3. itaque eum, qui stellas ipsas, quibus movemur,
permovet,
animam nobis dare, qua regamur,
potentissimumque in nos esse
moderarique, quando post conceptionem veniamus
in lucem.
sed hoc per tres facere conspectus.
quid autem sit conspectus et quot eius genera,
ut liquido perspici possit, pauca praedicam.
Sie
sei es daher, die uns als Bewegerin der uns bewegenden Gestirne
die
Seele verleihe, durch die wir gelenkt werden;
die
Sonne habe die größte Macht über uns,
und
sie regle die Zeit, zu der wir nach der Empfängnis das Licht der Welt
erblicken.
Sie
vollziehe ihre Einwirkung nach Maßgabe dreier Aspekte.
Was
unter dem Begriff 'Aspekt' zu verstehen ist, und wie viele Arten es davon
gibt,
will
ich um des klaren Verständnisses willen mit wenigen Worten vorab klären.
4. circulus est, ut ferunt, signifer, quem
Graeci vocant Zôdiakon,
in quo Sol et Luna ceteraeque stellae vagae
feruntur.
hic in duodecim partes
totidem signis redditas aequabiliter divisus
est.
eum Sol annuo spatio metitur; ita in unoquoque
signo ferme unum mensem moratur.
sed signum quodlibet cum ceteris singulis
habet mutuum conspectum,
non tamen uniformem cum omnibus;
nam validiores alii, infirmiores alii habentur.
igitur quo tempore partus concipitur, Sol
in aliquo signo sit necesse est
<et> in aliqua eius particula, quem locum
conceptionis proprie appellant.
Das
Himmelrund stellt sich, wie man sagt, als Sternengürtel dar, griechisch
Zodiakos (Tierkreis),
auf
dem die Sonne, der Mond und die anderen Wandelsterne umlaufen.
Der
Tierkreis ist gleichmäßig in zwölf Abschnitte unterteilt,
die
durch ebenso viele Sternbilder charakterisiert sind.
Die
Sonne durchmißt den Tierkreis in Jahresfrist, d.h. daß sie
in jedem Sternbild etwa einen Monat lang verweilt.
Zwar
steht jedes beliebige Sternbild mit den anderen jeweils in einem Aspektbezug,
aber
dieser sieht nicht bei jedem Stern gleichförmig aus;
die
einen Aspekte gelten als stärker, die anderen als schwächer.
Zum
Zeitpunkt der Empfängnis muß also die Sonne in einem der Sternbilder
stehen,
und
zwar in einem ganz bestimmten Teilpunkt, den man terminologisch als Konzeptionspunkt
bezeichnet.
5. sunt autem hae particulae in unoquoque
signo tricenae, totius vero Zodiaci numero CCCLX.
has Graeci Moiras cognominarunt eo videlicet,
quod deas fatales nuncupant Moiras,
et eae particulae nobis velut fata sunt;
nam qua potissimum oriente nascamur plurimum
refert.
Es
gibt nun in jedem Sternbild dreißig solcher Teilpunkte, auf dem gesamten
Tierkreis also 360.
Ihre
griechische Bezeichnung ist Moirai, natürlich weil sie ihre Schicksalsgöttinnen
Moiren nennen,
und
weil diese Teilpunkte direkt für unser Schicksal stehen.
Denn
es ist von allergrößter Wichtigkeit, in welchem Zeichen die
Sonne aufgeht, wenn wir geboren werden.
6. Sol ergo cum in proximum signum transcendit,
locum illum conceptionis aut inbecillo videt
conspectu aut etiam nec conspicit;
nam plures proximantia sibimet zodia invicem
se videre omnino negaverunt.
at cum in tertio est signo, hoc est uno medio
interposito,
tunc primum illum locum, unde profectus est,
videre dicitur,
sed valde obliquo et invalido lumine.
qui conspectus vocatur kata hexagônon,
quia sextam partem circuli subtendit.
nam <cum, ut> a primo zodio ad tertium,
sic a tertio ad quintum,
inde porro ad septimum ac deinceps alternae
lineae emittantur,
hexagoni aequilateralis forma in eodem circulo
scribetur.
Wenn
also die Sonne gerade ins nächste Sternbild hinübergeht,
bescheint
sie den Konzeptionspunkt nur in schwachem Aspekt oder erblickt ihn überhaupt
nicht.
Mehrere
behaupten nämlich, einander benachbarte Tierkreiszeichen könnten
sich gegenseitig gar nicht sehen.
