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Freie, anmutige Frühlingsgegend
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Märchenhafte
Dreier-Symmetrie,
A-B-A-Gliederung der drei Aufzüge, gespiegelt am "Kuß"
in der Mitte des zweiten Aufzugs, aber zugleich doch Parallelismus des
ersten und dritten Aufzugs zueinander: Gralsgebiet, Verwandlung und Gralsenthüllung
(nach der entsprechenden Amfortasklage) in gleicher Reihenfolge. Also wieder
morgendlicher Beginn nach einem bedeutungsvollen Vorspiel: Parsifals Irrfahrt
mit immer getäuschter Erwartung durch Trugbilder von der Gralsburg
- zu der man ja willentlich-absichtlich nicht gelangen kann.
Gurnemanz allein – nichts von dem Getümmel der Schlafhüter, Sänftenträger und "DER war's"-Zeigefinger: statt des Ordens der repräsentative Einsiedler (eigentlich Trevrizent). |
Gurnemanz,
zum hohen Greise gealtert, als Einsiedler, nur in das Hemd des Gralsritters gekleidet, tritt aus der Hütte und lauscht. GURNEMANZ
So jammervoll klagt kein Wild, und gewiß gar nicht am heiligsten Morgen heut'. -
ich kenne diesen Klageruf? auf der Seite zu: diese ist gänzlich überwachsen; er reißt mit Gewalt das Gestrüpp auseinander, dann hält er plötzlich an.)
Das winterlich rauhe Gedörn' hielt sie verdeckt: wie lang schon? - Auf! – Kundry! – Auf! Der Winter floh, und Lenz ist da! Erwache, erwache dem Lenz! Kalt – und starr! - Diesmal hielt' ich sie wohl für tot: - doch war's ihr Stöhnen, was ich vernahm? aus dem Gebüsch hervor und trägt sie auf einen nahen Grashügel, reibt der erstarrt vor ihm ausgestreckten Kundry stark die Hände und Schläfe und bemüht sich in allem, die Erstarrung von ihr weichen zu machen. Endlich scheint das Leben in ihr zu erwachen. Sie erwacht völlig: als sie die Augen öffnet, stößt sie einen Schrei aus.) (Kundry ist in rauhem Büßergewande, ähnlich wie im ersten Aufzuge; nur ist ihre Gesichtsfarbe bleicher; aus Miene und Haltung ist die Wildheit gewichen. - Sie starrt lange Gurnemanz an. Dann erhebt sie sich, ordnet sich Kleidung und Haar und läßt sich sofort wie eine Magd zur Bedienung an.)
Hast du kein Wort für mich? Ist dies der Dank, daß dem Todesschlafe noch einmal ich dich entweckt'? (neigt langsam das Haupt; dann bringt sie, rauh und abgebrochen, hervor)
(schüttelt den Kopf)
Auf Botschaft sendet sich's nicht mehr: Kräuter und Wurzeln findet ein jeder sich selbst, wir lernten's im Walde vom Tier. gewahrt die Hütte und geht hinein.) (Gurnemanz blickt ihr verwundert nach.)
Wirkte dies der heilige Tag? Oh! Tag der Gnade ohnegleichen! Gewiß zu ihrem Heile durft' ich der Armen heut' den Todesschlaf verscheuchen. sie trägt einen Wasserkrug und geht damit zur Quelle. |
Eher parallel zur Evokation
Kundrys durch Klingsor im zweiten Aufzug, als zu ihrem luziferisch-stürmischen
Himmelssturz im ersten
Aufzug, aber dort Schilderung ihres ersten Aufgefundenwerdens
durch Titurel selbst (vgl. die Erläuterungen dort).
