drei große Pakete
sind in diesen drei ersten Monaten des Jahres geschnürt worden:
a) Die 14 ersten, d.h. die
wichtigsten, der 60 von
Paul Deussen übersetzten Upanischaden sind nun eingenetzt und
b) zum Teil auch um den
Sanskrit-Text ergänzt, so vor allem die älteste, die große
Chândogya-Upanishad; das entspricht den ersten 600 Seiten
der Deussen-Sammlung. Natürlich sind Vorrede, Inhaltsverzeichnis,
die einführenden Einleitungen, Kommentare und Anmerkungen Paul Deussens
gleich mitgeliefert. Es werden also die beiden Upanischaden des Rgveda,
die beiden des Sâmaveda, die fünf des schwarzen und die zwei
des weißen Yajurveda sowie die drei wichtigsten dem Atharveda zugeordneten
Upanischaden genau in Deussens Reihenfolge und Systematik hier dargeboten:
c) Außer dieser Übernahme
der deutschen Übersetzung und der nunmehr vollständigen interlinearen
Sanskrit-Ergänzung der Chandogya-Upanishad (weitere Sanskrit-Ergänzungen,
z.B. Mundaka,
Prashna und Mândûkya,
sollen noch folgen) habe ich dann noch die Vedânta-Sûtrâs
des Bâdarâyana wesentlich erweitert und um das gesamte
Inhaltsverzeichnis
(Deussen) ergänzt. Im Unterschied zu Pâtanjalis
Yoga-Sûtra sind die abgerissenen "Denkzettel"-Formeln des Bâdarâyana
ohne den großen Kommentar des Shankara (8.Jhd.n.Chr.) völlig
unverständlich. Sie sind aber, jedenfalls durch Shankaras Kommentar,
grundsätzlich eine Auslegung der hier aufgeführten 14
Upanischaden, also der Gipfel der großen exegetischen Traditions-Pyramide,
deren Basis die vier Veden mit ihren jeweils zugeordneten ältesten
Auslegungstexten, vor allem eben diesen Upanischaden, bilden. Nah an der
Basis sind diese Texte noch unmittelbar auf die Rituale des Opfers bezogen,
generalisieren und vertiefen diese Exegese dann in den weiteren Schichten
dieser Literatur-Pyramide und bilden das "Ende" ("anta") des Veda ("Vedânta")
mit Shankaras All-Einheits-Philosophie, die in unserer eigenen Tradition
am ehesten dem Neuplatonismus in seinen Ausprägungen von Platons Sonnengleichnis
über Plotin und Proklos und die Scholastik bis zum deutschen Idealismus
(Hegel) entspricht. Der lebenslange Nietzsche-Freund (aus Schulpforta-Zeiten)
und Schopenhauerianer Paul Deussen bringt kenntnisreiche Vergleiche und
Überlegungen, zu lesen in der Vorrede seiner "Sechzig Upanishad's".
Das tat-tvam-asi-Kapitel
der Chandogya-Upanishad ist Euch, liebe Freunde, schon länger
bekannt, aber neu ist die andere große, gleich-alte Brhadâranyaka-Upanishad
mit den Gesprächen, die Yâjñavalkya
mit der einen seiner beiden Gattinnen
führt. Ach, alle, alle diese 14 sind bedeutend in ihrer Reichweite
zwischen poetischen und abstrakteren, archaisch-ritualistischen und amüsant-narrativen
Stücken; diese 600 Buchseiten (das ist ziemlich genau die volle erste
Hälfte der Deussen-Sammlung) bieten den ganzen bunten Regenbogen der
theologisch-philosophischen Entwicklung vom naturreligiösen Opferritual
bis zum puren Idealismus des all-ein-seienden ICH.
