1:1 en
Archêi ên ho Logos
im Ursprung ging der Sinn auf
archê
– Anfang, Ursprung, aber auch Ziel, Prinzip, und auch Herrschaft,
Ansatz und Angelpunkt von Wirkungen und Handlungen; auch Ursache und Grundsubstanz,
aus der Entwicklungen geschöpft werden. Der perspektivische Fluchtpunkt
des geistigen Blickfeldes vor dem suchenden Auge. Deshalb ist "Anfang"
zu sehr zeitlich gebunden und setzt Zeitlichkeit voraus, aber immerhin
enthält der "Ursprung" auch Anfänge, greift aber über bloß
zeitliches Anfangen weit hinaus.
en
Archêi – Natürlich ist dieser
Evangelienanfang dem Gesamtbibelanfang vergleichbar, nämlich gleichlautend
den ersten beiden Wörtern von Genesis
1,1. Aber dieser gewichtige Stellenbeleg gewinnt eine Art Gegengewichtung
durch den Umstand, daß die Sprache des Alten Testamentes keine Abstrakta
kennt und allgemeine Sachserhalte grundsätzlich über konkrete
Symbolträger und (prophetische) Bilder vermittelt werden. Das Johannesevangelium
kennt beides: Abstrakta, wie gerade hier im Prolog, und andererseits aber
auch noch konkret verdichtete Bildsymbole, wie die Brote
und Fische im 6. Kapitel, wie Wasser
und Wein im 2. Kapitel, wie die Elemente
Wasser und Luft im Nikodemus-Gespräch, und vor allem die großen
Begriffe mit gleichsam (noch) symbolischen Zügen, die geistigen Grundsachserhalte:
Sohn des Menschen, die sieben Ich-Bin-Worte,
oder z.B. Garten und Gärtner des Auferstehungs-Erlebnisses der Maria
Magdalena.
logos
– Vernunft, Begriff, Spruch: dieses Dreieck mag die mannigfachen
Bedeutungen des Wortes umfassen, wobei die Übersetzung mit "Wort"
zwischen "Begriff" als Inhalt des Wortes und "Spruch" als dessen Äußerung
anzusetzen wäre, die Einsichtsseite des Bewußtseins aber zu
sehr außer acht ließe. Ohnehin läge das Mißverständnis
zu nahe, das in seiner Isolierung nichtssagende Satzelement des einzelnen
Wortes hier zu unterstellen – und: welches Wort der vielen Wörter
denn? Aussagekräftig sind nicht Wörter, sondern Sätze; die
Aussagekraft der Sätze liegt zudem nicht in der verbalen Ausphormulierung,
sondern im Sinn, in der Mitteilung, die von der syntaktischen Struktur
getragen wird, die selbst wiederum im Klanggefüge der Wörter
– aber in jeder Sprache verschieden! – ihr
Medium bzw. ihren Kanal findet.
Der eine logos
ist aber auch nicht ein Gehalt neben anderen, sondern die Gehaltfülle
der Sinnnhaftigkeit schlechthin, zumal diese Sinnfülle (plêroma)
lebt und leuchtet als das Leben selbst und als das der Finsternis unfaßbare
"Licht der Menschen", nämlich ihr Bewußtsein: logos
ist eben auch "Bewußtsein"; nun aber eben auch höchster Inhalt
und innere erweckende Kraft allen Bewußtseins: charis
und alêtheia
entspringen ihm, ja die Geburt
der "Kinder Gottes" geht in ihm vor, – es ist also zugleich "Freiheit",
indem die exousia,
jenseits aller physikalischen und psychologischen Ursachen als "Kind Gottes"
geboren zu werden, in ihm gründet.
Also ist es der "Sinn"
–
Man hat für die Rolle des logos
bei der Weltschöpfung ("und Gott sprach ...") immer auf Philon von
Alexandrien verwiesen, das ist selbstverständlich; aber die "Weisheit"
(sophia,
sapientia) proverbia
8,22 ff klingt ebenfalls mit an, zumal die Grundfigur einer "Exegese"
archetypischer Grundmuster (hier: die "Auslegung des Vaters" durch den
Sohn) zu den Ektypen der ausgestalteten Schöpfung im "Spiel" der Weisheit
auf dem "himmlischen Erdboden" mit anklingt (und auch immer in dem Sinne
verstanden worden ist: Der logos
ist die sophia,
die "Weisheit", das ist eine seiner mitschwingenden Bedeutungen oder zumindest
Aspekte).