Die beiden Worte Kundrys bleiben ihre einzige und letzte Äußerung in diesem Aufzug. Die verwandelte Erscheinung sowohl der Ritterschaft als auch Kundrys selbst wird kurz erwähnt, auch die Heiligkeit des Tages: Karfreitag. Endlich sind die Rittermönche der Gralsburg bei einem wirklich mönchischem, asketischem, übenden Leben angekommen (aber wie werden gegenüber Kundry und ihren Verführungen bereits als Büßer beschrieben!) und haben eine gewisse Selbständigkeit erreicht, wenngleich sie von den Entzugserscheinungen der Gralspeisungssucht noch nicht befreit sind (s.u.) |
Sie gewahrt hier nach
dem Walde blickend,
in der Ferne einen Kommenden und wendet sich zu Gurnemanz, um ihn darauf hinzudeuten.) (Gurnemanz in den Wald blickend.)
Im düst'ren Waffenschmucke, das ist der Brüder keiner. langsam in die Hütte, wo sie sich zu schaffen macht.) (Parsifal tritt aus dem Walde auf. Er ist ganz in schwarzer Waffenrüstung: mit geschlossenem Helme und gesenktem Speer schreitet er, gebeugten Hauptes, träumerisch zögernd, langsam daher und setzt sich auf dem kleinen Rasenhügel am Quell nieder.) (Gurnemanz, nachdem er Parsifal staunend lange betrachtet, tritt nun näher zu ihm)
Bist du verirrt, und soll ich dich weisen?
(Gurnemanz unmutig)
Wenn dein Gelübde dich bindet, mir zu schweigen, so mahnt das meine mich, daß ich dir sage, was sich ziemt. - Hier bist du an geweihtem Ort: da zieht man nicht mit Waffen her, geschloss'nen Helmes, Schild und Speer. Und heute gar! Weißt du denn nicht, welch' heil'ger Tag heut' ist?
Bei welchen Heiden weiltest du, zu wissen nicht, daß heute der allerheiligste Karfreitag ist?
Kränke nicht den Herrn, der heute, bar jeder Wehr, sein heilig Blut der sündigen Welt zur Sühne bot! |
Deutlichste
Anknüpfung an das Trevrizentbuch: Parsifal
mit geschlossenem Helm-Visier, der Zeit und deshalb auch des Karfreitags
nicht bewußt, wird zurechtgewiesen: An einem Karfreitag trägt
man keine Waffen.
Bei Chrétien und Wolfram ist es eine fein ausgeführte Begegnung mit einer familiären Pilgerschar, die dem wahnhaft in sich vergrabenen Parzival den Weg zum Einsiedler Trevrizent weisen, wo er denn auch seine Beichte ablegen kann und wo der Leser (mehr als der Beichtende) – vor allem bei Wolfram – staunenswerte Belehrungen zum "Gral" empfängt. In beiden Epen nimmt das Trevrizentbuch die Mitte ein, bildet die Symmetrieachse und den Wendepunkt (wie bei Wagner der Kuß im zweiten Aufzug). Zwar befindet sich der Umherschweifende – eben durch seine Ziellosigkeit – wieder einmal im Gralsgebiet, begegnet deshalb auch Sigune wieder, die nun von einer Pietá zu einer Grabhüterin "fortgeschritten" ist; dann besiegt er sogar einen der eigentlich unbesiegbaren Gralsritter so nebenbei, gewinnt dessen Roß (unter Verlust des eigenen), gelangt aber nicht zur Burg, sondern zu dem einen abgesonderten Gralsritter, Onkel mütterlicherseits, Einsiedler und spirituellen Meister des Epos: Trevrizent. |
(Parsifal erhebt sich
nach einem
abermaligen Schweigen, stößt den Speer vor sich in den Boden, legt Schild und Schwert davor nieder, öffnet den Helm, nimmt ihn vom Haupte und legt ihn zu den anderen Waffen, worauf er dann zu stummem Gebete vor dem Speer niederkniet.) (Gurnemanz betrachtet ihn
(Parsifal erhebt jetzt seinen Blick andachtsvoll zu der Lanzenspitze auf) (leise zu Kundry)
Der ist's, der einst den Schwan erlegt.