Zwar
komme ich vom philosophischen "Ende" her, aber oft finde ich (mehr als
an dem ewig gleichen Alleinheitssatz) Gefallen an den vorbuddhistischen
Gedankenwanderungen durch die Lebensprozesse, Essenzen und Verwandlungen
(Metamorphosen) der sinnlichen Substanzen. Dieses die vedischen Opfer durchwandernde
exegetische Gespräch, oft fast schon ziellos kreisend, Schleifen ziehend,
diese meditative Deutungs-Chemie, hat eine eigene Musikalität. Ja,
das ist doch wohl Musik: die organische Systematik einer Wanderung durch
den Wiederholungs-Wandel der Wandlungs-Wendungen,
Bhâskarânanda Svâmin
(ein mir befreundeter alter Sannyâsin,
mit dem ich öfter philosophierte, indem er, völlig nackend, neben
mir auf einer Steinplatte des Gartens in Benares saß, welchen er
bewohnt) scheint meiner Meinung zu sein, wenn er in einem eben erschienenen,
populären Kommentar zu acht Upanishad's
zu Eingang von Mundaka bemerkt: asya
ca shirovratibhir adhyetavyatvâd Mundaka-iti-âkhyâ;
wozu freilich nicht stimmt, daß er nachher bei der Stelle Shankara's
Meinung reproduziert...
2.
Rundbrief 2012: fICHte
19.Mai 2012
Liebe Freunde,
gerade nun, während
ich mitten im mittleren Yâjñavalkya-Drittel
der Brhadâranyaka-Upanishad
mit den Erörterungen über den Âtman, das alldurchlebende,
all-ein-seiende ICH befaßt bin, das Ursprung, Substanz und Ziel aller
Lebenskreise ist, feiern wir den 250. Geburtstag des großen Philosophen
des "Ich-bin": Johann Gottlieb Fichte.
Schopenhauer hätte
die Übereinstimmung der vedischen Ich-Philosophie mit der Fichteschen
Kant-Interpretation erkennen und würdigen müssen, aber er zog
die Anonymität eines bewußtlos-blinden
Willens der Selbstidentifizierung eines reinen Vernunft-Willens vor,
obwohl er doch in seinem Hauptwerk (Die Welt als Wille und Vorstellung)
genauso wie Fichte nichts anderes als eine "weiterdenkende" Kant-Auslegung
betreiben wollte.
Dem liegt der Gedanke zugrunde,
daß in Kants "Kritik der praktischen Vernunft" die Selbstbestimmung
des Willens sich nicht (wie die objektive Erkenntnis) in der Erscheinungswelt
verliert, sondern unmittelbar "an sich", also in sich, durch sich, aus
sich, als sich selbst - - - (welches Verb ist hier richtig? Fichte beginnt
mit "sich setzt", ringt aber sein Leben lang in den verschiedenen Fassungen
seiner "Wissenschaftlehre" um die logische Binnenanalyse dieser Selbstsetzung)
- - - sich hervorbringt, sich schafft, sich "tätigt". Das Ich besteht
aus dieser Handlung, im Erkennen sich zu schaffen, und so nennt Fichte
es "Tathandlung", später zusammen mit Schelling "intellektuelle
Anschauung".
Die großen "Bomben"
philosophischer Entdeckungen im Deutschen Idealismus scheinen kaum entschärft,
sie ruhen gewissermaßen unentdeckt im Acker oder im Keller oder unter
der Straßendecke des Wissenschaftsverkehrs: Kants Beweise für
die transzendentale Idealität
des Raumes und der Zeit (d.h.: sie sind bloße Bewußtseinsstrukturen,
sie dimensionieren die Welt "für uns", sie kommen nur unserer Erscheinungswelt
zu) wären da besonders explosiv, und mindestens genauso brisant die
Entdeckung, daß das Ich erkennender Wesen nicht von einer anderen,
ihm äußeren Instanz gegeben, gestiftet oder gar "erschaffen"
sein kann. Der "Schöpfer" muß vielmehr mit dem Ich eines jeden
identisch sein, er kann die permanente Selbstsetzung nicht setzen, ohne
sie als sich selbst zu setzen. (Konsequenterweise wird in Genesis
2 das Leben des Adam nicht aus der Adamah
geschöpft, sondern der zum Leib gestalteten Adamah
eingeatmet, eingegeistet, als ruach-pneuma-spiritus
der Gottheit selbst.) Und im gleichen Zusammenhang harrt die Entdeckung
einer Wiederentdeckung, daß kein Objekt ohne ein Subjekt gedacht
werden kann, dessen Bewußtseinsinhalt es ist, so daß alle Welt
den Bewußtseinsregungen der Erkenntnissucher eingelagert ist (wenn
auch verborgener Weise, als zu hebende Schätze der sokratisch-platonischen
"Anamnesis").
