Die Weite ist
Brahman, die
Weite; die uranfangliche, lufterfüllte Weite! –
So sprach
Kauravyâyanîputra.
–
Das Wissen (Veda),
welches die Brahmanen wissen,
durch dieses
weiß ich, was zu wissen ist.
Zweites
Brâhmanam.
Drei
Tugenden, Bezähmung, Almosengeben und Mitleid, werden als die drei
Kardinaltugenden der Götter, Menschen und Dämonen hingestellt
und zur Übung empfohlen. Die Zuteilung der drei Tugenden an drei besondere
Klassen von Wesen scheint nur auf der Form des Stückes (welche eine
Nachbildung von Shatap.Br. 2,4,2,1–6, Gesch.d.Phil.I,192, sein dürfte)
zu beruhen und besagt daher nicht, daß nur eine derselben zu üben
sei.
1. Drei Arten
von Söhnen des Prajâpati wohnten
bei ihrem Vater Prajâpati als
Brahmanschüler,
die Götter,
die Menschen und die Dämonen.
Nachdem sie
als Brahmanschüler bei ihm gewohnt,
sprachen die
Götter: "Sage es uns an, o Herr!"
Da sprach er zu
ihnen die eine Silbe "da".
–
"Habt ihr
das verstanden?" sprach er. –
"Wir haben es
verstanden", sprachen sie,
"du hast uns
gesagt, wir sollen uns bezähmen" (dâmyata).
–
"Jawohl",
sprach er, "ihr habt es verstanden."
2. Da sprachen
zu ihm die Menschen: "Sage es uns an, o Herr!"
Da sprach er zu
ihnen eben diese eine Silbe "da".
–
"Habt ihr
das verstanden?" sprach er. –
"Wir haben es
verstanden", sprachen
sie,
"du hast uns
gesagt, wir sollen [Almosen] geben" (datta).
–
"Jawohl",
sprach er, "ihr habt es verstanden."
3. Da sprachen
zu ihm die Dämonen: "Sage es uns an, o
Herr!"
Da sprach er zu
ihnen eben diese eine Silbe "da".
–
"Habt ihr
das verstanden?" sprach er. –
"Wir haben es
verstanden", sprachen
sie,
"du hast uns
gesagt, wir sollen Mitleid haben" (dayadhvam).
"Jawohl",
sprach er, "ihr habt es
verstanden."
S.490
Eben dieses wiederholt jene göttliche Stimme, der Donner,
wenn er sagt: "da, da, da",
das heißt: "bezähmt euch, gebt Almosen, habt Mitleid". –
Darum soll man diese drei Stücke üben:
Bezähmung,
Almosengeben, Mitleid.
Drittes Brâhmanam.
Wenn Schopenhauer und nach
ihm (1827) Goethe anerkennen, daß "der Kern der Natur den Menschen
im Herzen sei" (Gesch.d.Phil.I,124), so gehen die Inder noch weiter, indem
sie lehren, daß die ganze Natur, der Inbegriff aller Dinge als der
Âtman im Herzen weile. Wer sich als
diesen weiß, dem wird dargebracht und gespendet was immer die Wesen
darbringen und spenden mögen (zum Gedanken vgl. Brh.4,3,37
und die Bemerkungen dazu S.464. 474), und nach dem Tode gelangt er zur
Einheit mit Brahman, oder, wie unsre Stelle
in älterer Vorstellungsweise sagt, "geht er in die Himmelswelt ein".
Dieses wird, etymologisch spielend, an den drei Silben des Wortes hrdayam
"Herz" (vgl. auch Chând.8,3,3)
gezeigt.
Das Herz (hrdayam), das
ist der Prajâpati, das ist das Brahman, das ist das All.
Dasselbe besteht aus drei Silben: hr–
da–
yam.
Die erste Silbe ist hr; –
dem spenden (abhiharanti) die Seinigen
und die Fremden, wer solches weiß.
Die andre Silbe ist da; –
dem geben (dadati) die Seinigen
und die Fremden, wer solches weiß.
