Die an den Atharvaveda, und zwar, wie
es scheint, an die Pippalâda-Rezension
desselben, sich anschließende Prashna-Upanishad
behandelt in sechs Fragen (prashna),
welche von sechs Brahmanforschern an den weisen
Pippalada gerichtet werden, sechs Hauptpunkte
der Vedântalehre:
Die einrahmende Erzählung scheint eine Nachbildung von Shatap.Br.10,6,1
fg. Chând.Up.5,11,1
fg. zu sein, nur daß dort viel passender die sechs Brahmanen über
ein gemeinsames Thema den König Ashvapati befragen,
während in der Prashna-Upanishad
jeder etwas andres fragt, so daß das gemeinschaftliche Aufsuchen
des Pippalâda nicht recht motiviert
ist, zumal beim letzten Frager, der für seine Frage noch ein besonderes
Motiv angibt.
Erster Prashna.
Die Frage, woher die Geschöpfe
entspringen, dient nur als Anlaß, um die Natur, als Erzeugnis des
Prajâpati, in zwei Seiten zu zerlegen,
rayi (Materie) und prâna
(Leben). Ersterem wird die dunkle Seite der Welt (Mond, Winter,
dunkle Monatshälfte, Nacht), letzterem die helle Seite (Sonne, Sommer,
helle Monatshalfte, Tag) untergeordnet. Dem rayi
entspricht der Pitryâna,
dem prâna der Devayâna,
in deren Schilderung sich der Autor an Chând.5,3–10
(nicht Brh.6,2)
anschließt. Am Schlusse wird angedeutet, daß die Zeugung (prajâpativratam)
der dunkeln Seite angehört, während der hellen, zur Erlösung
des Devayâna fahrenden, die Keuschheit
(brahmacaryam) entspricht.
S.560
1. Sukeshan Bhâradvâja, Shaivya Satyakâma,
Sauryâyanin Gârgya,
Kausalya Âshvalâyana, Bhârgava
Vaidarbhi und Kavandhin
Kâtyâyana,
diese alle, Brahman als Höchstes
haltend und in Brahman feststehend,
forschten nach dem höchsten Brahman,
und mit den Worten: "Er, fürwahr, wird dieses alles erklären",
nahten sie sich mit dem Brennholze in den Händen (Chând.5,11,6)
dem erhabenen Pippalâda.
2. Da sprach der "Weise zu ihnen:
"Noch weiter (vgl. Chând.8,9,3.
10,4. 11,3)
werdet ihr in Askese,
Brahmanwandel (Keuschheit) und Glaube
(vgl. Brh.4,4,22
Mâdhy.) ein Jahr bei mir wohnen,
und dann fragt ihr [mögt ihr fragen], wie es euch gefällt;
wofern wir es wissen werden, wollen wir euch alles erklären."
3. Darauf [nach Ablauf des Jahres] nahte sich ihm Kavandhin
Kâtyâyana und fragte:
"Erhabener! woraus wohl entstehen diese Geschöpfe?" –
4. Und er sprach zu ihm:
"Prajâpati verlangte nach Nachkommen;
er übte Tapas;
nachdem er Tapas geübt, läßt
er ein Paar entstehen,
nämlich Rayi "(Materie, eigentlich:
Reichtum) und Prâna (Leben);
denn er sprach:
«Diese beiden werden mir vielfältig Nachkommen schaffen.»
5. Fürwahr, die Sonne ist Prâna
und der Mond Rayi;
ja Rayi ist alles dieses, was geformt
und ungeformt ist; darum ist die Form selbst Rayi.
6. Wenn nun die Sonne aufgeht und die östliche Himmelsgegend betritt,
so befaßt sie dadurch die östlichen [in der Natur verwirklichten]
Lebenshauche (prâna) in
ihren Strahlen;
und wenn sie die südliche, westliche, nördliche, obere, untere
und zentrale Himmelsgegend betritt,
so befaßt sie, indem sie alles erhellt, dadurch alle Lebenshauche
in ihren Strahlen.
7. Allverbreitet und allgestaltet zieht dieses [Sonnen-]Feuer als der
Prâna herauf.
Darüber ist der Vers:
– [ich preise]
8. Den allgestaltigen, goldnen Wesenskenner,
Der dort als höchster Hort, als einzig Licht glüht!
Mit tausend Strahlen, hundertfach sich wandelnd,
Als Lebenshauch der Wesen geht dort auf die Sonne.
9. Fürwahr, Prajâpati ist das
Jahr; in demselben sind
S.561 zwei Gänge [der Sonne],
der nach Süden und der nach Norden.
Jene nun, welche mit den Worten: «Opfer und fromme Werke sind
unser Tun»
die erobern nur den Mond als Stätte.
