14
So findet sich hier nun der Begriff des "Einen" ("ekasya"),
der schon in der späten vedischen Spekulation vorkommt, und zwar nicht
nur in der schon eben behandelten Hymne X, 129,2,
sondern auch in der zweiten Vishvakarman-Hymne
X, 82,2 und 6, nicht zu vergessen der
berühmte Vers im ersten Mandala,
164,46. Wichtig sind für uns die beiden Stellen aus dem zehnten Mandala,
zumal sie dem Hiranyagarbha-Prajâpati
-Mythos entsprechen. Das allesseiende Eine ist
dem hen der plotinischen Philosophie
vergleichbar; wie dieses ist es nicht unpersönlich - dies zeigt besonders
die Vishvakarmanhymne - sondern innerpersönlich,
aber zugleich ist es der reine Gipfel, der so wenig zu "überfragen"
ist wie die Brahmanwelt. Auffällig ist ja, daß in beiden
Sûktas die Nichterkennbarkeit sogar
für die Seher so auf die Spitze getrieben ist, und zugleich doch der
Standort der Weltgeburt in der Selbstgeburt des Allesseienden im manas
erforscht werden muß. Ganz deutlich wird hier, daß die
Fragen der zweiten Hälfte von X, 129,4
nicht Unlösbarkeit des Problems zum Ausdruck bringen, sondern gerade
die Lösung selbst, die im Nachvollzug der schaffenden Reflexion den
Geburtstag des Geistes feiert. So auch die
erste Vishvakarmanhymne: "Welches war
denn das Holz, welches der Baum, aus dem sie Himmel und Erde zimmerten?"
- das ist eine häufig gestellte Frage in späten Rgvedahymnen,
und nun die antwortende Frage, die Introspektionsanweisung: "Ihr Nachdenkende,
forschet in eurem Geiste (manasâ) darnach,
worauf er stand, als er die Welten befestigte?" Im Vers zuvor heißt
er "deva ekah", der "Gott, der Eine".
Es ist zum vorigen Vers des Shukânuprashna
schon ausgeführt worden, daß der Begriff des eka
zur sad-asat-Spekulation gehört
und dort das Seiende im Weder-Noch-Zustand vor seiner Geburt meint; nach
der Selbstgeburt - die den Übergang der Grenze von Sein und Nichtsein
aus dem Dunkel (Nichtsein) ins Sein selbst ausmacht - ist es manas,
oder vielmehr: ist es das Sein im manas, der
Denkende in seiner Selbstidentität? In unserem Text ist das Große
Wesen in diesen Übergang gesetzt. Das ist das gegenüber der sadasat-Spekulation
Besondere des Protosâmkhyâsystems, worin es sich schon von
der Fragestellung nach dem Übergang systembildend abzweigt. Doch geht
eine Identitätsachse vom Einen durch das Große Wesen zum manas,
durch welches das "Sein" sich in die Emanate mitteilt.
Aus dem Einen - in dem das Subjekt der ersten Hälfte des Verses
zusammengezogen ist - gebärt sich das "bhûtam":
das "Wesen", hier in aller Kürze nicht mehr das "Große" genannt,
wodurch sich der Produkt-Charakter verstärken könnte (wenn man
von den Zwängen des Versmaßes absieht). Dieses in seiner Bedeutung
schwankende Wesen erweist sich.in der Ableitungsfolge als das "Wovon" eines
Paares: "Feststehend und Beweglich". Zwar stimmt dies mit der Auffassung
des sonstigen Textes überein, indem mit diesem Paar die Polarität
innerhalb des manas begriffen werden kann.
Die Uneindeutigkeit des Großen Wesens in seiner manas-Rolle
kann
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gar nicht deutlicher ausgedrückt werden. Die Wahl der Formulierung
und der Bruch zwischen den einzelnen Versen (zwischen 31 und 32, dann zwischen
32 und 33) so wie das Fehlen einer Parallele in der Manusmrti
lassen annehmen, daß er im zugrundeliegenden Lehrstück
jedoch nicht enthalten war und ein Einschub ist. In vielen Manuskripten
fehlen überhaupt die Verse 32 bis 34. Der Schöpfungsübergang
wird durch diese Nähte dreifach gebrochen und neu angesetzt. Wahrscheinlich
setzt sich Vers 31 ab Vers 35 weiter fort, während Vers 32 (erster
Einschub) eine Einheit mit Vers 34 bildet, wozwischen der Vers 33 (zweiter
Einschub) eingefügt ist, doch schließt sich 34 an 35 gut an.
Vers 32 findet eine eingehende Behandlung in Hackers angemerktem Aufsatz.
Er faßt die beiden Genetive und die beiden Nominative in 32 cd "ekasya
bhûtasya - bhûtam dvayam" jeweils zusammen: "das eine
Wesen von dem ... das Ganze dieser Welt, bestehend aus unbeweglichen (leblosen)
und beweglichen (lebendigen) Wesen, ein Paar ist (oder: wurde)". Diese
Übersetzung identifiziert das brahman mit
dem bhûtam, welches hiermit zugleich
das Eine ist, und stellt dem ein anderes bhûtam
gegenüber, welches als Paar hervorgeht oder in ihm sich polarisiert.
Das hat neben der syntaktischen Schwierigkeit vor allem Sinnerschwernisse
gegen sich. Nicht, daß das - auch von ihm in dem "Paar" vermutete
manas nun (mangels der Vermittlung durch das
bhûtam) zu sehr an das brahman
gerückt sei, - die Prinzipstellung des manas
ist ja vor der Sâmkhyâentwicklung
die Norm - sondern die Unbestimmtheit des bhûta-Begriffs
in Hackers Übersetzung bringt besondere Schwierigkeiten mit sich.
Er wird bedeutungslos, ist nicht mehr Keimzelle der mahâbhûta-
und mahat-Spekulation; zudem reißt er
das brahman, ja sogar den stets möglichst
rein gebrauchten Begriff des ekam in die Doppeldeutigkeit
des "Wesens" bzw. "Produkts", während er den gleichen Begriff in derselben
Zeile auch auf das Paar des Beweglichen und Unbeweglichen anwendet und
nun in Entgegensetzung zum ersteren bhûtam.
Mit der Emanationslogik stimmt dies schon gar nicht überein.
Was ist nun mit dem Festen und dem Beweglichen gemeint? Entweder sind
dies weitere Geschöpfe, etwa "Pflanzen und Tiere", oder, nach Hacker,
"Lebloses und Belebtes" - allein dann ist das "Paar" nur eine äußere
Summierung, nicht aber die Art von Polarität, die durch "sad-asat"
oder "vyaktâvyakta" zum Ausdruck gebracht
wird - oder es ist solch eine Spannungs-Polarität, dann aber sind
die Pole noch keine über manas hinausgehenden
Geschöpfe. Da der Doppelbegriff nicht direkt – später, Vers 46
ff, kommt er wieder vor - aufgegriffen wird, läßt sich dies
an diesem Text nicht ohne Weiteres entscheiden. Wenn es die manas-immanente
Gegensätzlichkeit anzeigen soll, so bezieht es sich am ehesten auf
Seinsidentität (sthâvara) innerhalb
seiner Selbstentfaltung (jangama); jagat,
die Welt, ist dann seine bewegliche Seite,
16
während er selbst als Lenker ("yama"
in Vers 72) in sich bleibt. Die Manusmrti
läßt in Vers 14 aus dem manas
den ahamkâra hervorgehen, der
zugleich als îshvara bezeichnet wird,
woran der attributive Gebrauch dieses Begriffes möglich wird. Die
Verdopplung der Entfaltungsstufen durch die Selbstgeburt aus dem goldenen
Ei, wodurch der vorherige Selbstbefruchter gewissermaßen als sein
eigenes Kind, sein eigenes Geschöpf neu hervorgeht, könnte auch
hier eine Rolle spielen. Das unentfaltete "sad-asad-âtmakam"
von Vers 11 wird als Purusha = Brahma
geboren und emaniert das manas , aus welchem
der îshvara-ahamkâra hervorgeht.
Eine weitere Emanationsstufe ist mit dem Vers 42 des Shukânuprashna
zu vergleichen, indem dort eine wiederum neue Selbstidentität
als mahâtma âtman gefunden wird.
Man sieht, daß die später üblich gewordene Emanationsfolge
geradezu umgekehrt erscheint, wenn man nicht eine durchgehende Identitätsachse
des "sat" annimmt, vom brahman
im (bzw. als) zurückgehaltenen (Schlaf) tapas-Zustand
über sein Aufwachen als Großes Wesen durch seine reflexive Identifizierung
als manas in das große gemeinsame Opfer
als Purusha.
ahar mukhe vibuddhah sansrajate
(')vidyayâ
jagat
agre eva mahâbhûtam âshu
vyaktâtmakam manah (33)
33) Der im Tagesbeginn Erwachte emaniert
mit dem Wissen (bzw.
mit dem Unwissen)
die Welt,
im Anfang nämlich sofort das Große
Wesen, das Bewußtsein, das selbst entfaltet ist.