Die dritte Silbe ist yam; –
der geht (eti) in den Himmel ein,
wer solches weiß.
Viertes Brâhmanam.
Wer die Welt der (empirischen)
Realität (satyam) als das Brahman
(das er selbst ist) weiß, der ersiegt damit diese Welten,
ist aber selbst unbesiegbar. Dieser Gedanke wird mit Anlehnung an die Formel
tad vai tad entwickelt, der wir schon
Kâth.4–6 elfmal begegneten; vgl.
dazu die Erklärung oben S.265.
Fürwahr, dieses ist das.
Nämlich dieses [diese Welt] war jenes [das Brahman],
nämlich das Reale (satyam).
Wer jenes große Wunderding als Erstgebornes weiß,
und daß das Brahman das Reale ist,
der überwindet diese Welten;
denn könnte wohl der überwunden werden,
welcher also jenes große Wunderding als Erstgebornes weiß,
und daß das Brahman das Reale ist?
Denn Brahman ist eben das Reale.
S.491
Fünftes
Brâhmanam.
Dieser,
etwas dunkle, Abschnitt betrachtet das Brahman
(auf die Genealogie ist wohl kein Gewicht
zu legen) als Satyam,
die Realität, und zwar sowohl als die wahre (metaphysische) wie die
unwahre (empirische) Realität, wie an den Silben sa-ti-yam
spielend entwickelt wird. (Vgl. Chând.8,3,5;
– ob ti
die Unwahrheit bedeutet, weil es in mrtyu
und anrtam
steckt, wie der Kommentator will, ist
unerheblich und mag dahingestellt bleiben). Brahman
als Satyam
ist identisch mit der Sonne, und näher
mit dem Purusha in
ihr, welcher wegen der Strahlen gewöhnlich nicht sichtbar ist und
es erst für den Sterbenden wird, den die Strahlen nicht mehr hindern
(vgl. Brh.5,15). Dieser Sonnenpurusha
(das kosmische Brahman)
ist verbunden mit dem Purusha im
Auge (dem psychischen Brahman);
beide sind das Weltall (bhûr, bhuvah,
svar) und daher identisch. Wer dies weiß,
überwindet das Übel, wie an den Geheimnamen der beiden Purusha's,
ahar (Tag)
und aham (Ich),
wiederum etymologisierend, gezeigt wird.
1. Diese Welt
war zu Anfang Wasser;
dieses Wasser
ließ das Reale hervorgehen, das Reale, [nämlich] das Brahman.
Das Brahman
[schuf] den Prajâpati,
Prajâpati
die Götter.
Diese Götter
verehren das Reale.
Dasselbige [Reale,
satyam]
besteht aus den drei Silben satyam;
die eine Silbe
ist sa,
die andre Silbe ist ti,
die dritte Silbe ist yam.
Die erste
und letzte Silbe sind die Wahrheit (satyam),
in der Mitte
ist die Unwahrheit;
Nach
Shank. soll ti (t) die Unwahrheit repräsentieren, weil es in den Worten
anrtam (Unwahrheit)
and mrtyu (Tod)
vorkommt.
diese Unwahrheit
ist an beiden Seiten von der Wahrheit eingefaßt;
dadurch wird
sie zu einem wahrheitlichen Sein [wird sie von der Wahrheit übermeistert,
Shank.].
Einen solchen
[d.h. solches] Wissenden schädigt die Unwahrheit nicht.
2. Dieses
Reale ist jene Sonne dort.
Und jener
Mann [oder Geist, purusha],
welcher in der Sonnenscheibe ist,
und dieser
Mann, welcher im rechten Auge ist, diese beiden fußen aufeinander.
Jener fußt
durch die Strahlen in diesem,
dieser durch
die Lebenshauche (prâna)
in jenem.
Die
Strahlen sind durch das Auge, die Lebenshauche durch die Sonne bedingt.
Dieser, wenn
er im Begriffe steht, auszuziehen, erblickt jene Sonnenscheibe rein [von
Strahlen];
ihm treten
jene Strahlen nicht in den Weg.