Wenn
aber die Sonne bereits im dritten Sternbild steht, also eines dazwischen
liegt,
dann
kann sie erst, sagt man, den Ausgangspunkt ihrer Reise sehen,
freilich
in sehr schrägem und schwachem Licht.
Dieser
Aspekt heißt 'hexagonal', weil er ein Sechstel des Tierkreises umspannt.
Denn
wenn man Verbindungslinien vom ersten Tierkreiszeichen zum dritten zieht,
vom dritten zum fünften,
von
dort weiter zum siebten und so weiter fortfahrend,
so
wird die Figur eines gleichseitigen Sechsecks in den Kreis einbeschrieben.
7. hunc quidam conspectum non usquequaque
receperunt,
quod minimum ad maturitatem partus videbatur
conferre.
Nun,
diesen hexagonalen Aspekt (Sextilschein) haben einige Fachgelehrte in keiner
Weise anerkannt,
da
er offensichtlich nur sehr wenig für die Reife der Leibesfrucht leistet.
8. cum vero in quartum signum pervenit et
media duo sunt,
videt kata tetragônon,
quoniam linea illa, qua visus pertendit, quartam
partem orbis abscidit.
Rückt
die Sonne aber ins vierte Tierkreiszeichen vor, liegen also zwei dazwischen,
verläuft
ihr Schein 'tetragonal' (Geviertschein),
da
die Linie, auf der ihr Blick entlanggeht, ein Viertel des Kreisbogens abschneidet.
9. cum in quinto autem est tribus interiacentibus
mediis,
kata trigônon aspicit; nam tertiam signiferi
partem visus ille metitur.
quae duae visiones tetragoni et trigoni
perquam efficaces incrementum partus multum
adminiculant.
Kommt
die Sonne ins fünfte Sternbild, so daß also drei dazwischen
liegen,
ist
ihr Schein 'trigonal' (Gedrittschein), denn die Blicklinie durchmißt
nun ein Drittel des Tierkreises.
Diese
beiden Aspekte, Geviertschein und Gedrittschein,
sind
überaus wirksam und fördern stark das Wachsen der Leibesfrucht.
10. ceterum a loco sexto conspectus omni caret
efticientia;
eius enim linea nullius polygoni efficit latus.
at a septimo zodio, quod est contrarium, plenissimus
potentissimusque conspectus
quosdam iam maturos infantes educit,
qui septemmestres appellantur, quia septimo
mense nascuntur.
In
der sechsten Station verliert allerdings der Aspekt jede Wirkkraft,
denn
diese Linie bildet überhaupt keine Seite eines Polygons.
Aber
im siebten Sternbild, d.h. in der Opposition, ist der Aspekt am vollsten
und gewaltigsten
und
treibt gelegentlich schon reife Kinder aus,
die
man Siebenmonatskinder nennt, da sie im siebten Monat geboren sind.
11. at si intra hoc spatium maturescere uterus
non potuerit,
octavo mense non editur,
ab octavo enim signo, ut a sexto, inefficax
visus,
sed vel nono mense vel decimo:
Wenn
aber innerhalb dieser Zeit der Mutterleib die Frucht nicht zur Reife bringen
konnte,
wird
sie nicht im achten Monat ausgestoßen,
denn
im achten Sternbild hat der Schein eine ebenso unwirksame Richtung wie
im sechsten,
sondern
erst im neunten oder zehnten.
12. Sol enim a nono zodio particulam conceptionis
rursum conspicit kata trigônon
et a decimo kata tetragônon,
qui conspectus, ut supra iam dictum est, perquam
sunt efficaces.
Die
Sonne blickt nämlich im neunten Sternbild auf den Konzeptionspunkt
wieder im Gedrittschein
und
im zehnten Sternbild wieder im Geviertschein.
Diese
Aspekte sind, wie oben dargelegt, außerordentlich wirkkräftig.
13. ceterum undecimo non putant nasci,
quia languido iam radio infirmum lumen kata
hexagônon mittatur;
multo minus duodecimo, unde conspectus pro
nullo habetur.
itaque secundum hanc rationem heptamênon
nascuntur kata diametron,
enneamênoi autem kata trigônon,
dekamênoi vero kata tetragônon.
Im
übrigen, glauben die Chaldäer, kann im elften Monat keine Geburt
stattfinden,
weil
das Licht mit schon schwachem Strahl 'hexagonal' (im Sextilschein) entsandt
wird.