Wie alle Welt und alle Wesen
durch Subjekt-Objekt-Polarisierung aus dem prädisjunktiven ICH hervorkeimen,
ist das große Wunder, das im Deutschen Idealismus, z.B. in Schellings
"System des transzendentalen Idealismus" (1800), genauso fasziniert
und faszinierend aufgedeckt wird, wie in den Meditations-Stufen, den Gedanken-Wendeltreppen
des Yâjñavalkya in
der Brhadâranyaka-Upanishad,
-- aber natürlich in völlig verschiedener Vorgehensweise, in
ganz anderer Sprache und Vorstellungswelt. Fichte interpretiert Kant, die
Upanishaden interpretieren
das vedische Opferritual, Yâjñavalkya
geht immerhin darüber hinaus, etwa durch
Betrachtungen
der menschlichen Bewußtseinsphasen des Wachens,
Träumens
und des Tiefschlafs, so daß dem Gedanken Weg gebahnt wird, daß
das Ich sich darin finde, sich in der seligen Trance des Tiefschlafs seiner
selbst bewußt zu sein und im ozeanisch tiefen Hinter- und Untergrund
der strömenden, wogenden, verkräuselten Gedankenoberflächen
die schlafensselige Ichbinheit wahrzuhaben, die durch systematische Versenkung
zu Bewußtsein kommen kann: Laßt
ab und erkennt, daß ICH BIN = Gott!.
Erheben
wir das Glas auf Fichte, den Philosophen, der das ICH in seinem Namen trägt!,
auf ihn!,
grusz,
hansz
3.
Rundbrief 2012: Sheila Volk
5.Oktober 2012
Liebe Freunde,
gewiß, ich
male selbst, aber eher still und heimlich als laut und öffentlich;
und die Resonanz auf meine Farbenspiele ist dementsprechend gering, und
das ist vielleicht gut so.
Mit drei Künstlern
fühle ich mich persönlich verbunden: Da ist als jüngste
Agnes Lammert, die, bevor sie in Leipzig bei Neo Rauch zu studieren begann,
zu den Schülern des Görlitzer Gymnasiums gehörte, an dem
ich Latein, Ethik und Philosophie unterrichte. Wir kennen uns durch die
Philosophie-Arbeitsgemeinschaft, die ich vor etwa 12 Jahren angefangen
habe, und da bildete sich innerhalb jener Schülergeneration ein in
sich fruchtbarer Freundeskreis, den ich, eine Generation älter, gewissermaßen
nur am Rande berühre. Die Bilder von Agnes Lammert sind so wunderbar
wie sie selbst, ich kann nur jedem empfehlen, einen Blick in ihre Seiten
zu werfen: www.agneslammert.com,
und ich sehe die Bilder unter einem fokussierten Blickwinkel, seit ich
dem zweiten hier zu nennenden Künstler, Günter Thorn, eine Frage
zu seinen Bildern gestellt habe, nämlich: "In Deiner Roten Reihe,
bei diesen roten Strichen auf Weiß, bin ich nicht sicher, ob da Menschen
durch den Schnee stapfen; oder sind das abstrakte Skizzen?", und er antwortete
mir: "Ich male immer Menschen, das alles sind Menschen." Günter Thorn
ist ein Klassenkamerad vom Nippeser Gymnasium in Köln, auf das ich
vor vielen Leben und Toden gegangen bin, der einzige übriggebliebene
Freund, wenn ich auch längst aus dem Rheinland geflüchtet bin
(erst nach Niedersachsen, dann hier in die Lausitz) und so alte Freundschaften
sehr schlecht pflege ... schließlich hat er mich per Internet wiedergefunden,
nicht ich ihn. Aber ich liebe ihn als gute Seele und bewundere ihn als
Künstler von außerordentlichem Bewußtsein für heikle
Materien, extreme künstlerische Reduktion auf das allein Wesentliche
und räumliche Verhältnisse, siehe http://www.halle6.de/ind2/kuenst1/thornkue/thornkue.html.
Deshalb, eben weil ich zunächst nur seine bildhauerischen Arbeiten
mit Fels und Glas kannte, war ich über diese "Menschen"-Substanz seiner
Werke verblüfft; und als ich Agnes davon erzählte, sagte sie
(wenn ich mich richtig erinnere, es ist wohl fünf Jahre her), das
sei doch selbstverständlich, Kunstwerke müßten immer Menschen
darbilden (oder "enthalten" oder "sich auf Menschen beziehen"; das eigentliche
Prädikatverb ist mir entfallen, es zu suchen ist Dichtung).