S.492
3. Der Mann, der
in jener Sonnenscheibe ist, dessen Haupt ist bhûr
(Erde);
das eine Haupt
ist diese eine Silbe;
seine Arme sind
bhuvar (Luftraum);
die zwei Arme
sind diese zwei Silben;
seine Beine sind
svar (Himmel);
die zwei Beine
sind diese zwei Silben (suar);
sein Geheimname
ist ahar (der
Tag);
der tötet
(han)
das Böse und entweicht ihm (hâ),
wer solches weiß.
4. Der Mann,
der im rechten Auge ist, dessen Haupt ist bhûr
(Erde);
das eine Haupt
ist diese eine Silbe;
seine Arme sind
bhuvar (Luftraum);
die zwei Arme
sind diese zwei Silben;
seine Beine sind
svar (Himmel);
die zwei Beine
sind diese zwei Silben;
sein Geheimname
ist aham (ich);
der tötet
das Böse und entweicht ihm, wer solches weiß.
Sechstes
Brâhmanam.
Vielleicht
im Anschlusse an den vorhergehenden Satz folgt hier eine kurze Äußerung
über den im Herzen wohnenden und dabei allmächtigen Purusha,
welche nur eine Kompilation ans Stellen wie Shatap.Br.10,6,3 (oder Chând.3,14)
und Brh.4,4,22 zu sein scheint.
Hierbei ist wohl manomaya
(auch Chând.3,14,2) = vijñânamaya
Brh.4,3,7. 4,4,22, und bhâhsatya
(bhârûpa
Shatap.Br.10,6,3,2. Chând.3,14,2)
= antarjyotis Brh.4,3,7
zu setzen. – Die Mâdhyandina's geben, durch den Zusatz ya'
evam veda, dem Gedanken eine andre Wendung.
Dieser Geist
(purusha),
dessen Stoff Verstand, dessen Wesenheit Licht ist,
wohnt hier
innen im Herzen, [groß] wie ein Reiskorn oder Gerstenkorn, –
und ebenderselbe
ist der Herr des Weltalls, der Fürst des Weltalls,
er regiert
dieses Ganze, was immer vorhanden ist.
Siebentes
Brâhmanam.
Über
Brahman als Blitz
vgl. die Bemerkung zu Kena 29 (oben S. 204. 208, Anm.) und Brh.2,3,6
(S.414). Im Anschluß an eine Stelle dieser Art wird hier die Bezeichnung
des Brahman als
vidyut etymologisch
mit dessen losbindender (vidyati),
d.h. erlösender Kraft in Verbindung gebracht.
Das Brahman
ist der Blitz, so sagen sie, wegen des Losbindens;
den bindet
der Blitz (vidyut)
vom Übel los (vidyati),
der solches weiß,
daß das Brahman der
Blitz ist;
denn das Brahman
ist der Blitz.
S.493
Achtes
Brâhmanam.
Die
vier Ausrufe, svâhâ und
vashat,
mit denen man den Göttern, svadhâ,
mit dem man den Manen opfert, und hanta,
mit dem man die Menschen antreibt, erscheinen hier als die vier Zitzen
der Milchkuh Vâc,
an denen als Kalb das Manas (das
Organ der Wünsche, von denen Götter und Manen ebenso wie die
Menschen erfüllt sind, vgl. über den manomaya
Âtman S.226) trinkt. Mehr wird hinter
der Zusammenstellung von Prâna,
Vâc und
Manas als Stier,
Kuh und Kalb um so weniger zu suchen sein, als an andern Stellen umgekehrt
das Manas als
Vater und der Prâna als
das Kind desselben von der Vâc erscheint
(Brh.1,4,17. 1,5,7).
Die Rede soll
man verehren als Milchkuh.
Dieselbe hat
vier Euter,
nämlich
den Laut svâhâ,
den Laut vashat,
Von zweien
ihrer Euter leben die Götter,
von dem Laute
svâhâ und
dem Laute vashat;
von dem Laute
hanta leben
die Menschen,
von dem Laute
svadhâdie
Väter.
