
hârunih shvetaketum putram uvâca
1. Uddâlaka Âruni
sprach zu seinem Sohne Shvetaketu:
svapnântam
me somya vijânîhîti
yatraitat
purushah svapiti nâma
satâ
somya tadâ sampanno bhavati
tasmâd enam
svapitîty
âcakshate
svam hy apîto bhavati (1)
„Laß
dir von mir, o Teurer, den Zustand des Schlafes erklären.
Wenn es heißt, daß der
Mensch schlafe,
dann ist er mit dem Seienden, o
Teurer, zur Vereinigung gelangt.
Zu sich selbst ist er eingegangen,
darum sagt man von ihm «er schläft»,
denn zu sich selbst eingegangen ist
er. –
sa yathâ shakunih sûtrena
prabaddho disham disham patitvâ
anyatrâyatanam alabdhvâ bandhanam
evopakshayata
evam eva khalu somya tan mano disham disham patitvâ
anyatrâyatanam alabdhvâ prânam
evopakshayate
prâna-bandhanam hi somya mana iti
(2)
2. Gleichwie ein Vogel, der an einen
Faden gebunden wurde, nach dieser und jener Seite fliegt,
und nachdem er anderweit einen Stützpunkt
nicht gefunden, sich an der Bindungsstelle niederläßt,
so auch, o Teurer, fliegt das Manas
nach dieser und jener Seite,
und nachdem es anderweit einen
S.165 Stützpunkt
nicht gefunden, so läßt es sich in dem Prâna nieder,
denn der Prâna, o Teurer,
ist die Bindungsstelle des Manas.
ashanâpipâse
me somya vijânîhîti
yatraitat
purusho 'shishishati nâma
âpa
eva tadâshitam nayante
tad yathâ
go-nâyo 'shva-nâyah purusha-nâya ity
evam tad apa
âchakshate 'sha-nâyeti
3. Laß dir von mir, o Teurer,
den Hunger und den Durst erklären.
Wenn es heißt, ein Mensch
hungert,
so kommt das, weil die Wasser das
von ihm Gegessene hinwegführen.
Und wie man von einem Kuhführer,
Roßführer, Menschenführer spricht,
so bezeichnet man dann die Wasser
als «Nahrungführer».
tatraitac
chungam utpatitam
somya vijânîhi
nedam amûlam
bhavishyatîti (3)
Hierbei [beim Hinwegführen der
Nahrung durch die Wasser zum Aufbau des Leibes]
erkenne dieses [d.h. diesen Leib],
o Teurer, als den daraus entsprungenen Schößling [als die Wirkung];
derselbe wird nicht ohne Wurzel
[Ursache] sein;
tasya ka mûlam syâd anyatrânnâd
4. aber wo anders konnte dessen
Wurzel sein als in der Nahrung?
evam eva khalu somyânnena shungenâpo
mûlam anviccha
adbhih somya shungena tejo mûlam
anviccha
tejasâ somya shungena san mûlam anviccha
san mûlâh somyemâh
sarvâh prajâh
sad âyatanâh sat pratishtâh
(4)
Und in derselben Weise, o Teurer, gehe
von der Nahrung als Schößling zurück zu dem Wasser als
Wurzel,
von dem Wasser, o Teurer, als Schößung
gehe zurück zu der Glut als Wurzel,
von der Glut, o Teurer, als Schößling
gehe zurück zu dem Seienden als Wurzel;
das Seiende, o Teurer, haben alle
diese Geschöpfe als Wurzel,
das Seiende als Stützpunkt,
das Seiende als Grundlage.
atha yatraitat
purushah pipâsati nâma
tad yathâ
go-nâyo 'shva-nâyah purusha-nâya ity
evam tat teja
âcashta udanyeti
5. Ferner, wenn es heißt, ein
Mensch dürstet,
so kommt das, weil die Glut das
von ihm Getrunkene hinwegführt.
Und wie man von einem Kuliführer,
Roßführer, Menschenführer spricht,
so bezeichnet man dann die Glut
als „Wasserführer“.
tatraitad
eva
shungam utpatitam
somya vijânîhi
nedam amûlam
bhavishyatîti (5)
Hierbei [beim Hinwegführen des
Wassers durch die Glut zum Aufbau des Leibes]
erkenne dieses [diesen Leib], o
Teurer, als den daraus entsprungenen Schößling [als die Wirkung];
derselbe wird nicht ohne Wurzel
[Ursache] sein;
tasya ka mûlam syâd anyatrâdbhyo
6. aber wo anders könnte dessen
Wurzel sein als in dem Wasser?