Diese kehren wiederum zurück.
Darum gehen diejenigen Weisen, welche nach Nachkommen begehren, den
südlichen Weg.
Und dieser Väterweg (pitryâna)
ist Rayi.
10. Aber auf dem nördlichen Wege,
nachdem sie durch Askese, Brahmanwandel,
Glaube und Wissen den Âtman gesucht
haben,
erobern sie die Sonne.
Diese ist der Stützpunkt der Prâna's.
Dieses ist das Unsterbliche, das Furchtlose, dieses ist der höchste
Hort.
Von ihm kehren sie nicht wieder zurück.
Dieses ist die Ausschließung [des Väterweges und Götterweges
gegeneinander].
Darüber ist dieser Vers (Rgv.1,164,12):
11. Der Vater, fünffüßig, zwölffacher Bildung,
Sei leibhaft, heißt es, in des Himmels Jenseits;
Doch sei er auch weitleuchtend eingefügt
Dem Untern mit sechs Speichen, sieben Rädern.
Dieser Vers, der sich ursprünglich wohl auf den
Parallelismus zwischen Sternenhimmel und Opferfeuer bezieht (vgl. Gesch.d.Philos.I,
111), wird hier sehr willkürlich auf den Devayâna
und den Pitryana gedeutet.
12. Fürwahr, Prajâpati ist
der Monat.
Seine dunkle Hälfte ist Rayi, seine
helle Prâna.
Darum bringen diese Weisen [die den Prâna
verehren] in der hellen Hälfte das Opfer dar,
die andern in der andern.
13. Fürwahr, Prajâpati ist
Tag und Nacht.
Was von ihm Tag ist, das ist Prâna,
was Nacht, das Rayi.
Wahrlich, die verschütten den Prâna
(das Leben), welche am Tage sich in Lust verbinden,
und dieses ist der [auch dem Grhastha
obliegende] Brahmanwandel,
daß man sich nur in der Nacht in Lust verbindet.
14. Fürwahr, Prajâpati ist
die Nahrung.
Aus ihr stammt dieser Same, aus welchem diese Geschöpfe entstehen.
15. Diejenigen nun, welche diesen Prajâpatiwandel
einhalten,
die üben die Begattung aus [mithunam
utpâdayante,
sowie es oben von Prajâpati hieß,
daß er mithunam utpâdayate
«ein Paar entstehen läßt»].
S.562
Doch derer ist die Brahmanwelt, die sich kastei'n,
In denen wahre Keuschheit festgewurzelt ist;
Sie gehn zur Brahmanwelt, der fleckenlosen,
Die ohne Krummes, Falsches, ohne Trug sind."
Zweiter Prashna.
Auf die Frage nach Anzahl
und Rang der Lebenskräfte im Mensche« wird die Erzählung
vom Rangstreite der Lebenskräfte (vgl. Chând.1,2.
5,1. Brh.1,3.
6,1. Kaush.2,14)
in selbständiger Weise vorgetragen. An sie schließt sich ein
Hymnus an den Prâna, welcher
mehrfache Anklänge an den entsprechenden Hymnus Atharvav.11,4
(übersetzt Gesch.d. Phil.1,302 fg.) zeigt.
1. Da befragte ihn Bhârgava Vaidarbhi:
"Erhabener! Wie viele Götter halten das Geschöpf aufrecht,
und welche von ihnen erleuchten diesen Leib,
und wer unter allen ist der vorzüglichste?" –
2. Und er sprach zu ihm:
"Der Äther, fürwahr, ist dieser Gott und der Wind und das
Feuer, Wasser und Erde,
Rede, Manas, Auge und Ohr.
Diese, indem sie [den Leib] erleuchten, rühmen sich:
«Wir sind es, die dieses Röhrenwerk stützen und aufrecht
halten.»
3. Da sprach zu ihnen der oberste Prâna:
«Nicht so! In Wahn seid ihr befangen.
Ich allein bin es, der ich, mich fünffach teilend,
dieses Röhrenwerk stütze und aufrecht halte!»
4. Sie aber wollten ihm nicht glauben.
Da gibt er sich den Anschein, als wollte er, aus [verletztem] Stolz
nach oben entweichen.
Und wie er entweicht, da wollen auch die andern alle entweichen,
und wie er stille stehen bleibt, da bleiben auch die andern stehen.
Und gleichwie die Bienen dem Bienenkönige, wenn er auszieht, alle
nachziehen,
und solange er bleibt, alle bleiben,
also auch die Rede, das Manas, das Auge
und das Ohr.
Da sind sie zufriedengestellt und preisen den Prâna:
5. Er brennt als Feuer, und er glüht als Sonne,
Er ist Parjanya, Maghavân und Vâyu,
Er der Gott ist Erde, Rayi,
Was ist, nicht ist und ewig ist.