Der Tor, den ich zürnend von uns wies? Ha! Welche Pfade fand er? Der Speer, – ich kenne ihn.
an dem ich heut' erwachen sollt'! PARSIFAL (erhebt sich langsam vom Gebete, blickt ruhig um sich, erkennt Gurnemanz und reicht diesem sanft die Hand zum Gruße)
daß ich dich wiederfinde!
Erkennst mich wieder, den Gram und Not so tief gebeugt? Wie kamst du heut'? Woher?
soll ich mich denen jetzt entwunden wähnen, da dieses Waldes Rauschen wieder ich vernehme, dich guten Greisen neu begrüße? Oder – irr' ich wieder? Verändert dünkt mich alles.
zu wem den Weg du suchtest?
ich törig staunend einst vernahm, dem nun ich Heil zu bringen mich auserlesen wähnen darf. Doch – ach! - Den Weg des Heiles nie zu finden, in pfadlosen Irren trieb ein wilder Fluch mich umher: zahllose Nöte Kämpfe und Streite zwangen mich ab vom Pfade, wähnt' ich ihn recht schon erkannt. Da mußte mich Verzweiflung fassen, das Heiltum heil mir zu bergen, um das zu hüten, das zu wahren ich Wunden jeder Wehr mir gewann. Denn nicht ihn selber durft' ich führen im Streite; unentweiht führ' ich ihn mir zur Seite, den ich nun heim geleite, der dort dir schimmert heil und hehr, - des Grales heil'gen Speer. (in höchstes Entzücken ausbrechend)
O Wunder! Heilig hehrstes Wunder! -
der dich vom rechten Pfad vertrieb, so glaub', er ist gewichen. Hier bist du; dies des Grals Gebiet, dein' harret seine Ritterschaft. |
andra moi ennepe Mousa polytropon hos mala polla plangchtê epei Troiês hieron ptoliethron eperse Den Mann sage mir an, Muse, den vielgewandten, der so viel umgetrieben wurde, nachdem er Troias heilige Stadt zerstört hatte Nun mag man sich darüber streiten, ob Parsifal nur die unheilige Zauberburg Klingsors durch das Kreuzeszeichen oder auch die alte heilige Gralswelt durch sein alle Erwartungen enttäuschendes Erscheinen, Nicht-Fragen, Verschwinden zerstört hat; eine labyrinthisch-verwickelte und durch Trugbilder verwirrte Er-Fahrung von "Irrnis und Leiden" wird durch das Vorspiel zum dritten Aufzug (Synkopen wie bei rückwärts laufender Musik, höhnische Abbrüche der weitzügig vorbereiteten Spannungsbögen mit den Quintensprüngen des Motivs "Du bist doch eben nur ein Tor") dargestellt und hier in seinem Bericht wiederholt. Der Fluch Kundrys bedeutet fortgesetzte Torheit, - nur vorübergehend war sein Nichtwissen und Nichtfinden durch den Kuß aufgehoben. So wandelt er sich auf Erfahrungswegen vom bloßen mythischen Orakel-Erfüller zu einem Menschen. |
des Heiles, das du bringst! - Seit dem Tage, den du hier geweilt, die Trauer, so da kund dir ward, das Bangen – wuchs zur höchsten Not. Amfortas, gegen seiner Wunden seiner Seele Qual sich wehrend, begehrt' in wütendem Trotze nun den Tod: kein Fleh'n, kein Elend seiner Ritter bewog ihn mehr, des heil'gen Amts zu walten. Im Schrein verschlossen bleibt seit lang' der Gral: so hofft sein sündenreu'ger Hüter, da er nicht sterben kann, wann je er ihn erschaut, sein Ende zu erzwingen und mit dem Leben seine Qual zu enden. Die heil'ge Speisung