'dbhih somya shungena tejo mûlam
anviccha
tejasâ somya shungena san mûlam anviccha
san mûlâh somyemâh
sarvâh prajâh
sad âyatanâh sat pratishtâh
(6)
Von dem Wasser, o Teurer, als Schößling
gehe zurück zu der Glut als Wurzel,
von der Glut, o Teurer, als Schößling
gehe zurück zu dem Seienden als Wurzel;
das Seiende, o Teurer, haben alle
diese Geschöpfe als Wurzel,
das Seiende als Stützpunkt,
das Seiende als Grundlage.
S.166
yathâ nu khalu somyemâs tisro devatâh
purusham prâpya
trivrt trivrd ekaikâ bhavati
tad uktam purastâd evam
Wie aber, o Teurer, von diesen drei
Gottheiten, wenn sie in den Menschen gelangen,
jede einzelne dreifach wird,
das ist vorher auseinandergesetzt worden.
bhavaty asya somya purushasya prayate
Bei diesem Menschen, o Teurer, wenn
er dahinscheidet,
geht die Rede ein in das Manas,
das Manas in den Prâna,
der Prâna in die Glut,
die Glut in die höchste Gottheit.
–
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
7. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
ity ashtamah khandah
(8)
Neunter
Khanda
yathâ
somya madhu madhukrko nistishtanti
nânâtyayânâm
vrkshânâm rasân samavahâram ekatâm
rasam gamayanti (1)
1. „Wenn,
o Teurer, die Bienen den Honig bereiten,
so sammeln sie die Säfte von
mancherlei Bäumen und tragen den Saft zur Einheit zusammen.
te yathâ tatra na vivekam labhante 'mushyâham
vrkshasya raso 'smyam ushyâham vrkshasya
raso 'smîty
evam eva khalu somyemâh sarvâh
prajâh
sati sampadya
na viduh sati sampadyâmaha iti (2)
2. Sowie in dieser jene Säfte keinen
Unterschied behalten des bestimmten Baumes, dessen Saft sie sind,
also, fürwahr, o Teurer, haben
auch alle diese Kreaturen,
wenn sie [in Tiefschlaf und Tod]
in das Seiende eingehen,
kein Bewußtsein davon, daß
sie eingehen in das Seiende.
ta iha vyâghro
vâ simho vâ vrko vâ varâho
vâ kîto
vâ patango vâ damsho vâ mashako
vâ yad
yad bhavanti tad âbhavanti (3)
3. Selbige, ob sie hier Tiger sind oder
Löwe, oder Wolf, oder Eber,
oder Wurm, oder Vogel, oder Bremse,
oder Mücke:
was sie immer sein mögen, dazu
werden sie wiedergestaltet. –
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
4. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti navamah khandah (9)
Zehnter
Khanda
imâh
somya nadyah purastât prâcyah syandante pashcât
pratîcyas
tâh
samudrât samudram evâpi yanti sa samudra eva bhavati
1. „Diese Ströme,
o Teurer, fließen im Osten gegen Morgen und im Westen gegen Abend;
von Ozean zu Ozean strömen
sie [sich vereinigend], sie werden lauter Ozean.
Um einen Unterschied
des Bildes vom vorhergehenden zu gewinnen, übersetzte ich, nach Shankara,
im "System des Vedânta", S.285: "Aus dem Ozean [kommen sie und ]
in den Ozean gehen sie ein; im Ozean also werden sie geboren". Aber der
Text enthält von dieser Rückkehr des Meerwassers in die Flüsse
(durch Wellen und Regen) keine Spur.
S.167
tâ yathâ
tatra na vidur iyam aham asmîyam aham asmîti
Gleichwie diese daselbst nicht wissen,
daß sie dieser oder jener Fluß sind,
evam eva khalu somyemâh sarvâh
prajâh
sata âgamya
na viduh sata âgacchâmaha
iti (2)
2. also, fürwahr o Teurer, wissen
auch alle diese Kreaturen,
wenn sie aus dem Seienden wieder
hervorgehen, nicht,
daß sie aus dem Seienden wieder
hervorgehen.
ta iha vyâghro
vâ simho vâ vrko vâ varâho
vâ kîto
vâ patango vâ damsho vâ mashako
vâ yad
yad bhavanti tad âbhavanti (2)
Selbige, ob sie hier Tiger sind oder
Löwe, oder Wolf, oder Eber,
oder Wurm, oder Vogel, oder Bremse,
oder Mücke:
was sie immer sein mögen, dazu
werden sie wiedergestaltet. –
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
tathâ somyeti hovâca (10)
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti dashamah khandah (10)
Elfter
Khanda
asya somya
mahato vrkshasya yo mûle 'bhyâhanyâj jîvan
sraved
yo madhye
'bhyâhanyâj jîvan sraved
yo 'gre 'bhyâhanyâj
jîvan sraved
sa esha
jîvenâtmânânuprabhûtah pepîyamâno
modamânas tishtati (1)
1. „Wenn
man, o Teurer, hier diesen großen Baum an
der Wurzel anschneidet, so trieft er, weil er lebt;
wenn man ihn in der Mitte anschneidet,
so trieft er, weil er lebt;
wenn man ihn an der Spitze anschneidet,
so trieft er, weil er lebt;
so stehet er, durchdrungen von dem
lebendigen Selbste, strotzend und freudevoll.