Noch
viel weniger im zwölften Monat, wo ja der Aspekt als nullwertig gilt.
Gemäß
der chaldäischen Schule werden also die Siebtmonatskinder 'diametral'
(in Opposition) geboren,
die
Neuntmonatskinder 'trigonal' (im Gedrittschein),
die
Zehntmonatskinder 'tetragonal' (im Geviertschein).
IX.
1. hac Chaldaeorum sententia explicata transeo
ad opinionem Pythagoricam
Varroni tractatam in libro, qui vocatur Tubero
et intus subscribitur de origine humana.
Nach
Darlegung der Lehre der Chaldäer komme ich zur Theorie der Pythagoräer,
die
Varro in seinem Buch 'Tubero' mit dem Untertitel 'Über den Ursprung
des Menschen' behandelt hat.
2. quae quidem ratio praecipue recipienda
ad veritatem proxime videtur accedere.
alii enim plerique, cum omnes partus non uno
tempore fiant maturi,
una tamen eademque tempora omnibus conformandis
dederunt;
ut Diogenes Apolloniates, qui masculis corpus
ait quattuor mensibus forman
et feminis quinque,
vel Hippon, qui diebus LX infantem scribit
formari, et quarto mense carnem fieri concretam,
quinto ungues capillumve nasci, septimo iam
hominem esse perfectum.
Dieser
Lehre sollte man bei der Auswahl den Vorzug geben,
weil
sie, scheint mir, der Wahrheit am nächsten kommt.
Die
meisten anderen gaben nämlich, obwohl doch nicht alle Embryonen gleichzeitig
ausreifen,
gleichwohl
dieselben fixen Zeiten für die embryonalen Entwicklungsphasen an.
Diogenes
aus Apollonia etwa sagt, bei männlichen Embryonen bilde sich der Körper
in vier,
bei
weiblichen in fünf Monaten;
Hippon
schreibt, das Kind bilde sich in 60 Tagen, im vierten Monat festige sich
das Fleisch,
im
fünften wüchsen Nägel und Haare, im siebten sei der Mensch
bereits fertig.
3. Pythagoras autem, quod erat credibilius,
dixit partus esse genera duo,
alterum septem mensum, alterum decem,
sed priorem aliis dierum numeris conformari,
aliis posteriorem.
eos vero numeros, qui in uno quoque partu
aliquid adferunt mutationis,
dum aut semen in sanguinem aut sanguis in
carnem aut caro in hominis figuram convertitur,
inter se conlatos rationem habere eam, quam
voces habent, quae in musice Symphônoi vocantur.
Pythagoras
hat aber behauptet, und das wäre glaubhafter, es gebe zwei Arten von
Leibesfrucht,
eine
von sieben und eine von zehn Monaten,
wobei
sich die erste in einer anderen Zahl von Tagen bilde als letztere.
Die
Zahlen nun, die bei der Leibesfrucht jeweils eine entscheidende Veränderung
bewirken,
indem
sich Samen in Blut, Blut in Fleisch, Fleisch in Menschengestalt umsetzt,
stünden
untereinander in demselben Verhältnis, das man in der Musik als Konsonanzen
bezeichnet.
X.
1. sed haec quo sint intellectu apertiora,
prius aliqua de musicae regulis huic loco
necessaria dicentur,
eo quidem magis, quod ea dicam, quae ipsis
musicis ignota sunt.
Um
aber diese Lehre dem Verständnis besser zu erschließen,
werden
zuvor an diesem Ort ein paar notwendige Angaben über die Gesetzmäßigkeiten
der Musik gemacht;
sie
sind um so notwendiger, als ich Dinge sagen werde, die auch Musikfachleuten
unbekannt sind.
2. nam sonos scienter tractavere
et congruenti ordine reddidere illorum,
ipsis autem sonis motuum modum mensuramque
invenere geometrae magis quam musici.
Diese
haben nämlich kunstgerecht die Lehre von den Klängen behandelt
und
ihr System nach einem harmonischen Schema konstituiert,
doch
die Erforschung der für die Klänge gültigen Bewegungsgröße
und Mensur
war
mehr Sache der Mathematiker als der Musiker.
3. igitur musica est scientia bene modulandi.
haec autem est in voce, sed vox alias gravior
mittitur, alias acutior.
singulze tarnen voces simplices et utcumque
emissae phthongoi vocantur.
discrimen vero, quo alter phthongos acutior
est, alter gravior, appellatur diastêma.