6. Wie Speichen an der Radnabe,
Haftet am Prâna alles fest,
S.563 Die Rc's, die Yajus'
und Sâman's,
Opfer, Krieger- and Brahman-Stand.
7. Als Prajâpati im Mutterleib
Weilst du and wirst geboren neu,
Dir, o Prâna, bringen die
Geschöpfe Spende dar (Atharvav.11,4,19),
Wenn du mit Lebenskräften weilst.
8. Du erst Göttern bringst das Opfer,
Du erst Vätern den Labetrank,
Du bist der Dichter Werk, du bist
Wahrheit der Atharvangiras.
9. An Kraft bist Indra da, Prâna!
Rudra bist du, der Schützende,
Du schweifst im Luftraum als Sonne,
Du bist der Lichter Oberherr.
Der Lichter Oberherr ist Brahman, Kath. 5,15.
10. Wenn du über sie hin regnest,
Stehn deine Kreaturen hier
Voll Freude, Prâna, und sprechen:
«Nahrung wird uns entstehn nach Lust.»
11. Du bist von selbst geweiht, Prâna,
Höchstweiser, Esser, Herr des Alls,
Wir sind des, das du ißt, Spender,
Du, Mâtarishva(n)! Vater uns.
12. Was von dir in der Rede weilt,
Was im Ohre, im Auge weilt,
Was im Manas sich ausbreitet,
Das mache hold uns, zieh nicht aus!
13. In Prâna's Macht ist
dies Weltall,
Selbst was im dritten Himmel ist;
Wie die Mutter das Kind, schütz' uns,
Glück und Weisheit verleihe uns!"
Dritter Prashna.
Fünf Dinge muß
man nach dem 8,12 angehängten Shloka wissen,
um die Unsterblichkeit zu erlangen:
1) den Ursprung des Prâna,
2) seine Ausbreitang (âyati,
schon von der Upanishad als âyâti
"Einzug in den
S.564 Leib"
verstanden),
3) sein Bestehen im Leibe,
4) seine kosmische und
5) seine psychische Fünfteilung.
Diese fünf Fragen, nebst
einer sechsten nach dem Auszüge des Prâna,
bilden die sechs Themata des Abschnitts, welche als solche schon die Kenntnis
des Inhalts voraussetzen und daher sehr wenig passend dem Âshvalâyana
Kausalya Fragen in den Mund gelegt werden.
1) Ursprung des Prâna.
Er ist hier nicht mehr das höchste Prinzip selbst in konkreter Form,
sondern entsteht ans dem Atman als höchstem Prinzip (wie Prashna
6,4. Mund.2,1,8)
und verhält sich zu ihm wie der Schattenriß, das Abbild (chayâ)
zu dem Gegenstande.
2) Grund seines Einganges
in den Leib. Die Antwort liegt in den Worten manokrtena,
von Shankara im Sinne des Vedânta
erklärt: "infolge der durch seinen Willen getanen Werke"; grammatisch
richtiger würde sein, sie als mano 'krtena
"ohne Zutun des Willens" zu fassen.
3) Bestehen im Leihe. Als
fünf Verzweigungen des Prâna werden
Apâna, Prâna, Samâna, Vyâna,
Udâna aufgezählt, unter ihnen aber nicht, wie in der
Regel nnd auch im vierten Prashna geschieht,
die Lebenshauche (die Prâna's
im engern Sinne, welche neben Manas und Indriya's
stehen), sondern die Lebenskräfte (die Prâna's
im weitern Sinne, Manas und Indriya's
unter sich befassend), wie zumeist in der Brâhmanazeit
(Gesch.d.Phil.I,296), verstanden. Die damals, in der Brâhmanazeit,
üblichen neun Prâna's (entsprechend
den neun Öffnungen des Körpers) werden in unsrer Stelle so verteilt,
daß sich Apâna auf das Entleerungs-
und Zeugungsorgan, Prâna (der
dabei mit dem Prâna im weitern
Sinne identiSHAN SZI iert wird) auf die sieben Öffnungen am Kopfe (Augen,
Ohren, Mund, Nasenlöcher) bezieht. Daneben treten: Samâna
als die Nutritionskraft (der die Nahrung assimiliert, annam
samam nayati) und Vyâna als
die in den Adern schaltende Kraft (der Blutzirkulation). Die Anzahl der
Hauptadern hatte der Vers Chând.8,6,6
= Kâth.6,16 auf 101 bestimmt;
Brh.2,1,19
war von 72000 Adern die Rede; durch Kombination dieser Stellen und Multiplikation
der erstern mit 100 gelangt unsere Stelle zu 101 Hauptadern, jede mit 100
Zweigadern, jede mit 72000 Nebenzweigadern (pratishâkhânâdî),
was zusammen
Hauptadern
Zweigadern
101 x 100
Nebenzweigadern
101 x 100 x 72.000
in Summa
101
10.100
727.200.000
__________
727.210.201
Adern ausmacht, d.h. 72
Koti's, 72 Laksha's
und 10.201, wie die Glosse (nach der Lesart der Ânandâshrama-Ausgabe)
richtig herausrechnet. – Der Udâna führt
die Seele durch die 101., nach oben laufende (später, seit Maitr.6,21,
sushumnâ genannte) Kopfader hinaus,
und zwar (in Widerspruch zu dem erwähnten Verse Chând.8,6,6
= Kâth.6,16) nicht nur die Guten,
sondern auch die Bösen.