Es ist nicht bloß neuzeitlicher Fichteanismus
("Tathandlung"), den Goethe seinem Faust unterstellt, sondern durchaus
eine Vorwegnahme der weiteren "aus-führlichen Darlegung"
des logos
mit der Handlungswurzel eben der genannten exousia
in der Mitte des Prologs, und es ist zugleich auch ein weiter Vorgriff
auf die Taten des Sohnes, die die väterliche prototypische Vorschöpfung
ektypisch neuschöpfend auslegen, vgl. Kapitel
5,17 ff, wenn der österlich-geistorientierte interpretator
Faustus in drei kühnen Schritten vom ungenügenden "Wort"
über den reflektierten "Sinn" und die wirkmächtige "Kraft" zur
allein als Prinzip geeigneten "Tat" gelangt:
Geschrieben steht: "Im Anfang war das Wort!"
Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rat
Und schreib' getrost: Im Anfang war die Tat!
Doch, wir widersprechen und gehen von "Kraft" auf "Sinn" zurück,
weil wir archê
auch nicht als (allzu zeitlich eingeschränkten) "Anfang", sondern
als "Ursprung" übersetzen und gerne etwas von den "Ziel"-Aspekten
des geistigen Fluchtpunktes aller Ideen (beim Blick ins Unendliche) retten
möchten, der mit archê
(auch) gemeint ist. Nicht das zeitlich erste Prinzip wird vom Evangelisten
anvisiert, sondern das an Integrationskraft und schöpferischer Fülle
höchste, wobei sogar die Paradoxie hervorkommt, daß dieses Prinzip
sich gerade zeitlich später offenbart als die aus ihm abgeleiteten
Phasen und Personen, siehe den (in den Prolog integrierten)
Ioannes-Spruch 1,15 und auch die Klage des Speisemeisters
gegenüber dem Bräutigam 2,10.
ên
– bei diesem Wort hat unsere Übersetzung die eins-zu-eins-Enge
ein wenig geweitet und das Prinzip besonders beachtet, daß das blasse
"sein" seine Bedeutungen grundsätzlich aus dem Zusammenhang – sei
es Existenzprädikat, sei es bloße Kopula eines Prädikatsnominalsatzes
– empfängt. Wenn das, dessen Existenz ausgesagt wird, dynamischer
Natur oder handlungssubstantieller Wesensart ist, ist ein bloßes
"war" leicht mißverständlich: Das Seiende oder Gewesene wird
allzu dinghaft, leblos, starr.
Wir hätten es dennoch mit dem kargen "sein" versucht, wenn nicht
Vers 4 gerade eine subtile Transfiguration
des dem logos
innewohnenden "Lebens" in das "Licht der Menschen", also in deren gedankenhelle
Wachheit, darlegte. Spätestens hier muß auch die transfigurative
Wandlung des logos
zum Ausdruck kommen, gemäß dem Prinzip der Einsinnigkeit der
Wörter aber auch schon oben, vom ersten Vers an. Im Nachdenken und
immer neuen Überdenken der ersten Verse war mir nur noch eine lebendig-dynamische
Formulierung möglich. Der damit drohenden Zeitunterworfenheit einer
unserem diskursiven Denken ähnlichen Entwicklung durch solch einen
Prozeß des "Aufgehens" und "Erschließens" wird durch den Evangelisten
selbst widersprochen, es ist also seinen meditativen Gedankenschleifen
nicht ganz fern: Die getrennt Genannten, in der Formulierung der Synthese
noch Polarisierten, erweisen sich mit dem letzten Teilsatz des Verses (erst)
als identisch: Der Gott selbst "war" dieses Begreifen, Erkennen, Sich-Aussprechen
und Sich-Vernehmen, die volle Gültigkeit des vollen Sinns: Der Sinn
Gottes "war" eben er selbst, Gott.
und der Sinn erschloß sich dem Gott
legein
pros tina – "zu jemandem sprechen" ist die Junktur, die
dem logos pros ton
Theon zugrunde liegt. Hätten wir logos
mit "Wort" übersetzt, müßten wir fortfahren:
"Und das Wort richtete sich an den Gott". Nun ruht "Sinn" in sich selbst
und braucht als Inbegriff aller Intentionen keine zusätzliche, weitere,
eigene Intention – es sei denn, die Anmut der Erkenntnis, die das Licht
des Sinns im Bewußtsein aufgehen läßt, wäre eine
sich selbst erfüllende Intention. Indem der logos
dem Theos
immanent ist, hat er weniger einen äußeren Mitteilungscharakter
(und schon gar kein statisches Nebeneinander oder sich "bei"-einander Befinden)
als einen inneren Aufschluß-Charakter. Wenn es nicht irgendein Wort
sein soll, das an irgendeine Person gerichtet wird, sondern der allen Sinn
in sich befassende logos
selbst ist, der im Gott selbst, ja mit ihm identisch, aufgeht, muß
es als ein Sich-Erschließen formuliert werden. Das Wort richtet sich
an Gott: Sein Sinn erschließt sich dem mit ihm identischen Gott,
Gott ist mit seinem Sichwissen identisch.
und Gott selbst war der Sinn
1:2 houtos
ên en Archêi pros ton Theon
dieser erschloß sich im Ursprung dem
Gott
1:3 Panta
di autou egeneto
alles ging durch ihn hervor
egeneto
– mit einer Spannweite zwischen bloßem blassen "werden"
– aber vgl. die Bedeutungsabhängigkeit der Existenz-Prädikate
und der Kopulae bei Prädikatsnomina von ihrem inhaltlichen Kontext
– und vollerem "hervorgebracht werden" bis hin zum personalen "geboren
werden".