Also:
Musik ist die Wissenschaft von der richtig bemessenen Klangführung.
Diese
aber betrifft den Bereich der Stimme.
Eine
Stimme nun klingt einmal tiefer, ein andermal höher.
Die
einzelnen Stimmen heißen, isoliert und bezüglich ihrer Klanghöhe
genommen, Phthongoi (Töne).
Der
Tonabstand, um den ein Ton höher, ein anderer tiefer ist, heißt
Diastema (Intervall).
4. inter infimam summamque vocem multa esse
possunt
in ordine positaque diastemata alia aliis
maiora minorave,
ut est illud, quod tonon appellant, vel hoc
minus hêmitonion,
vel duorum triumve ac deinceps aliquot tonorum
intervallum.
sed non promisce voces omnes cum aliis ut
libet iunctae concordabiles
in cantu reddunt effectus.
Zwischen
dem tiefsten und dem höchsten Ton sind vielerlei solcher Intervalle
möglich,
von
denen die einen größere, die anderen kleinere sind, die aber
ein geordnetes System bilden.
So
z. B. der Ganzton (Tonos) oder, kleiner als dieser, der Halbton (Hemitonion)
oder
auch ein Intervall von zwei, drei oder beliebig vielen Ganztönen.
Die
Töne erzeugen aber nicht in freiem Durcheinander und in willkürlicher
Kombination
beim
Gesang einen zusammenstimmenden Klangeffekt.
5. ut litterae nostrae,
si inter se passim iungantur er non congruenter,
saepe nec verbis nec syllabis copulandis concordabunt,
sic in musica quaedam certa sunt intervalla,
quae symphonias possint efficere.
Es
ist wie mit unseren Buchstaben:
wenn
man sie leichthin und nicht beziehungsvoll kombiniert,
fügen
sie sich oft weder zu einem Wort noch einem Silbenverbund zusammen.
So
sind es auch in der Musik nur ganz bestimmte Intervalle, die Konsonanzen
bilden können.
6. est autem symphonia duarum vocum dispanum
inter se iunctarum dulcis concentus.
symphoniae simplices ac primae sunt tres,
quibus reliquae constant:
una duorum tonorum er hemitonii habens diastêma,
quae vocatur dia tessarôn;
alia trium et hemitonii, quam vocant dia pente;
tertia est dia pasôn, cuius diastema
continet duas priores.
Eine
Konsonanz ist der wohltönende Einklang zweier ungleicher, miteinander
verbundener Stimmen.
Es
gibt drei einfache Grundkonsonanzen, aus denen sich die übrigen ableiten:
Die
erste besteht aus einem Intervall von 2 1/2 Tonschritten und wird Quarte
(Diatessarôn) genannt,
die
zweite hat 3 1/2 Tonschritte und heißt Quinte (Diapente),
die
dritte ist die Oktave (Diapasôn) und umfaßt die beiden vorigen.
7. est enim vel sex tonorum, ut Aristoxenus
musicique adseverant,
vel quinque er duorum hemitoniorum, ut Pythagoras
geometraeque
demonstrantes duo hemitonia tonum conplere
non posse;
quare etiam huius modi intervallum Plato abusive
hêmitoniôn,
proprie autem dialeimma appellat.
Die
Oktavkonsonanz hat entweder sechs Ganztonschritte, wie Aristoxenos und
die Musiker versichern,
oder
fünf Ganzton und zwei Halbtonschritte, wie Pythagoras und die Mathematiker
behaupten,
wobei
sie nachweisen, daß zwei Halbtöne (Hemitonia) sich nicht zu
einem Ganztonschritt ergänzen können.
Deshalb
nennt Platon auch ein derartiges Intervall nur uneigentlich einen Halbton
(Hemitonion),
im
eigentlichen Sinne dagegen Zwischenton (Dialeimma).
8. nunc vero, ut liquido appareat, quemadmodum
voces nec sub oculos nec sub tactum cadentes habere possint mensuras, admirabile
Pythagorae referam commentum, qui secrera naturae reserando repperit phthongos
musicorum convenire ad rationem numerorum.
nam chordas aeque crassas parique longitudine
diversis ponderibus tetendit, quibus saepe pulsis nec phthongis ad ullam
symphonian concordantibus pondera mutabat, et identidem frequenter expertus
postremo deprehendit tunc duas chordas concinere id quod est dia tessarôn
cum earum pondera inter se conlata rationem haberent, quam tria ad quattuor,
quem phthongon arithmetici Graeci epitriton
vocant, Latini supertertium.
