MBh XII,
Adhyâya
182
(B. 182).
Vers 6765
– 6803 (B. 1 – 38).
1. Woraus
ist diese ganze Lebewelt des Unbeweglichen und Beweglichen geschaffen,
und in wen geht sie beim Weltuntergange ein? Das sage mir, o Großvater.
2. Von wem
ist diese Welt mit Ozeanen, Himmelszelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und
Wind geschaffen worden?
3. Auf welche
Weise wurden die Wesen geschaffen, welche Weise die Einteilungen in Kasten,
wie kam deren Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz über
Gutes und Böses?
4. Von welcher
Art ist die Seele der lebendenWesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn
sie gestorben sind, aus dieser Welt in jene Welt? Das alles mögest
du, o Herr, uns verkünden.
5. Auch hierüber
erzählt man sich folgende alte Geschichte, nämlich die Belehrung,
welche von Bhrgu dem
befragenden Bharadvâja erteilt
wurde.
6. Als Bharadvâja
den großen Weisen Bhrgu
strahlend und von großer Kraft auf dem
Gipfel des Kailâsa sitzen
sah, da befragte er ihn wie folgt:
7. Von wem
ist diese Welt mit Ozeanen, Himmelszelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und
Wind geschaffen worden?
8. Auf welche
Weise wurden die Wesen geschaffen, auf welche Weise die Einteilungen der
Kasten, wie kam deren Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz
über Gutes und Böses?
9. Von welcher
Art ist die Seele der lebenden Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn
sie gestorben sind, in die andere Welt und [zurück] in diese? Das
alles mögest du uns verkündigen.
10. Als der
Heilige in dieser Weise von Bharadvâja
nach diesem Problem befragt wurde, da erklärte
der brahmanähnliche Brahmanweise ihm alles.
11. Der Ursprüngliche,
der da heißet Mânasa (der
Geistige), dessen Offenbarung von den großen Weisen vernommen wurde,
der anfanglose und endlose Gott, der unteilbare, nicht alternde und nicht
sterbende,
12. der da
genannt wird der Unoffenbare (avyakta),
der Ewige, Unzerstörbare, Unvergängliche, von welchem geschaffen
die Wesen geboren werden und sterben,
13. dieser
Gott schuf zuerst den mit Namen Mahân
(der Große) Genannten; der Mahân
schuf den Ahamkâra
und dieser wiederum, der Heilige, darauf
14. ihn, der
da Äther (âkâsham)
genannt wird, er, der Herr, der alle Wesen trägt; aus dem Äther
entstand das Wasser, aus dem flüssigen Elemente Feuer und Wind, und
aus der Verbindung von Feuer und Wind entstand dann weiter die Erde.
15. Darauf
wurde von dem durch sich selbst Seienden eine aus Kraft bestehende himmlische
Lotosblume geschaffen; aus dieser Lotosblume entstand der Gott Brahmân,
der aus den Veden bestehende,
der Umfasser,
16. der, welcher
Ahamkâra genannt
wird, der als die Seele von allen Wesen die Wesen schuf, er in der Tat
ist jener kraftvolle Brahmân,
von welchem diese fünf Elemente herstammen.
17. Die Berge
heißen seine Knochen, sein Fett und Fleisch ist die Erde, die Ozeane
sind sein Blut und der Äther (akâsha)
ist sein Bauch,
18. der Wind
ist sein Odem, seine Körperwärme das Feuer, die Ströme sind
seine Adern, Agni und
Soma, die Sonne
und der Mond, werden als seine Augen gepriesen;
19. der Himmel
droben ist sein Haupt, die Erde seine Füße, die Himmelsgegenden
seine Arme. Schwer erkennbar ist dieser unausdenkbare Âtman,
sogar für die Seligen, daran ist kein Zweifel.
20. Er wird
als der heilige Vishnu gepriesen,
als der Unendliche; als das Selbst aller Wesen weilt er in den Wesen, schwer
erkennbar für die, deren Selbst nicht bereitet ist,
21. er, der
den Ahamkâra erschuf
zum Zweck der Entstehung aller Wesen, er, aus dem alles das geworden ist,
wonach ich hier von dir gefragt wurde.
22. Von dem
Himmelszelte und von den Himmelsgegenden, von dem Erdboden und von dem
Feuer, welches sind die Maße von diesen? Diesen Zweifel löse
mir der Wahrheit gemäß.
23. Unendlich
ist jener Raum (akâsham),
bewohnt von Seligen und Gottheiten, erfreulich, mit mancherlei Wohnstädten
übersät, dessen Grenze unerreichbar ist.
24. Oberhalb
ihres Machtbereiches und unterhalb werden Mond und Sonne nicht mehr gesehen,
dort sind die Götter ihr eigenes Licht, glänzend wie die Sonne
und strahlend wie das Feuer.
25. Und auch
sie sehen nicht die Grenze des mächtig ausgebreiteten Himmelszeltes,
weil dieselbe schwer erreichbar, weil sie endlos ist, das lerne von mir,
der du mir die Ehre gibst.
26. Nach oben
aber und immer weiter nach oben hin wird von flammenden, selbstleuchtenden
Wesen jener Weltraum angefüllt, der auch von Göttern nicht ausmeßbar
ist.
27. An der
Grenze der Erde aber sind die Meere, an der Grenze der Meere herrscht Finsternis,
wie es heißt, an der Grenze der Finsternis ist das Wasser, wie sie
sagen, und an der Grenze des Wassers ist Feuer.
28. An der
Grenze der Unterwelt ist Wasser, an der Grenze des Wassers wohnen die Schlangenfürsten,
an ihrer Grenze kommt wieder der Weltraum und an der Grenze des Weltraums
wiederum Wasser.
29. Dieses
als Grenze habend ist der Umfang des Heiligen und des Wassers, schwer zu
erkennen auch von den Göttern des Feuers, des Windes und des Wassers.
30. Die Erscheinungen
des Feuers, Windes, Wassers und der Erde werden gegen den Äther [nur
darum] abgegrenzt und von ihm unterschieden, weil man die Wahrheit [die
Einheit des Seienden] nicht erkennt (atattva-dârshanât).
31. Und auch
die Weisen lehren in den verschiedenen Lehrbüchern, in dem Ozean der
drei Welten, die Dimensionen, wie sie eben dargelegt worden sind.
32. Aber wer
könnte für das Unsichtbare, Unbetretbare einen Maßstab
ausfindig machen! Wenn doch sogar der Machtbereich der Seligen und der
Götter ein begrenzter ist, dann ist der Name des Unendlichen nur bildlich
zu verstehen, wo das Wort „unendlich“ gehraucht wird.
33. von dem
diesem Namen entsprechenden hochsinnigen Mânasa
[vgl. oben Vers 11].
34. Wenn aber
auch eine göttliche Gestalt abnimmt und wieder zunimmt, welcher andere
[außer den Göttern] kann das wissen, und wäre dieser andere
auch ein den Göttern Gleicher.
35. Aus jener
Lotosblume wurde er geschaffen, der allwissende, körperlich gewordene
hehre Gott Brahmân,
der aus Gerechtigkeit bestehende, anfängliche, höchste Prajâpati.
Bharadvâja
sprach:
36. Wenn er
aus der Lotosblume entsprungen ist, so ist doch die Lotosblume das Älteste,
und doch sagst du, Herr, daß der Gott Brahmân
der Anfängliche ist, das ist mein Bedenken.
Bhrgu
sprach:
37. Es ist
die Gestalt des Mânasa,
welche in das Sein als der Gott Brahmân
eingegangen ist, und, um ihm einen Sitz zu
bereiten, wird die Erde Lotosblume genannt.
38. Von dieser
zu einer Samenkapsel sich zuspitzenden Lotosblume streckt sich der Götterberg
Meru in den Himmel
hinauf und, mitten darauf stehend, schafft der Herr der Wesen die Welten.
Adhyâya
183
(B. 183).
Vers 6804
– 6820 (B. 1-17).
Bharadvâja
sprach:
1. Wie hat
der Herr jene mannigfaltige Schöpfung der Wesen geschaffen, der Gott
Brahmân,
als er mitten auf dem Meru stand?
Das sage, o Bester der Zwiegeborenen.
Bhrgu
sprach:
2. Der Mânasa
(der Geistige) schuf durch seinen Geist die
mannigfache Schöpfung der Kreaturen, und zwar wurde zum Zwecke der
Erhaltung der Wesen zuerst geschaffen das Wasser.
3. Dieses,
welches das Leben aller Wesen ist, durch welches die Geschöpfe gedeihen
und von welchem verlassen sie zugrunde gehen, von ihm ist dieses Weltall
umgeben.