Der Prâna
ist ihr Stier, das Manas
ihr Kalb.
Neuntes
Brâhmanam.
Der
Agni Vaishvânara
wird hier als das (allen Menschen einwohnende) Bauchfeuer (spater jâthara
oder kauksheya
agni genannt) erklärt, auf welchem
die Verdauung der Speisen und das Ohrensausen beruhen. Diese Bemerkung
ist zunächst nur eine physiologische (denn daß man dieses Feuer
als Prajâpati verehren solle, sagt nur der Kommentator). Nachdem
aber schon Shatap.Br. 10,6,1 (oben S.144) der Agni
Vaishvânara für das dem Menschen
einwohnende Weltprinzip erklärt worden war, werden wir, in Übereinstimmung
mit Chând.3,13,7, wo die Körperwärme
und das Ohrensausen auf "das Licht jenseits des Himmels und im Menschen"
zurückgeführt werden, auch an unsrer Stelle den (in der Verdauungskraft
und im Ohrensausen sich kundgebenden) Âtman
verstehen dürfen, worauf auch die
Schlußbemerkung hinweist. – In diesem Sinne wird schon Maitr.3,6
(oben S.321) das ganze Brâhmanam wörtlich zitiert und
auf den Purusha gedeutet.
Dieses ist
das Feuer Vaishvânara
(das allen Menschen gemeinsame),
welches hier
inwendig im Menschen ist,
durch welches
diese Nahrung verdaut wird, die man so ißt.
Von ihm rührt
jenes Geräusch her, welches man höret, wenn man sich so die Ohren
zuhält. –
Wenn er [der
Âtman]
im Begriffe steht, auszuziehen,
so hört
man jenes Geräusch nicht [mehr].
S.494
Zehntes
Brâhmanam.
Die
Lehre von Pitryâna und
Devayâna ist,
von vereinzelten Ansätzen abgesehen (oben S.399), den fünf ersten
Adhyâya's unsrer Upanishad fremd (vgl. Adhyâya 6, Einleitung).
An ihre Stelle treten Vorstellungen wie die des gegenwärtigen Abschnittes,
welcher (vgl. namentlich Brh.3,3 und 3,6), ohne Unterscheidung verschiedener
Wege, ein Aufsteigen durch "Wind, Sonne und Mond zu der Welt lehrt, welche
über die Gegensätze des Lebens (Kälte und Hitze usw.) erhaben
ist. – Das Stück könnte vielleicht als Vorstufe des Devayâna
(der durch Flamme, Tag, Sonne, Mond führt)
in Betracht gezogen werden.
Fürwahr,
wenn der Mensch (purusha)
aus dieser Welt dahinscheidet, so gelangt er zum Winde;
dieser tut
sich ihm daselbst auf so weit, wie die Öffnung eines Wagenrades ist;
durch diese
steigt er empor und gelangt zur Sonne;
diese tut sich
ihm daselbst auf so weit, wie die [mit Leder überspannte] Öffnung
einer Trommel ist;
durch diese
steigt er empor und gelangt zum Monde;
dieser tut sich
ihm daselbst auf so weit, wie die Öffnung einer Pauke ist;
durch diese
steigt er empor und gelangt zu der Welt, welche ohne Hitze1
und ohne Kälte ist;
daselbst weilet
er unaufhörliche Jahre.
1
M. Müller und Böhtlingk übersetzen auch hier shoka
mit sorrow, Kummer.
Elftes
Brâhmanam.