Jetzt
will ich, um die Mensuren der Töne klarzulegen, die ja weder optisch
noch taktil erfahrbar sind, die bewundernswerte experimentelle Erfindung
des Pythagoras referieren.
Pythagoras
hat durch Entschlüsselung der Geheimnisse der Natur herausgefunden,
daß die Töne in der Musik mit dem Zahlensystem übereinstimmen.
Er
spannte nämlich (zwei) Saiten von gleicher Dicke und gleicher Länge
mit Hilfe verschiedener Gewichte auf.
Unter
ständigem Anschlagen (der Saiten) veränderte er, solange sich
die Töne noch zu keiner Konsonanz (Symphonia) zusammenfügten,
ständig die Gewichte, und nach häufiger Wiederholung derselben
Prozedur entdeckte er schließlich, daß zwei Saiten ein Quartintervall
erzeugen, wenn ihre relativen Spannungsgewichte im Verhältnis 3:4
stehen.
Diesen
Klang nennen die griechischen Arithmetiker Epitrit, die Lateiner Überdrittelklang
(Supertertium).
9. at eam symphoniam, quae dia pente dicitur,
ibi invenit, ubi ponderum discrimen in sescupla erat portione, quam duo
faciunt ad tria conlata, quod hêmiolion appellant.
cum autem altera chorda duplo maiore pondere
quam altera tenderetur et esset diaplasiôn logos, dia pasôn
sonabat.
Die
Quintkonsonanz fand er dort, wo der Unterschied der Gewichte das Anderthalbfache
bildet, d.h. im Verhältnis 2:3 steht (Sescuplum), auf griechisch Hemiolion.
Wenn
die eine Saite mit dem doppelten Gewicht der anderen gespannt wurde, also
im Diaplasiônverhältnis, erklang die Oktavkonsonanz (Diapasôn).
10. hoc et in tibiis si conveniret temptavit,
nec aliud invenit.
nam quattuor tibias pan cavo paravit, inpares
longitudine:
primam verbi causa longam digitos sex, secundam
tertia parte addita, id est digitorum VIII, tertiam digitorum VIIII, sescuplo
longiorem quam primam, quartam vero XII digitorum, quae primam longitudine
duplicaret.
Pythagoras
hat auch die Übertragbarkeit dieses Experiments auf Rohrflöten
versucht und kam zu keinem anderen Ergebnis.
Er
fertigte vier Flöten von gleichem Innendurchmesser, aber verschiedener
Länge,
die
erste, sagen wir, sechs Zoll lang, die zweite um ein Drittel länger,
also acht Zoll, eine dritte von neun Zoll, also um die Hälfte länger,
eine vierte mit einer Länge von zwölf Zoll, also doppelt so lang
wie die erste Flöte.
11. his itaque inflatis et binarum facta conlocatione
omnium musicorum auribus adprobavit
primam et secundam reddere eam convenientiam,
quam reddit dia tessarôn symphonia, ibique esse portionem supertertiam;
inter primam vero ac tertiam tibiam,
ubi sescupla portio est, resonare dia pente;
primae autem quartaeque intervallum, quod
habet duplam portionem, diastêma facere dia pasôn.
Dann
blies er sie an, und indem er immer je zwei zusammenbrachte, bewies er
allen zuhörenden Musikmeistern,
daß
die erste und die zweite Flöte eben jenen Zusammenklang ergaben, den
die Quartkonsonanz (Diatessarôn) erzeugt, und daß hier das
Verhältnis 3:4 (Supertertium) vorliegt.
Er
bewies weiter, daß die Klangdifferenz zwischen der ersten und der
dritten Flöte, die im Verhältnis 2:3 (Sescuplum) stehen, die
Quintkonsonanz (Diapente) erklingen läßt,
daß
aber das Intervall zwischen der ersten und der vierten Flöte, die
die doppelte Länge hatte, ein Oktavintervall (Diastema Diapasôn)
ausmacht.
12. sed inter tibiarum chordarumque naturam
boc interest, quod tibiae incremento longitudinis flunt graviores, chordae
autem augmento additi ponderis acutiores.
utrubique tamen eadem portio est.
Der
physikalische Unterschied zwischen Flöten und Saiten besteht nur darin,
daß die Flöten bei zunehmender Länge tiefer klingen, die
Saiten dagegen bei Steigerung des Spannungsgewichts höher.
Gleichwohl
zeigt sich in beiden Fällen dieselbe Relation.