Bharadvâja
sprach:
4. Wie ist
das Wasser entstanden? Und wie das Feuer und die Luft? Und wie wurde die
Erde geschaffen? Darüber bin ich in großem Zweifel.
Bhrgu
sprach:
5. In einem
Weltalter des Brahman hatten
sich einstmals, o Brahmane,
die Brahmanweisen
versammelt; da entstand unter den Hochsinnigen ein Zweifel über die
Entstehung der Welt.
6. Da standen
sie, in Meditation versenkt, schweigend und unbeweglich, ohne Nahrung,
den Wind trinkend, so standen die Zwiegeborenen hundert göttliche
Jahre da.
7. Da traf
ihr aller Ohr eine von Brahman kommende
Stimme, die göttliche Sarasvati (Rede)
entstand da vom Himmel her.
8. Vordem
stand es so, daß der unbewegliche, unendliche, einem Berge vergleichbare
Äther (âkâsha),
in welchem Mond, Sonne und Wind untergegangen waren, gleichsam wie eingeschlafen
aufglänzte.
9. Aus ihm
entstand das Wasser, wie in einer Finsternis eine zweite Finsternis, und
sodann durch Ausquetschung des Wassers entstand der Wind.
10. So wie
ein Gefäß, solange es ungestört bleibt, dasteht ohne einen
Ton von sich zu geben, wird es aber mit Wasser gefüllt, so macht der
[entweichende] Wind es ertönen,
11. ebenso
geschah es, daß an dem unmittelbar vom Wasser umschlossenen Himmelsende
der Wind, indem er die Fläche des Wassers durchbrach, mit Geräusch
nach oben entwich.
12. Dieser
Wind also, der durch die Ausquetschung des Wassers entstanden war, streicht
dahin, und, indem er zu der Stätte des Äthers gelangt ist, kommt
er doch nicht zur Ruhe.
13. Bei dieser
Reibung zwischen Wind und Wasser wurde das entzündete Glut habende,
sehr gewaltige, mit Spitzflammen nach oben strebende [Feuer] offenbar und
befreite den Himmelsraum von der Dunkelheit.
14. Dann verbündete
sich das Feuer mit dem Wind und trieb das Wasser in den Weltraum hinauf
[als Wolken], das Feuer aber durch seine Verbindung mit dem Winde verdichtete
sich [zum Sonnenfeuer].
15. Was von
dem in den Weltraum emporgedrungenen (lies: nipatatah)
Wasser an weiterer Feuchtigkeit zurückblieb, die gelangte zur Verdichtung
und wurde zur Erde.
16. Diese
Erde ist für die Säfte, für alle Gerüche, für
die Feuchtigkeiten, sowie auch für die lebenden Wesen anzusehen als
der Mutterschoß, in welchem alles erzeugt wird.
Adhyâya
184 (B. 184).
Vers 6821
– 6865 (B. 1 – 44).
1. Es gibt
diese fünf Elemente, welche der Gott Brahmân
ehedem schuf, von welchen diese Welten erfüllt
sind und welche als die großen Elemente (mahâbhûtâni)
bezeichnet werden.
2. Da jener
Hochweise doch Tausende von Geschöpfen erschaffen hat, wie ist es
zu verstehen, daß es dabei nur fünf Elemente gibt?
3. Nur auf
jene unmeßbar großen bezieht sich das Wort „groß“; die
übrigen Wesen (bhûtâni)
gelangen [durch die Mahabhûtani)
zur Entstehung, darum ist nur für jene [fünf] das Wort „Mahâbhûta“
zutreffend.
4. Bewegung
ist der Wind, Weite der Äther, Hitze das Feuer, Flüssigkeit das
Wasser, Kompaktheit die Erde; der Leib besteht aus allen fünf Elementen.
5. So ist
aus diesen fünf Elementen zusammengefügt das Unbewegliche (Pflanzen)
und das Bewegliche (Tiere und Menschen); das Gehör, der Geruch, der
Geschmack, das Gefühl und das Gesicht heißen die Sinne.
6. Aber wenn
wirklich sowohl das Unbewegliche als das Bewegliche aus den fünf Elementen
zusammengesetzt ist, wie kommt es, daß in dem Körper der Unbeweglichen
(der Pflanzen) die fünf Elemente nicht zum Vorschein kommen?
7. Denn bei
den Bäumen, da sie weder Wärme noch Bewegung, sondern in Wahrheit
nur Festigkeit haben, sind doch in ihrem Körper nicht alle fünf
Elemente nachweisbar.
8. Sie hören
nicht, sie sehen nicht, sie haben kein Bewußtsein von Geruch und
Geschmack und ebenso kein Gefühl; wie können sie also aus den
fünf Elementen bestehen?
9. Da die
Bäume weder flüssig noch feurig, noch erdig, noch auch windhaft
sind, noch auch den Raum [den sie einnehmen] ausmessen können, so
können sie doch nicht aus den Elementen gebildet sein.
10. Wenn auch
die Bäume fest sind, so haben sie doch ohne Zweifel Âkâsha
[Raum, d. h. eine Beziehung zum Weltraum],
denn sie haben immerfort die Möglichkeit, ihre Blüten und Früchte
[in den Raum] hinaus zu entfalten.
11. Vermöge
der Wärme verwelkt das Blatt (lies: parnam),
die Rinde, die Frucht und die Blüte; sie verwelkt und fällt ab,
folglich ist im Baume Gefühl (sparsha)
vorhanden.
12. Durch
den Lärm, welchen der Wind, das Feuer [beim Waldbrande] und der Donner
machen, werden Früchte und Blüten zerstört; der Lärm
wird durch das Gehör wahrgenommen, folglich hören die Baume.
13. Die Schlingpflanze
umwindet den Baum und kriecht nach allen Seiten; ohne Gesicht aber kann
man seinen Weg nicht finden, folglich sehen die Pflanzen.
14. Ferner,
durch gute und schlechte Gerüche und durch mancherlei Ausräucherung
werden die Pflanzen gesund und blühend, folglich haben sie Geruchssinn.
15. Da er
mit seinen Wurzeln das Wasser trinkt, da er [durch unmäßigen
Genuß] krank wird und in der Krankheit [durch Arznei] geheilt wird,
so muß der Baum auch Geschmacksvermögen besitzen.
16. Da die
Pflanze [z. B.] durch den Stengel der Lotosblume als Mund das Wasser in
die Höhe zieht, so muß sie mit Luft versehen sein, um es mittels
der Wurzeln emporzusaugen.
17. Da sie
für Lust und Schmerz empfänglich sind und, wenn abgeschnitten,
wieder ausschlagen, so erkenne ich daran, daß die Bäume eine
Seele (jîva)
besitzen, ein unbeseeltcs Weiten (acaitanyam)
gibt es nicht.
18. Wenn dadurch
das Wasser aufgesogen worden ist, so verdauen es Feuer und Wind, und vermöge
der Assimilation der Nahrung bildet sich klebriger Saft und Wachstum.
19. Was weiter
die beweglichen Wesen betrifft, so enthalten sie alle in ihrem Körper
die fünf Elemente, und sie lassen sich alle einzeln unterscheiden,
sofern durch sie der Körper sich bewegt.
20. Die Haut,
das Fleisch, die Knochen, das Mark und die Sehnen als Fünftes, der
Komplex dieser Bestandteile macht am Körper das Erdige aus.
21. Der Glanz
[des Körpers] ist Feuer, ebenso der Zorn, das Auge und die Körperwärme,
und da das Feuer auch die Verdauung bewirkt, so sind die körperlichen
Wesen im Besitze von fünf Feuern.
22. Das Ohr,
die Nase, der Mund, das Herz und die Eingeweide, diese fünf Bestandteile
im Körper der lebenden Wesen rühren [vermöge ihrer Hohlräume]
vom Âkasha her.
23. Als Schleim,
als Galle, als Schweiß, als Fett und als Blut sind in fünffacher
Form die Wasser allezeit in dem Leibe der Lebenden vorhanden.
24. Durch
den Prâna wird
das Lebende in Bewegung gesetzt (pranîyate),
durch den Vyâna strengt
er sich an (vyâyacchate),
der Apâna geht
nach unten, der Samâna hat
seinen Sitz in Herzen.
25. Duch den
Udâna haucht
er seine Seele aus und durch Verteilung [des Prâna
auf die Stimmorgane] redet er; in dieser Weise
veranlassen diese fünf Winde die Lebenstätigkeiten der Verkörperten.
26. An der
Erde nimmt der Verkörperte die Qualität des Geruchs wahr, an
den Wassern die des Geschmacks, durch Licht und Auge nimmt er die Gestalt
wahr und durch den Wind das Gefühl.