Wie
8,5 an die Stelle des Opferns, Meditierens, Fastens, Einsiedlerlebens das
Brahmacaryam gesetzt
wird (Oben S.188. 192), – oder wie Schopenhauer die Gerechtigkeit für
das härene Hemd und die Liebe, welche weggibt, was sie selbst bedarf,
für das fortwährende Fasten erklärt, – ebenso lehrt unsre
Stelle, daß das höchste Tapas
nicht in künstlicher Askese, sondern
in den Leiden des Lebens und Sterbens bestehe: höher als Selbstpeinigungen
sind die Krankheiten des Lebens anzuschlagen, höher als Waldeinsiedlertum
das Hinausgetragenwerden des Toten "in die Einöde" (aranyam),
höher als das Sitzen zwischen fünf Feuern das Aufgelegtwerden
aufs Feuer als Leichnam. – Die Leiden des Lebens und Sterbens sind die
wahre Askese, das ist der Gedanke, durch welchen sich unser Stück
als einen Vorläufer buddhistischer Anschauungen darstellt.
Das, fürwahr,
ist die höchste Kasteiung,
daß
man von Krankheit gequält wird;
die höchste
Welt erwirbt, wer solches weiß. –
Das, fürwahr,
ist die höchste Kasteiung,
daß
sie S.495 einen,
der dahingeschieden ist, in die Einöde [zur Verbrennung] schleppen;
die höchste
Welt erwirbt, wer solches weiß. –
Das, fürwahr,
ist die höchste Kasteiung,
daß
sie einen, der dahingeschieden ist, aufs Feuer [des Scheiterhaufens] legen;
die höchste
Welt erwirbt, wer solches weiß.
Zwölftes
Brâhmanam.
Weder
Nahrung noch Leben (die objektive und subjektive Welt), noch die Vereinigung
beider ist das Höchste. Was dieses sei, lehrt vielmehr der an Schweigsamkeit
dem Bahva (Syst.d.Ved.S.227) vergleichbare Vater des Prâtrda,
indem er, alle jene Meinungen durch einen Wink ablehnend, eine höhere
Auffassung der objektiven und subjektiven Welt durch die Laute vi
und ram andeutet,
welche in ihrer Vereinigung vi-ram "entsagen"
bedeuten. Das heißt: der wahre Genuß, das wahre Leben liegt
in der das höchste Ziel der indischen, wie aller wahren, Moral bildenden
Entsagung.
Das Brahman
ist die Nahrung, so sagen einige;
aber dem ist
nicht so;
denn die Nahrung
verweset ohne das Leben.
Das Brahman
ist das Leben, so sagen einige;
aber dem ist
nicht so;
denn das Leben
verdorret, ohne die Nahrung.
So sind es
wohl diese beiden Gottheiten [Nahrung und Leben],
welche, zu
einem einheitlichen Wesen geworden, zum höchsten Sein gelangen?
Denn dieses
sagte einmal Prâtrda zu
seinem Vater und sprach:
"Was könnte
ich wohl einem, der solches weiß, noch Gutes tun,
oder was könnte
ich ihm Böses tun?" [Er ist über beides erhaben]. –
Jener aber
antwortete [durch ein abwehrendes Winken] mit der Hand, gleich als wollte
er sagen:
"Nicht doch,
Prâtrda!
wer möchte
wohl dadurch, daß er mit jenen beiden zu einem einheitlichen Wesen
geworden,
zum höchsten
Sein gelangen?"
Und weiter
sprach er zu ihm das Wort "vi".
Nämlich
vi ist
die Nahrung;
denn alle
diese Wesen sind eingegangen (vish)
in die Nahrung [bestehen aus ihr, sind in ihr enthalten].
Und er sprach
noch das Wort "ram".
Nämlich
ram ist
das Leben;
denn alle
diese Wesen freuen sich (ram)
an dem Leben. –
Fürwahr,
in den gehen alle Wesen ein, an dem freuen sich alle Wesen,
S.496
Dreizehntes
Brâhmanam.
Vier
Grundprinzipien des Seins werden hier auf das Leben (prâna),
d.h. Brahman,
zurückgeführt, und aus ihren Namen wird eine Verheißung
für den solches Wissenden entwickelt. Diese Grundprinzipien scheinen
zu sein: 1.–3. der durch drei Grundformen der Liturgie (uktham,
yajus, sâman) vertretene Brahmanenstand
und 4. der Kriegerstand (kshatram),
welche beiden öfter als die Totalitat der menschlichen Gesellschaft
in hohem Sinne zusammen genannt werden (z.B. Kâth.2,25). –
Oder auch: uktham, yajus, sâman,
kshatram sind die vier Veden, wobei uktham
für rc
stehen, und kshatram
den Atharvaveda bedeuten würde, der
in näherer Beziehung zur Kriegerkaste steht, auch namentlich der Abwehr
des Unheiles (trâyate kshanitoh)
dient.