Nun wird ein instrumenteller Faktor eingeführt, der den Übergang
charakterisieren soll. Nur wenige Manuskripte haben einen Avagraha
vor das "vidyayâ" gesetzt, der
mit seiner Negation einen scharfen Dualismus (im ersten Sinne) in das System
hereinträgt. Mit der Schöpfung durch Reflexion des sich selbst
Gebärenden ist die Deutung "mit dem Wissen" verträglicher. Sonst
stünde der Erwachte (bzw. mit 10 Manuskripten: das Erwachte) einem
Nichtwissens-Substrat gegenüber, aus dem die beiden folgenden Emanate
hervorgehen, wie im klassischen Sâmkhyâsystem
aus der prâkrti, Nun, durchaus
ist die prâkrti mit dem Dunkel,
dem Nichtsein, den Urwassem identifiziert worden, in denen das feurige
Sein samenkornartig eingeschlossen war. Selbst als Substrat einer demiourgischen
Schöpfung käme hier dem Nichtwissen eine zugleich instrumentelle
Rolle zu, dem Erwachten zu seinen Emanationen zu dienen. Aber: Woraus erwacht
er? Wie wird das Nichtsein instrumentell? In diesen beiden Bezügen
erweist sich auch die Deutung "Nichtwissen" nicht fähig, einen so
harten Dualismus in das Emanationsgefüge hineinzutragen, wie wir ihn
in der späteren Systembildung finden. Entweder benutzt also der Wissende
sein Wissen reflexiv, um die Keimhülle (=Zurückhaltung) des Nichtwissens
(Nichtseins) erwachend zu sprengen, oder (mit Avagraha)
er benutzt als Wissen das Nichtwissen demiourgisch, als "sad-asad-âtmaka",
manas .
17
Ein weiterer Ambivalenzschritt in der Emanationsfolge ist das Verhältnis
von Großem Wesen und manas, da ein fehlendes
"und" die Deutung zuläßt, das eine sei Attribut des anderen,
und zwar wechselweise uneindeutig. Daß anstatt "mahabhûtam"
"mahâbhûtam" genannt wird, ist
kein besonderes Problem, zumal 19 Manuskripte die alte, nichtkomponierte
Version des Begriffs bringen. Nun, inhaltlich betrachtet ist es nicht bedeutsam,
ob die anzunehmende Identitätsachse des sofort Daseienden und seiner
schaffenden Reflexion in die Formulierung durchbricht oder nicht. Die Formulierung
knüpft zudem an schon Gesagtes an, vielleicht nur, um einen Einschub
passend an das Folgende anzugliedern. Vers 31 cd wird hier variiert. Die
Emanation des jagat wird im folgenden stärker
auseinandergegliedert; dabei werden die beiden Ursprungs-Emanate mit den
aus ihnen hervorgehenden in einer Summe zusammengefaßt.
abhibhûyeha cârcishmad vyasrjat
sapta mânasân
dûragam bahudhâgâmi prârthanâsamshayâtmakam
(34)
34) Hier in Konkretheit übergegangen
ließ das Flammende sieben Bewußtseinsarten hervorbrechen,
das Weithinreichende, in viele Formen Ausgebreitete,
aus Begehren und Zweifel bestehende.
"abhibhûya" klingt von der Wurzel
her an das Wesen, "bhûtam", an, das
als das Übergehen der Seins-Nichtseins-Grenze vom Nichtsein ins Sein
interpretiert worden ist. Dies Übergehen wurde mit Entfaltungsbeginn
greiflich, indem von diesem punktuellen und zugleich alles umgreifenden
Sichgebären an die Entwicklung als manas anhebt.
Grenze im Nichtsein - das bedeutet nur dies: Sichzurückhalten
in seinem absoluten, unendlichen Konkretisierungsdrang. So, durch Zurückhaltung
(tapas) im Dunkel verschlossen, erweist sich
die hervorbrechenwollende Glut (tapas) erst
dann als Sein, wenn sie die Unterscheidung beider Seiten des tapas
in sich hineinnimmt und am Dunkel flammend hervorbricht - als das,
was es ist.
Die sieben Bewußtseinsformen, die manasartigen,
erinnern an die sieben Flammen in der Mundaka-Up.
1,2,4 f; 2,1,8 - wo vom Opferfeuer abgeleitet ihre weltumspannende
Bedeutung hervorgeht. Zugleich vertreten sie dort die schon entfaltete
manas-Seite und müssen vom Erlösungssuchenden
überstiegen werden, zur brahmanwelt hin.
.Nun, dies Bild wird hier nicht expliziert, es "hält sich in dem einen
Flammenden zurück", dafür wird es "sâmkhyisiert",
im wahrsten Sinne des Wortes: Eine Zahl ordnet das bhûtam
und seine manas-Reflexion mit den ab
Vers 36 genannten Empfindungs-Elementen dieser Reflexion zu einem Ganzen,
das somit unsere Fünfergruppe deduktiv-systematisch umgreift.
Eine neue manas-Polarität wird genannt:
Begehren und Zweifel. Dies ist die erste psychologisierende Kennzeichnung
des manas, wenn sie auch aus der Subjekt-Objekt-Polarität
abgeleitet werden kann, indem das erste eine Objekt- (artha-)
Sucht und das zweite eine in sich gefangene Subjektivität anzeigt.
Diese psychologischen
18
Qualitäten gehören später als Vermittlungen zwischen
dem bisherigen Subjekt und dem folgenden Objektsbereich dem rajo-guna
an; dann wird das Große Wesen als Buddhi zum sattva-guna
und die Dunkelheit des hinaus-dualisierten Nichtseins bleibt tamas.
Noch nicht so zählend-unterteilend wie die spätere Sâmkhyâ-Theorie
betont dagegen das Shukânuprashna die
umgreifende Vermittlung zu einem Großen Wesen, das vom Absoluten
noch nicht getrennt eben dieses selbst in seiner ursprünglichen Offenbarung
ist. Am zahlenmäßigsten ist die Fünfergruppe, doch wird
auch sie in die reflexive Einheit der wesenhaften Einheit aufgenommen und
ist so dem Aufwachenden immanent. Zwischen mahad
bhûtam und mahâbhûtam wird
noch nicht getrennt.
manah srshtim o vikurute codyamânam
sisrkshayâ
âkâsham jâyate tasmât
tasya shabdo guno matah (35)
35) Das Bewußtsein wandelt sich zur
Schöpfung, indem es von seinem Schöpfungsdrang getrieben wird.
Aus ihm geht der Äther hervor, als dessen
Eigenschaft der Klang bewußt ist.
Die zuvor angesetzte Identität von brahman,
bhûtam und manas
erweist sich als gültig, indem die "sisrkshâ",
die hervorbrechenwollende Schaffensglut des Einen in seiner kosmischen
Ekstasis, dem manas zugeschrieben wird. Die
im vorigen Vers genannten psychologischen Kennzeichnungen sind von dieser
dynamisch-idealistischen gleichsam aufgesogen.
Die Elemente sind in Reihenfolge und Eigenschaften (hier noch gunas
genannt) die sâmkhyâüblichen.
Die Reihung vom Feineren zum Gröberen entspricht dem Emanationsprinzip;
daß die gröberen "Elemente" vor ihren ihnen gegenüber feineren
Qualitäten genannt sind, mag dann verwirren, wenn man die "Elemente"
als bloßobjektive Substanzen auffaßt. Als solche müßten
sie aber von außen her in das Bisherige aufgenommen worden sein -
als nicht nur starrer Systemsplitter, sondern auch völlig anders prinzipiierter
Ableitungsgang.
Zunächst sind die Eigenschaften nicht als "zweite Fünfergruppe"
von ihren "Elementen" abgetrennt, wie im klassischen System, wo sie quasisubstantiell
zwischen den Organen und den groben Elementen deren Wesensmatrizen (tanmâtras)
bilden. Sie sind hier Kennzeichnungen der Bewußtseinsart, die sich
in ihrem Emanat als ihrem Element bewegt, sind Auffassungsweise letztlich
sogar des Einen Wesens, das manas-artig polar
in Selbstgebärung sich aus-bildet und in Bewußtsein wieder ein-bildet.
Zwar werden im Allgemeinen die kleinen Wörter "jâyate"
und "matah" in der Fünfergruppe
nur als "entsteht" und "ist" aufgefaßt, wie es abstraktiver Erstarrung
entspricht, aber hier geht als Ursprung eindeutig ein janma
und als Auffassen das allbegreifende Bewußtsein selbst voraus.
Da wird es fraglich, ob die verblaßte Bedeutung dem genügt.
Dies muß sich an der Deutung der Gewordenen zeigen. Ja: abstrakte
Substanzen hätten keine Empfindungen als Eigenschaft an
19
sich. Auch können solche Substanzen nicht als Emanate, sondern
höchstens als Umbildungen der Nichtseins-Flut hervorgehen, d.h. nur
als Emanate eines selbst nicht Emanierten - später die prâkrti.
Selbst die prâkrti ist nicht
Materie, wie leider viel zu oft behauptet wird, denn sie ist ja Grund auch
alles Subjektiven, mit dem das Objektiv-Materielle der "Gewordenen" korrespondiert;
und wenn die groben Elemente im Tod abgestreift werden, bleiben noch die
19 tattvas des linga-sharîra
übrig, die nichts Materielles an sich haben. All dies ist nur
quasi-materiell, denn es ist nicht rein-objekthaft.