27. Als Geruch,
Gefühl, Geschmack, Gesicht und Gehör werden die Qualitäten
der fünf Elemente bezeichnet. Zunächst werde ich die Eigenschaften
des Geruches in ausführlicher Darlegung mitteilen.
28. Als angenehm
und unangenehm, als süß, als stechend, muffig, stickig, ölig,
kratzend und rein,
29. in dieser
Weise ist als neunfach zu erkennen die der Erde angehörige Vielheit
der Gerüche. Das Licht sieht man mit den Augen, des Gefühls wird
man sich bewußt durch den Wind.
30. Außer
dem [Geruche] gelten als Qualitäten Hörbarkeit, Fühlbarkeit,
Sichtbarkeit und Schmeckbarkeit. Ich will dir jetzt die Kenntnis der Geschmäcke
mitteilen; vernimm sie, wie ich sie dir sage.
31. Der Geschmack
wird von den berühmten Weisen als vielfach gelehrt, als süß,
salzig, bitter, herb, sauer und stechend.
32. Dies ist
die sechsfache Einteilung des Geschmacks, er gilt als Qualität des
Wassers. — Das Feuer hat die drei Qualitäten der Hörbarkeit,
Fühlbarkeit und Sichtbarkeit.
33. Das Licht
[als Sehkraft] sieht die Gestalten, die Gestalten aber sind von vielerlei
Art: kurz und lang, dick, viereckig und rund (lies: anuvrttavân),
34. weiß
und schwarz, rot, gelb und dunkelrot, fest, glatt, geschmeidig, schlüpfrig,
weich und hart.
35. In dieser
Weise hat die Gestalt als Qualität des Lichts sechzehn Unterarten.
— Der Wind hat die zwei Qualitäten der Hörbarkeit und Fühlbarkeit
36. Die Qualität
des Windes ist die Fühlbarkeit, diese ist von vielerlei Art: Warm,
kalt, angenehm und unangenehm, feucht, rein,
37. ferner
hart, weich, rauh, leicht, schwer und durchdringend (tara),
in dieser Weise wird die Fühlbarkeit als Qualität des Windes
zwölffach gerechnet.
38. Weiter
wird gelehrt, daß der Äther nur eine Qualität, nämlich
die der Hörbarkeit, besitzt. Die Einteilung des Tons, welche eine
mannigfaltige ist, will ich dir sagen.
39. Shadja,
Rshabha,
Gândhâra,
Madhyama und
Dhaivata, ferner
Pañcama und
endlich Nishâdavân [die
sieben Töne der indischen Tonleiter];
40. so wird
als siebenfach die aus dem Äther entspringende Qualität erklärt.
Er befindet sich mit seiner Herrschermacht überall und so auch in
Pauken und anderen Instrumenten.
41. Von Tamburins,
von Pauken und von Muscheln, vom Donner und vom Wagen, und auch sonst von
jedem Tone, der gehört wird, sei es von einem lebenden oder leblosen
Wesen, von diesen allen gilt, daß sie in seinen [des Äthers]
Bereich gehören.
42.
So ist denn von mannigfacher Art der aus dem Äther entspringende Ton.
Von dem aus dem Äther geborenen Tone gilt, daß man ihn neben
den Qualitäten des Windes,
43. und auch
wenn diese nicht in Bewegung gebracht sind, wahrnimmt, jedoch ihn nicht
wahrnimmt, wenn sie ihm feindlich entgegenstehen. Immer aber gilt, daß
die Elemente sich durch die andern Elemente in ihrer Wirkung verstärken.
44. Von ihnen
sind Wasser, Feuer und Wind in dem Verkörperten immer wach, denn sie
sind die Wurzel des Körpers und befinden sich in ihm, indem sie die
Lebenshauche durchdringen.
Adhyâya
185
(B. 185).
Vers 6866
– 6882 (B. 1-17).
1. Wie kann,
o Herr, auf der Grundlage des erdigen Elements das im Körper befindliche
Feuer bestehen und wie kann sich in ihm der Wind durch eine besondere.
Art von Hohlräumen bewegen?
2. Ich will
dir, o Brahmane,
den Weg des Windes erklären, o Untadeliger, und wie dieser Wind die
Leiber der Lebenden mit Macht in Bewegung setzt.
3. Das Feuer
hat seinen Sitz im Kopfe, von wo aus es den Körper beschützt,
der Prâna aber
bewegt sich, indem er im Kopfe und im Feuer sich befindet.
4. Er ist
das Geschöpf, die Seele aller Wesen, ist der ewige Purusha,
er ist Manas,
Buddhi und Ahamkâra,
ist die Wesen und auch das Objekt.
5. Da dem
so ist, so wird der Lebende nach allen Richtungen hin von dem Prâna
[als allgemeinem Lebensprinzip] in Bewegung
gesetzt; hinterher aber [d.h. nach der Geburt] verfolgt jeder [der fünf
Prâna's]
vermöge des Samâna den
ihm eigentümlichen Weg.
6. Indem er
sich stützt auf die Blasenöffnung und den Darm und sich anschließt
an das Verdauungsfeuer, bewegt er sich, auch sofern er Harn und Kot abführt,
als der Apâna.
7. Denjenigen
aber, welcher sich bei Anstrengung, Tätigkeit und Kraft in diesen
dreien als einer betätigt, den nennen die des innern Selbstes kundigen
Menschen den Udâna.
8. Derjenige
Wind hingegen, welcher in alle Gelenke eingegangen ist in den Leibern der
Menschen, der wird bezeichnet als Vyâna.
9. Wiederum
wird das in den Körperstoffen verbreitete Feuer angefacht durch den
Samâna;
darin, daß er die Säfte, die Körperstoffe und die Flüssigkeiten
(dosha)
in Bewegung versetzt, hat er seine Aufgabe.
10. Hingegen
zwischen Apâna und
Prâna und
angefacht von Prâna und
Apâna vollbringt,
auf seinen Standort [den Nabelkreis] konzentriert, das Feuer die vollständige
Verdauung.
11. Vom Munde
anfangend [lies: âsyâdi]
und am Ende im After auslaufend, erstreckt sich der Guda
(Eingeweide) genannte Kanal; aus diesem
entspringen alle übrigen Kanäle in den Lebewesen.
12. Aus dem
Zusammentreffen der Prâna's
entsteht ein Zusammentreffen [mit dem Verdauungsfeuer]; und die Körperwärme
ist, so soll man wissen, das Feuer, welches die Speise der lebenden Wesen
verdaut.
13. Durch
die Gewalt des Feuers dahinfahrend, wird der Prâna
am Ende des Darms zurückgetrieben, und
indem er wiederum nach oben strebt, schürt er [seinerseits] das Feuer
an.
14. Unterhalb
des Nabels befindet sich der Pakvâshaya
(Sitz der verdauten Nahrung), oberhalb der
Âmâshaya (Sitz
der unverdauten Nahrung); in dem Nabel als Mitte des Körpers haben
alle Prâna's
ihren Sitz.
15. Auslaufend
von der Mitte des Herzens, führen alle (lies: sarvâh)
Adern in die Quere, nach oben und nach unten die aus der Nahrung gewonnenen
Säfte, wobei sie von den zehn Prâna's
[den fünf erwähnten nebst Nâga,
Kûrma,
Krkara,
Devadatta, Dhanañjaya
(Vedântasâra
§ 99 Böhtl.)] angetrieben werden.
16. Dies ist
auch der Weg der Yogabeflissenen,
auf welchem sie zu jenem.Orte [der Erlösung) aufsteigen, sie, welche
die menschliche Schwäche überwunden haben, gleichmütig und
beständig sind, nachdem sie ihren Âtman
im Haupte gesammelt haben (âdathan!),
17. Das in
dieser Weise über alle Prâna's
und Apâna's
verteilte Feuer wird [vorher] jedesmal in jenem [dem Kopfe] zur Entflammung
gebracht, in welchem es wie in einem Feuertopfe angelegt wurde.
Adhyaya
186
(B. 186).
Vers 6883-6897
(B. 1—15).
1. Wenn der
Wind dasjenige ist, was belebt (prânyate)
so ist es auch der Wind, welcher bewegt und atmet und redet, somit ist
die Annahme eines Jîva (einer
individuellen Seele) unnötig.
2. Wenn das
Vorhandensein der Körperwarme vom Feuer herrührt, und wenn mittels
des Feuers verdaut wird, so ist es auch das Feuer, welches die Verdauung
vollendet; somit ist die Annahme eines Jîva
unnötig.