1. Uktham
(Rezitation): Fürwahr, das Uktham
ist Leben (prâna);
denn das Leben
hält diese ganze Welt aufrecht (utthâpayati).
Dem ersteht (ut
sthâ) ein ukthakundiger,
weiser Sohn,
der erlangt
mit dem Uktham Verbindung
und Zusammensein, wer solches weiß.
2. Yajus
(Opferspruch): Fürwahr, das Yajus
ist Leben;
denn in dem
Leben werden alle diese Kreaturen vereinigt (yujyante).
Dem zum Heile
werden vereinigt alle Kreaturen,
der erlangt
mit dem Yajus Verbindung
und Zusammensein, wer solches weiß.
3. Sâman
(Gesang): Fürwahr, das Sâman
ist Leben;
denn in dem
Leben sind alle diese Kreaturen konvergierend (samyañci).
Dem dienen, konvergierend,
alle Kreaturen zum Heile,
der erwirbt
mit dem Sâman Verbindung
und Zusammensein, wer solches weiß.
4. Kshatram
(Regierung): Fürwahr, das Kshatram
ist Leben;
denn das Kshatram
ist eben Leben.
Den schützet
(trâyate)
das Lehen vor Versehrung (kshanitoh),
der erlangt
furchtlose Regierung (kshatram atram),
der erwirbt
mit dem Kshatram Verbindung
und Zusammensein, wer solches weiß.
Vierzehntes
Brâhmanam.
Eine
der heiligsten Strophen des Rgveda ist die Sâvitrî
oder Sonnenstrophe, Rgveda 3,62,10:
tat savitur
varenyam
bhargo
devasya dhîmahi,
dhiyo yo
nah pracodayât!
S.497
"Laßt an
das liebenswerte Licht
Des Sonnengottes
denken uns;
Er möge
fördern unsern Geist!"
Ihr
Versmaß ist die Gâyatrî
(dreimal v – v – v – v –); wiewohl sie
von einigen im Versmaße der Anushtubh
(viermal v – v – v – v –) gelehrt wurde (wahrscheinlich,
wie M. Müller beibringt, in der Form Rgveda 5,82,1), was jedoch
von unserm Brâhmanam (vielleicht mit einem Seitenblick anf
Chând.5,2,7, vgl. Brh. 6,3,6)
nicht gebilligt wird. Demgemäß gilt die Gâyatrî
als das Prototyp aller Metra und wird wiederholt
als ein Symbol des Brahman verwendet.
So Chând.3,12 (oben S.105, wozu man
vergleiche System d.Vedanta S.180), und wiederum in andrer Weise an unsrer
Stelle. Zu diesem Zwecke werden die drei Erscheinungsweisen des Brahman
als 1) die räumlich ausgebreitete Welt,
2) die Welt der Wissenschaft und 3) die Lebenswelt, den drei sichtbaren
Versfüßen der Gâyatrî
gleichgesetzt. Ein vierter, unsichtbarer Versfuß
wird mit der Sonne identiSHAN SZI iert und, durch Zurückführung dieser
auf das Auge und die ihm gleichgesetzte Wahrheit, dieser auf die Kraft,
dieser endlich auf das Leben (prâna),
als Brahman aufgefaßt.
Etymologische Spielereien, Verheißungen und polemische Seitenblicke
laufen mit unter, die unschätzbare Wohltat der Belehrung wird gebührend
hervorgehoben, und zum Schlusse folgt gar eine Formel, wie man die Gâyatrî
zu verehren habe, um dem Gegner zu schaden
und sich selbst zu nützen. – Angehängt ist eine Legende, in der
Agni (das Feuer)
für den Mund der Gâyatrî
erklart wird, was möglicherweise heißen
könnte, daß der Opferkultus die Eingangspforte zur höhern
Erkenntnis ist.