bleibt uns nun versagt, gemeine Atzung muß uns nähren; darob versiegte unsrer Helden Kraft: nie kommt uns Botschaft mehr, noch Ruf zu heil'gen Kämpfen aus der Ferne; bleich und elend wankt umher die mut- und führerlose Ritterschaft. In dieser Waldeck' barg ich selber mich, des Todes still gewärtig, dem schon mein alter Waffenherr verfiel; denn Titurel, mein heil'ger Held, den nun des Grales Anblick nicht mehr labte, er starb – ein Mensch wie alle! (bäumt sich vor großem Schmerz auf)
der all' dies Elend schuf! Ha! Welcher Sünden welches Frevels Schuld muß dieses Toren Haupt seit Ewigkeit belasten, da keine Buße, keine Sühne der Blindheit mich entwindet, zur Rettung selbst ich auserkoren, in Irmis wild verloren der Rettung letzter Pfad mir schwindet! (Gurnemanz hält ihn aufrecht und läßt ihn zum Sitze auf den Rasenhügel nieder.) (Kundry holt hastig ein Becken mit
Wasser,
Die heil'ge Quelle selbst erquicke unsres Pilgers Bad. Mir ahnt, ein hohes Werk hab' er noch heut' zu wirken, zu walten eines heil'gen Amtes: so sei er fleckenrein, und langer Irrfahrt Staub soll nun von ihm gewaschen sein. zum Rande des Quells gewendet. Unter dem folgenden löst ihm Kundry die Beinschienen, Gurnemanz aber nimmt ihm den Brustharnisch ab.) PARSIFAL (sanft und matt)
ich noch geleitet? (während der Beschäftigung)
die Totenfeier meines lieben Herrn, sie ruft mich selbst dahin. Den Gral noch einmal uns da zu enthüllen, des lang' versäumten Amtes noch einmal heut' zu walten - zur Heiligung des hehren Vaters, der seines Sohnes Schuld erlag, die der nun also büßen will -, gelobt' Amfortas uns. |
Die Klage über
den Tod Titurels entspricht der Klage
über den (genauso unwissentlich) verschuldeten Tod der Mutter
und entspricht dem "Was alles vergaß ich noch?" im zweiten Aufzug.
Sackgassenende des Labyrinths, kritisches Ende der Irrfahrt, "Existenz". |
(Kundry
badet ihm mit demutvollem Eifer
die Füße. - Parsifal blickt mit stiller Verwunderung auf sie.) PARSIFAL (zu Kundry)
nun netze mir das Haupt der Freund. (schöpft mit der Hand aus dem Quell und besprengt Parsifals Haupt)
durch das Reine! So weiche jeder Schuld Bekümmernis von dir! das Wasser sprengt, zieht Kundry ein goldenes Fläschchen aus ihrem Busen und gießt seinen Inhalt auf Parsifals Füße aus; jetzt trocknet sie diese mit ihren schnell aufgelösten Haaren.) PARSIFAL (nimmt Kundry sanft das Fläschchen ab und reicht es Gurnemanz)
das Haupt nun salbe Titurels Genoss', daß heute noch als König er mich grüße. (schüttet das Flaschchen vollends auf Parsifals Haupt aus, reibt dieses sanft und faltet dann die Hände darüber) |
Gurnemanz trägt
kultische Funktionen, vergleichbar dem Prophet, der Könige salbt,
stürzt, erhebt und segnet: Samuel, von den Päpsten des Mittelalters
in ihrem Verhältnis zu den Kaisern gerne als Archetypos genutzt; oder
vergleichbar Johannes dem Täufer, der Jesus zu Beginn seines Wirkens
tauft und dadurch den Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabsinken
und "auf ihm bleiben" sieht.