3. Wenn ein
Mensch sich auflöst, so ist von einem Jîva
nichts zu bemerken, sondern es ist nur der
Wind, der ihn verläßt, und das Vorhandensein der Körperwarme,
welches verloren geht.
4. Wenn der
Jîva windartig
wäre oder wenn eine Verbindung desselben mit dem Winde stattfände,
dann müßte er, anzusehen wie ein Windwirbel, im Verein mit den
Scharen der Winde dahinfahren.
5. Und wenn
eine Verbindung mit dem Winde statthätte, und wenn er darum [durch
Lösung der Verbindung] zugrunde gehen soll, [so ist dagegen daran
zu erinnern, daß] ein Gefäß mit Wasser, weil es von dem
großen Meere abgetrennt worden ist, [darum doch nicht vergeht, sondern
fortbesteht] als ein anderes.
6. Und würde
man wohl Wasser in einen Brunnen oder eine Fackel in ein Feuer hineinwerfen?
So wie diese, hineingelangt, schnell zunichte werden würden, so würde
auch er, der Jîva,
zunichte werden, [wenn er als eine Art Wind den Körperwinden beigemischt
worden sein sollte].
7. Wozu braucht
man bei diesem Körper, da er von den fünf [Elementen] erhalten
wird, noch [außer ihnen als sechstes] ein Leben anzunehmen, da doch,
wenn das eine oder andere von diesen fünfen fehlt, bei den vier übrigen
das ganze Aggregat (lies: sangraha)
nicht mehr bestehen kann.
8. Das Wasser
im Körper verschwindet, wenn man keine Nahrung zu sich nimmt, der
Wind, wenn man das Atmen hemmt, der Äther, wenn man die Hohlräume
[im Körper] zerstört, das Feuer schwindet, wenn man nicht ißt;
9. wenn man
von Krankheit und Blässe gequält wird, so geht das erdige Element
in die Brüche; kurzum, wenn das eine oder andere von ihnen Not leidet,
so geht das Aggregat in die fünf auseinander.
10. Und wenn
der Körper in die Fünfheit der Elemente zerfällt, welchem
von diesen läuft der Jîva nach?
Wodurch macht sich überhaupt der Jîva
bemerklich? Hört er vielleicht, oder
spricht er? —
11.
Wenn einer sagt: diese [den Brahmanen geschenkte]
Kuh wird mir in der andern Welt zur Rettung dienen, und wenn der, welcher
die Kuh geschenkt hat, gestorben ist, wem soll denn da die Kuh zur Rettung
dienen?
12.
Wenn doch sowohl die Kuh als auch der, welcher sie annahm (lies: pratigrahîtâ)
und der, welcher sie gab, alle zusammen schon hier der Vernichtung anheimfallen,
wie sollen sie sich da [im Jenseits] wieder begegnen?
13.
Wenn einer von Vögeln verzehrt wurde oder von einem Berge abstürzte
oder vom Feuer verzehrt wurde, woher soll der zu neuem Leben kommen?
14. Wenn von
einem abgehauenen Baume die Wurzel nicht wieder ausschlägt, sondern
nur sein Same sich fortpflanzt, wie sollte da ein Toter wiederkommen?
15.
Nur der Same, der einst sich ergoß, ist es, der hier seinen Kreislauf
vollendet; die Toten sind tot und dahin; nur aus Samen entwickelt sich
neuer Samen.
Adhyâya
187
(B.187).
Vers 6898
– 6929 (B. 1 – 31).
1. Es gibt
keinen Vergang des Jîva (der
individuellen Seele), noch auch des Geschenkten oder des Vollbrachten.
Der Lebende geht in einen andern Leib ein, und nur der Körper zerfällt.
2. Nicht vergeht
der in einen Leib eingegangene Jîva,
wenn der Leib vergeht, sondern er ist wie ein Feuer, nachdem das Brennholz
verbrannt ist.
3. Wenn seine
Vernichtung nur insofern nicht zu gegeben wird, wie die eines solchen Feuers,
so ist zu erwidern, daß ja auch das Feuer nach Verzehrung des Brennholzes
nicht mehr wahrzunehmen ist.
4. Er wird
zunichte, sage ich und betrachte ihn wie das ohne Brennholz erlöschende
Feuer, von dem man nicht sagen kann, wohin es gehe, welch ein Beweis dafür
vorhanden sei und welches sein Aufenthaltsort sein möge.
5. So wie,
wenn man ihm kein Brennholz mehr zuführt, das Feuer nicht mehr wahrnehmbar,
sondern wegen seines Übergegangenseins in den Äther schwer zu
erfassen, weil ohne feste Stätte, ist,
6. ebenso
befindet sich der Jîva,
wenn er den Leib verlassen hat, in einem dem Äther ähnlichen
Zustande, wird aber wegen seiner Feinheit nicht wahrgenommen, wie der Schein
jenes Feuers, daran ist nicht zu zweifeln.
7. Nämlich
das im Körper befindliche Feuerclement hat die Aufgabe, die Prâna's
zu stützen, denn der Jîva muß
unterstützt werden; dieses die Winde im Körper unterstützende
Feuer erstickt, .wenn der Atmungsprozeß gehemmt wird.
8. Ist aber
dieses Feuer im Körper erloschen, so wird der Leib bewußtlos,
und niederstürzend geht er in das Erdelement über, denn sein
gewiesener Gang ist die Erde.
9. Denn von
allen Kreaturen, mögen sie beweglich [als Menschen und Tiere] oder
unbeweglich [als Pflanzen] sein, geht der Wind über in den Äther,
und das Feuer folgt ihm nach. Während die genannten drei eine Einheit
bilden, so nehmen die beiden übrigen ihren Standort in der Erde.
10. Wo der
Äther ist, da ist auch der Wind, und wo der Wind ist, da ist auch
das Feuer; diese drei muß man als gestaltlos wissen, obwohl sie die
Gestalt der Verkörperten ausmachen [helfen].
11. Wenn Feuer,
Wind, Erde, Äther und Wasser in den Verkörperten wahrgenommen
werden, welches Merkmal in ihm läßt auf den Jîva
schließen? Das sage mir, o Untadeliger.
12. Während
der Leib aus jenen fünfen besteht, durch jene fünf sich erfreut
und durch die Erkenntniskraft jener fünf zu einem bewußten wird,
so möchte ich wohl wissen, welcher Art da noch die Funktion des Jîva
sein soll.
13. Wenn der
Leib, der ein Aggregat von Fleisch und Blut, eine Anhäufung von Fett,
Sehnen und Knochen ist, in seine Teile zerlegt wird, so wird dabei von
einem Jîva doch
nichts wahrgenommen.
14. Ist aber
der Leib ohne Jîva nur aus den fünf Elementen zusammengesetzt,
wer ist es dann, so könnte man einwenden, der bei körperlichem
oder geistigem Schmerze sich des Leides bewußt wird?
15. Nun, ist
es etwa der Jîva,
der das Gesprochene hört? Hört man es nicht vielmehr mit den
Ohren, o großer Rshi,
und sogar dann noch, wenn das Manas unaufmerksam
ist? Der Jîva ist
also doch überflüssig.
16. Alles,
was überhaupt zu sehen ist, sieht man durch das mit dem Manas
verbundene Auge; und freilich, wenn das Manas
verwirrt ist, so sieht das Auge und sieht
doch nicht.
17. Man sieht
nicht und man riecht nicht, man hört nicht und redet nicht, man empfindet
keine Berührung und keinen Geschmack, sobald man vom Schlafe überkommen
ist.
18. Wer ist
es, [etwa der Jîva?]
der dann sich freut und zürnt und sich bekümmert und fürchtet
und wünscht und denkt und haßt und redet?
19. Bei dem
allen vermag der aus den fünf Elementen zusammengefügte Leib
nichts, und nur der innere Âtman regiert
ihn; er empfindet die Gerüche, Geschmäcke, Geräusche, die
Berührung, die Gestalt und was sonst noch für Qualitäten
vorhanden sein mögen.
20. Wer in
dem aus den fünf Elementen bestehenden Körper die fünf Qualitäten
wahrnimmt, das ist der alle Glieder durchwaltende innere Âtman; er
empfindet Leid, und Lust im Leibe, und hat er sich losgetrennt, so empfindet
der Körper nicht mehr.
21. Wenn keine
Sichtbarkeit, Fühlbarkeit und keine Wärme des Körperfeuers
mehr vorhanden ist, dann, nach Erlöschen des Körperfeuers, verläßt
der Âtman den Leib, aber er vergeht nicht.
