Feire Fiz (Hans
Zimmermann : 12 KÖRBE, Quellensammlung
in zwölf Sprachen
: mittelalterliche Weltkarten
mittelalterliche
Weltkarten
Weltkarten
des 8. Jahrhunderts n.Chr.
Weltkarte
von Albi * Weltkarte nach Isidor von
Sevilla * Beatuskarte von
Osma
In
den hier u.a. dargebotenen späteren mittelalterlichen Weltkarten,
z.B. in der Londoner
Psalterkarte und in der Hereforder
Karte zeigt der Umriß der Landmassen eine deutliche Embryonalform: Südeuropa
als Gesicht des Europa-"Kopfs", Jerusalem in der Lage des Herzens oder
des Nabels, Krümmung der Gestalt um das T-förmige Mittelmeer,
Rücken längs des Ringozeans, der als der eigentliche orbis
die zentrale Dotter-Kugel des kosmischen Welten-Eis definiert. Gervasius,
Schöpfer der Ebstorfer Weltkarte wie auch dreißig Jahre zuvor
der Weltbeschreibung in den Otia Imperialia, nennt (in den Otia) das trockene
Element "materia germinis",
übrigens im Zusammenhang mit der Kugelgestalt der Welt.
Die
Weltkarte von Albi aus dem 8. Jhd. n.Chr. dagegen beschränkt sich
ganz auf eine schlichte Wiedergabe der kontinentalen Krümmung um das
Mittelmeer. Die südeuropischen Halbinseln sind kaum herausdifferenziert,
von der Grobgliederung der drei Kontinente ganz zu schweigen. Um so deutlicher
sind die Namen erkennbar; sie verschwinden nicht in der Fülle der
Einzelheiten, Literaturstücke und Bilder, wie auf den späteren
Karten (z.B. der Ebstorfer und der Hereforder Radkarte).
* * *
Albi,
Bibliothèque Municipale
Die folgenden beiden
Weltkarten zu den Etymologiae des Isidor von Sevilla betten diesen embryonalen
Kontinentalbogen in die ozeanische Hydrosphäre ein, die hier auch
nicht mehr als äquatoriale Grenze
und Symmetrieachse die nördliche Hemisphäre des Weltenrunds von
der südlichen getrennt hält, sondern als Ring die bekannte
Oikoumene peripher umzirkelt.
Die erste der beiden
Karten ist auch nicht geostet, sondern eher gewestet, wenn man in Betracht
zieht, daß die Namen der skizzierten Gegenden, Flüsse und Inseln
vom (hier) rechten Rand dieser Doppelseite aus gelesen werden müssen.
Denn im aufgeschlagenen Buch erscheint sie genordet, so wie wir es gewohnt
sind; der Vergleich dieser groben "Erwähnungs"-Skizze mit unseren
Europa- oder Mittelmeerkarten fällt leichter. Die geometrisierenden
Züge entsprechen einer schlichten Umsetzung der literarischen Angaben
(oder eher "Merksprüche"): Sizilien ist demnach ein Dreick, Sardinien
ein Rechteck, die Inseln sind ohne Rücksicht auf die Entfernungen
"versammelt", wie auch die Meere nur Trennstreifen zwischen den Landmassen
darstellen; die Flüssel erscheinen in Geraden und Parallelen.
Weltkarte des Isidor
von Sevilla (570-636), Etymologiae; Handschrift ca. 780 n.Chr.
Rom, Bibliotheca Apostolica
Vatcana, Vat.Lat. 6018, fol. 63 v / 64 r
Die folgende Isidor-Karte
findet sich in einem Manuskript des 11. Jahrhunderts, ist deshalb mittelalterlich
"angereichert", sowohl in der organisch-weicheren Gesamtgestalt als auch
in den Gebäudesymbolen für die gleichmäßig verstreuten
Orte; in der Tat ist sie eher den Karten des 12.
und 13. Jahrhunderts vergleichbar, als den frühmittelalterlichen
"Skizzen":
In der Entwicklung
der Weltkarte von der Darstellung zweier Hemisphären,
die durch den äquatorialen Ringozean voneinander getrennt sind – also
einer Nordhalbkugel links in der geosteten Karte und einer Südhalbkugel
rechts -
hin zu der Radkarte, wie sie in der Ebstorfer Karte
vollendet ist, ist die T-förmige Untergliederung der drei alten Kontinente
durch das Mittelmeer und dessen "Fortsetzungen" und "Zuwächse" - Schwarzes
Meer und Rotes Meer – zunächst noch ganz auf die Nordhalbkugel (links)
bezogen. Die rechte Hälfte enthält in der "antiken" Fassung,
die in Ciceros Somnium Scipionis
(vgl. die dazu gehörige Macrobius-Karte)
und bei Martianus Capella zur literarischen
Darstellung gekommen ist, "nur" eine hypothetische Spiegelung der Verhältnisse
auf der Nordhalbkugel: dem Nordpol und seinen unbewohnbar-kalten Regionen
steht der Südpol gegenüber, "temperierte" Breiten ermöglichen
eine Oikoumene, eine bewohnbare Zone für die Antipoden, aber man kann
nicht zu ihnen gelangen, da nicht nur der äquatoriale Ringozean, sondern
auch die Gluthitze der tropischen Wüsten ein Hinüberwandern und
Sichaustauschen mit den "Gegenfüßern" verhindert. Die Feuchtigkeit
der Tropen war trotz der Monsun-Erfahrung des Alexander-Heerzugs nicht
in das System integriert.
Beatuskarte
von Osma, 8. Jhd., aus einer Handschrift von 1203
Burgo
de Osma, Kathedralbibliothek
Im nächsten Schritt
wandert der Äquator und "sein" Ringozean immer weiter nach rechts,
nach Süden, um nicht die halbe Pergamentseite für die rein hypothetische
terra australis incognita verschwenden zu müssen (oder
mit Text zu füllen): Sie wird immerhin noch angedeutet, aber schließlich
verschwindet sie bei der T-gegliederten Radkarte aus der Sicht; die bekannte
Welt der nördlichen Oikoumene findet Raum in der weiten Kreisfläche
und erscheint, um das Mittelmeer gebogen, nun in der Gestalt, die sich
dem ozeanischen Rund der Hydrosphäre (und den mit farbigen Linien
angedeuteten Atmosphären und Äthersphären) einschmiegt wie
ein Embryo den umhüllenden Häuten.
Feire Fiz (Hans
Zimmermann : 12 KÖRBE, Quellensammlung
in zwölf Sprachen
: mittelalterliche
Weltkarten : Ebstorfer Weltkarte
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