Erstes Kapitel des ersten Buches (1.decisio,
c.1),
herausgegeben nach dem Manuskript
Vat.Lat.933,
übersetzt aus dem Lateinischen
und
kommentiert mit Bezug auf die
Belegstellen und Quellen des
Gervasius, vor allem:
Constitutum Constantini, Honorius
Augustod.: Imago Mundi
und Petrus
Comestor: Historia
Scholastica
von
Hans Zimmermann – bibliographische Angaben
s.o. zu
Beginn und Ende der Einleitung
I.
DE origine mundi et eius creatione et quot modis mundus acipitur et celum
II.
diuersitas opinionum et confutatio hereticorum Albigensium.
III.
de dispositione Chaos
IV.
DE dispositione aeris
V.
De sole luna stellis
et signis
VI.
quot modis annus distingitur
VII.
DE ornatu aeris et ventis.
VIII.
DE iumentis reptilibus et bestiis.
IX.
DE creatione anime et spiritus
X.
DE quatuor monarchiis et quinque zonis et paradiso
XI.
DE fonte et quatuor fluuiis
XII.
de rore celi et pluuia et nebulis.
XIII.
DE mari.
XIV.
DE ligno vite et ligno scientie boni et mali
XV.
DE oculis apertis post peccatum
XVI.
DE gladio versatili
XVII.
DE duobus paradissis et infernis
XVIII.
DE faunis et satiris.
XIX.
de filiis Ade et de diuisione eorum et prima civitate
XX.
DE inuentione musice et multorum artificiorum
XXI.
DE Seth et eius generatione
XXII.
De Enos et Methusalem
XXIII.
DE causa diluuii.
XXIV.
DE diluuio et archa et yri.
Cum vniuscuiusque rei principium eius pars sit potentissima
(1)
ad suscepte materie seriem ac contextum arbitror pertinere
inter initia descriptionis mundane. primum pauca constituere
de
mundi creatione dispositione et ornatu (2)
quasi prolixioris tractatus preambula
more cursorum sic mediocriter temperata. (3)
quod materiam amplius inquirendi prestare poterunt sciolis
et fastidium non debebunt generare perfecte scientibus.
Beginn des ersten Buches.
Erstes Kapitel: Vom Ursprung der Welt und ihrer Schöpfung, und was
alles "Welt" genannt wird.
Da der Beginn einer jeden Sache ihr wirksamstes Teilstück ausmacht,
(1)
glaube ich, daß es in die Reihe und den Kontext der gewählten
Thematik gehört,
zwischen die Anfänge der Weltbeschreibung erst einiges
über Schöpfung, Verräumlichung und Ausstattung der Welt
einzuschalten, (2)
wenn auch nur in der Form, wie man die Voranmerkungen zu einer weitschweifigeren
Abhandlung
im Stil eines Eilboten auf ein gesundes Maß zurückstutzt, (3)
weil es so den Schülern Stoff zum Weiterforschen an die Hand geben
kann,
aber zugleich bei den kundigen Wissenschaftlern keinen Überdruß
erzeugen soll.
1) Rhetorischer
Einstieg, Anfangsgewichtung, die in den Stilmitteln (Widmung) und in der
"barocken" Satzperiodik zum Ausdruck kommt – aber auch deduktiv geführtes
Prinzip-Denken, wo auf der neuplatonisch-augustinischen Grundlage des früh-
und hochmittelalterlichen Christentums ohnehin nur ein Anfang De
Deo denkbar ist; Ausgang von einem Prinzip,
das als schöpferisches die weitere Systemableitung in sich selbst
generiert, ist noch bis zu Schelling üblich; zur anderen Seite hin
ist das Einsteigen mit der Schöpfungsthematik innerhalb aller vordogmatischen
metaphysischen Literatur, schon im Umfeld früher monotheistischer
Spekulation, ein altes Lied, das in der "Kommentar"-Phase der Traditionen
zum Lehrstück erstarrt. Dies kommt in Verwandtschaft der Enzyklopädistik
besonders im Hexahemeron-Beginn
der Weltchroniken des Mittelalters zum Ausdruck.
2) Petrus
Comestor, Historia scholastica, Genesis (ebenso
wie die Imago mundi
des Honorius Augustodunensis
von Gervasius gern abgeschrieben; im folgenden = Petr.Com.