22. Diese
ganze Welt ist aus den [Ur-] Wassern gebildet, und die Wasser sind die
Gestalt der Verkörperten; in ihnen, in allen Wesen weilt der Âtman,
der Mânasa,
der Gott Brahmân,
der Weltschöpfer.
23. Der Âtman,
sofern er mit den aus der Prakrt stammenden
Guna's
verbunden ist, wird der Kshetrajña
(Ortskenner) genannt; sofern er aber von
diesen befreit ist, wird er als Paramâtman
bezeichnet.
24. Ihn erkenne
als den Âtman,
der seiner Natur nach das Heil aller Welten fördert [vgl. Platons
Idee des Guten], und der sich in diesem Leibe niedergelassen hat wie
ein Wassertropfen auf der Lotosblume.
25. Ihn, der
seiner Natur nach immerfort das Heil der Welt fördert, erkenne als
den Kshetrajña,
aber Tamas, Rajas
und Sattyam,
diese wisse als seine, des Jîva,
Guna's.
26. Sofern
er [der Âtman]
mit Geistigkeit ausgestattet ist, bezeichnet man den Jîva
als seine Wesensbeschaffenheit; er ist es,
der sich bewegt und alles sich bewegen macht, höher als diesen [den
Jîva] bezeichnen
ihn die Kenner der Leiblichkeit als den, welcher alle sieben Welten (bhûr,
bhuvah, svar, mahar, janas, tapas, satyam)
in Gang gebracht hat.
27. Nicht
wird der Jîva zunichte,
wenn er sich von dem Leibe trennt, falsch ist es, was die Toren sagen:
„er ist tot“, sondern der im Körper verborgene Jîva
zieht aus ihm aus, und der Zerfall in die
Halbzehnheit [der Elemente] ist nur seine Lostrennung vom Leibe.
28. So weilt
in allen Wesen er versteckt und wandelt in der Verhüllung; dem schärfsten
Denken nur sichtbar, dem feinsten derer, die die Wahrheit sehen [frei nach
Kâth. Up. 3,12].
29. Ihm gibt
sich in früheren und späteren Nächten (d.h. Zeiten) der
Weise immerfort im Yoga hin;
mäßig sich nährend und reinen Herzens schaut er alsdann
den Âtman in
sich selbst.
30. Nach Klärung
seines Denkens sieht er von guten und bösen Werken ab und beruhigten
Selbstes im Selbste weilend erlangt er selige Ewigkeit.
31. Der Mânasa
Agni (das geistige Feuer) in den Leibern wird
Jîva genannt;
er ist eine Schöpfung des Prajâpati,
der ihn zum innern Selbst der Wesen bestimmte.
Adhyâya
188
(B.188).
Vers 6930
– 6949 (B. 1 – 20).
1. Zuerst
also erschuf der Gott Brahmân Brahmanen
als Prajâpati's,
welche sich aus eigener Kraft entwickelten und an Glanz dem Sonnenfeuer
gleichkamen.
2. Darauf
bestimmte der Herr Wahrheit, Gerechtigkeit, Askese und das ewige Brahman
(die religiöse Andacht), sowie den guten
Wandel und die Reinheit für den Himmel [d.h. als zum Himmel führend).
3. Darauf
wurden die Götter, die Dânava's
(götter-feindliche Wesen), die Gandharva's
(himmlische Genien), die Daitya's
(böse Geister), die Asura's
(Dämonen) und die großen Schlangen, die Yaksha's
(Halbgötter), die Râkshasa's
(Kobolde), die Schlangen, die Pishâca's
(Unholde) und die Menschen,
4. nämlich
Brahmanen, Kshatriya's, Vaishya's
und Shûdra's,
o Bester der Zwiegeborenen, sowie die übrigen Klassen der Wesenscharen
von ihm geschaffen.
5. Die
Farbe (varna,
auch Kaste) der Brahmanen ist
weiß, die der Kshatriya's
rot, die der Vaishya's
gelb und die Farbe der Shûdra's
schwarz.
6. Wenn bei
den vier Kasten der [moralische] Kastencharakter (varna)
nach der Farbe (varna)
eingeteilt werden soll, so folgt doch daraus, daß bei allen Kasten
schon eine Vermengung der Kasten [und ihres moralischen Charakters] eingetreten
sein muß.
7. Denn Liebe,
Zorn, Furcht, Habgier, Kummer, Sorge, Hunger und Ermüdung, das kommt
doch bei uns allen vor, wozu also die Einteilung in Kasten?
8. Schweiß,
Harn und Kot, Schleim, Galle und Blut, alles dies, der ganze Körper
ist bei allen fortwährendem Wechsel unterworfen, wozu also die Einteilung
in Kasten?
9. Von beweglichen
Wesen und ebenso von den unbeweglichen gibt es unzählige Arten, welche
alle von verschiedenem Aussehen sind, wie kann man da die Kasten [gerade
als vier] bestimmen?
10. Ursprünglich
besteht keine Verschiedenheit der Kasten, brahmisch
ist die ganze Welt der Lebenden, aber das,
was ursprünglich von Gott Brahmân
geschaffen war, das ist infolge der Werke
in das Kastenwesen auseinandergegangen.
11. Sie, welche
Lust und Genuß lieben, scharf, zornmütig und Freunde von Gewalttat
sind, ihre ursprüngliche Pflicht vergessen und ihre Glieder mit Blut
befleckt haben, das sind Brahmanen,
welche in das Kshatriyatum
herabgesunken sind.
12. Jene anderen,
welche aus der Viehzucht ihren Unterhalt gewinnen, von gelber Farbe, vom
Ackerbau lebend, auch sie betreiben nicht mehr ihre ursprüngliche
Obliegenheit, sondern sind Brahmanen,
welche in das Vaishyatum
herabgesunken sind.
13. Und endlich
jene, welche an Schädigung und Lüge sieh freuen, habgierig sind
und alle Geschäfte zu ihrem Unterhalt betreiben, die Schwarzen, von
der Reinheit Abgefallenen, das sind Brahmanen,
welche in das Shûdratum
herabgesunken sind.
14. In dieser
Weise geschah es, daß Brahmanen,
durch derartige Werke getrennt, in die anderen Kasten geraten sind, und
nicht immer ist ihnen Frömmigkeit und Opferwerk benommen gewesen.
15. So sind
diese vier (caturo für
catvâro)
Kasten solche, denen das göttliche Vedawort
anvertraut worden war, die ursprünglich als Brahmanen
erschaffen waren, aber aus Habgier in das
Nichtwissen herabgesunken sind.
16. Die Brahmanen
aber sind die, welche der heiligen Lehre treugeblieben
sind; ihre Askese ist unvergänglich, indem sie immerfort das heilige
Wort hochhalten sowie die Gelübde und die Selbstbezähmungen.
17. Sie, welche
das Vedawort,
das höchste, geschaffene, nicht kennen, das sind die Nicht-Brahmanen,
von ihnen aber gibt es mannigfache, voneinander verschiedene Arten hier
und dort.
18. Da gibt
es Pishâca's
(Unholde), Râkshasa's
(Kobolde), Gespenster und mancherlei barbarische Geschlechter, die Erkenntnis
und Wissen verloren haben und einen Wandel nach eigenem Gelüste führen.
19. So wurden
die Geschöpfe derartig, daß sie die Weise der Brahmanen
und die Bestimmung gemäß ihren
eigenen Werken [in einer früheren Weltperiode] an sich trugen, von
den Rshi's
kraft der ihnen einwohnenden Askese geschaffen, die einen von diesen, die
anderen von jenen.
20. Das ist
die aus dem Anfangsgotte entsprungene, in Gott Brahmân
wurzelnde, unvergängliche und ewige Schöpfung,
welche die geistige (mânasi)
genannt wird und das Verknüpftsein mit der heiligen Pflicht als Höchstes
hat.
Adhyâya
189
(B.189).
Vers 6950
– 6967 (B. 1 – 18).
1. Wodurch
wird einer ein Brahmane oder
ein Kshatriya,
o Bester der Zwiegeborenen, oder ein Vaishya
oder Shûdra,
o Brahmanenweiser?
Das erkläre, o Bester der Redner.
2. Wer durch
die Geburtszeremonie und die übrigen Weihen geheiligt und rein ist,
mit dem Vedastudium
begabt und in den sechs täglichen Werken feststehend,
3. wer in
reinem Wandel durchaus beharrt, von Resten sich nährt (vighasâshin)
und dem Lehrer lieb ist, allezeit seine Gelübde hält und die
Wahrheit über alles schätzt, der wird ein Brahmane
genannt.
4. Der, bei
welchem Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Treue, Wohlwollen, Schamhaftigkeit,
Barmherzigkeit und Askese gesehen werden, der gilt für einen Brahmanen.