Die dritte mir so schrecklich
nahe und ach, so entsetzlich ferne Künstlerin ist Sheila Volk, Schöpferin
überaus vergänglicher, hochorigineller Kunst-Werke und -Aktionen
in Hamburg, eine der stärksten Persönlichkeiten, die mir in meinem
Leben je begegnet sind. Sie war meine erste Freundin, zwei Jahre lang,
als ich 18-20 und sie selbst 16-18 war, ich malte sie damals, siehe http://12koerbe.de/bienengold/wablei.htm#Sheila
und http://12koerbe.de/bienengold/wilde.htm#Sheila.
Ein Zentralkörperchen in meiner Lebenszelle war sie und blieb es weit
über jene zwei jungwilden Jahre hinaus. Ich schrieb 1979 eine Kurzgeschichte,
durch Wellershoff veröffentlicht bei Kiepenheuer & Witsch ("Das
Mandala eines Tages"), in der sie die namenlose "SIE" der Erzählung
ist; und nach Jahrzehnten der Distanz erfuhr ich, daß sie in Hamburg
gelandet war und dort arbeitete und lehrte. Ich schickte ihr also vor etwa
drei Jahren, um den heißgeliebten, mir allzu kaltfeindlichen Gegenpol
all meiner Religions- und Philosophie-Versessenheit optimistisch-versöhnlich
und freudig zu überraschen, ein Paket mit Früchtebrot, Dattelkuchen
und den Ingwer-Produkten aus meiner Snapeschen Hexenküche, bekam auch
eine etwas ungnädig-selbstbewußte, spöttische Antwort von
ihr und erkannte, es ist immer noch Sheila Volk, wie sie leibt und lebt.
Günter, Du kanntest sie ja auch. Nun wollte ich wieder mal sehen,
"googeln", was sie so in Hamburg treibt, und
da sah ich das erste Mal seit etwa 35 Jahren ein Bild von ihr, ich
meine von ihrem Gesicht mit den großen Lippen, ihrer Leibesfülle
in den letzten Jahren, und sie war doch, als ich sie kannte und malte,
von knochiger Schlankheit und asketischer Kargheit der Leibes- und Lebensführung!
Und da las ich, daß sie 53 Jahre alt im April 2010 verstorben ist.
Soll man ihrem umtriebigen,
revolutionären, anarchischen, anarchistischen, scharfen und fruchtbarem
Geist wirklich wünschen, "in Frieden zu ruhen?", nein, sondern "wirk
weiter, Sheila!" ("Ich glaub nicht an Auferstehung" lacht mir ihre Seele
entgegen, "Was, Seele? Laß mich in Frieden!", also gut: "Frieden
Dir!", Du meine erste
Liebe),
grusz,
hansz
4.
Rundbrief 2012: 's ist Krieg
4.November
2012
Liebe Freunde,
es gibt im großen
indischen Epos über den Kampf der Pândavas
gegen ihre Vettern, die Kauravas, um
den Königsthron eine kleine Szene, die so unscheinbar ist, daß
sie in den üblichen literaturgeschichtlichen oder handbüchenen
Zusammenfassungen der in 100.000 Doppelversen ausgebreiteten Handlung gewissermaßen
unter den Tisch fällt. Ich kannte diese kleine Szene noch aus einem
früheren Leben, als ich Indologie studierte, sie kam mir aber in diesen
Tagen in den Sinn und ich schrieb ein kleines Gedicht, das mit dem Motiv
dieser verschwindend-kleinen Szene beginnt (Nr.7
im 8-Stern-Zyklus). Aber ich wollte die Geschichte gerne genauer nachlesen.
Letzten Sommer, während der Indienreise, las ich deshalb die höchst
empfehlenswerte 300-Seiten-Nacherzählung des Mahâbhârata
(so heißt dieses Epos), die Biren Roy 1961 (Diederichs
Gelbe Reihe) veröffentlicht hat, aber da fand sich die gesuchte Szene
nicht; auch nicht bei Glasenapp oder in der recht guten Wikipedia-Zusammenfassung.
So besorgte ich mir vor zwei Wochen endlich antiquarisch den alten "Winternitz",
den ich im Indologiestudium gelesen hatte, und da fand ich die Stelle.