Angenommen, das spätere klassische Sâmkhyâsystem
habe sich auf einem Weltanschauungs-Systemgrund gebildet, der nicht Selbsterzeugung,
sondern Gefangenwerden des Geistigen in einem Einen Äußerlichen,
also Inkarnation in eine gemeinsame Eigenschaftenwelt zum Grundmuster des
Daseins erklärte, so wäre auch dort dieses Gemeinsame noch nicht
Materie im rein-objekthaften Sinne. Diese "Materie" ist in Systemen wie
dem Jainismus doch nur eine Matrix, bestehend
woraus? Aus karman, geformt in Monaden. Und
die letzte Matrix des klassischen Sâmkhyâsystems
bildet das Aufeinanderwirken der drei Konstituentien, als deren Wirken
alles Wirken erkannt werden "soll" - um von diesem Gefängnis frei
zu werden. Die Geister sind nicht in Materie, sondern im Wirken und Handeln
gefangen.
Ganz entgegengesetzt ist die monistische Emanationsauffassung, wo in
zwei vedischen Hymnen der "Gott, der Eine",
der aus der Bewegung seiner Arme und Flügel
die Welt zusammenschweißt, der Selbstgebärungskeim, "Vishvakarman"
genannt wird, nicht, um ihn dem Geistigen als Gefängniskraft, sondern
um ihn als Tätigkeit, Opferhandlung, "Selbstopferer", und darin fast
unschaubar höchstgeistig darzustellen.
Nun löst sich gerade diese monistische Auffassung vom Ineinanderleben
der vedischen Geschehnisse und von der Ineinanderdeutung
der upanishadischen Erfahrungsexperimente
langsam ab; sie steht aber noch nicht auf dem Boden des szientistisch anmutenden
Systematisierens, wie es dem Jainismus, bei
allen Aussagenvorbehalten des Buddha doch auch dem Buddhismus, in den sechs
Systemen später dem Vaisheshika-,
teilweise dem Nyaya-, dem Yoga-
und unserem Sâmkhyâ-System
zugrunde zu liegen scheint. Das Verhältnis dieser szientistischen
Strömung zur Strömung der "Frage nach dem Übergang vom Weder-nichtseiend-noch-seiend
zum Sowohl-als-auch", die vielleicht die Hauptströmung der Opfer-Spekulation
weiterführt, wäre Thema einer anderen, umfassenderen Untersuchung.
Nur die Festgelegtheit der Fünfergruppe mutet in unserem Text
szientistisch an. Zwei alte Textstellen allein scheinen noch einen Rest
der verteidigenden Diskussion zu enthalten; die eine, kleinere, hier, in
Vers 40, die andere im Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda,
MBh. XII, 182-192 (Calcutta-Ausg.). Dort ist die feste Gruppe noch nicht
herausgebildet. Auf der anderen Seite etwa kommt der Manu-Bhrhaspati-Samvâda
von der
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extrem-dualistisch szientistischen Auffassung her dem Sâmkhyâsystem
entgegen, ja, ist viel mehr sâmkhyâsystematisch
als das Shukânuprashna. (jener
in MBh. XII, 201-206). Dort bestätigt sich auch, daß der
scharfe Dualismus mit der karma-Negations-Lehre
zusammenhängt, der dort das Meiste des Textes gewidmet ist. Außer
der schon festen Fünfergruppe finden sich auch die "oberen "Wesensglieder"
als prâkrti (pradâna),
buddhi, shamkâra
und manas (bzw. abhimâna)
aufgeführt und insgesamt mit allen anderen linga-sharîra-Bestandteilen
(!) als bhûtam benannt. Wichtig ist
die Abtrennung des im bhûtam als verstrickt
konkretisierten bhûtâtman vom
jñânâtman,
der völlig transzendent ist.
So, wie auf der "szientistischen" Seite sowohl der Dualismus (in beiden
Bedeutungen) als auch die Auflistungs-Systematik entwickelt und erstarrt
uns entgegentritt, so sehr fehlen die Diskussions-Zwischenglieder zwischen
der emanativen Auffassung (Opferbefürworter?) und der monadischen
(Opfergegner?). So ist auch zu vermuten, daß gleiche Wörter
nicht - auch bei Übernahme nicht - denselben Begriff meinen. So hier
bezüglich des bhûta-Begriffs. Es
ist eine Spannung anzunehmen zwischen dem sinnlich-verstrickenden karma-Konzentrat
der erlösungs-betonendan sizientistischen Lehren und dem reflexiven
Selbsterfahrungsfeld (manasa) der opferspekulativen
Emanationslehren. (Bemerkenswert ist, daß diese sich einen lebendigeren,
jüngeren Charakter bewahren als jene, die viel früher in "klare
systematische Verhältnisse" übergehen.) Wirklich abstrahierende
Systematik, die sich nicht mehr mit den erfahrungsexperimentellen Bilderwelten
der upanishadischen Fragen - bis hin zur Frage nach dem Übergehen
des Einen in die Emanation - zufriedengibt, ist wohl erst auf diesem starreren,
zählenden Boden möglich. Schon die Upanishaden zeigen
etwas von dieser Systemspannung; nicht nur durch ihr verschiedenes Alter
und damit Einsickern der karma-Negations-Lehren,
sondern auch durch Standesunterschiede bedingt. Die im kshatriya-Stand
wurzelnde Brhadâranyaka-Up. ist
systematisch doch viel klarer als die brahmanische Chândhogya-Up.
Doch sind auch Yajñavalkyas
Lehren noch von der Durchfragung experimenteller Allineinanderdeutung
getragen und gründen einen Monismus, dessen Absolutes nur deshalb
"nichterfahrbar" ist, weil es ohne äußeren oder substrathaften
Gegensatz ist. Es weiß und erfährt sich durch dieses Experiment
selbst ja als das Eine. In den frühen Upanishaden
wird alles positiver Kanal der Kommunikationsgewebe erfahrungweckender
Fragen. Da haben Wörter, die später Elemente bezeichnen, einen
ganz anderen Sinn als in einer Erlösungslehre, die damit Hemmnisse
und Verführungen bezeichnet.
Hier nun, im Shukânuprashna, wird
diese Spannung fast zur Äquivalenz der Standpunkte gebracht, indem
vom emanativen System aus die "oberen Wesensglieder" entwickelt werden
und vom karma-negierenden aus die "unteren
Wesensglieder", wodurch der bhûtabegriff
geöffnet wird, beides noch emanativ zu umfassen. So ist es nur die
nichtdiskutierte Starrheit der Fünfergruppe, die aus dem zweiten stammt.
21
âkâshat tu vikurvânât
sarva gandhavahah sucih
balavâñ
jâyate vâyus tasya sparsho guno matah (36)
36) Aus dem Äther nun, aus seiner Umwandlung,
entsteht der alle Düfte tragende,
reine, starke Wind, als dessen Eigenschaft
Berührung bewußt ist.
vayor api vikurvânâj jyotir
bhâtam tamonudam
rocishnu jâyate tatra tad rûpa-gunam
ucyate (37)
37) Aus der Umwandlung von Wind entsteht das
Lichtwesen, dunkelheitverscheuchend,
leuchtend, in ihm, das gestalteigenschaftlich
genannt wird.
jyotisho 'pi vikurvânâd
bhavaty âpo rasâtmikâh
adbhyo gandha-gunâ bhûmih
pûrvaishâ srshtir udyate
38) Aus der Umwandlung des Lichtes dann entsteht
das Wasser, das aus Geschmack besteht;
aus dem Wasser die geruchseigenschaftliche
Erde, a) dies wird die frühere
Schöpfung genannt.
b)
(18 Manuskripte:) (dies) wird von den Früheren
(pûrvaih)
die Schöpfung genannt.
c)
(9 Ms:) (dies) wird von allen (sarvaih)
Schöpfung genannt.
gunâh pûrvasya pûrvasya
prâpnuvanty uttarottaram
teshâm yâvat titham yad
yat
tat tat tâvad gunam smrtam
(39)
39) Eigenschaften von Vorhergehenden folgen
jeweils aus dem Vorhergehenden als jeweils Spätere;
wieviel von diesen das eine aus dem einen,
das andere aus dem anderen, gesetzt sind,
soviele gelten (zugleich bei dem Element mit
der entsprechenden Ordinalzahl) als Eigenschaft.
Das, was nach Vers 38 "srshti",
emanative Schöpfung, genannt wird, ist dies nur als ein Gesamtes.
Die einzelnen Schritte von Wesen zu Wesen erfolgen bloß durch "vikurvâna",
"Umwandlung" vom einen in das andere. Dieser Begriff (als Verb) wurde schon
oben gebraucht, bei Vers 31, wo es hieß,
daß das brahman sich wandelt (bzw. nach
der anderen Möglichkeit: daß es gewandelt wird), dann aber von
Emanationen die Rede war. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, daß
einem "Geborenwerden" oder Entstehen immer ein vikurvâna
des Woraus vorangeht, z.B. Vers 35, wo das Bewußtsein
sich in sich wandelt - hinsichtlich der Emanation, die zuerst den Äther
hervorbringt. So war es auch oben: brahmans Wandlung
bedeutete zugleich Emanation des Großen Wesens und daraus des manas.