1),1:
hanc creationem mundi prelibata
sub operibus sex dierum explicat scriptura
insinuans creationem, dispositionem, et ornatum.
In primo die creationem et quandam dispositionem,
in secundo et tertio dispositionem,
in reliquis tribus ornatum. -
Zu
dispositio, hier
durchgängig mit "Verräumlichung" übersetzt, obwohl auch
die Vergabe der Zeitstelle mitgemeint ist, vgl. in Kap. 3: dispositione
distingente ea per loca et tempora.
3) Das Problem beim Übersetzungsversuch
dieses schwerverständlichen Nachklapps ist, daß die Aufgabe
des Boten (cursor)
die mündliche Übermittlung sein müßte.
Enimuero imperialem decet celsitudinem ad instructionem fidei laborantem
(4)
vt summatim nouerit
quod in catholicis comprobet et confirmet et plantet
in hereticis quod reprobet pugniat et euellat (5)
Es ziemt sich gewiß für die kaiserliche Hoheit, wenn sie sich
um die Lehre des Glaubens sorgt, (4)
im Ganzen zu wissen,
was sie an kirchlichen Inhalten billigen, festigen und verwurzeln,
an abweichenden dagegen zurückweisen, strafen und austilgen soll.
(5)
4) Erneute
invocatio in
Folge einer längeren, höflich-gestelzten Einstiegs-Wendung, einer
Selbstrechtfertigung des Autors; Klimax im Trikolon der Leserschaft: Schüler,
Meister, Kaiser, die unterwiesen, unterhalten, unterstützt werden
sollen.
5) Innerhalb des dritten Gliedes zwei
weitere, parallel gebaute Reim-Trikola. Vgl. den dreifachen Parallelismus
von Ier 1,10
(Berufung):
ut evellas et destruas
et disperdas et dissipes
et aedifices et plantes -
der
Kaiser damit nicht nur als protector ecclesiae, sondern geradezu als Exekutivorgan
und letzte Instanz der fides catholica;
vgl. mit der Aufgabenverteilung zu Beginn der Collatio
(Vergleich von Priestertum und Königtum als Einleitung der Otia).
Originem ergo mundi a diuina ordinatione et creatione sumpsisse initium.
Testatur Moyses cum dixit.
In principio creauit Deus celum et terram. (6)
Ordinauit Deus creanda preuidendo
que postea creata disposuit
et de congesta materia separauit. (7)
Pater creauit in sapientia que est Filius operante Spiritu Sancto (8)
Vnusquisque in Trinitate Deus (9)
creata disposuit et disposita ornauit ac ordinauit. (10)
Daß der Ursprung der Welt also von göttlicher Anordnung und
Schöpfung her seinen Anfang
genommen habe, bezeugt Moses, indem er gesagt hat:
Im Urbeginn schuf Gott den Himmel und die Erde.
(6)
Es ordnete Gott das zu Erschaffende durch Vorhersehung an,
das er später als Erschaffenes verräumlichte
und aus der zusammengeballten Materie herauslöste. (7)
Der Vater schuf in der Weisheit, die der Sohn ist, wirkend durch den Heiligen
Geist. (8)
Ein jeder Gott in der Dreifaltigkeit (9)
verräumlichte Geschaffenes, stattete das Verräumlichte aus und
ordnete es an. (10)
6) Ohne
weitere Umschweife Einsatz von Gen 1,1
in der Vulgataform,
die mit LXX die
hebräische Wortfolge zu konservieren sucht, deshalb das Verb weit
vorne; im Deutschen unauffällig, weil für uns das Adverbiale
in Anfangsstellung das Verb an sich zieht; sonst erscheint dann im Deutschen
die unpersönliche Form der dritten Person mit nachfolgendem Subjekt,
z.B. Dixit Dominus
- "Es sprach der Herr" – Ps 109 (110),1.
7) Neuer Dreischritt: ordinare,
disponere, separare, wobei das erstere durch
previdere geschieht
und zwischen ordinatio
und dispositio
die creatio selbst
eingeschoben scheint. Ordinare:
ideeller Grundplan, mundus archetypus
im Erstling der Schöpfung, der sapientia.
- Disponere s.