asya ad ekâm shâkhâm jîvo
jahâty atha sâ shushyati
dvitîyâm jahâty atha sâ
shushyati
trtîyâm jahâty atha
sâ shushyati
sarvam jahâti sarvam shushyati (2)
2. Verläßt nun das Leben
einen Ast, so verdorrt dieser;
verläßt es den zweiten,
so verdorrt dieser;
verläßt es den dritten,
so verdorrt dieser;
verläßt es den ganzen
Baum, so verdorrt der ganze.
evam eva khalu somya viddhîti hovâca
jîvâpetam vâva kiledam mriyate
Also auch, o Teurer, sollst du merken“,
so sprach er,
3. „dieser
[Leib] freilich stirbt, wenn er vom Leben verlassen wird,
nicht aber stirbt das Leben. –
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
ity ekâdashah khandah
(11)
Zwölfter
Khanda
nyagrodha-phalam
ata âharetîdam bhagava iti
bhinddhîti
bhinnam bhagava iti
kim atra pashyasîty
anvya ivemâ dhânâ bhagava ity
âsâm
angekâm bhinddhîti bhinnâ bhagava iti
kim atra pashyasîti
na kiñcana bhagava iti (1)
1. „Hole
mir dort von dem Nyagrodha-Baume eine Frucht.“
– „Hier
ist sie, Ehrwürdiger.“
–
„Spalte
sie.“
– „Sie
ist S.168
gespalten, Ehrwürdiger.“
–
„Was
siehest du darin?“
– „Ich
sehe hier, o Ehrwürdiger, ganz kleine Kerne.“
–
„Spalte
einen von ihnen.“
– „Er
ist gespalten, Ehrwürdiger.“
–
„Was
siehest du darin?“
– „Gar
nichts, o Ehrwürdiger.“
–
tam hovâca yam hai somyaitam animânam
na nibhâlayasa
etasya vai somyaisho 'nimna eva
mahâ-nyagrodhas tishtati shraddhatsva somyeti (2)
2. Da sprach er: „Die
Feinheit, die du nicht wâhrnimmst, o Teurer,
aus dieser Feinheit fürwahr
ist dieser große Nyagrodhabaum entstanden.
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti dvâdashah khandah
(12)
Dreizehnter
Khanda
lavanam
etad udake 'vadhâyâtha mâ prâtarupasîdathâ
iti
hovâca yad
doshâ lavanam udake 'vâdhâ anga tad âhareti
taddhâvamrshya
na vived (1)
1. „Hier
dieses Stück Salz lege ins Wasser und komme
morgen wieder zu mir.“
–
Da sprach er: „Bringe
mir das Salz, welches du gestern abend ins Wasser gelegt hast.“
–
Er tastete danach und fand es nicht,
denn es war ganz zergangen.
yathâ vilînam evângâsyântâd
âcâmeti katham iti lavanam iti
madhyâd âcâmeti katham iti
lavanam ity
antâd âcâmeti katham iti lavanam
ity
abhiprâsyaitad atha mopasîdathâ
iti
2. „Koste
davon von dieser Seite! – Wie schmeckt es?“
– „Salzig.“
–
„Koste
aus der Mitte! – Wie schmeckt es ?“
– „Salzig.“
–
„Koste
von jener Seite! – Wie schmeckt es?“
– „Salzig.“
–
„Laß
es stehen und setze dich zu mir.“
–
taddha tathâ cakâra tac chashvat
samvartate
tam hovâcâtra vâva kila satsomya
na nibhâlayase
'traiva kileti (2)
Er tat es [und sprach]: „Es
ist immer noch vorhanden.“
–
Da sprach jener: „Fürwahr,
so nimmst du auch das Seiende hier [im Leibe] nicht wahr,
aber es ist dennoch darin. –
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti trayodashah khandah
(13)
Vierzehnter
Khanda
yathâ
somya purusham gandhârebho
'bhinaddhâkshamânîya
tam tato 'tijane visrjet sa
yathâ
tatra prâng vodang vâdharâng vâ pratyang vâ
pradhmâyîtâbhinaddhâksha
ânîto
'bhinaddhâksho
visrshtah (1)
1. „Gleichwie,
o Teurer, ein Mann, den sie aus
dein Lande der Gandhârer
mit verbundenen
Augen hergeführt und dann
in der Einöde losgelassen haben,
nach Osten, oder nach Norden, oder
nach Süden
verschlagen wird (pradhmâyita)
S.169 ,
weil er mit verbundenen Augen hergeführt
und mit verbundenen Augen losgelassen
worden war,
tasya yathâ 'bhinahanam pramucya prabrûyâd
etâm disham gandhârâ etâm
disham vrajeti
sa grâmâd grâmam prcchan
pandito medhâvî gandhârân evopasampadyeta
evam evehâcâryavân purusho veda
tasya tâvad eva ciram yâvan na vimokshye
2. aber, nachdem jemand ihm die Binde
abgenommen und zu ihm gesprochen:
«dort hinaus liegen die Gandhârer,
dort hinaus gehe»,
von Dorf zu Dorf sich weiterfragend,
belehrt und verständig zu den Gandhârern heimgelangt, –
also auch ist ein Mann, der hienieden
einen Lehrer gefunden, sich bewußt:
«diesem [Welttreiben] werde
ich nur so lange angehören, bis ich erlöst sein werde,
darauf werde ich heimgehen.»