4) und 5) Der psychischen
Fünfteilung entspricht die kosmische in der Weise, daß der oben,
am Haupte befindliche Prâna der
Sonne, der nach unten gehende Apâna der
Erden, der in der Mitte schaltende Samâna
S.565 dem
Raume zwischen ihnen (antara yad âkâshas)
und der Vyâna dem Winde entspricht.
6) Der Udâna
endlich, der die Seele ausfuhrt, entspricht dem Tejas,
in welches (in Anlehnung an Chând.6,8,6.
15,1) der Prâna,
nachdem er Manas und Indriya's
in sich aufgenommen, beim Sterben eingeht.
1. Da befragte ihn Kausalya Ashvalâyana:
"Erhabener! Woher entsteht dieser Prâna?
Wie kommt er in diesen Leib hinein?
Und wie besteht er, sich selbst teilend, in demselben?
Wodurch zieht er aus ihm aus?
Wie waltet er in der Außenwelt und wie in dem Selbste?" –
2. Und er sprach zu ihm: "Überweit gehst du mit Fragen;
du bist der brahmanliebendste, so denke
ich;
darum will ich dir antworten. –
3. Aus dem Âtman entsteht dieser
Prâna;
wie an einem Menschen der Schatten, so breitet er sich an demselben
aus. –
Ohne Zutun des [bewußten] Willens kommt er in diesen Leib hinein.
–
4. Und wie ein König seine Beamten beauftragt, diese oder jene
Dörfer zu verwalten,
also stellt auch jener Prâna die
übrigen Prâna's, jeden besonders,
an.
5. Über Entleerungs-und Zeugungs-Organ stellt er den Apâna.
In Auge und Ohr mit Mund und Nase hat er, der Prâna,
selbst seinen Sitz.
In der Mitte hingegen der Samâna;
denn er ist es, welcher diese geopferte Nahrung (Chând.5,19
fg.) zur Gleichheit (samam) führt
[assimiliert];
daraus entstehen jene «sieben Opferflammen» (Mund.2,1,8).
6. Im Herzen aber wohnt der Âtman;
daselbst sind jene hundert und eine Adern (Chând.8,6,6);
zu jeder einzelnen von ihnen gehören je hundert [Zweigadern];
und der Nebenzweigadern sind jedesmal zweiundsiebzig tausend (Brh.2,1,19);
in denen waltet der Vyâna.
7. Aber durch die eine nach oben gehend,
führt der Udâna für gutes
Werk zu einer guten Welt,
für schlimmes zu einer schlimmen,
für beide zur Menschenwelt. –
8. Als die Sonne nun steigt jener Prâna
in der Außenwelt empor,
denn sie ist es, welche dem Prâna
im Auge Beistand gewahrt;
und die Gottheit, welche in der Erde ist,
die [gewährt Beistand] dadurch, daß sie den Apâna
im Menschen stützt;
und daß der Baum zwischen ihnen [Sonne und Erde] ist, das ist der
Samâna;
der Wind ist der Vyâna. –
9. Die Glut [d.h. die Lebenskraft] aber ist der Udâna.
Darum, wenn die Glut sich legt,
dann geht er [der Mensch], zur aber-
S.566 maligen Geburt,
mitsamt den in den Manas eingegangenen Indriya's
(Chând.6,8,6),
10. und mit dem Gedanken, der ihn [in der Todesstunde] beschäftigt,
mit diesem ein in den Prâna;
und der Prâna, mit der Glut
[durch den Udâna] verbunden,
führt ihn mitsamt dem Âtman in
die von ihm [in der Todesstunde] vorgestellte Welt hinüber
11. Wer den Prâna weiß,
indem er ihn also weiß,
dessen Nachkommenschaft erlischt nicht,
und er wird unsterblich.