1. Bhûmir
(Erde), antariksham
(Luftraum), diaur
(Himmel), das sind acht Silben.
Achtsilbig
nämlich ist der eine Fuß der Gâyatrî;
und dieser
an ihr ist jenes [Erde, Luftraum, Himmel]. –
Derjenige, soviel
in diesen drei Welten ist, soviel erwirbt er, welcher an ihr diesen Fuß
also weiß.
2. Rco
(Verse), yajûnshi
(Sprüche), samâni
(Lieder), das sind acht Silben.
Achtsilbig
nämlich ist der andre Fuß der Gâyatrî;
und dieser
an ihr ist jenes [der Inhalt der drei Veden]. –
Derjenige, soweit
diese dreifache Wissenschaft reicht, soviel erwirbt, er, welcher an ihr
diesen Fuß also weiß.
3. Prâna
(Aushauch), apâna
(Einhauoh), viâna
(Zwischenhauch), das sind aoht Silben.
Achtsilbig
nämlich ist der dritte Fuß der Gâyatrî;
und dieser
an ihr ist jenes [das dreifache Prinzip des Lebens]. –
Derjenige, soweit
dieses Lebendige sich erstreckt, soviel erwirbt er, welcher an ihr diesen
Fuß also weiß.
Weiter aber
ist an ihr der quaterne (turîya),
glanzreiche, S.498 stauberhabene
Fuß
jener, der
dort glühet [die Sonne]; nämlich
"der quaterne" ist der vierte;
"glanzreich"
ist der Fuß, weil er gleichsam erglänzet;
und "der stauberhabene"
heißt er, weil er [die Sonne] hoch erhaben über allem Staube
glühet.
Ebenso aber glühet
durch Schönheit und Ruhm, welcher an ihr diesen Fuß also weiß.
4. Diese Gâyatrî
nun ist auf jenen quaternen, glanzreichen,
stauberhabenen Fuß gegründet;
dieser aber
selbst [der Fuß, d.h. die Sonne] ist gegründet auf die Wahrheit;
nämlich
die Wahrheit ist das Auge, denn die Wahrheit ist eben das Auge.
Darum, wenn jetzt
zwei daherkämen und stritten: "ich habe es gesehen!" – "ich habe es
gehört!",
so würden
wir dem glauben, der da sagt: "ich habe es gesehen".
Die Wahrheit
aber selber ist gegründet auf die Kraft;
die Kraft
aber ist das Leben; darum ist sie gegründet auf das Leben.
Darum sagen
sie: "Kraft geht über Wahrheit".
In dieser
Weise ist jene Gâyatrî gegründet
in dem auf das Selbst Bezüglichen (adhyâtmam).
Dieselbige
behütet (trâ)
das Gesinde (gaya);
nämlich
das Gesinde sind die Lebensorgane;
weil sie die Lebensorgane
behütet, darum heißet sie Gâya-trî
.
Wenn einer
[ein Lehrer] eben jene Sennenstrophe (sâvitrî)
einem [Schüler] vorsagt,
so behütet
dieselbige dem, welchem er sie vorsagt, seine Lebensorgane.
5. Diese Sonnenstrophe
lehren einige in der Form einer Anushtubh
[viermal v – v – v – v –];
denn sie sagen:
"die Rede [des Veda] ist Anushtubh,
und dieses lehren wir als die Rede";
aber das soll
man nicht tun!
sondern als eine
Gâyatrî [dreimal
v – v – v – v –] soll man die Sonnenstrophe lehren!
Fürwahr,
wenn einer [ein Lehrer], der das weiß, auch viel nimmt,
so ist das
doch auch noch nicht einen Fuß der Gâyatrî
aufwiegend.
6. Wenn einer
[ein Lehrer] diese drei Welten [Erde, Luftraum, Himmel] mit all ihrem Inhalte
nähme,
so hätte
er damit [an Gegenwert] erst jenen ersten Fuß derselben.