So bedeutet die Wandlung in sich des manas die
Emanation der Elemente als Gesamtes, wobei die einzelnen Elemente jeweils
durch Wandlung des Vorhergehenden geboren werden.
Oder vikurvâna wird als Entfaltung,
"Sich-aus einander-Machen" genommen. Das läuft auf das Gleiche hinaus,
wenn man davon ausgeht, daß das Entstehen aus Sich-Umwandlung des
Vorhergehenden dem Vorhergehenden wesensmäßig immanent bleibt.
Entfaltung, wenn sie dasselbe darstellen sollte, müßte den vorhandenen
Qualitätsrahmen ausnutzen, d.h., neben den neu herausentwickelten
Qualitäten bleiben die alten, und die neuen waren nur latent in den
alten. Vorstellbar ist dies wie eine Pflanzenentfaltung: Ins Keimblatt
eingewickelt die Blätter des Sproßes, die nacheinander über
das vorherige hinauswachsen und doch davon umschlossen bleiben, (Gras);
oder bei einer Blüte, wo immer innere und feinere sich ent-falten,
und doch innerhalb der umfassenderen bleiben, bis in den innersten "Blättern"
etwas hervortritt, das als Keimanlage die gesamte Pflanze in sich enthält.
Das ist aber wieder zuviel, denn so müßte die Geburt Prajâpatis
aus dem letzten Wesen neu erfolgen - oder ist dies nicht vielleicht
doch gedacht worden und liegt den Verdoppelungen der Manusmrti
z.B. zugrunde?
22
upalabhyâpsu ced
gandham kecid brûyur anaipunât
prthivyâm eva tam vidyâd
âpo vâyum ca samshritam (40)
40) Wenn, irgendwelche, nachdem sie am Wasser
Wahrnehmungen gemacht haben,
ihm Geschmack zuschreiben sollten, so ist dies aus Ungenauigkeit,
(denn) man soll ihn an der Erde wissen, als den
mit Wasser vereinigten Wind.
Dieser Vers scheint noch eine vorausgehende Diskussion nachklingen
zu lassen, in der die schwierigste Entsprechung von Element und Eigenschaft,
nämlich die Entsprechung von Erde und Geruch, zu begründen war.
Das Erdhafte wird wohl damit auch dort als Entsprechung zum Geruch aufgefaßt,
wo keine wahrnehmbare Erde sich befindet. Dieses Erdhafte ist selbst eine
Verbindung von Wasser und Wind, so daß nicht das Wasser alleine Geruch
haben kann, sondern nur in Verbindung mit Luft, wo es zugleich die Erdqualität
weckt, die in ihrer Verbindung latent zu sein scheint, und das ist der
Geruch.
Die Art der Begründung erinnert an den Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda,
MBh. XII, 183 f, wo die Ineinanderverwandlung der Elemente in seltener
Weise zur Diskussion steht. Vielleicht ist jener Text ein Sammelbecken
verschiedener Lehrstücke gewesen, so daß neben Anordnungen,
die mit dem Sâmkhyâ-System nichts
gemein haben, sich auch unsere Wesen-Eigenschaften-Parallele findet, gekoppelt
mit medizinischer Aufzählung der jeweiligen Wahrnehmungsarten. Von
besonderem Interesse mögen die Stellen sein, wo die den Wesen zugehörigen
Eigenschaften so behandelt sind, daß sie nicht subjektiv-eingeschlossen
sind und.somit ihre "Elemente" auch nicht außerhalb des Lebens ihrer
Wirkungen - und das sind die Eigenschaften - stehen. Am Fluß der
Wirkungen wird Element und Eigenschaft erkennbar und einfühlbar, so
daß etwa der Baum Geschmack hat, weil er Wasser trinkt und an ihm
unterscheidbar ist, ob es ihm zuträglich ist oder nicht. Die Fünfzahl
der Elemente wird "begründet", eine "jîva"-Kontroverse
entwickelt sich zwischen Bhrgu und
Bharadvâja, die Entstehung der Kasten
wird hinterfragt, alles steht in lebendiger Diskussion. Als bewegte und
materialreiche Vorstufe nicht nur zum Sâmkhya-System
hat dieser Komplex eine besondere Schlüsselstellung. Er ist relativ
szientistisch und befaßt sich überwiegend mit den "unteren Wesensgliedern"
- das "jiva"-Problem ist auffällig und
zeigt Verwandtschaft zum Pañcashikhavâkya,
wo eine ähnliche Problematik den Anlaß zu einer Sâmkhyâ-Systematik
gibt. (MBh XII, 211 f).
Auf dieser medizinisch-psychologischen Ebene konnten sich auch Szientismus
und Spekulation am ehesten vereinigen, wobei das nachhaltig Bleibende leichthin
das ist, was der Abstrahierung entspricht, während die Erfahrungskonkretisierung
der hier spekulativ genannten Richtung mehr für den Vollziehenden
im Akt seines Vollzuges eine Rolle spielt. Der Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda
geht erkennbar nicht auf die upanishadischen
Erfahrungsexperimente aus, sondern er beobachtet und abstrahiert.
Ihm ist die Fünfzahl der bhûtas als
zu geringe ein Problem, während der emanative Monismus ihre Identität
und innere Erzeugungsdynamik braucht, im Punkt "Ineinanderverwandlung der
bhûtas" können sich beide treffen,
auch wenn ersterer ihre objektive Erklärung und der zweite ihr Leben
als "ICH SELBST" meint.
23
ete tu sapta purushâ nânâvîryâh
prthak-prthak
nâshaknuvan prajâh srashtum
asamâgamya sarvatah (41)
41) Diese sieben purushas,
mit mannigfachen Kräften versehen jeder einzelne, schufen (noch) nicht
die Geschöpfe, solange sie noch nicht
von allen Seiten zum Emanieren ausammengekommen waren.
te sametya mahâtmânam anyonyam
abhisamshritâh
sharîrâshrayanam prâptâs
tatah purusha ucchyate (42)
42) Diese, zu einem Großen Selbst zusammengekommen,
vereinigten sich miteinander;
sie nahmen einen Körper an; daher heißt
er Purusha (Mensch).
shrayanâc charîram bhavati
mûrtimat shodashâtmakam
tadâvishanti bhûtâni mahânti
saha karmanâ (43)
43) Wegen (ihrer) Abhängigkeit (voneinander)
wird der Körper gestalthaft, aus sechzehn bestehend;
in ihn gehen die Großen Wesen zusammen
mit dem Werk (karman)
ein.
sarvabhûtâni câdâya
tapasash caranâya ca
âdikartâ mahâbhûtam
tam evâhuh prajâpatim (44)
44) Und alle Wesen (Elemente) aufgenommen
habend, und zum Wandel das tapas,
ist das Große Wesen der Urschöpfer;
ihn allein nennen sie Prajâpati.
sa vai srjati bhûtâni sa
eva purushah parah
ajo janayate brahmâ diva-rshi-pitr-mânavân
(45)
45) Dieser nun emaniert die Wesen (Elemente);
dieser allein ist der höchste Purusha;
als der ungeborene Brahma
gebärt er die Götter, Seher, Väter
und Menschen,
lokân nadîh samudrâsh ca
vishah shailân vanaspatîn
nara-kimnara-rakshâmsi vayah-pashu-mrgoragân
avyayam ca vyayam caiva dvayam sthâvara-jangamam
46) die Welten, die Ströme und die Meere,
die Himmelsrichtungen, Berge, Waldväter (Bäume),
naras, kinnaras,
Dämonen, Vögel, Vieh, Wild, Schlangen,
und das Unveränderliche und das Veränderliche,
beides: Feststehendes und Bewegliches.
Die oben Vers 34 als "mânasas" bezeichneten
Ur-Emanationen des aufwachenden, "übergehenden" Brahma
erscheinen nun als "purushas",
womit ein wandlungsreicher Begriff angesprochen ist. In Rgveda
X, 90 ist der Purusha das
kosmische Urwesen, durch dessen Opferung die ganze Weit entsteht; als Uropfer
bildet er die Identitäsachse der Welt durch alle Opfer hindurch. Schon
in dieser Hymne ist er selbst auch Hiranyagarbha-artig,
wenn man in Vers 5 "Aus ihm ist die Virâj geboren
und aus der Virâj der Purusha"
auf die Bildung des goldenen Eies und sein Hervorbrechen daraus beziehen
will. Ohne Zweifel ist er später diese Prajâpati-Gestalt,
die sich selbst gebärt und durch Reflexion darauf (oder darin) die
Welt erzeugt.
Wie geschieht der Übergang vom "Uropfer" zum Selbst-Reflektor?
Eine erfahrungs-experimentelle Verinnerlichung des Opfers, - von der ja
alle frühen Upanishaden ansetzen
- ist Voraussetzung dazu. Das Opfer - im Wesentlichen Feuer - ist tapas
im Übergang, bisher zurückgehaltene Schöpfungsglut
unter einer sein Übergehen ordnenden Regel ("so ordneten sie die Welten"
RV X, 90,14; "dies waren die ersten dharmas",
16 b).
Der Opfersymbolik entstammt wohl auch die Siebenzahl, vgl. oben die
Besprechung der "mânasas", Vers.