Darüber ist dieser Vers:
12. Wer Ursprung, Ausbreitung, Standort,
Fünffach Verteiltsein in der Welt
Und in sich selbst weiß des Prâna,
Dem wird Unsterblichkeit zuteil,
– dem wird Unsterblichkeit zuteil."
Vierter Prashna.
Dieser wichtige Abschnitt
behandelt vier Fragen, von denen sich die beiden ersten auf den Traumschlaf,
die beiden letzten auf den Tiefschlaf beziehen. Da die vier Fragen so gestellt
sind, daß sie eine Kenntnis der Antwort eigentlich schon voraussetzen,
– wie sie denn auch das voneinander sondern, was in der Darstellung verfließt,
– so dürften auch hier die beantwortende Darstellung das Ursprüngliche,
die Fragen zu ihr erst hinterher ersonnen sein. Der erste Keim des Ganzen
aber ist vielleicht wiederum der am Schlusse angefügte Vers, welcher
die unvergängliche (akshara)
Einheit preist, in der alle subjektiven Organe wie alle objektiven, ihnen
gegenüberstehenden Wesen begründet sind.
Nach den vier Fragen zerlegt,
ist der Inhalt folgender:
1) Was schläft [im
Traumschlafe] im Menschen und was wacht? – Antwort: Wie die Strahlen in
die untergehende Sonne, so gehen die zehn Indriya's
(Gehör, Gesicht, Geruch, Geschmack, Gefühl; – Rede, Greifen,
Zeugung, Entleerung, Gehen) 1
in das Manas ein, welches auch im Traumschlafe
wach bleibt.
1 Dies ist (nächst
Brh.2,4,11)
wohl die älteste Stelle, in der die zehn Indriya's
systematisch aufgezählt werden.
Außer ihm 2
wachen in der Brahmanstadt, dem Leibe, die
Prâna's als Wachtfeuer, oder
– mit Überschwanken dieses Bildes zu einem dem Inder geläufigeren
– als Opferfeuer, wobei Apâna, Vyâna
und Prâna mit Gârhapatya,
Anvâhâryapacana und Âhavanîya
gleichgesetzt werden.
2
Manas und Indriya's
stehen hier, wie im System der Vedântalehre,
den fünf Prâna's gegenüber,
während sie im vorigen Prashna unter denselben befaßt waren.
Samâna
heißt so, weil er Ausatmen und Einatmen (oben 3,5 hin-
S.567 gegen
die Nahrung mit dem Leibe) zur Vereinigung führt (samam
nayati), Udâna geleitet,
nicht nur wie sonst beim Sterben, sondern auch im Tiefschlafe, das Manas
usw. in Brahman.
2) Welcher Gott (d.h. welches
Organ) schaut die Träume? – Antwort: Das Manas,
indem es sie aus Früherwahrgenommenem und auch aus Nichtwahrgenommenem
bildet.
3) Wer genießt [im
Tiefschlafe] die Lust? – Antwort: Sie entsteht dadurch, daß das Manas,
vom Tejas [welches oben, 3,9 dem Udâna
gleichgesetzt wurde] überwältigt, keinen Traum mehr schaut.
Wer diese Lust genießt, wird hier nicht gesagt, sondern ist erst
aus dem Folgenden zu entnehmen.
4) Welches ist die Einheit,
in der alle Organe (Indriya's, Manas,
Prâna's) gegründet sind?
– Antwort: Der höchste Âtman (4,7)
oder der aus Erkenntnis bestehende (vijñânâtman),
in dem höchsten, unvergänglichen Âtman
beruhende Geist (4,9). In ihm beruhen:
a. Die
fünf Elemente (prthivi usw.)
and die fünf ihnen zugrunde liegenden Reinstoffe (prthivîmâtrâ
1 usw.);
1
Hieraus ist das spätere tan-mâtra
(Maitr.3,2 usw.) zu verstehen.
b. Die
zehn Indriya's (welche hier nochmals aufgezählt
werden) und die ihnen entsprechenden Objekte,
c. Manas,
Buddhi, Ahankâra, Cittam, Tejas, Prâna und die
ihnen zukommenden Funktionen. Manas, Buddhi
und Ahankâra (hier und Shvet.5,8,
nicht Chând.7,25,1,
zuerst als terminus technicus) erinnern an das Sânkhyasystem;
Cittam ist, neben ihnen, eigentümlich;
dem Tejas (oben = Udâna)
kommt vidyotanam Leuchtendmachen zu
(vgl. Brh.4,4,1–2,
wonach die Organe als tejo-mâtrâh
beim Sterben in das Herz eingehen, und dann die Spitze des Herzens pradyotate;
tena pradyotanena esha âtmâ nishkrâmati),
die Funktion des Prâna ist, wie
oben, Prashna 2, vidhâranam.
