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"Ich bin der Welt noch einen Tannhäuser schuldig" lautet eines der letzten Worte Richard Wagners. Natürlich ist dies hier nicht der Versuch, dessen "Schuldigkeit" zu tun, zu erfüllen, abzutragen oder den Komponisten gar auf dem flacheren Feld der Prosa am Ende übertreffen zu wollen. Innerhalb der Handlung selbst wird der Satz Elischa (Kap.24) und Wolfram (Kap.25, trotz der angeblichen Unkenntnis des Zitats, s.Kap.1) in den Mund gelegt, da sie die Rückkehr des Helden "verscherzt" hätten. Dies ist nur der äußere Rahmen in einer Überschichtung verschiedener mehr oder weniger kongruierender Anspielungs-Ebenen: E.T.A. Hoffmanns "Goldener Topf", der "Heinrich von Ofterdingen" des Novalis sowie dessen "Lehrlinge zu Sais" (erster Satz: "Mannichfache Wege gehen die Menschen..."), das Pilze-Symposion in Ernst Jüngers "Annäherungen", der Isenheimer Altar (Matthias Grünewald), die Erzählung des dritten Bettelmönches in "Der Lastträger und die drei Damen" (Alif laila wa laila, 16. Nacht) und last but not least "Electric Ladyland" (Hendrix) mit den drei Stücken "House burning down", "Rainy day" und "1983", von zahllosen weiteren Reflexen und Querblitzen zu schweigen. Im Wechsel der Kapitel konsequent erstens der Erzähler WOLFRAM, zweitens der thematische Held HENDRIK, und als dritte die Venusgestalt IRIS bzw. die Elisabethgestalt ELISCHA. - Im Hintergrund wirkt der Yoga-Meister der Iris, KURINSHORU (japanisiert für Clingschor oder KLingsor "aus Ungerlant", der im mittelalterlichen "Sängerkrieg" als Helfer des Heinrich von Ofterdingen auftritt), ihr Chemikerfreund (HOFMANN) und ein mit diesen beiden zusammen die drei handelnden Personen "prüfender" alter JÜNGER; ferner Hare-Krishna-Pilger und zuletzt wie auch zuerst der stille Ansprechpartner des Erzählers, dessen Übersetzungskollege CUILLAUT (synthetisch aus Kyot, Kujau und dem hebräischen Wort am Ende von Jesaia 19,14). Hendrik berauscht sich an der Tannhäuser-Ouvertüre bis zur Vision von der "Eisprinzessin" Iris, die seine Verliebtheit eine Zeitlang genossen und ihn dann abgestoßen hat. Er läuft durch die Stadt zum Bahnhof, steigt in einen beliebigen Zug ins Unbestimmte und schläft ein, findet sich, als er im Zug aufwacht, in einer fremden Landschaft und steigt in einem orientalischen Bahnhof aus. Im Café dieses Bahnhofs kann er die fremde Schrift der Speisekarte nicht lesen, wird ausgelacht, erlebt eine Umstülpung der Situation und sieht mit einem Male Wolfram und Elischa, die ihn zuhause nicht angetroffen hatten und froh sind, ihn im Bahnhofscafé zu finden. In den Gesprächen der Freunde wird offenbar, daß Hendrik durch seine unglückliche Liebe in die Initiation geraten ist. In einigen Zwischenstationen entfaltet sich das künstlerische Ineinanderleben der Freunde. Sie fahren nun wieder zum Bahnhofscafé, um sich der Prüfung zu stellen. Elischa gelangt in der Küche des Cafés zu den "Meistern", die ihr mitteilen, daß Hendrik, der bereits vom himmlischen Nektar getrunken habe, die Prüfung nicht mehr bestehen dürfe. Dieser kann die Speisekarte nun zwar lesen, aber das Gewünschte nicht aussprechen: Die Welt bricht ihm wieder um, zurück in den indischen Bahnhof, wo ihn eine Prozession von Hare-Krishna-Pilgern mit sich reißt, bis er im paradiesischen Garten seiner Rauschszenerie in einen lichtsprühenden Brunnen "eintaucht". Wolfram und Elischa warten im Bahnhof vergeblich auf den "Unterwasseratmer", der nicht mit den Pilgern zurückgekehrt ist. Seinem Übersetzerkollegen Cuillaut berichtet Wolfram, daß er Iris als Striptease-Tänzerin entdeckt habe. Plötzlich habe er dann auch Hendrik unter dem Nachtclubfenster gesichtet, wie dieser von ihrem Gorilla zusammengeschlagen worden sei. Elischa tritt in das Hospital des Ordens ein, um den Schwerverletzten zu pflegen.
Aber die grellen Sentenzen des Religionsgründers Paulus scheinen im Schalenglanz von Elischas Zwiebelchen nur abgedämpft wieder als Rede des greisen Eremiten gleichen Namens. Auch sonst will ich mich nicht in dem Anspruch vergreifen, der alle Ansprüche ins Billige zu stürzen beansprucht. Wenn das grimmige Gelächter der Propheten und Überwinder hier zum Lächeln eines alten japanischen Yogalehrers abgemildert erscheint, will ichs zufrieden sein. |