34. Der spätere, abstrakte purusha-Begriff
dagegen bezeichnet die im ihnen gänzlich fremden guna-Wirkungssubstrat
gefangenen Monaden - wenn man bei ihrer abstraktiven Transzendenz so sprechen
darf. Das Shukânuprashna, wie auch der
Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda,
befindet sich zwischen solch einer jîvalehre
- diese überwiegt im letzteren - und einem emanativen Monismus. Die
aus
24
Einem hervorgegangenen Sieben vereinigen sich wieder - um aus dieser
neuen Einheit erst die Welten hervorgehen zu lassen. Die Manusmrti
knüpft das Gleiche deutlich an die Bildung und Geburt aus dem
goldenen Ei an, so, daß das System
des Einen Göttlichen in vielen Formen eine fließende Brücke
erhält zum System der vielen Geistigen an einem Substrat. Denn das,
wozu sich die umfassenden Wesen (Elemente), diese Umwandlungen des Großen
Wesens in seiner manas-Reflexion, zusammenschließen,
nimmt einen Körper an, oder schärfer: erlangt die Körperabhängigkeit
- ohne daß dies schon der grobstoffliche Körper sein muß,
wie aus dem Folgenden hervorgehen könnte. Sie kommen also nun "um
zu emanieren" zusammen - als ob Emanation noch nicht erfolgt wäre
und sie dazu erstmalig vereinigt seien. Sie kommen nunmehr zu einem "Großen
Selbst" zusammen - als ob sie nicht aus einem Allesseienden kämen.
Eine Umkehrung der Ableitungsrichtung des emanativen Prozesses scheint
hier hereinzuspielen. Nun, scheint es, wird das Große Wesen erst
erzeugt, gewissermaßen zusammengeschmolzen aus Mehreren. Und dann
erst beginnt - von diesem nunmehr Prajâpati
genannten Großen Wesen (Elemente) - das Emanieren. So, als
habe das Bisherige einen Kreis beschlossen und die Entwicklung kehre in
ihren Anfang zurück. Oder, so, als ob der erste Emanationsprozeß
nun gespiegelt wurde in das Sichvereinigen der Emanate, und dem Sichentlassen
des brahman ein Aufnehmen und Empfangen von
seiten eines "unteren Spiegel-Ichs" gegenübergestellt sei.
Doch muß gesagt werden, daß diese scheinbare Umkehrung
des Verhältnisses von Ursprung und Kräftemehrheit auch vedische
Ursprünge in den bisher erwähnten Sûktas
hat.
Zuerst der Purusha der berühmten
Hymne; er ist passives Opfertier der Götter und hat so substrathafte
Züge. Nun, sie erzeugen sich selbst neu aus ihm, wie sie sich auch
sonst untereinander erzeugen - wovon er gewissermaßen den menschheitlichen
Konzentrations- und Übergangspunkt darstellt: die Ineinanderwandlung
als das Uropfer selbst, und dieses als der Mensch selbst, und dieser darin
als die konzentrierte Kommunion des Alls.
Zum andern die beiden Vishvakarman-Hymnen
X, 81,1: "Der rshi,. der als hotr
seinen Platz einnahm, all diese Welten zum Opfer bringend, unser
Vater, er ist, mit seiner Bitte Reichtum wünschend, in die späteren
Geschöpfe, eingegangen, während er die ersten verhüllt."
Dieser an sich sehr dunkle Vers gewinnt durch unser "Problem" an Bedeutung.
In der Hinsicht der "umgekehrten Emanation", genauer: der Vereinigung der
Wesen (Elemente) zu dem einen Purusha mögen
folgende Stellen andeutender sein: Vers 3: "Allenthalben Auge, Gesicht,
Arm und Fuß, schweißt er sie mit den Armen und Schwingen zusammen,
als er Himmel und Erde erschuf (janayan!),
der einzige Gott (deva ekah)." (Diese
Beispiele in Geldners Übersetzung.) Auch die zweite
Vishvakarman-Hymne (X, 82) führt
alles opfernd in den "Vater" zurück, der (nach der ersten
Hymne) der ist, der sich selbst Erde und Himmel zum Opfer
25
bringt. So "kommen alle anderen Geschöpfe zu ihm, um ihn zu befragen"
(Vers 3); so "eropferten ihm die vormaligen rshis
gemeinsamen Reichtum, wie die Sänger in großer Zahl,
die diese Welten bildeten"(Vers 4); "den das Wasser als ersten Keim empfing,
worin alle Götter mit eingerechnet waren" (Vers 5), schließlich:
(Vers 6) "Diesen empfing das Wasser als ersten Keim, in dem alle Götter
sich vereinigten. In des Ungeborenen Nabel steckt das Eine, auf dem alle
Geschöpfe beruhen".
Das "Zusammenschweißen", in unserer Fragestellung der aussagekräftigste
Begriff, findet sich - erstaunlich genug - nun auch in dem Sûkta
X, 72, im gleichen Vers, wo das sat aus
dem asat hervorging: (Vers 2) "Brahmanaspati
hat diese wie ein Schmied zusammengeschweißt. In dem frühesten
Zeitalter (yuge) der Götter entstand
das Seiende aus dem Nichts." Danach geht eine Gebärungs-Genealogie
los, die mit der wechselseitigen Geburt (vgl. Virâj
und Purusha) von Aditi
und Daksha beginnt.
Nun, diese Andeutungen sind nur an den Stellen der sad-asat-Spekulation
entnommen, oder anderen jüngeren Hymnen aus dem Hiranyagarbha-Themenkreis.
Es gibt eine endlose Fülle mehr, zumal in den Veden alles sich ineinanderverwandelt
und so die Vielen in Eines eingehen und das Eine wiederum in Vieles aufgeopfert
wird. Besonders Agni ist Zusammenkunft aller Götter in Ein Opfer,
auf dessen Nähe zum Tapasbegriff schon hingewiesen wurde.
Der Unterschied von Großen Wesen (Elementen) und Geschöpfen
(prajâh) scheint - schon durch
verbale Verschiedenheit - nicht solch ein Problem zu sein wie im Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda,
wo die Frage entsteht, warum aus nur fünf Großen Wesen (Elementen)
alle anderen hervorgehen, all die zahllosen Individuen. Dort wird deutlich.,
daß die mahabhûtas eben die ganze
Welt umspannen, alles durchdringen, auch da, wo es nicht grob offensichtlich
wird (vgl. das Baumbeispiel oben).
Der Beginn des langen Gespräches ist überhaupt zum Vergleich
mit dem Shukânuprashna von Interesse.
Absoluter Ursprung ist der "mânasa",
der so wie oben das noch ekstatische brahman hauptsächlich
durch Negationen beschrieben wird, unter denen sich auch "avyakta"
befindet. Aus ihm geht der "mahân" hervor
und aus diesem der "ahamkâra". Dieser
schafft den Äther, aus dem das Wasser entsteht (man beachte die Reihenfolge),
aus dem Feuer und Wind entstehen, aus deren Verbindung die Erde entsteht.
Der "durch sich selbst Seiende" schafft daraufhin eine "aus Kraft bestehende
himmlische Lotosblume", aus der der Gott brahma entsteht,
"der, welcher ahamkâra genannt wird,
der als die Seele von allen Wesen die Wesen schuf, er in der Tat ist jener
kraftvolle brahman, von welchem diese fünf
Elemente herstammen." Daraufhin wird er - so wie im Rgveda
der Purusha - als derjenige
beschrieben, dessen Körperglieder die Kosmosglieder sind.
26
Die Verdopplung der Elementbildung wird im Folgenden nur indirekt zum
Problem, als Bharadvâja
fragt, wie Brahma - nun mit Prajâpati
gleichgesetzt - der Anfängliche sein kann, wo ihm doch die
Lotosblume vorausgeht. Bhrgu:
"Es ist die Gestalt des mânasa, welche
in das Sein als der Gott Brahman eingegangen
ist, und, um ihm einen Sitz zu bereiten, wird die Erde Lotosblume genannt.
Von dieser zu einer Samenkapsel sich zusammenziehenden Lotosblume streckt
sich der Götterberg meru in den Himmel
hinauf und, mitten darauf stehend, schafft der Herr der Wesen (Elemente)
die Welten." Daraufhin wird die Elementfolge erklärt.
Jener Text ist ein schwieriger Knoten bezüglich der Einschübe
und Bestandteile sehr verschiedenen Alters. Oder wie ist die Verdopplung
der Großen Wesen (Elemente) zu Verstehen? Im Shukânuprashna
sind die Wesen (Elemente), die aus dem Prajâpati
hervorgehen, der zuvor zusammengeschweißt worden ist, nicht
mehr die Großen; schwieriger ist hier zu entscheiden, ob die Wesen
(Elemente) in Vers 44, die er in sich aufgenommen hat, in Ermangelung der
Kennzeichnung "Groß" als die dann zu emanierenden Einzelwesen anzusehen
sind. Dem spricht entgegen, daß zuvor in Vers 43 dargestellt wurde,
wie die Großen Wesen (Elemente) in den durch ihre Anlehnung aneinander
gebildeten Körper einziehen. Schwierig ist dann wiederum die Rede
von dem Einen Großen Wesen, das der Urschöpfer ist, und mit
dem kaum etwas anderes gemeint sein kann, als der in ihrem Zusammenschluß
gebildete purusha.