5. Wer
hingegen die der Zerstörung dienenden Werke übt, am Vedastudium
teilnimmt, am Geben [den Brahmanen]
und am Nehmen [von den Untertanen] Freude hat, der wird ein Kshatriya
genannt.
6. Wer hingegen
an Handel, Viehzucht, Ackerbau und Geben [an die Brahmanen]
sich freut und rein ist, auch mit dem Vedastudium
begabt, der wird als ein Vaishya bezeiebnet.
7. Wer endlich
sich damit zufrieden gibt, alles zu essen, alle Handlungen verrichtet und
unrein ist, des Veda entbehrt
und ohne guten Wandel ist, der heißt ein Shûdra.
8. Dies ist
die Charakteristik des Shûdra,
und sie trifft auf einen Zwiegeborenen nicht zu; [ohne sie] würde
der Shûdra nicht
Shûdra und
der Brahmane nicht
Brahmane sein.
9. Durch alle
Mittel sich der Begierde und des Zornes zu enthalten, das ist das Läuterungsmittel
alles Wissens, sowie auch daß man sein Selbst im Zaume hält.
10. Diese
beiden [Begierde und Zorn], welche, wenn sie aufkommen, das Heil vernichten,
soll man mit der ganzen Kraft seines Wesens fernhalten,
11. soll allezeit
sein Wohlbefinden vor Zorn und seine Askese vor Selbstsucht bewahren, sowie
seine Wissenschaft vor Hochmut und Verachtung und sich selbst vor Unbesonnenheit.
12. Der, dessen
Bestrebungen alle ohne Verbindung mit Wünschen erfolgen, o Zwiegeborener,
dessen ganzes Opfer im Entsagen besteht, der ist ein Entsagender, der ist
ein Weiser.
13. Ohne irgendein
Wesen zu schädigen, möge er dahingehen, indem er den Weg der
Freundlichkeit wandelt, und indem er allen Anhang von sich abtut, möge
er durch seine Erkenntnis die Sinne besiegen; dann wird er eine von Kummer
freie Stellung hienieden erreichen und Furchtlosigkeit im Jenseits.
14. Beharrlich
in der Askese, sich bezähmend, ein Muni,
das eigene Selbst beherrschend, das Unüberwundene zu überwinden
trachtend, so soll man sein, und ohne Anhänglichkeit an alles, woran
das Herz hängt.
15. Alles,
was von den Sinnen erfaßt werden kann, das gehört zum Vyaktam
(zur entfalteten Natur), das ist gewiß;
das Avyaktam (die
unentfaltete Natur), das soll man wissen, läßt sich nur aus
Anzeichen erkennen, da sie übersinnlich ist.
16. Nicht
soll man im Mißtrauen (gegen Veda und
Lehrer] dahingehen, sondern sein Manas im
Vertrauen festmachen, das Manas aber
halte man nieder in dem Prâna,
und den Prâna mache
man fest in Brahman.
17. Aus Weltverdrossenheit
wende man sich dem Nirvânam zu,
und nicht sorge man sich über irgend etwas, denn als ein Glück
erlangt der Brahmane durch
die Weltverdrossenheit das Brahman.
18. Dann ist
er allezeit mit Reinheit verbunden, mit gutem Wandel begabt und voll Mitgefühl
für die Wesen. Das ist das Merkmal des wahren Zwiegeborenen.
Adhyâya
190
(B.190).
Vers 6968
– 6983 (B. 1 – 16).
1. Das Satyam
(die Wahrheit) ist Brahman,
das Satyam ist
Askese, das Satyam schafft
die Geschöpfe, durch das Satyam wird
die Welt getragen, durch das Satyam geht
man zum Himmel ein.
2. Die Unwahrheit
ist von der Art des Tamas (Finsternis),
durch das Tamas wird
man nach unten geführt, von dem Tamas verschlungen sieht man nicht
das Licht, weil man von Tamas umhüllt ist.
3. Der Himmel
ist Licht, so sagt man, und die Hölle ist Finsternis; Wahrheit und
Unwahrheit, beide werden von den auf der Erde Wandelnden ergriffen.
4. Dementsprechend
ist auch der Lauf der Welt Wahrheit und Unwahrheit, Recht und Unrecht,
Licht und Finsternis, Leid und Lust.
5. Dabei steht
es so: die Wahrheit ist das Recht, das Recht ist das Licht, das Licht ist
die Lust; hingegen: die Unwahrheit ist das Unrecht, das Unrecht ist die
Finsternis, die Finsternis ist das Leid.
6. Hierbei
wird bemerkt: Aus körperlichem und geistigem Leid und aus Lust, die
aus dem Leide hervorgeht, besteht die Weltschöpfung, das sehen die
Weisen und lassen sich nicht betören.
7. Darum strebt
der Weise nur danach, sich vom Leid zu befreien, denn die Lust der Wesen
ist etwas Hinfälliges, sowohl in dieser Welt als auch in der andern.
8. Wie das
Licht des vom Râhu verschlungenen Mondes [bei der Mondfinsternis]
nicht leuchtet, so geht die Lust der von der Finsternis (tamas)
überwältigten Wesen zugrunde.
9. (Prosa)
Was nun die Lust betrifft, so wird gelehrt, daß sie zweifach sei,
nämlich körperlich und geistig. Es geschehen aber sowohl in dieser
als in jener Welt die Entwicklungen der Dinge, wie überliefert wird,
um der Lust willen, denn über diese hinaus gibt es keine vorzüglichere
Frucht der Dreiheit von Bestrebungen [nach dem Angenehmen, Nützlichen
und Guten]; dabei aber dient die spezielle Qualität des Angenehmen
den Qualitäten des Guten und Nützlichen zum Antrieb. Diese beiden
sind die Ursachen, aus denen jenes [das Angenehme] hervorgeht, und sie
werden in Angriff genommen um der Lust willen als Zweck.
10. (Prosa)
Wenn du, o Herr, behauptest, daß die Lüste am höchsten
stehen, so nehmen wir das nicht an. Denn jenen Weisen, welche im
Mahân feststanden,
wäre jene besondere Qualität des Angenehmen nicht unerreichbar
gewesen, und doch trugen sie nach ihr kein Verlangen. Ferner, was den Schöpfer
der drei Welten, den Gott Brahmân,
den Herrn, betrifft, so lehrt die Schrift, daß er ganz allein im
Tapas sich hielt.
Auch ist zu bemerken, daß der Brahmacârin
sich keineswegs dem Angenehmen und der Lust
hingibt. Bildlich erinnere ich daran, daß der heilige Herr des Weltalls,
der Gatte der Umâ, den Kâma
(Liebesgott), als er ihm zu nahen wagte, durch
die an ihm vollzogene Körpervernichtung zur Ruhe bettete. Darum sage
ich: Von jenen Hochsinnigen ist diese Qualität (des Angenehmen] nicht
ergriffen worden, und wenn du behaupten solltest, daß sie eine so
ausgezeichnete Art von Qualität nicht hätten haben können,
so nehme ich dies von dir, o Ehrwürdiger, nicht an. Wenn du aber behauptest,
daß es nichts Höheres gäbe als die Lust, so ist zu bemerken,
daß nach allgemeiner Annahme das Entstehen der Frucht von zweifacher
Art ist, sofern durch gute Werke Lust und durch böse Leid erlangt
wird.
11. (Prosa)
Dagegen ist zu bemerken: Aus der Unwahrheit ist die Finsternis (tamas)
hervorgegangen, und von der Finsternis verschlungen wenden sich die Menschen
dem Bösen zu und nicht dem Guten, und in Zorn, Habgier, Grausamkeit,
Unwahrheit usw. versunken, können sie natürlich weder in dieser
Welt noch im Jenseits zur Lust gelangen; vielmehr werden sie, mit mancherlei
Krankheit, Gebrechen und Qualen überschüttet, von Tötung,
Fesselung und anderen Nöten, sowie von den durch Hunger, Durst und
Ermüdung verursachten Qualen gequält. Auch werden sie von den
aus Regen, Wind, übergroßer Hitze und übergroßer
Kälte entspringenden Befürchtungen und von körperlichen
Schmerzen heimgesucht, und nicht weniger werden sie von den aus Untergang
von Verwandten und Reichtum und aus der Trennung von ihnen entsprungenen
geistigen Schmerzen überkommen, sowie von anderen, welche Alter und
Tod ihnen bereiten.
12. Nur der
aber, welcher von diesen körperlichen und geistigen Leiden nicht berührt
wird, kann die Lust genießen; im Himmel aber kommen dergleichen Mängel
nicht vor, und dort befinden sie [die Guten] sich eben.