Auch Kundry wirkt sakramental, vergleichbar der Maria Magdalena, die wie eine Ergänzung Johannes des Täufers (der den Anfang des Christuswirkens markiert) das Ende Christi besiegelt, indem sie ihn "zum Tode salbt". Hier – wie auch sonst in Tradition und Kunstgeschichte üblich – mit der Sünderin identifiziert, die Jesu Füße mit Tränen wäscht und mit ihren Haaren trocknet. Nach dem Kuß inmitten des zweiten Aufzugs und der ungelösten Spannung von Versuchung, Abwehr, Suche und Flucht nun die Fortsetzung und Weiterentwicklung des unmittelbaren, berührungsdichten erotischen Miteinanders von Parsifal und Kundry; sie bilden ohnehin durch die Bedingungen von Fluch und Irrfahrt eine unlösliche Symbiose. Im Sinne der trinitarischen Identität der drei Gralshüter (Josef von Arimathia, Hebron, der "reiche Fischer", und dessen Enkel) bei Robert de Boron erfüllt sich nun das Gralskönigtum Titurels – des Vaters, Amfortas' – des Sohnes, und nun Parsifals – des Parakleten innerhalb dieser irdischen Repräsentanz der Trinität. |
PARSIFAL
(schöpft unvermerkt Wasser aus dem Quell, neigt sich zu der vor ihm noch knienden Kundry und netzt ihr das Haupt) (Kundry senkt das Haupt tief zur Erde; sie scheint heftig zu weinen. - |
Hier geht die Heiligung vom Menschen an die Natur über; vgl. die Rolle des "Flüssigen" in Novalis: "Die Lehrlinge zu Sais"; oder den Hermes-Brunnen in der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz. |
Parsifal wendet sich
um und blickt
mit sanfter Entzückung auf Wald und Wiese, welche jetzt im Vormittagslichte leuchten.)
so schön! - Wohl traf ich Wunderblumen an, die bis zum Haupte süchtig mich umrankten; doch sah' ich nie so mild und zart die Halme, Blüten und Blumen, noch duftet' all' so kindisch hold und sprach so lieblich traut zu mir.
Da sollte, wähn' ich, was da blüht, was atmet, lebt und wieder lebt, nur trauern, ach, und weinen!
Des Sünders Reuetränen sind es, die heut' mit heil'gem Tau beträufet Flur und Au': der ließ sie so gedeihen. Nun freu't sich alle Kreatur auf des Erlösers holder Spur, will sein Gebet ihm weihen. Ihn selbst am Kreuze kann sie nicht erschauen: da blickt sie zum erlösten Menschen auf; der fühlt sich frei von Sündenlast und Grauen, durch Gottes Liebesopfer rein und heil: das merkt nun Halm und Blume auf den Auen, daß heut' des Menschen Fuß sie nicht zertritt, doch wohl, wie Gott mit himmlischer Geduld sich sein' erbarmt' und für ihn litt, der Mensch auch heut' in frommer Huld sie schont mit sanftem Schritt. Das dankt dann alle Kreatur, was all' da blüht und bald erstirbt, da die entsündigte Natur heut' ihren Unschuldstag erwirbt. und blickt, feuchten Auges, ernst und ruhig bittend zu Parsifal auf) PARSIFAL (Er küßt sie sanft auf die Stirne.) |
Späte (nicht
unmittelbare, sondern erst durch den Menschen vermittelte) Erhebung der
Natur in die Erlösung (zumal ja durch Adam und durch Kains
"Schändung der mütterlichen Erde" auch die umgebende Schöpfung
in den Sündenfall hineingezogen war) aufgrund von Paulus, Römerbrief
8,19 ff:
"Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes, denn die Kreatur ist der Eitelkeit unterworfen ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung; deshalb wird auch die Kreatur frei werden von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes." Besonders deutlich als Entwicklungsstufung ausgeführt bei Novalis: "Es färbte sich die Wiese grün", 5. Strophe: "Vielleicht beginnt ein
neues Reich -
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(Glockengeläute
wie aus weiter Ferne.)