Hier wie auch in anderen Texten - dem eben erwähnten Bhrgubharadvâja-Samvâda
und der Manusmrti
(dem Manu-Brhaspati-Samvâda)
- ist der zweite Schöpfer problematisch. Extrem szientistisch und
erlösungs-psychologisierend geht die Erklärung des Manu-Brhaspati-Samvâda
vor. Aus dem in Negationen gefaßten Unvergänglichen entstehen
in samkhyistischer
Reihenfolge die Elemente, aus deren letztem, der Erde, die Lebewesen;
diese schwingen im Leben-Tod-Rhythmus zwischen Erdverkörperung und
Äther hin und her, und die durch Erkenntnis des Höchsten mit
diesem Identifizierten gehen wieder ins Unvergängliche ein. Nun erst
bilden sich daran die "oberen Wesensglieder" heraus, was auf Einschüben
beruhen mag; die Lehre von Wesen-Selbst und Erkenntnis-Selbst wird entwickelt,
die durchaus einen monadischen Charakter hat. Die Verstrickung des Selbst
in die Elemente ergibt sich aus einer falschen Identifikation. Das reflexive
Bild des Goldenen Keims ist dies nicht. Allerdings geht die Rückführung
in einem späteren Vers von den Elementen in die Sinnesorgane, von
da in das manas, in die buddhi,
dann in den "svabhâva", die Eigennatur.
Insgesamt ist hier das Problem des zweiten Schöpfers zwar noch
nicht vorhanden, aber die Substratverstrickung ist Thema, als Gefangensein
in den Wirkungen der gunas. Die Situation
des Bhrgu-Bharadvâja-Samvâda
wurde bereits geschildert, wo die szientistische Grundlage erst zum Problem
der doppelten Emanation führt. Ganz entfaltet ist es in der Manusmrti,
Und schließlich gerafft aber deutlicher in unserem Text. Demnach
ist der "Zweite Schöpfer" identisch mit
27
dem Ersten, und der Kreislauf der Emanation vom Aufwachen bis zur Synthese
ist dem einen Großen Wesen immanent. Die monadische Synthese der
sieben purushas zu einem bildet eine
Urmonade, die nunmehr endliche Individuen hervorbringt. Von Monade kann
hier die Rede sein, weil mit der Körperbildung aus Abhängigkeit
die emanative Identität gebrochen wird. In diesen Schatten ihres Aufeinanderwirkens
gehen die Großen Wesen, die purushas,
die mânasas, nun "zusammen mit dem karman"
ein.
Dies wäre der szientistische Dualismus, wenn nicht der folgende
Vers die Prinzipiierung wieder umkehrte, indem dort das die Wesen Aufnehmende
(adaya - ein relativ blasses Wort, das ja
auch "mit" heißen kann) das Große Wesen selbst ist.
Sonst, im monadischen System, nehmen die karmastrukturierten
Qualitäten das Ich auf; hier findet sich tatsächlich so etwas
wie eine Selbstmitteilungs-Schöpfung - der sad-asad-âtmakam-Struktur
des manas (in der Manusmrti)
entsprechend. Eine weitere Rückkopplung am dem erstem Ausgang ist
der Dativ "Zur Betätigung das tapas",
womit die vom glühenden brahman über
sein Sichschaffen und Reflektieren in sein purusha-Opfer
konkretisierte Identität des Seienden zusammengeschlossen wird.
Tatsächlich also bietet sich das Bild einer immanenten Entfaltung,
einer solchen Art von Ausfaltung, deren letztes Hervorkommendes das Umfassende
selbst ist, wie bei der oben experimentell durchgegangenen Blumenentwicklung.
Ja, es kommt die innerste Keimzelle, die alles Bisherige umschließt,
nun selbst hervor - nun, in unserem Fall so, daß eine Selbstbefruchtung
durch das Vereinigungsopfer der sieben purushas
zu einem mit der Entfaltung identisch ist, was die oben versuchte
Blumenanalogie weit übertrifft. Es bleibt alles in dem Möbiusring
der immanenten Differenzierung zu einem sich - durch Reflexion in sich
seines sisrksâ-tapas - gestaltenden
Allvaters.
Auf die Zahl gebracht ergeben sich 16
Bestandteile. Welche? Prashna-Up.
6:
atha hainam sukeshâ bhâradvâjah
papraccha
bhagavan hiranyanâbhah kausalyo
râjaputro mâm upetyaitam prashnam aprcchata
shodashakalam bhâradvâja
purusham vettha
1. Da befragte ihn Sukeshan Bhâradvâja:
"O Erhabener! Hiranyanâbha Kausalya,
der Königssohn, kam zu mir und tat diese Frage:
«Weißt du den sechzehnteiligen Purusha?»
–
tam aham kumâram abruvam
nâham idam veda
yady aham imam avedisham katham te nâvakshyam
iti
Zu ihm, dem Prinzen, sprach ich:
«Den weiß ich nicht;
denn wenn ich ihn wüßte, wie sollte ich ihn dir nicht gesagt
haben?
[Nach Chând.5,3,5
und ähnlichen Stellen, wo aber der Vater zum Sohne spricht.]
samûlo vâ esha parishushyati
yo 'nrtam abhivadati
tasmânn ârhâmy anrtam
vaktum
Der verdorrt ja mit der Wurzel, welcher die Unwahrheit redet.
Darum darf ich die Unwahrheit nicht sagen.» –
sa tûshnîm ratham âruhya
pravavrâja
tam tvâ prcchâmi kvâsau
purusha iti (1)
Da bestieg er schweigend seinen Wagen und fuhr von dannen.
Nun frage ich dich: Wo ist jener Purusha?"
–
tasmai sa hovâca
ihaivântah sharîre somya sa
purusho yasmin netâh
shodasha kalâh prabhavantîti
(2)
2. Da sprach er zu ihm:
"Hier, innen im Leibe, o Teurer, ist dieser Purusha,
in welchem jene sechzehn Teile entspringen.
sa îkshâmcakre
kasminn aham utkrânta utkrânto bhavishyâmi
kasmin vâ pratishthite pratishthâsyâmîti
(3)
3. Dieser [Purusha] erwog:
mit wessen Auszuge werde ich selbst ausgezogen sein,
und mit wessen Bleiben werde ich bleiben? –
sa prânam asrjata
prânâc chraddhâm kham vâyur-jyotir-âpah
prthivîndriyam
mano 'nnam annâd vîryam tapo mantrâh
karma
4. Da schuf er den Prâna;
aus dem Prâna den Glauben,
den Äther, den Wind, das Licht, das Wasser, die Erde, das Sinnesorgan;
das Manas, die Nahrung; aus der Nahrung
die Kraft, das Tapas, die Mantra's,
das Werk,
die Welträume und in den Welträumen den Namen auch.
28
Deussen (von dem diese Übersetzung stammt)
weist hierzu einleitend darauf,
hin, daß schon Chândogya-Up.
6,7 im Rahmen der Feuer-Wasser-Nahrungs-Kosmologie die "sechzehn Teile"
des Menschen erwähnt, ohne sie jedoch aufzuzählen - aus einem
einfachen Grunde: Sie drücken nicht Qualitäten, sondern eine
quantitative Bestimmung aus, nämlich eine Beziehung auf die Tage eines
Halbmonats. "Nachdem man sich gewöhnt hatte, Prajâpati
als das vierundzwanzigteilige (in 24 Halbmonate geteilte) Jahr zu
betrachten, so lag es nahe, auch in den fünf zehntägigen Halbmonaten
ihn wiederzufinden und das Schwinden und Anwachsen des Mondes als ein solches
des Prajâpati aufzufassen, von dem fünfzehn
Teile nach und nach vergehen und neu entstehen, während der sechzehnte
Teil, als sein Wesen enthaltend, beständig bleibt." Hauptbeleg dieser
Deutung ist Brhadâr.-Up.
1,5,14 f.
In unserem Text nun sind auch die 16 Teile nicht qualitativ bestimmt,
und so wird am ehesten die sehr allgemeine Deutung Deussens hier zutreffen.
Der Manu-Brhaspati-Samvâda
(XII, 203,15-23) führt die Mond-Analogie besonders deutlich aus.
So, wie die medizinisch-psychologische Behandlung der bhûtas
bildet auch die Mondphasen-Analogie eine große Brücke
vom szientistischen System zur upanishadischen
Spekulation.
Bezeichnenderweise führt derselbe Vers (43) den karman-Begriff
ein. Es ist dies der Vers, der auch allein die Richtung von mehreren Geistigen
auf Ein Substrat ausdrückt. (Der vorhergehende Vers ist mehr opferspekulativ,
und der folgende kehrt die Ableitungsrichtung wieder in die Aktivität
des Großen Wesens - statt passiver Körperhaftigkeit - um.) Er
muß deshalb nicht ein Einschub sein, denn er verbindet die Synthese
der als mânasas emanierten und als purushas
sich zusammenschließenden Opferglieder mit dem so vollständig
erschlossenen Großen Wesen - allerdings auf der Grundlage der monadischen
Karmalehre.