13. Ein angenehmer
Wind weht im Himmel und ein lieblicher Geruch begleitet ihn. Dort gibt
es nicht Hunger, nicht Durst, nicht Qualen, nicht Alter und nicht Schlechtigkeit.
14. Im Himmel
herrscht ewige Lust, auf Erden beides, Lust und Leid; in der Hölle,
so heißt es, ist nur Leid. Lust hingegen ist jenes höchste Gefilde
der Seligen.
15. Die Erde
ist die Gebärerin aller Wesen, und ihr ähnlich sind die Frauen,
der Mann hingegen ist für sie Prajâpati,
und sein Same ist von Feuerart.
16. So ist
diese Weltschöpfung vor Zeiten von Gott Brahmân
geordnet worden; die Geschöpfe leben
ihr nach, ein jeder von seinen früheren Werken umhüllt.
Adhyâya
191
(B.191).
Vers 6984
– 7001 (B. 1 – 16).
1. Welcher
Lohn wird in Aussicht gestellt für Freigebigkeit, Pflichterfüllung
und guten Wandel, für wohldurchgeführte Askese, für Vedastudium
und für Opfer?
2. Durch Opfer
wird das Böse beschwichtigt, durch Vedastudium
der höchste Frieden erreicht, durch Almosengeben erlangt man Freuden,
wie es heißt, und durch Askese den Himmel.
3. Das Almosengeben
aber ist, wie gelehrt wird, von zweifacher Art, je nachdem es um des Jenseits
willen oder für das Diesseits geschieht; alles, was von Guten gespendet
wird, das erwartet sie im Jenseits.
4. Aber was
von Nichtguten gespendet wird, diese Gabe wird schon hier vergolten. In
welcher Gesinnung einer die Gabe gibt, dementsprechend erlangt er die Frucht.
5. Worin besteht
für jeden der Wandel in der Pflicht und was ist das Kennzeichen der
Pflicht? Wie vielfach ist ferner die Pflicht? Das mögest du, o Herr,
mir sagen.
6. Weise Menschen
geben sich dem Wandel in der ihnen obliegenden Pflicht hin und erlangen
als Lohn den Himmel; wer es anders macht, der ist ein Tor.
7. Das System
der vier Lebensstadien ist vor Zeiten von Brahmanweisen eingerichtet worden.
Jedes derselben hat einen ihm eigentümlichen Wandel; den sollst du
mir erklären.
8. (Prosa)
Vor Zeiten wurden von dem erhabenen Gotte Brahmân,
da er das Heil der Welt im Auge hatte, um der Erhaltung der Pflicht willen
die vier Lebensstadien vorgezeichnet. Hierbei bezeichnet man als das erste
Lebensstadium das Wohnen in der Familie eines Lehrers. Es besteht darin,
daß man sein Selbst vollständig durch Reinheit, Weihen, Bezähmung
und Gelübde bändigt, beide Dämmerungen und in ihnen die
Gottheiten der Sonne und des Feuers verehrt, Trägheit und Schlaffheit
fahren läßt, durch Begrüßung des Lehrers, sowie durch
Studieren und Hören des Veda sein
inneres Wesen läutert, die drei täglichen Waschungen betreibt,
durch Pflege des Brahmacarya-Feuers,
durch Gehorsam gegen den Lehrer und durch beharrliches Betteln und Ernährung
durch Erbetteltes vollständig zum Bewußtsein seiner innern Seele
gekommen ist, ohne Widerstreben Wort und Befehl des Lehrers befolgt und
das dafür durch die Gnade des Lehrers empfangene Vedawissen als das
Höchste schätzt.
9. Darüber
ist auch dieser Vers:
Der Zwiegeborene,
welcher den Lehrer sich freundlich stimmt und von ihm den Veda
erlangt, der erlangt als Frucht den Himmel,
und sein geistiges Wesen kommt zur Vollendung.
10. (Prosa)
Den Stand des Hausvaters nun weiter bezeichnet man als das zweite Lebensstadium,
die Merkmale des richtigen Wandels in diesem wollen wir nunmehr vollständig
auseinandersetzen. Für solche, welche aus der Schülerschaft zurückkehren,
sich eines guten Lebenswandels befleißigen und nach der Frucht eines
gemeinschaftlichen Wandels in der [Ehe-] Pflicht verlangen, wird der Wandel
als Hausvater vorgeschrieben. Denn in ihm wird das Gute, Nützliche
und Angenehme erlangt. Indem man mit Rücksicht auf die Erlangung dieser
Dreiheit in vorwurfsfreier Tätigkeit zu Reichtum gelangt, soll man
mittels dieses Reichtums — mag er vorwiegend durch Unterricht im Veda
gewonnen sein oder durch einen Brahmanweisen
erzaubert, oder aus den Schätzen der Berge erwerben, oder infolge
Opferns an Götter und Manen und Betreibens der Bezähmung durch
die Gnade der Götter verliehen sein — als Hausvater den Hausvaterstand
antreten. Denn diesen erklärt man für die Wurzel aller Lebensstadien.
Denn auch für diejenigen, welche in der Familie des Lehrers wohnen
bleiben, und für die anderen, welche als Pilger umherziehen und .der
zwangsmäßigen Pflicht eines unternommenen Gelübdes obliegen,
auch für diese werden die Zuteilungen von Almosen und Spenden aus
dem Hausvaterstande bestritten.
11. (Prosa)
Und auch für die Waldeinsiedler ist eine Beisteuer von Sachen [durch
den Hausvater] angebracht, denn so wenigstens pflegen meist diese Guten,
mit guter Wegekost versehen und nur mit Vedastudium
beschäftigt, zum Besuche von heiligen Badeplätzen und zur Besichtigung
der Gebenden die Erde zu durchstreifen, und ihnen gebührt gastliche
Aufnahme durch Aufstehen, Entgegengehen, Begrüßen, nichtverdrießliches
Spenden von Worten und Anbieten eines angenehmen stärkenden Sitzes
und eines angenehmen Lagers nebst Verpflegung.
12. Darüber
ist auch der Vers:
Wenn ein Gast
mit getäuschter Hoffnung vor einem Hause umkehrt, so überträgt
er seine bösen Werke auf dessen Besitzer [vgl. Ev. Matth,
10,14] und nimmt dessen gute Werke mit sich fort.
13. (Prosa.)
Auch werden in diesem Stande [des Hausvaters] die Götter durch Opferwerke
erfreut, die Väter durch Vorsetzen [des Manenopfers], die Rshis
durch Betreiben, Anhören und Behalten
der Wissenschaft und Prajâpati durch
Erzeugung von Nachkommen.
14. Und darüber
sind zwei Verse:
Aus Zartgefühl
für alle Wesen sollen die Reden für das Ohr lieblich klingen;
Quälen, Schlagen und hartes Anfahren ist das dabei zu Tadelnde.
15. Hochmut,
Selbstsucht und Falschheit wird getadelt, hingegen ist Nicht-Schädigung,
Wahrhaftigkeit und Enthaltung von Zorn eine Askese, die allen Lebensstadien
geziemt.
16. (Prosa)
Auch ist dabei [in Betracht zu ziehen] das Trachten nach Schmückung
mit Kränzen und nach beständiger Freude an Kleidern und Salben,
nach Tanz, nach Ergötzung des Ohres durch Gesang und Musik und Erfreuung
des Auges durch liebliche Anblicke, ferner der Genuß mannigfacher
Gaumenfreuden, wie Essen, Schmausen, Schlecken, Trinken und Schlürfen,
Freude an eigenen Belustigungen und Streben nach Geschlechtsgenuß.
17. In wessen
Hausvaterstande eine beständige Entwicklung von tüchtigen Leistungen
in der Dreischar [des Guten, Nützlichen und Angenehmen] statthat,
der kann die Freuden der Erde genießen und doch den Gang der Meister
gehen.
18. Wenn ein
Hausvater, auch ein solcher, der auf Ährenlesen angewiesen ist, an
dem Wandel in der eigenen Pflicht seine Freude hat und das Streben nach
Lust und Genuß von sich abtut, für den ist der Himmel nicht
schwer zu erlangen.
Adhyâya
192
(B.192).
Vers 7002
– 7031 (B. 1 – 27).