Ovid, Met 1,32f
(dispositam
... congeriem). – Separare,
als Sonderung der congesta
materia angelehnt an Met
1,7ff (dort abscidit
1,22; secrevit
1,23; dissociata
locis 1,25;
dispositam
... congeriem secuit 1,32f),
ist Hauptmodus der schaffenden Gestaltung neben dicere
und allgemeinem facere
in Gen 1; die
Vulgata bevorzugt
dafür dividere
(LXX diachorizein;
hebr. badal, hivdil),
z.B. 1,4; 1,6f;
indirekt 1,9
und 1,14 mit
1,18.
8) Die trinitarische Formel entspricht
dem katholischen Verständnis, wie es bei Origenes, Augustinus u.a.
gepflegt wird: Durch Übertragung der Logoslehre
Ioh 1,1-3 auf die "salomonische" Literatur
des AT (vgl. Col 2,3
in Isidor, Etym 7,2,25)
wird der Sohn mit der Weisheit (sapientia,
gr. sophia, hebr.
chokmah) identifiziert,
obwohl diese nach Eccli (Sir) 1,4 und
9, aber gegen
Prov 8,22-31, als geschöpflich gilt,
während der Heilige Geist stets an dritter Stelle, selten in Anrede
oder als "Deus"
schlechthin (wie die beiden anderen Personen der Trinität, die sich
im Messe-Kanon
auch das Appellativ Domine – konfundiert aus dem Appellativ adonai
im AT und dem
Christus-Titel kyrios
im NT – teilen)
angerufen wird; der Hlg.-Geist-Artikel mit to
(!) kyrion
(lat. Fassung Dominum)
im Symb. Konst.,
der Hymnus Veni creator spiritus
(Hrabanus Maurus) und Joachim von Fiores Spiritualismus sind Ausnahmen,
letzterer ebenso wie der Spiritualismus der Katharer schon heterodox.
9) Vnusquisque deus
- ungewöhnliche Formulierung, da sie tritheistisch klingt; vgl. Petr.Com.
1,1:
Vbi nos habemus Deus Hebreus habet Eloim
quod tam singulare quam plurale est id est Deus vel Dii
quia tres persone vnus Deus creator est.
10) Gr. kosmos,
ornamentum für
mundus ist zumindest
durch Isidor, Etym 13,1,2
bekannt; ornauit
hier offensichtlich über Vulgata Gen
2,1 et omnis
ornatus eorum aus LXX
kai pas ho kosmos auton
für hebr. we-qâl--zebâ'âm,
also eigentlich "und ihr ganzes Heer". – Entspricht dem ersten Dreischritt
aus Petr.Com. 1,1;
ordinare hier
wohl nur Klangzwilling zu ornare
(Hen-dia-dyoin in redensartlicher Paarformel). Als Folgeschritt der vorangegangenen
creatio – entsprechend
der Schöpfungssentenz Gen 1,1
vor der dann erst folgenden eigentlichen Ausgestaltung (dixit,
fecit, separauit) im Sechstagewerk – wird
das Geschaffene (creata)
räumlich auseinandergesetzt, "geschmückt" und geordnet; Differenzierung
der schaffenden Akte entsprechend Petr.Com.
- Aber das ordinare
des dritten Teilschritts ist in der Dreierformel oben der erste, geht der
creatio sogar
voraus, so daß alle zusammen den folgenden Kreis zu bilden scheinen:
ordinare (preuidendo), creare, disponere,
separare, ornare-ordinare; Klärung der
Reihe siehe im folgenden.
Hoc inquam fecit qui dixit et facta sunt. mandauit et
creata sunt. (11)
in
Filio et cum Filio qui se testatur esse principium cum dicit. (12)
Ego sum Alpha. et O
Ego principium qui eloquor vobis. (13)
Filius ergo principium
temporis principium mundane creationis (14)
si enim vt ait Boetius fuit quando non fuit tempus (15)
tempus
et mundus creatus in principio temporis coeua sunt (16)
Dies, sage ich, tat, der sprach und es war getan, der befahl und es war
geschaffen, (11)
im Sohn und mit dem Sohn, der bezeugt, daß er der Urbeginn sei, indem
er sagt: (12)
Ich bin Alpha und Omega,
ich der Urbeginn, der ich mich für euch ausspreche.
(13)
Der Sohn ist also Urbeginn der Zeit, Urbeginn des welterzeugenden Schöpfungsaktes.
(14)
Wenn nämlich, wie Boethius sagt, er war, als noch kein Zeitstrom war,
(15)
sind Zeit und geschaffener Weltbau im Urbeginn der Zeit zugleich.