GURNEMANZ
Die Stund' ist da. Gestatte, Herr, daß dein Knecht dich geleite! - ähnlicherweise wie im ersten Aufzuge, nur von rechts nach links. Parsifal ergreift feierlich den
Speer
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Vgl. die Verwandlung ("Zum Raum wird hier die Zeit") im ersten Aufzug. |
Düstere Beleuchtung:
Von der einen Seite ziehen die Titurels Leiche im Sarge tragenden Ritter herein; von der anderen Seite die Amfortas im Siechbette geleitenden; vor diesem der verhüllte Schrein mit dem Grale). ERSTER ZUG (mit Amfortas)
den Gral zum heiligen Amte, wen berget ihr im düst'ren Schrein und führt ihr trauernd daher? (mit Titurels Leiche, während beide Züge aneinander vorbeischreiten)
er birgt die heilige Kraft; der Gott einst selbst zur Pflege sich gab: Titurel führen wir her.
da den Gral er nicht mehr erschaute.
des Grales Huld zu erschauen?
der sündige Hüter.
weil heut' noch einmal zum letzten Male - will des Amtes er walten. Ach, zum letztenmal! hinter dem Gralstische niedergelassen, der Sarg davor niedergestellt worden: die Ritter wenden sich mit dem Folgenden an Amfortas.) SÄMTLICHE RITTER
Ach, zum letztenmal, sei deines Amts gemahnt! Zum letztenmal! Zum letztenmal! |
Hier wirkt der
selbstgerechte Beschuldigungs-Chor erschütternd, wohl durch den gesprächsartigen
Wechsel der rhetorisch demonstrativen Fragen und verbitterten Antworten;
alle Zeigefinger mitleidlos auf den Leidenden gerichtet.
Phonetische Ununterscheidbarkeit des letzten Verzweiflungsrufs: "Zum letztenmal" = "Zum letzten Mahl" (vgl. oben die ersten Chorworte nach der Verwandlung der Szene: "Zum letzten Liebesmahle..."). |
AMFORTAS
(sich matt ein wenig aufrichtend)
So ruf ich willig mit euch: williger nähm' ich von euch den Tod, der Sünde mildeste Sühne! Beim Anblick der Leiche Titurels bricht alles in einen jähen Wehruf aus.) (Amfortas von seinem Lager
Hochgesegneter der Helden! Du Reinster, dem einst die Engel sich neigten! Der einzig ich sterben wollt', dir – gab ich den Tod! Oh! Der du jetzt in göttlichem Glanz den Erlöser selbst erschaust, erflehe von ihm, daß sein heiliges Blut, wenn noch einmal heut sein Segen die Brüder soll erquicken, wie ihnen neues Leben mir endlich spende – den Tod! Tod! – Sterben! Einz'ge Gnade! Die schreckliche Wunde, das Gift, ersterbe, das es zernagt, erstarre das Herz! Mein Vater! Dich – ruf' ich, rufe du ihm es zu: Erlöser, gib meinem Sohne Ruh'! (drängen sich näher an Amfortas heran) AMFORTAS (springt in wütender Verzweiflung auf und stürzt sich unter die zurück weichenden Ritter)
Schon fühl' ich den Tod mich umnachten, und noch einmal soll ich ins Leben zurück? Wahnsinnige! Wer will mich zwingen zu leben? Könnt ihr doch Tod mir nur geben!
Das mich vergiftet, hier fließt mein Blut. Heraus die Waffe! Taucht eure Schwerter tief – tief, bis ans Heft! Auf! Ihr Helden! Tötet den Sünder mit seiner Qual: von selbst dann leuchtet euch wohl der Gral! welcher in furchtbarer Ekstase einsam steht. - |
Entsprechungsstück
in der Parallele zur Klage des Amfortas im ersten Aufzug, hier zugeschärft
um die unbedingte, autoritäre ("Dich mahnet dein Vater") und mitleidslose
Forderung der lichthungrigen Gralsritter einerseits und den indirekten
Selbstmord-Exhibitionismus des immersterbenden nimmersterbenden Schwans.