Die zum Schluß 4,10
angefügte Verheißung verfällt schon in den Wortlaut des
Verses, der hinterher 4,11 zitiert wird.
1. Da befragte ihn Sauryâyanin Gârgya:
"Erhabener! welche sind es, die in diesem Menschen schlafen,
und welche bleiben in ihm wach?
Welcher ist jener Gott, der die Träume sieht?
Wessen ist jene Lust [des Tiefschlafes]?
In welchem sind sie alle gegründet?" –
2. Und er sprach zu ihm:
"Gleichwie, o Gârgya, die Lichtelemente
der Sonne, wenn sie untergeht,
alle in jener Glutscheibe zur Einheit werden,
und, wenn sie aufgeht, immer wieder aus ihr hervorgehen,
also wird auch dieses alles im Manas als
höchster Gottheit zur Einheit;
daher kommt es, daß dann der Mensch
nicht hört, nicht sieht, nicht riecht, nicht schmeckt und nicht
fühlt,
nicht redet, nicht greift, nicht zeugt, nicht entleert und nicht hin
und her geht,
sondern, wie man sagt, schläft.
3. Dann wachen
S.568 die Prâna-Feuer
in dieser Stadt;
der Apâna ist das Gârhapatya-Peuer,
der Vyâna das Anvâhâryapacana-Feuer;
und das Âhavanîya-Feuer,
weil es vom Gârhapatya-Feuer hergeleitet
wird,
heißt von dem Herleiten (pranayanam)
Prâna.
4. Ferner, weil er die beiden Opfergüsse des Ausatmens und Einatmens
zur Einheit führt (samam nayati),
heißt er Samâna.
Das Manas aber ist der Veranstalter des Opfers,
und die Frucht des Opfers ist der Udâna;
der führt den Veranstalter Tag für Tag in das Brahman.
also begibt sich dieses alles in den höchsten Âtman
hinein,
8. die Erde und der Erdstoff,
das Wasser und der Wasserstoff,
die Glut und der Glutstoff,
der Wind und der Windstoff,
der Äther und der Ätherstoff;
das Auge und das Sichtbare,
das Ohr und das Hörbare,
der Geruch und das Riechbare,
der Geschmack und das Schmeckbare,
die Haut und das Fühlbare;
die Rede und das Sprechbare,
die Hände und das Greifbare,
das Zeugungsorgan und das Zeugbare,
das Entleerungsorgan und das Entleerbare,
die Füße und das Gehbare;
das Manas und das Vorstellbare,
die Buddhi und das Beschließbare,
der Ahankâra (Ich-Macher) und das
Ichmachbare,
das Denken und das Denkbare,
die Glut und das Glühbare,
der Prâna und das Aufrechthaltbare.
9. Denn dieser sehende, fühlende, hörende, riechende, schmeckende,
vorstellende, beschließende, handelnde,
das bewußte Selbst [die individuelle Seele] bildende Geist,
der ist in dem höchsten, unvergänglichen Selbste gegründet.
S.569
10. Und in das höchste Unvergängliche geht der ein,
welcher dieses schattenlose, körperlose, blutlose, helle,
«dies Unvergängliche, o Teurer, kennend»,
allwissend und zum All wird.
Darüber ist dieser Vers:
11. Wo das bewußte Selbst mit allen Göttern,
Die Lebenshauche und die Wesen weilen,
Dies Unvergängliche, o Teurer, kennend,
Wird man allwissend, wird man zu dem Weltall."
Fünfter Prashna.
Die Meditation des Brahman
bedarf, bei dessen gänzlicher Unerkennbarkeit, eines äußern
Symbols; als solches dient, je später um so mehr, der alte Opferruf
Om , nnd nachdem schon Kâth.2,15–17
seine Bedeutung als Inbegriff aller Veden (d.h. als das Brahman)
hervorgehoben worden war, so tut unsere Stelle einen Schritt weiter auf
dem von den spätern Upanishad's
so viel betretenen Wege, indem sie den Laut Om
in seine drei Morae (a + u + m)
zerlegt und für Meditation einer derselben alsbaldige Wiederkehr zu
einem bevorzugten Menschendasein verheißt (eine Auffassung, welche
mit der Lehre von Pitryâna und
Devayâna, wie sie Chând.5,3
fg. Brh.6,2
vorgetragen wird und auch oben, Prashna 1,
anerkannt wurde, in Widerspruch steht); zwei Moren fuhren, wenn sie meditiert
werden, zum Monde und zurück zum Erdendasein, entsprechend dem Pitryâna,
drei Moren in das Brahman, d.h. auf dem Devayâna,
von welchem keine Wiederkehr ist.