(16)
11) Ps 148,5:
Laudent nomen Domini,
quia ipse dixit, et facta sunt,
ipse mandavit, et creata sunt.
Als
Schöpfer gilt gemäß den verschiedenen Symbola der Vater
- z.B. Symb.Nik.
patrem omnipotentem, factorem caeli et terrae,
visibilium omnium et invisibilium -, der demzufolge
mit dem Gott (Appellativ Domine,
hebr. adonaj)
des AT identifiziert
wird, obwohl ein Bruch zum Kyrios (Dominus)
des NT, dort
immer der Sohn, vorliegt; das Ineinander von Menschen – Sohn – Vater in
Ioh, die Schöpfungsdoxologien
bei Paulus (mehr
noch in den Deuteropaulinen Col und
Eph) und die
typologische Übertragung dieses Verhältnisses auf die Reihe In
principio – creauit Deus – spiritus Dei ferebatur
begründet diesen Traditionsstrang gegenüber dem Konzept des demiourgos
in Platons Timaios
(Calcidius: opifex),
das eher auf den Sohn zu übertragen wäre, der die ewigen Ideen
des Vaters verzeitlichte (vgl. Ioh 1,3; 5,19ff;
10,37), aber Timaios
28 c hat für den demiourgos
gr. pater, Calcidius
hier genitor,
aber 41 a: quorum
idem opifex paterque ego, also immer nur
in Beziehung auf die generatio mundi,
das Erzeugnis des Erzeugers.
12) Quoniam
ex ipso et per ipsum, et in ipso sunt omnia
Rom 11, 36; trinitarisch
aufgegliedert in 1Cor 8,6;
per ipsum et in ipso
Col 1,16 bezüglich
der Schöpfung durch und in dem Sohn; vgl. per
ipsum et cum ipso et in ipso (doxologischer
Abschluß des Wandlungs-Kanons der Messe).
13) Apoc
1,8 Ego sum Alpha
et Omega, principium et finis;
21,6 ... initium et finis;
22,13 ...
primus et novissimus, principium et finis.
- Ioh 8,25 Principium,
qui et loquor vobis gr. Ten
archen, ho ti kai lalo hymin – also ambivalentes
principium ursprünglich
adverbieller Akk., "zuerst einmal"; bei Gervasius wie bei Isidor,
Etym 7,2,28 (ipse
enim se principium Iudaeis interrogantibus esse respondit)
in Parallele zu den Apokalypse-Stellen hypostasiert, wie sonst auch für
En arche Ioh
1,1f üblich.
14) S. vorige Anm.; vgl.
Ioh 1,1-3; Col
1,15-17 (primogenitus
omnis creaturae) aufgrund Prov
8,22-31 in der üblichen Identifikation
von Logos und
sapientia (gr.
sophia, hebr.
chokmah). – Petr.Com.
1,1 beginnt: In
principio erat verbum, et verbum erat principium, in quo et per quod Pater
creavit mundum.
15) Boethius, Cons 6,5 argumentiert
anders; auch sonst nicht nachzuweisen; filius
als Subjekt zu fuit bezöge
sich auf die sapientia-Identifikation,
mundus als Subjekt
bezöge sich einerseits auf die Weisheitsschöpfung, den sempiternus
mundus der unsichtbaren Welt hinter den Sternen,
geriete andererseits in Unstimmigkeit (quando
non fuit tempus) zur Gleichursprünglichkeit
(coeva sunt)
mit der Zeit; vgl. Ewigkeit der Welt in Origenes,
Peri archon (Rufinus-Übersetzung, De principiis) 1,2,9 (40 Z.12, ed.Görgemanns/Karpp
S.143): Non est autem quando non fuerit (ouk
estin hote ouk en); tempus als Subjekt zu
fuit zitierte
die Paradoxie, die Augustinus in Civ 12,16
formuliert:
Erat aliud tempus, quando non erat hoc tempus,
recte possumus dicere; at vero:
Erat tempus, quando nullum erat tempus, -
quis vel insipientissimus dixerit?
Vgl.
Philon, De aeternitate mundi 15,5.
Siehe Carl Andresens Kommentar
zur zitierten Augustinusstelle.
16) Petr.Com.
1,1:
creatus autem est in principio id est in Filio
et iterandum est in principio sic
in principio creauit Deus celum et terram
in principio scilicet temporis.
coeua enim sunt mundus et tempus.