1. (Prosa)
Die Waldeindedler (vânaprashâh)
nun aber sind diejenigen, welche ihre Pflicht dadurch betreiben, daß
sie heilige Badeplätze und Flußmündungen besuchen, während
sie in abgelegenen, von Antilopen, Büffeln, Ebern, Tigern und Waldelefanten
belebten Wäldern Askese üben, und indem sie den Genuß der
im Dorfe üblichen Nahrung und Kleidung aufgeben, auf wildwachsende
Kräuter, Früchte, Wurzeln und Blätter beschränkt, mancherlei
kärgliche Nahrung finden, hingegen, an einem Orte weilend, auf Erde,
Steinen, Kies, Geröll, Sand und Asche sich lagern, ihren Körper
in Gräser, Binsen, Felle und Baumbast kleiden, Kopfhaare, Bart, Nägel
und Körperhaare wachsen lassen, zu bestimmter Zeit die Abwaschungen
vornehmen, in nicht zu versäumenden Zeiten Spenden und Opfer darbringen,
übrigens vor Brennholz, vor Darbringung von Kushagras und Blumen;
sowie vor Abwaschung der Opfergeräte Ruhe haben, durch den Widerstand,
gegen Kälte, Hitze, Regen und Wind die ganze Haut voll Risse haben,
durch die mannigfachen Askesen, Observanzen, Wanderungen, Befolgungen und
Obliegenheiten ganz ausgetrocknet an Fleisch, Blut, Haut und Knochen sind
und, die Standhaftigkeit über alles schätzend, der ewigen Realität
ergeben, ihren Körper dahinschleppen.
2. Wer aber
mit Strenge diesen von den Brahmanweisen
vorgeschriebenen Wandel einhält, der verbrennt wie ein Feuer seine
Sünden und erobert schwer zu erobernde Welten.
3. (Prosa)
Was nun endlich den Lehenswandel der Parivrâjaka's
(Heimatlosen) betrifft, so steht es damit folgendermaßen: Indem sie
Opferfeuer, Habe, Weib und Anhang im Stich lassen und in Anhänglichkeit
an den Âtman die
Fesseln der Neigung abschütteln, wandern sie heimatlos umher, und
während sie Erdschollen, Steine und Gold für gleich achten, ihren
Geist nicht mehr an die Produkte der Dreiheit [des Guten, Nützlichen,
Angenehmen] hängen, mit gleicher Gesinnung auf Feinde, Freunde und
Gleichgültige blicken, gegen Pflanzen, Lebendgeborenes, Eigeborenes,
Schweißgeborenes und Keimgeborenes, gegen alle diese Wesen in Gedanken,
Worten und Werken ohne Falsch sind und ohne eigene Behausung Berge, Sandbänke,
Baumwurzeln oder Göttertempel als Aufenthalt wählen, so mögen
sie um des Unterkommens willen zwar eine Stadt oder ein Dorf aufsuchen,
so jedoch, daß sie in einer Stadt nur fünf Nächte, in einem
Dorfe nur eine Nacht verweilen, und wenn sie, um ihr Leben zu fristen,
einkehren, so sollen sie nur die Häuser von unbescholtenen Zwiegeborenen
besuchen, um von dem in die Almosenschale gelegten, nichtgeforderten Almosen
zu leben, abstehend von Liebe, Zorn, Stolz, Habgier, Verblendung, Lamentieren,
Trug, Nachrede, Hochmut und Schädigung.
4. Auch sind
darüber folgende Verse:
Wer als Muni
so lebt, daß er allen Wesen Furchtlosigkeit
einflößt, für den entsteht keine Furcht vor irgendeinem
Wesen.
5. Indem er
das Agnihotram in
seinem eigenen Leibe aufnimmt, opfert er dem Feuer seines Leibes in dem
eigenen Munde, und als Brahmane durchstreift
er die Welt mittels der als Almosen ihm Übergebenen Opferspenden für
die [in ihm] geschichteten Feuer.
6. Wer in
der genannten Weise das Lebensstadium der Erlösung betreibt, indem
er rein und wohlbereiteten und befreiten Geistes ist, der Mensch gelangt
zur Brahmanwelt,
wie ein Feuer, welches aus Mangel an Brennholz erloschen ist [d.h. er gelangt
zum Nirvânam].
7. Über
diese Welt hinaus gibt es eine höhere Welt, so lehrt die Schriftoffenbarung,
aber nicht die Wahrnehmung; diese Welt möchte ich kennen lernen, das
mögest du, o Herr, mir erklären.
8. Auf der
nördlichen Seite des Himâlaya,
der heiligen, mit allen Trefflichkeiten ausgestatteten, befindet sich,
wie gelehrt wird, jene heilige, friedvolle und freudvolle höhere Welt.
9. Dort nämlich
sind die Menschen, welche frei von bösen Werken, rein, völlig
makellos, ohne Begierde und Verblendung sind, ohne daß ihnen ein
Übel zustößt.
10. Das ist
das dem Himmel gleiche Land, dort sind, wie gelehrt wird, die schönen
Vorzüge zu finden; zur Zeit, wo man dort ist, hat der Nicht-Tod die
Oberhand, und keine Krankheiten kommen einem mehr zu nahe.
11. Dort besteht
keine Begierde mehr nach fremden Weibern, der Mann begnügt sich mit
seinem eigenen Weibe, dort wird nicht mehr gegenseitig gemordet, und es
besteht kein Stolz auf Reichtum mehr; die Ungerechtigkeit hat nicht mehr
die Oberhand, und ein Zweifel ficht keinen mehr an.
12. Dort tritt
die Frucht der guten Werke augenscheinlich zutage; man ist wohlversehen
mit Speise, Trank und Sitz und wohnt in Palästen als Wohnungen.
13. [Anders
ist es hienieden:] Einige sind von allen Lüsten umgeben und mit Goldgeschmeide
geschmückt, während es anderen nur eben gelingt, ihr Leben zu
fristen,
14. und manche
können nur mit greiser Anstrengung ihren Lebensunterhalt finden. Einige
freilich halten schon hienieden die Pflicht als Höchstes, andere aber
erniedrigen [ihre Mitmenschen]; einige sind glücklich, andere unglücklich,
die einen reich, die anderen arm.
15. Hienieden
herrschen Mühe, Furcht, Torheit, scharfer Hunger und Habgier, in den
Menschen durch die Güter entfacht, durch welche die Unweisen sich
betören lassen.
16. Hienieden
gibt es manche Arten des Erwerbs, je nachdem einer des Guten oder des Bösen
beflissen ist; der Weise, der dies beides unterscheidet, wird nicht vom
Übel befleckt.
17. Betrügerei,
Gemeinheit, Dieberei, üble Nachrede, mürrisches Wesen, Verletzung
und Schädigung der Mitmenschen, Zwischenträgerei und Lüge,
18. wer derartiges
betreibt, dessen asketisches Verdienst ist verloren, aber dem Weisen, der
sich nicht mit dergleichen befaßt, gedeiht dadurch die Askese.
19. In dieser
Welt ist vielfache Sorge um pflichtmäßiges und pflichtwidriges
Tun; hier ist die Stätte der Werke, wer in dieser Welt hier das Gute
oder Böse tut, der erlangt durch das Gute Gutes, und Böses erlangt,
wer es anders treibt.
20. Prajâpati
und die Götter nebst der Schar der Rshi's
haben hier vor Zeiten geopfert. Nachdem sie Askese zum Opfer gebracht,
sind sie geläutert zur Brahmanwelt
emporgestiegen.
21. Der nördliche
Teil der Erde ist von allen der heiligste und schön; dort werden die
hier lebenden Menschen wiedergeboren, soweit sie heilige Werke vollbracht
haben,
22. nachdem
man ihnen die letzte Ehre erwiesen hat; andere hingegen [werden wiedergeboren]
in Tierleibern, wenn ihr Leben dahin ist; und noch andere gehen auf der
Erde zugrunde,
23. die sich
gegenseitig aufzufressen geneigt sind, die, in Habgier und Verblendung
befangen, auf dieser Erde sich herumtreiben, solche gehen nicht in die
nördliche Gegend.
24. Aber die,
welche als sich selbst bezähmende Brahmanschüler
ihre Lehrer verehren, die kennen als Weise den Weg zu allen Welten.
25. Damit
ist jene von Gott Brahmân eingesetzte
Weltordnung in der Kürze von mir dargelegt worden. Fürwahr, wer
weiß, was in der Welt Recht und Unrecht ist, der ist ein Weiser.
26. Als in
dieser Weise, o König, der askesereiche Bharadvâja
von Bhrgu
belehrt worden war, da verehrte er, der höchst
Rechtschaffene, den Bhrgu mit
Bewunderung.
27. Damit
ist dir, o König, die Schöpfung der Welt verkündigt worden
ganz und gar, o du Hochweiser. Was wünschest du weiter zu hören?
So lautet im Mokshadharma
die Unterredung des Bhrgu mit
Bharadvâja (Bhrgu-Bharadvâja-samvâda).