1. Da befragte ihn Shaivya Satyakâma:
"Wer, o Erhabener, unter den Menschen bis zu seinem Hinscheiden den
Laut Om meditiert,
welche Stätte erwirbt der dadurch?"
Und er sprach zu ihm:
2. "Fürwahr, o Satyakâma, der
Laut Om ist das höhere und das niedere
Brahman.1 Darum erlangt der Wissende, wenn er sich auf denselben stützt,
das eine oder das andere.
1 Hier nicht in dem spätem
Sinne dieser Ausdrücke als nirgunam
und sagunam brahma, sondern
so zu verstehen, daß sie dem Erkenntnisteile und dem Werkteile des
Veda, oder der höhern und niedern Wissenschaft
in Mund.1,1,4–6,
entsprechen.
3. Wenn er ein Element desselben meditiert,
so gelangt er, durch dasselbe belehrt, [nach dem Tode], schnell zur
Lebendigkeit.
Ihn führen die Rg-Hymnen hin
zur Menschen-
S.570 welt;
daselbst erlangt er Askese, Brahmanwandel
und Glauben (vgl. oben 1,2) und genießet Hoheit.
4. Wenn er zu zwei Elementen in seinem Denken gelangt,
dann wird er [nach dem Tode] von den Yajus-Sprüchen
emporgeführt in die Luft zur Somawelt
[zum Monde].
Und nachdem er in der Somawelt Herrlichkeit
genossen hat, so kehret er wieder zurück.
5. Wenn er hingegen durch alle drei Elemente des Lautes Om
den höchsten Geist meditiert,
so wird er, nachdem er in das Licht, in die Sonne eingegangen,
wie eine Schlange von ihrer Haut (vgl. Brh.4,4,7),
also von dem Übel befreit;
von den Sâman-Liedern wird er emporgeführt
zur Brahmanwelt;
dann schaut er ihn, der höher ist als dieser höchste Komplex
des Lebens [d.h. als die individuelle Seele1],
den in der Burg [des Leibes] wohnenden Geist.
1 So nach Shankara
zu Brahmasûtra 1,3,13, System
des Vedânta S.214. (Mit dem ebendaselbst
in der Anmerkung erwähnten Quidam stimmt überein der Kommentator
der Prâshna-Upanishad. Kann dieser
also wohl Shankara sein?)
Darüber sind diese Verse:
6. Drei Elemente, wenn man stirbt, verwendet,
Zusammenhängend und nicht anverwendet,
Indem den äußern, innern, mittlern Bräuchen
Vollauf genügt wird,– so steht fest der Geist.
7. Durch Rc's hierher, durch Yajus'
in den Luftraum,
Durch Sâman's dorthin, was die Weisen
verkünden,
Zu ihm, auf Om gestützt, gelangt
der Wisser,
Der jenes ruhig, alterlos, unsterblich, furchtlos Höchste ist."
Sechster Prashna.
Nachdem man sich gewöhnt
hatte, Prajâpati als das "vierundzwanzigteilige
[in 24 Halbmonate geteilte] Jahr" zu betrachten (Gesch.d.Phil.I,208), so
lag es nahe, auch in den fünfzehntägigen Halbmonaten ihn wiederzufinden
und das Schwinden und Anwachsen des Mondes als ein solches des Prajâpati
aufzufassen, von dem fünfzehn Teile nach und nach vergehen
und neu entstehen, während der sechzehnte Teil, als sein Wesen enthaltend,
beständig bleibt (vgl. besonders Brh.1,5,14).
Daher öfter von dem sechzehnteiligen Prajâpati
(Vaj.Samh.8,36), oder auch, indem man
S.570 das
Lebensprinzip von allen Teilen noch unterschied, von Prajâpati
als siebzehnteilig die Rede ist (Shatap.Br.10,4,1,16).
Prajâpati
als Vorbild nehmend, schrieb man weiter auch dem Menschen sechzehn
Teile zu, von denen fünfzehn schwinden und durch Nahrung wieder ergänzt
werden, während der sechzehnte Teil nur mit dem Leben selbst verloren
geht (vgl. namentlich die Erzählung Chând.6,7).
Wie wenig man übrigens ursprünglich wußte, welches die
sechzehn Teile sein sollten, erhellt daraus, daß Shatap.Br.10,4,1,17
die sechzehn Silben der Worte loman, tuac, asrj,
medas, mânsam, mâvan, asthi, majjâ (Haar,
Haut, Blut, Saft, Fleisch, Sehne, Knochen, Mark) dafür gelten. – Diesen
sechzehn Teilen des Menschen gilt die Frage unsere Abschnitts.