Und wenn einer
so viel nähme, wie sich diese dreifache Wissenschaft [des Veda] weit
erstreckt,
so hätte
er damit erst jenen zweiten Fuß derselben.
Und wenn einer
so viel nähme, wie sich dieses Lebendige weit erstreckt,
so hätte
er damit erst jenen dritten
S.499 Fuß
derselben.
Was aber an ihr
jenen quaternen, glanzvollen, stauberhabenen Fuß betrifft, der dort
glühet,
der ist nicht
für irgend etwas, was es auch sei, zu haben;
woher also
sollte einer so viel nehmen?
7. Ihre Verehrung
lautet: "Du bist die Gâyatrî ,
bist einfüßig,
zweifüßig, dreifüßig, vierfüßig,
bist fußlos,
denn du gehest nicht auf Füßen;
Verehrung sei
deinem quaternen, glanzvollen Fuße, dem stauberhabenen!
Möge
jener jenes nicht erlangen!" – nämlich der, welchen man haßt;
oder auch
– "möge jenem sein Wunsch nicht in Erfüllung gehen!" –
Fürwahr,
dem geht jener Wunsch nicht in Erfüllung,
gegen welchen
also [gesonnen] man die Verehrung übt,
oder auch
so: "möge ich jenes [was der andre hat] erlangen!"
8. Folgendes
war es, was einstmals Janaka,
der Fürst der Videha's,
zu Budila Âshvatarâshvi
sprach:
"Dieweil du
doch dich ausgegeben hast für einen, der jene Gâyatrî
wußte,
wie kommt
es, daß du zu einem Elefanten geworden bist und Lasten schleppen
mußt?" –
Weil ich ihren
Mund nicht gekannt habe
[und dennoch
als Lehrer derselben Geschenke angenommen habe, Tâlav.Up.Br.4,8,1],
o Großfürst",
Nämlich ihr
Mund ist das Feuer.
Nämlich,
wenn man auch vieles in das Feuer hineinlegt, so verbrennet es doch dieses
alles.
Also auch ein
solches Wissender, wenn er auch viel Böses getan,
so verdauet
er doch dieses alles
und erstehet
rein und lauter, ohne Alter und ohne Tod.
Fünfzehntes
Brâhmanam.
Dieses
auch Îshâ 15–18 vorkommende Stück
ist nach dem Scholiasten ein Sterbegebet, was nach dem Inhalte nicht notwendig
aber wohl möglich ist. Der Sterbende bittet Pûshan,
den Sonnengott, seine Strahlen, welche die Wahrheit verdecken (vgl. Brh.5,5,2),
zu zerteilen, und sieht, nachdem dies geschehen, den Mann in der Sonne
(ein häufiges Symbol des Brahman)
und erkennt sich als identisch mit ihm. Mit einem bedeutsamen Rückblick
auf seine Werke scheidet er dahin, indes vielleicht die Umstehenden den
aus Rgveda 1,189,1 entnommenen Schlußvers beten.
Mit einer
Schale ganz aus Gold
Ist zugedeckt
der Wahrheit Mund;
O öffne,
Pûshan,
diese mir,
Dem Wahrheitstreuen
mach' sie kund!
S.500
O Pûshan,
einiger Seher, o Yama,
Sonnengott, Prajâpati's
Sohn!
zerteile deine
Strahlen, schließe zusammen deine Herrlichkeit; –
ja, ich sehe sie,
deine lieblichste Gestalt;
und jener
dort, der Mann dort, ich bin es selbst! –
Nun werde, Hauch,
zum Winde, dem unsterblichen,
und dieser
Leib mag endigen in Asche!
O Geist, gedenk,
des Werks gedenk,
O Geist, gedenk,
des Werks gedenk!
O Agni! führe
uns auf ebenen Stegen,
Du pfadekundiger
Gott, hin zum Gelingen!
Halt fern uns
von der Sünde krummen Wegen!
Und höchste
Ehre wollen wir dir bringen.