Der Begriff des karman ist die geläufigste,
aber auch in sich gebrochenste Brücke der Opferspekulation und der
Erlösungssystematik. Hier ist die Nahtstelle mit aller Subtilität
aufgenommen. Denn karman als das Opferwerk
ist hier, wo das weltenschaffende Uropfer angesprochen wird, wohl gemeint.
Die karma-Negations-Lehre dagegen ist
auch nicht ausgeschlossen, zumal das karman in
ihr nicht bloß als äußerstes Substrat aufgefaßt
werden muß (wie im Jainismus), sondern auch als die Aneignungs- =
Verstrickungs-Struktur, die dem Sichverkörpernden angehört, aufgefaßt
wird; so vor allem die bhûtâtman-Lehre
des Manu-Brhaspati-Samvâda.
So, wie letztgenannter Text von szientistischer Seite sich auf die Emanations-Lehre
des Einen Großen Wesens ("bhûta-âtman"!)
zubewegt, so bildet das Shukânuprashna die
Nahtstelle zwischen upanishadischer und
karmanegierender "Werk"-Auffassung an dieser
Stelle vorsichtig aus. Nun, nach dem - schon monadisch abstrahierten -
purusha-Opfer, wird der karman-Begriff
frei für das System der Monadenbildung: tatsächlich als
ihre Substrats-Identifizierung.
29
teshâm ye yâni karmâni
prâk-srshtyâ pratipedire
tâny eva prati-padyante srjyamânâh
punah punah
47) Für diese gilt: Was für Werke
sie in früheren Schöpfungen (Emanationen) vollzogen haben,
ebensolche allein finden die emaniert Werdenden
wieder und wieder.
himsrâhimsre mrdukrûre
dharmâdharme rtânrte
ato yan manyate dâtâ tasmât
tat tasya rocate (48)
48) Böses und Nichtböses, Sanftes
und Grausames, Recht und Unrecht, Wahrheit und Unwahrheit
- von dem her, was der Urheber auf sich bezieht,
von ebendem her erglänzt ihm dieses.
mahâ-bhûteshu nânâtvam
indriyârtheshu mûrtishu
viniyogam ca bhûtânâm dhataiva
vidadhâtyuta (49)
49) Die Mannigfaltigkeit in den Großen
Wesen (Elementen), in den Sinnendingen, in den Gestalten,
und die Verteilung der Wesen - der Urheber
allein ordnet sie auch an.
kecit purusha-kârâm tu
prâhuh karmavido janâh
daivam ity apare viprâh svabhâvam
bhûta-cintakâh
50) Die einen-, werk- (karma-)
kundige Leute, nennen es purusha-Handlung
(-kara),
andere Gelehrte Schicksal, (und) Eigenwesen
(Eigennatur) die Wesensforscher.
paurusham karma daivam ca phala-vrtti-svabhâvatah
traya ete 'prthag-bhûtâ
navivekam tu kecana (51)
51) Das purusha-hafte
(menschliche) Werk (karma)
und das Schicksal
kommen aus der Eigennatur der Eigengesetzlichkeit
der Früchte;
die einen (sehen) die drei als einzeln Gewordene,
die anderen (sehen) keinen Unterschied.
evam etañ
ca naivam ca yad bhûtam srjate jagat
karma-sthâ vishamam brûyuh
satva-stâh samadarshinah (52)
52) Und dies ist so, und es ist nicht so,
was das Wesen ist, das die Welt emaniert;
die Werkgegründeten nennen es ungleich;
es als gleichwertig Einsehende sind in Reinheit
gegründet.
So, wie oben der Werkbegriff schwankte, so hier nun auch der Begriff
des Urhebers (dhâtr). Alle bisher
aufgefundenen uneindeutigen Begriffe bilden Brücken zwischen den beiden
angesetzten verschiedenen Grundströmungen. So dient der karma-Begriff
im Opfersinne dazu, produktiv und kommunikativ die Wesen in einem Umfassenden
zu vereinigen, aus dem heraus sie sich neuerzeugen. So formuliert ist die
Brücke zum monadischen System erkennbar, wo das karman
die Identität der Vielen als Einzelner an einem Fruchtwirkungs-Gesetz
spiegelt. Unterschiedlicher: Im ersten Falle bildet karman
eine verwandelnde Synthese, im zweiten Fall eine konstanthaltende
Abkapselung der Einzelnen in ihre eigene Welt. So unterscheidet sich auch
der Begriff des Urhebers: In. der manas-immanenten
Rückkopplung des Einen Großen Wesens vereinigt sich alles zum
Urakt der tapas-Übergangs (Vers
44 in Rückgriff auf 32 bis 35), so ist der
Urheber (vgl. "Vishvakarman")
ekstatisch. In der Inkarnation dagegen des bhûta-âtman
- so heißt der Urheber in dem deutlicher monadischen Manu-Brhaspati-Samvâda
- ist der Urheber gebunden an die gefängnishafte Immanenz der Wirkungsgesetzlichkeit
seines regelmäßig fortschwingenden oder kreisenden karmans.
So sind die emaniert Werdenden die Urheber - der Urheber ist im Emaniertwerden
verstrickt; karman ist Wirkungsgebundenheit
- und so schlägt dies kritisch auf den Werkbegriff des Opfers zurück,
dem Wunschzwecke angelastet werden. Die Diskussion zwischen karma-
(Werk-) Setzung und karma- (Kreislauf) Negation
bricht nun auch folgerichtig in unserem Text an die Oberfläche und
führt die Uneindeutigkeit der Begriffe in eine Kontroverse über.
30
Zunächst werden drei Parteien unterschieden: karmakundige,
die sich auf den purusha beziehen;
Schicksalslehrer und. die Natur- oder Wesens-Forscher. Das letzte ist etwa
im Manu-Brhaspati-Samvâda
wiederzuerkennen, wo die Erlösung in den "svabhâva",
die Eigennatur einmündet. Das ist die szientistische Position, der
es um Befreiung aus der Fremdnatur geht, die gerade in der Einkörperung
statthat. Durch den starken Wandlungen unterzogenen purusha-Begriff
ist die erste Position schwieriger zu greifen. Unser Text selbst hat ja
die alten Bedeutungen der vedischen und upanishadischen
Phasen zumindest anklingend einbegriffen – so wäre es nicht
nur ein Bruch, wenn jetzt eine jîva-Bedeutung
oder gar das Abstraktum des klassischen Sâmkhyâsystems
angesprochen wäre, da diese Position schon durch die bhûta-Forscher
vertreten zu sein scheint. Nun, der bûta-Begriff
war uns der erste uneindeutige überhaupt. Klingt nicht "svabâva"
so hell an den "svayambhu" an, als der der
umfassende Selbstschöpfer nicht nur in der Manusmrti
bezeichnet wird? Es ist schwer, das bisher fein vereinbarende Synthetisieren
des Shukânuprashna nun zu brechen -
und so bleibt es im Text auch bei einer Aufstellung der Positionen. Selbst
die eindeutig szientistische Synthese von Vers 51, daß eben die
Handlung des Purusha und das - sonst
nicht behandelte - Schicksal dem svabhâva entsprängen,
bleibt nicht unwidersprochen. Unentschieden bleibt die Diskussion - in
Vers 52 dunkel und abstrakt geworden - in der Schwebe. Auch versucht das
Folgende, die synthetische Stellung mit ihren Bezügen nach allen Seiten
hin wieder aufzunehmen, indem nun die schon zu Vers 27 angemerkte Möglichkeit
der Zentrierung alles Hervorgehenden in der tapas-Ekstasis,
die schon im Zusammenschluß der sieben purushas
zu einem verwirklicht ist, nun auch für die weiteren Stadien
fortgeführt wird.
tapo nihshreyasam janto stasya mûlam
damah shamah
tena sarvân avâpnoti yân
kâmân manasecchati (53)
53) Askese ist das Beste für den Menschen,
seine Wurzeln sind Zügelung und Selbstbeherrschung;
dadurch erlangt er alle Wünsche, welche
er im manas hegt.
tapasâ tad avâpnoti yad bhûtam
srjate jagat
sa tat bhûtash ca sarveshâm bhûtânâm
bhavati prabhuh (54)
54) Durch Askese erlangt er das Wesen, das
die Welt emaniert;
und dies Wesen für alle geworden wird
er der Herr der Wesen.
Eine gründlichere Bestätigung für die oben geäußerte
Auffassung, daß die Emanationsspekulation letzten Endes der erfahrungsexperimentellen
Introspektion angehört, läßt sich kaum finden. Zudem spielt
der karma-Begriff - nicht nur "Wunsch" sondern
hervordrängende Kraft überhaupt, Wille - an das an, was die Rgvedahymne
X 129,4 den ersten Samen des manas
nennt. Das "Erlangen" bedeutet Erreichen eines Vermögens, einer
Macht, nicht ein äußeres Bekommen, sondern ein erworbenes Werden,
Identischwerden. Genauer also: ein Sich-als-identisch-Erweisen. Da es die
Identität des Hervordrängenwollens (sisrkshâ)
mit seiner Zurückhaltung
31
ist (tapas), und da diese Identität
im manas gespiegelt ist (sad-asad-âtmakam),
liegt die Erfüllung des ''Wunsches", oder des sichgebärenden
Wollens, im Sein innerhalb des manas selbst,
und das ist die Mit-sich-Identität des Aufwachenden in seiner brahman-Ekstasis.