"Von selbst..." höhnisch wie Klingsor selbst. |
Parsifal ist, von Gurnemanz
und Kundry
begleitet, unvermerkt unter den Rittern erschienen, tritt jetzt hervor und streckt den Speer aus, mit dessen Spitze er Amfortas' Seite berührt.) PARSIFAL (Amfortas' Miene leuchtet in heiliger Entzückung auf; er scheint vor großer Ergriffenheit zu schwanken; Gurnemanz stützt ihn.) Sei heil, entsündigt und entsühnt, denn ich verwalte nun dein Amt. Gesegnet sei dein Leiden, das Mitleids höchste Kraft und reinsten Wissens Macht dem zagen Toren gab. den Speer vor sich erhebend.)
ich bring' ihn euch zurück! auf den emporgehaltenen Speer, zu dessen Spitze aufschauend Parsifal in Begeisterung fortfährt.)
höchstes Glück! - Der deine Wunde durfte schließen, ihm seh ich heil'ges Blut entfließen in Sehnsucht nach dem verwandten Quelle, der dort fließt in des Grales Welle! Nicht soll der mehr verschlossen sein: enthüllet den Gral, öffnet den Schrein! entnimmt dem von den Knaben geöffneten Schreine den "Gral" und versenkt sich, unter stummem Gebete, kniend in seinen Anblick. - Allmähliche sanfte Erleuchtung des "Grales". - Zunehmende Dämmerung in der Tiefe bei wachsendem Lichtscheine aus der Höhe.) ALLE (Lichtstrahl:hellstes Erglühen des "Grales". Aus der Kuppel schwebt eine weiße Taube herab und verweilt über Parsifals Haupt. Kundry sinkt, mit dem Blicke zu
ihm auf
Amfortas und Gurnemanz
(Der Bühnenvorhang
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Es sieht zwar
nach einem peinlichen Wallfahrtswunder aus, aber auch
in den Epen blutet der Speer (der dort ja zum Gralsgebiet gehört
und als Gegenschmerzmittel eingesetzt wird): aus dem schrecklichen Grunde,
daß er eben erst in die unheilbare Wunde des Fischerkönigs
gestoßen worden ist, um dem Schmerz eine andere Qualität zu
geben.
Dort heilt es nicht, die erzählerische Konstruktion Wagners ist denn jenem ganzen scheiternden Heilungssystem und der "Astrologie" Wolframs völlig entgegengesetzt. Der Zusammenhang mit dem Saturn-Hintergrund der Schmerzen in den Frosttagen der Passionszeit und der Entmannung des Ouranos durch Kronos (= Saturn) bei Hesiod wäre hier zu vergleichen und zu bedenken. Die Verkettung der "Erlösung dem Erlöser"-Chöre längs des Quintenzirkels zu einer fortlaufenden Blüte aus der Blüte aus der Blüte... eröffnet eine unbegrenzte Vieldeutigkeit der begnadeten Gnadenspender: Das Tun des Sohnes – trinitarisch wie in der irdischen Wiederspiegelung der Trinität (Robert de Boron) – fließt weiter, wie es im Gral vergegenwärtigt wird; so erlöst insbesondere Parsifal den Priesterkönig Amfortas und gelangt selbst durch dessen mitempfundenes Leiden zur Erkenntnis, zur "Versöhnung", Heilung und Ankunft. Die mit endlosem Wiederauflebenmüssen durchs Dasein gequälten Antagonisten dürfen resignieren oder ins Nirvana eingehen; die beiden Hälften des Raffaelschen Verklärungsbildes schließen sich zusammen (der Besessene dort blickt als einzige Figur zum Verklärten auf und verbindet die beiden Geschehnisse zu einem; so nun Kundry). "Nie soll er mehr verschlossen sein" bedeutet nichts Geringeres als die Selbstaufhebung eines Mysterienkultes, seine endgültige Profanierung, allzugängliche Offenbarung, vgl. das Zerreißen des "Vorhangs im Tempel" (Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45; interpr. Hebräerbrief 10,20). Also nichts anderes als Christentum. Das kann durch dieses Werk nur vergegenwärtigt, in Erinnerung gerufen werden – es ist eine schon Jahrtausende alte Tatsache, die in jedem "Hörer" neu aufbricht. Ja – warum sollte man es nicht auch auf diese musikalische Weise des "Parsifal" noch einmal sagen? Das Ereignis der Mysterienenthüllung bleibt immer neu wie am ersten Karfreitag und findet immer neuen Ausdruck. Eben auch diesen. |