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti caturdashah khandah
(14)
Fünfzehnter
Khanda
purusham
somyotopatâpinam jñâtayah paryupâsate
jânâsi
mâm jânâsi mâm iti
1. „Um
einen todkranken Mann sitzen seine Verwandten
herum und fragen ihn:
«Erkennst du mich? Erkennst
du mich?» –
tasya yâvan na vâng manasi sampadyate
Solange noch nicht seine Rede eingegangen
ist in das Manas,
sein Manas in den Prâna
(Leben),
sein Prâna in die Glut,
die Glut in die höchste Gottheit,
atha yadâsya vâng manasi sampadyate
2. aber nachdem seine Rede eingegangen
ist in das Manas,
sein Manas in den Prâna,
sein Prâna in die Glut,
die Glut in die höchste Gottheit,
alsdann erkennt er sie nicht mehr.
–
sa ya esho
'nimaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Was jene Feinheit [Unerkennbarkeit]
ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
bhûya eva mâ bhagavân vijñâpayatv
iti
– „Noch
weiter, o Ehrwürdiger, belehre mich!“
sprach er. –
iti pañcadashah khandah
(15)
Sechzehnter
Khanda
purusham
somyota hastagrhîtam ânayanty
apahârshît
steyam kârshît
1. „Einen
Menschen, o Teurer, führen sie heran mit geknebelten Händen und
rufen:
«Er hat geraubt, hat einen
Diebstahl begangen!
macht das Beil
für ihn glühend!» –
atha yadi
tasyâkartâ bhavati tat eva satyam âtmânam kurute
sa satyâbhisandhah
satyenâtmânam antardhâya
parashum saptam
pratigrhnâti
sa na dahyate
'tha mucyate (2)
Wenn er der Täter ist, so machet
er sich selbst unwahr;
Unwahres aussagend hüllt er
sich selbst in Unwahrheit,
faßt das glühende Beil
an,
verbrennt sich und wird hingerichtet:
S.170
sa yadi tasya
kartâ bhavati tat evânrtam âtmânam kurute
so 'nrtâbhisandho
'nrtenâtmânam antardhâya
parashum saptam
pratigrhnâti
2. aber wenn er nicht der Täter
ist, so machet er sich selbst wahr;
Wahres aussagend hüllt er sich
selbst in Wahrheit,
faßt das glühende Beil
an,
verbrennt sich nicht und wird losgelassen.
sa yathâ
tatra nâdâhyetaitad âtmyam idam sarvam
tat satyam
sa âtmâ
tat tvam
asi shvetaketo iti
3. Das wodurch jener sich nicht verbrannte
[die Wahrheit], ein Bestehen
aus dem ist dieses Weltall,
das ist das Reale, das ist die Seele,
das bist du, o Shvetaketu!“
taddhâsya vijajñâv iti
Also wurde er von ihm belehrt,
iti shodashah khandah
(16)
iti chândogyopanishadi shashto
'dhyâyah (6)
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Chând.-Up.:
Einl. * 1 * 2
* 3 (Weltei) *
4 * 5 (prâna)
* 6 (tat
tvam asi) * 7 * 8,1-6;
8,7-15 * Kena-Upanishad
grham/
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* Mahâbhârata * Râmâyana
* Gîtâ * Vedânta
* Yoga
Meister
Eckhart: unio mystica * ICH
BIN
der ICH BIN (Exodus 3) * Meditation
und Mantren
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Anschauung – schaffende Betrachtung (Novalis, Schelling)
Hegel:
Wissenschaft der Logik, Anfang: "Sein, Nichtsein, Werden"
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Hans Zimmermann,
Görlitz : 12
KÖRBE: Quellentexte in zwölf Sprachen : Indien
: Upanishaden des
Sâmaveda : Chândogya-Upanishad