(Und nur bei Winternitz
S.269 und nicht eben bei Biren Roy oder Glasenapp steht übrigens
auch die skurrile Begründung für die edle Blässe des "Bleichgesichts"=Pându,
dessen fünf Söhne die Pândavas
sind, sowie für die Blindheit von dessen Bruder Dhrtarâshtra,
dem Vater der 100 Kauravas.)
Die innerhalb des komplexen
Getümmels so "verlorene" Szene?, ach ja: Der Kampf endet nicht mit
Sonnenuntergang, wie üblich und vereinbart (und es ist ja alles, jeder
Kampf: wer wie wann gegen wen und wer wie wann gegen wen nicht,
wie ein Spiel in ritterliche Regeln gefaßt und "vereinbart"!), sondern
tobt in wahnsinniger Verletzung all dieser Regeln bis tief in die Nacht
hinein und lebt nach kurzen Erschöpfungspausen (die ich beim Schreiben
meines Gedichts, d.h. bevor ichs bei Winternitz wiederlas, vergessen hatte)
noch vor der Morgendämmerung wieder in aller Heftigkeit auf, und da
nun geschieht das, was mich so beeindruckt hat: Die Sonne geht auf -- und
alle unterbrechen für einige Minuten das große Morden, um die
Sonne im Gebet zu verehren.
Die wesentlichen Schlüsselszenen
der Handlungsfolgen in der Haupterzählung des riesigen Epos sind natürlich
andere: Wie kommt es überhaupt zum "großen" (maha)
Krieg der "Bharatas"? Durch ein Würfelspiel
zwischen den königlichen Vettern, das die Pândavas
verlieren: Sie haben nacheinander alles eingesetzt, auch ihr Königreich,
schließlich sich selbst und dann noch die allen fünfen gemeinsame
(!) Gattin Draupadî, aber das wollt
ihr bestimmt sofort selber nachlesen,
grusz,
hansz
5.
Rundbrief 2012: Achtstern
15.Dezember
2012
Liebe Freunde,
wir lesen im 2.Könige-Buch
des Alten Testaments (2Kön 22,8), wie bei der Reinigung und Renovierung
des Tempels "das Gesetzbuch" wiedergefunden worden sei: der findige Hohepriester
gibt es dem Schreiber, der bringt es dem König und liest es ihm vor.
Manche Philologen haben den Verdacht, der Schreiber habe es selbst geschrieben,
es sei ihm vom Hohenpriester diktiert worden; weshalb habe es sonst so
neu und originär gewirkt? Damit vergleichbar ist das Auffinden des
Achtstern-Liederzyklus
in meinen Schubladen, der eigentlich siebenten Gedichte-Gruppe innerhalb
der alten Siebenstern-Sammlung,
wenn man "Tristan violer
d'amores" und "Iseut"
als einen Zyklus in zwei Teilen sieht, allerdings wird man die beiden ursprünglich
letzten "Neun namenlose Lieder"-Zyklen
auch zu einem Achtzehner zusammenfassen können, falls sich noch so
ein wunderbarer Fund wie der "Achtstern"
auftut. Die 25 Gedichte dieser Sammlung können gut mit den anderen
75 Liedern des "Siebenstern" mithalten, sogar mit den Glanzstücken
aus den beiden Zyklen, die als "Neun
namenlose Lieder" seit etwa 1990 bisher die Krönung des ganzen
"Siebensterns" bildeten.
So wie bei jenen 18 Liedern handelt es sich bei diesen 25 des Achtsterns
vor allem um unglückliche
Liebeslyrik. Das größte Unglücklichsein verursacht
manchmal einen überglücklichen ästhetischen oder poetischen
Reiz, allerdings wohl mehr bei Lesern und Schubladenfindern als bei dem
verrückten Dichter, der oft entweder im Tod oder in metaphysisch gesättigter
Entsagung sein Heil sucht, vergleiche
das abschließende letzte Lied des Achtsterns,
da ihm ohnehin nichts anderes übrigbleibt.
Wie auch immer: Ich suche
also einen Verleger für alle nun genau 100 Gedichte des Siebensterns,
mindestens aber für die 25 des Achtsterns,
und natürlich auch viele, viele Leser über die einzige Erstleserin
und Eigentümerin dieser Verse hinaus.
Kostprobe aus dem drittletzten
Lied, dem "nächtlichen Ständchen":