Der
Sohn als principium
der Gleichursprünglichkeit von Zeit und Welt ermöglicht Begründung
einer geschaffenen, aber immerdauernden Welt, sofern die Zeit als Abbild
des Ewigen geschaffen wird (s.f.Anm.);
entsprechend Basileios, Hexahemeron 1,5
- ewige Lichtwelt (Engel und Weisheitsschöpfung) gemäß
Col 1,16 quoniam
in ipso condita sunt omnia im schöpferischen
principium strukturiert
- und besonders Hexahemeron 1,6:
He tou chronou arche oupo chronos, all' oude
meros autou to elachiston (...) Archen de arches epinoein pantelos katagelaston
(Migne PG 29 Sp.16);
vgl. aber Augustinus, Civ 11,6.
vnde sicut
Deus solus eternus. ita mundus sempiternus
quia semper id est
per omne tempus eternus (17)
angeli quoque
sempiterni. quia temporaliter eterni (18)
principium itaque ens sine principio. (19)
cum principio de principio in principio temporis (20)
creauit celum et terram. hoc est mundum. (21)
Wie daher Gott allein ewig ist, so ist die Welt für alle Zeit,
da sie für immer, d.h. nur durch alle Zeit, ewig ist. (17)
Auch die Engel sind für immer, da sie nur allzeitlich-ewig sind. (18)
Der Urbeginn als ein Seiendes ohne Beginn (19)
schuf deshalb mit dem Urbeginn, vom Urbeginn an, im Urbeginn der Zeit (20)
den Himmel und die Erde, das ist die Welt. (21)
17) Fortsetzung des Petr.Com.-Zitats:
sicut autem solus Deus eternus sic mundus
sempiternus
id est semper eternus temporaliter eternus.
angeli quoque sempiterni.
synthetische
"Etymologie" in der Art von Platons Kratylos,
vgl. Isidor, Etym 7,1,22
den 14. Gottesnamen, aeternus
von aether (!):
Aeternus est, quia sine tempore est.
Non enim habet initium neque finem.
Hinc et sempiternus, eo quod sit semper aeternus.
-
Als
ewiges Geschöpf – nicht oxymorisch, vielmehr im Sinne eines infiniten
Fluchtpunktes aller viae
Domini – galt schon die Weisheit (chokmah-sophia-sapientia)
Prov
8,22-31. – Augustinus,
Civ 11,6, läßt zwar auch die Welt
mit der Zeit zusammen entstehen, aber nicht als selbst ewige. – "Ewige
Dauer" der Welt bzw. (nur) der Weisheits-Urschöpfung oder der Engel
als der zeitentfaltenden ersten Bewegungen (s.
folgende Anm., Augustinus
Civ 12,16) überträgt die elementare
Urbewegung der höchsten Sphäre unterhalb des unbewegt-Ewigen
(Aristoteles, Peri ouranou 269 a 18ff) auf
den kosmos noetos
der platonisch-christlichen Tradition und belebt umgekehrt deren ätherischen
Kreis mit beschwingten Ideen-Wesen. Deren unbegrenzte Dauerbewegung wird
unterschieden von dem unbewegten "im Einen verharrenden Aion" Gottes, einem
Parmenideismus (vgl. DK 28 B 8, V.5f
nyn estin homou pan / hen syneches)
in Platons Timaios 37 d,
der über Philon (De opificio mundi 13),
Plotinos (Enn. 3,7,35), Iamblichos und Proklos
(Timaios-Komm., ed.Diehl 3,33,3 und
1,291,8f) – die Reihe bis Iamblichos wirkt
auf Augustinus (z.B. die "Zeit"-Erörterung Conf
11,11ff, Civ 12,16), die Reihe bis Proklos
wirkt auf Dionysios Aeropagites (z.B. Peri
theion onomaton, Migne PG 3 Sp.937) -, schließlich
über Boethius
(z.B. Cons 5,6)
u.a. zum scholastischen nunc permanens
(bzw. dann später seit Albertus Magnus
nunc stans) führt.
18) Augustinus, Civ 12,16
über die Engel:
Sed ideo semper fuisse dicuntur, quia omni
tempore fuerunt,
sine quibus tempora nullo modo esse potuerunt.
Tempus autem quoniam mutabilitate transcurrit
aeternitati inmutabili non potest esse coaeternum.