Das heißt: er ''erlangt" alle "Wünsche" durch ihre Zurücknahme.
Und weiter: die in die sieben manas-Abkömmlinge
hinein getriebenen Formen seines Sichgebärens nehmen sich wieder zurück,
in ihrem gemeinsamen Opfer ("das Wesen, das die Welt emaniert").
rshayas tapasâ vedân adhyaishanta
divânisham
anâdinidhanâ nityâ vâg-utsrshtâ
svayam-bhuvâ (55)
55) Die Seher erlernten durch Askese die Veden
Tag und Nacht,
die anfangs- und endlose, ewige Rede, durch
Selbsterzeugung emaniert.
Ein Vers von gewaltiger spekulativer Kraft, indem nun die Veden
als das Sicherzeugens-Produkt aufgefaßt werden, das durch
Sichselbstserzeugen und zugleich Zurückhalten erlernt wird. Zudem:
Selbstgeburt als das von daher anfang- und endlose Sichaussprechen - dessen
opferndes Aufnehmen oder Insichhalten sein Hören und Erlernen ist.
Diese Auffassung, in die Veden zurückgespiegelt,
läßt sie als das brahman lebendig
sein, als Sprache, die in ihrem höchsten Ausdruck permanente Sichselbstübersteigerung
des sichopfernden "Sprechers" ist.
rshînâm nâmadheyâni
yâsh ca vedeshu smrshtayah
sharvaryanteshu jâtânâm
tânyevaibhyo dadâti sah (56)
56) Sie Namengebungen der Seher, und die Emanationen
in den Veden,
diese gibt Er ihnen jeweils am Ende der (gestirnten)
Nacht.
nâma-bhedas tapah karma-yajñâkhâ
loka-siddhayah
âtma-siddhis tu vedeshu procyate
dashabhih kramaih (57)
57) Name, Unterscheidung, Askese, Werk, Opfer
und Benennung sind die Vollkommenheiten der Welt;
die Vollkommenheiten im Selbst dagegen werden
in den Veden auf zehn Arten gelehrt.
yaduktam vedavâdeshu gahanam veda-drshtibhih
tad-anteshu yathâyuktam kramayogena
lakshyate
58) Was in den Vedaworten
Tiefes von den Vedensehern
gesagt wird,
das wird an dessen Ende entsprechend seiner
Zentriertheit mit fortschreitender Konzentration begriffen.
armajo 'yam prthag-bhâvo dvamdva-yukto
viyoginah
âtma-siddhis tu vejñâtâ
jahâti prâyacho balam (59)
59) Dieser werkentsprungene einzelne Zustand
ist für den Unkonzentrierten
mit Gegensätzen verbunden (bzw. in Gegensätzen
gebunden);
die bewußte Vollkommenheit im Selbst dagegen
läßt häufig (sogar) das Starke hinter sich.
dve brahmanî beditavye shabda-brahma
param ca yad
shabda-brahmani nishnâtah
param brahmâdhigacchati (60)
60) Zwei brahmans
sind zu kennen: das Wortbrahman
und das, was das Höchste ist;
wer im Wortbrahman
erfahren ist, steigt auch zum höchsten brahman
auf.
ârambha-yajñâh
kshatrasya havir-yajñâ vishas tathâ
paricâra-yajñâh
shûdrâs tu tapo-yajñâ dvijâtayah (61)
61) Der Kriegerkaste eignen die Anfangsopfer;
Kleinopferer sind ebenso die Händler;
Umwandlungsopferer sind die Shudras,
Askeseopferer sind die Zweimalgeborenen.
tretâ-yuge vidhis tu eshâm
yajñânâm
na krte yuge
dvâpare viplavam yânti yajñâh
kali-yuge tathâ (62)
62) Im tretâ-Weltalter
nun gelten die Vorschriften dieser Opfer, nicht im krta-Weltalter;
im dvâpara
gehen die Opfer zugrunde und ebenso im kali-Weltalter.
32
aprthag-dharmino martyâ rk-sâmâni
yajûmshi ca
kâmyâm pushtim prthag-drshtvâ
tapobhis tapa eva ca (63)
63) Bezüglich der Opferverse Opferlieder
und Opfersprüche
haben die Sterblichen noch ungesonderte Gesetze;
bezüglich des Angenehmen und des Wohlstandes
werden sie als individuelle angesehen
und auch bezüglich der Askese mit ihren
Übungen.
tretâyâm tu samastâs te
prâdurâsan mahâ-balâh
samyantârah sthâvarânâm
jangamânâm ca sarvashah (64)
64) In der tretâ
aber wurden diese noch Zusammengefügten
als machtvolle offenbar,
die Lenker der unbeweglichen und beweglichen
(Lebewesen) überall;
tretâyâm samhatâ hy ete
yajñâ
varnâstathaiva ca
samrodhâd âyushas tv ete
vyasyante dvâpare gune (65)
65) denn in der tretrâ
verfallen diese Opfer und ebenso die Stände,
und wegen der Beschränkung der Lebenslänge
werden diese im dvâpara-Weltalter
zerstückelt.
drshyante nâpi drshyante
vedâh kali-yuge 'khilâh
utsîdante sayajñâsh
ca kevalâ dharma-setavah
66) Die Veden
werden im kali-Weltalter
gesehen, aber nicht vo1lständig gesehen,
und die alleinigen Gesetzesschranken verschwinden
mit den Opfern.
krte yuge yas tu dharmo brâhmaneshu
pradrshyate
âtmavatsu tapovatsu shruyavatsu pratishthitah
(67)
67) Welches Gesetz im krtâ-Weltalter
durch die Brahmanen sichtbar
gemacht worden ist,
das ist in denen, die sich gefunden haben,
in den Asketen, in den Offenbarungsfähigen festgegründet.
adharma-vrata-samyogam yathâ darmam
yuge yuge
vikriyante svadharma-veda-vâdâsthâ
yathâyugam (68)
68) Mit Unrecht und Gelübdelosigkeit
verbunden, gemäß dem Gesetz von Weltalter zu Weltalter,
werden die im Eigengesetz gegründeten
Vedenworte je nach Weltalter verstreut.
yathâ vishvâni bhûtâni
drshtyâ bhûyâmsi prâvrshi
srjyante jangamasthâni tathâ
dharmâ yuge yuge (69)
69) So, wie alle Wesen durch den Regen in
der Regenzeit mehr werden,
(wie) die beweglichen und unbeweglichen (Lebewesen)
hervorgebracht (srjante)
werden,
so (auch) die Gesetze von Weltalter zu Weltalter.
yathartushv rtu-lingâni
nânârûpâni paryaye
drshyante tâni tâny eva
tathâ brahmâha-râtrishu
70) Wie in den Jahreszeiten die Merkmale der
Jahreszeiten im Wechsel verschiedengestaltig sind,
und erst diese, dann jene gesehen werden,
so auch an den Tagen und Nächten des Brahma.
vihitam kâlanânâtvam anâdi-nidhanam
tathâ
kîrtitam yat purastât te tat-sûte
câpi ca prajâh (71)
71.) Ebenso ist die Verschiedenheit der Zeiten
ohne Anfang und Ende eingeteilt.
Berichtet ist dir, was
vordem war, das die Geschöpfe hervorbringt (gebärt) und verschlingt.
dadhâti prabhave sthânam bhûtânâm
samyamo yamah
sva-bhavenaiva vartante dvandva-yuktâni
bhûrishah (72)
72) Den Zustand der Wesen setzt im Ursprung
(bzw.
für den Herrn) der sich zügelnde Zügler (yama);
durch ihre Eigennatur allein entfalten sich
die vielfältig Gegensatzverbundenen.
sargah kâlah triyâ
vedâh kartâ kârya triyâ phalam
proktam te putra sarvam vai yan mâm
tvam pariprcchasi (73)
73) Emanation, Zeit, Handlungen, Veden, Handelnder,
Pflicht, Durchführung
- ist dir verkündet, oh Sohn, alles das,
wonach du mich gefragt hast.
pratyâhâram tu vakshyâmi
sharvary-âdau gate 'hani
yathedam kurute 'dhyâtmam susukshmam
vishvam îshvarah (74)
74) Die Auflösung will ich dir noch sagen,
die bei Beginn der (gestirnten) Nacht stattfindet,
wenn der Tag zuende ist, wie der Herr dies
alles zum feinsten Überselbst macht.
divi sûryâs tathâ sapta
dahanti shikhino 'rcishâ
sarvam etat tadârcibhih pûrnam
jâjvalyate jagat (75)
75) So brennen am Himmel sieben Sonnen, als
feurige Flammen.
All dies hier, die ganze Welt wird von den
Flammen dann in einen lodernden Brand gesetzt.
Damit rundet sich der Kreis von Emanation und Rückkopplung auch
äußerlich ab, und den oben schon ausgeführten Gedanken
des Kommentars braucht nichts Redundantes hinzugefügt zu werden.
zur Fortsetzung des Shukânuprashna
in Deussens Übersetzung