In der Antwort wird gezeigt,
a. wie aus dem Purusha
(d.h. hier dem Geiste, dem Âtman)
die sechzehn Teile hervorgehen;
b. wie sie in ihn zurückkehren.
a. Der
Purusha schafft
1) den Prâna,
als das Wesentlichste, an dessen Ausziehen nnd Bleiben sein eigenes Ausziehen
und Bleiben gebunden sei; ans diesem
2) Shraddhâ,
den Glauben, den wir schon in der Fünffeuerlehre als ursprünglichsten
Keim des Menschen kennen lernten (Chând.5,4,2.
Brh.6,2,9);
3–7) die fünf Elemente,
wobei die Nominative vâyur, âpas
statt der erforderlichen Akkusative sich aus Benutzung eines Verses erklären,
dem wir teilweise auch Mund.2,1,8
begegnen;
8) indriyam,
die zehn Sinnesorgane als Einheit gefäßt;
9) manas,
10) annam, Nahrung, 11) vîryam,
die auf ihr beruhende Kraft, 12) tapas,
13) mantrâh, die Hymnen
nnd Sprache, 14) karman, das auf ihnen
beruhende Werk, 15) lokâh,
die Welträume, deren Besitz durch das Werk bedingt ist; 16) nâman,
als die individuelle Bestimmtheit.
b. Die
Rückkehr dieser Organe in den Purusha
erfolgt wie die der Flüsse in den Ozean, welches, mit ähnlichen
Worten in Prosa wie Mund.3,2,8
in einem Verse, gelehrt wird.
Der ganze Abschnitt scheint
ans Reminiszenzen andrer Stellen zusammengesetzt zu sein.
1. Da befragte ihn Sukeshan Bhâradvâja:
"O Erhabener! Hiranyanâbha Kausalya,
der Königssohn, kam zu mir und tat diese Frage:
«Weißt du den sechzehnteiligen Purusha?»
–
tam aham kumâram abruvam
nâham idam veda
yady aham imam avedisham katham te nâvakshyam
iti
Zu ihm, dem Prinzen, sprach ich:
«Den weiß ich nicht;
denn wenn ich ihn wüßte, wie sollte ich ihn dir nicht gesagt
haben?
[Nach Chând.5,3,5
und ähnlichen Stellen, wo aber der Vater zum Sohne spricht.]
3. Dieser [Purusha] erwog:
mit wessen Auszuge werde ich selbst ausgezogen sein,
und mit wessen Bleiben werde ich bleiben? –
sa prânam asrjata
prânâc chraddhâm kham vâyur-jyotir-âpah
prthivîndriyam
mano 'nnam annâd vîryam tapo mantrâh
karma
lokâ lokeshu nâma ca (4)
4. Da schuf er den Prâna;
aus dem Prâna den Glauben,
den Äther, den Wind, das Licht, das Wasser, die Erde, das Sinnesorgan;
das Manas, die Nahrung; aus der Nahrung
die Kraft, das Tapas, die Mantra's,
das Werk,
die Welträume und in den Welträumen den Namen auch.
sa yathemâ nadyah syandamânâh
samudrâyanâh
samudram prâpyâs tam gacchanti
bidyete tâsâm nâma-rûpe
samudra ity evam procyate
evam evâsya paridrashthur
imâhshodasha kalâh
purushâyanâh
purusham prâpyâs tam gacchanti
bhidyete câsâm nâma-rûpe
purusha ity evam procyate
sa esho 'kalo 'mrto bhavati
5. Aber gleichwie diese Ströme fließend
zum Ozean ihren Gang nehmen
und, in den Ozean gelangt, untergehen,
wie ihre Namen und Gestalten verschwimmen,
und es nur noch Ozean heißt,
also auch geschieht es bei diesem Allschauenden,
daß jene sechzehn Teile zum Purusha
ihren Gang nehmen
und, in den Purusha gelangt, untergehen;
ihre Namen und Gestalten verschwimmen,
und es heißt nur noch der Purusha,
der aber verharrt ohne Teile und unsterblich.
tad esha slôkah (5)
arâ iva ratha-nâbau kalâ yasmin
pratishthitâh tam vedyam purusham veda yathâ mâ
vo mrtyuh parivyatha iti (6)
Darüber ist dieser Vers:
6. Wie Speichen in der Radnabe,
In ihm wurzeln die Teile fest,
Ihn, den man wissen muß, weiß ich,
Den Purusha, damit auch euch der
Tod erschüttre nicht."
7. Und zu ihnen allen sprach er:
"Soweit weiß ich das höchste Brahman,
nicht darüber hinaus ist es."
8. Da verehrten sie ihn und sprachen:
"Du bist unser Vater, der du uns aus dem Nichtwissen zu dem andern
Ufer hinüberführst."
Verehrung sei den höchsten Weisen!
Verehrung sei den höchsten Weisen!