Ac per hoc etiamsi immortalitas angelorum non transit in tempore
nec praeterita est quasi iam non sit,
nec futura quasi nondum sit:
tamen eorum motus, quibus tempora peragantur, ex futuro in praeteritum
transeunt,
et ideo Creatori, in cuius motu dicendum non est
vel fuisse quod iam non sit
vel futurum esse quod nondum sit
coaeterni esse non possunt.
Demnach
wurzeln die Engel in der zeitumgreifend-ewigen Weisheitsschöpfung,
die bei Augustinus (gemäß Philon)
auch das nicht sukzessive, sondern simultan aufgefächerte Hexahemeron
umfaßt, innerhalb dessen das fiat lux
die Engel hervorruft bzw. in ihrer Ebene plaziert (Civ
11,9), vgl. Kap. 3: Scheidung der Licht- von
den Finsternisengeln.
19) Marius Victorinus, Brief an den Arianer
Candidus 16,10ff; Augustinus, De ordine 2,5:
Gott als omnium rerum principium sine principio
u.ö. meint den Vater; der Sohn ist dann principium
de principio; hier: principium
temporis.
20) Quoniam ex ipso et per ipsum et in
ipso sunt omnia Rom
11, 36; Col 1,16f; in der Patristik übliche
Übertragung von Ioh 1,1-4
auf Prov 8,22-31
und Gen 1,1.
21) Erste, allgemeine "nichtspekulative"
mundus-Definition
als Abschluß der Gen 1,1-Interpretation;
mit den sechsen der folgenden Liste eine Siebener-Ordnung.
Sane
mundus. nunc celum empireum
nunc mundus archetipus.
nunc mundus sensilis
nunc sola regio sublunaris.
nunc homo
nunc /
renouatio rerum eiusdem generis. mundus nuncupatur.
(22)
f.3rb
Offensichtlich wird als Welt zum einen das Lichtreich,
dann die Urbildwelt,
dann die wahrnehmbare Welt,
dann nur der Bereich innerhalb der Mondsphäre,
dann der Mensch,
schließlich wird die Erneuerung der Dinge gemäß ihrer
Artanlage als Welt bezeichnet. (22)
22) Alle weiteren Definitionen Einschränkung
des Geltungsbereichs von "Welt" auf ein jeweils Näherliegendes (wie
wir heute z.B. auch eine "Erdkarte" als "Weltkarte" bezeichnen), in der
Reihenfolge vom Umfassendsten (äußere Himmel) die einzelnen
Schichten hinab bis zum Hier (dem Menschen, aber noch als Schöpfungsinbegriff).
Die erste, dritte, vierte und fünfte der hier aufgelisteten Definitionen
bilden den Anfang in Petr.Com., Historia scholastica
1,1 mundus
quatuor modis dicitur; die zweite und
sechste entstammen Honorius Augustodunensis,
Imago mundi 1,2 creatio
mundi .V. modis scribitur. Die Reihenfolge
weicht von der gegebenen Liste ab und bringt weitere mundus-Zuschreibungen
bei, so daß sie lauten müßte:
1. celum et terra
(Anm.21),
2. empireum mit
den Engeln (Anm.23-25),
3. celum Trinitatis
(Anm.26-31),
4. celum superempireum
mit Christus ascensus
und Maria assumpta
(Anm.32-37),
5. celum sidereum vel ethereum (= firmamentum)
(Anm.38-44) mit
6. Feuer und Sonne in seiner Wölbung (cameratio)
(Anm.45-49),
7. celum aereum
mit den Heiligen (Anm.50)
und dem
8. infernus malorum
(Anm.51);
9. celum animantium
(Anm.52, 53)
als Ort des
10. septimum celum
(für die Heiligen nach der zweiten Auferstehung)
(Anm.54);
desweiteren
ziemlich ungeordnet:
11. mundus sensilis (= omne)
(Anm.60-63),
12. mundus archetipus
(Anm.64, 65),
13. sublunaris regio
(Anm.66),
14. Sechstagewerk (Hexahemeron)
(Anm.67, 68),
15. mundus ab uno ad aliud traductus
(Anm.69, 70),
16. mundus als
motus (Anm.71)
und
17. figura rotunda ad modum pile, instar
oui, als kosmisches Ei
(Anm.72-75),
18. homo (= microcosmus)
(Anm.76-78),
19. renouatio
(am Weltende) (Anm.79, 80),
20. Zusammenfassung aller Bedeutungen im Johannesprolog
(Anm.81-84).