"Entstehen" entspräche gewiß mehr einem Werden aus dem Nichts
heraus, wäre aber eher spontan, ohne Schöpfung; "hervorgehen"
vermeidet das "ex nihilo", von dem ich auch sonst im Johannesevangelium
nichts sehe: Alles, Schöpfung wie Neuschöpfung, sogar die Erweckung
der Toten zum ewigen Leben, geht den Worten des Evangelisten gemäß
durch die Auslegung
der väterlichen Archetypen in den Heilungs-, Wandlungs und Erweckungs-Taten
des Sohnes hervor, wie ja nicht nur im 5.
Kapitel dargelegt wird, sondern auch hier, im Prolog in eben diesem
Vers und im abschließenden ekeinos
exêgêsato.
und ohne ihn ging nicht ein Wesen hervor das hervorgegangen
ist
1:4 en
autôi Zôê ên
kai hê
Zôê ên to phôs tôn Anthrôpôn
in ihm war Leben – und das Leben ging als
das Licht der Menschen auf
phôs
– Das
Licht, das in den Menschen aufgeht, ist ihr Bewußtsein, ihr immer
neues Auphôachen im Jetzt, wie es schon in der Selbstauslegung
jedes Gedankengangs erlebt wird; aber ich entscheide hier nicht, ob es
eine untergründig-inspirationskräftige Erleuchtungsanlage in
den subtilen Empfindungsbereichen des Menschen oder (nur) sein hell-reflektives
Wachbewußtsein meint, zumal letzteres das erstere auszulegen
pflegt.
1:5 kai
to phôs en têi Skotiai phainei
kai hê
Skotia auto ou katelaben
und das Licht scheint in der Finsternis –
und die Finsternis faßte es nicht
skotia
– die nur sehr dumpfe, bestenfalls tranceartige Bewußtheit der Materien,
mit denen sich das erkennende Wachbewußtsein befaßt, die es
zu begreifen sucht. Es selbst wird nicht von Materien begriffen, obwohl
deren Organisation das begreifende Wachbewußtsein erst ermöglicht.
Das Nervensystem ist nicht die lichte Wachheit selbst, sondern
bildet die instrumentelle Grundlage der Wahrnehmungsfähigkeit.
Die skotia
unterscheidet unsere menschliche Bewußtseinsart von der
des Gottes: Dort schließt sich der Sinn bereits im Ursprung
auf, hier muß in der skotia
eine Wahrnehmungsfähigkeit erst organisiert werden;
desweiteren muß der logos
dem empfindungsfähigen Leib einwohnen, um die
innergöttliche Geburt, das Aufgehen des Sinns, fortzusetzen.
1:6 egeneto
Anthrôpos apestalmenos para Theou
onoma autôi
Iôannês
es ging ein Mensch hervor – gesandt von Gott
– sein Name: Ioannes
egeneto
Anthrôpos – eigentlich: Es wurde Mensch. Es
entstand ein organisches Wesen, bewußter Spiegelung (Repräsentation,
Vergegenwärtigung) des Geistes fähig.
Iôannês
– so pflegt die Tradition auch den Jünger zu nennen, "den Jesus liebte",
den Autor bzw. Übermittler dieses Evangeliums. Aber dieser in Philons
Philosophie und Pharisäer-Traditionen gleichermaßen gebildete
junge Mann mit Zugang zum hohen Rat (!) ist mit dem Donnersohn, dem Fischer
Johannes der obersten Apostel-Dreiergruppe bei den Synoptikern, wohl kaum
identisch; und der einzige Name, den sich der Übermittler in diesem
Evangelium gibt, ist eben die satzlange Formulierung "der Jünger,
den Jesus liebte"; "Johannes" nennt er sich nicht. Der einzige Johannes
im "Johannes"-Evangelium ist der Wasser-Täufer, der den Geist-Täufer
bezeugt, sichtbar macht, der Wahr-Nehmung wahr-gibt, "hina
phanerôtêi" – "damit er zur Erscheinung
komme".
1:7 houtos
êlthen eis Marturian hina marturêsêi peri
tou phôtos
dieser kam zum Wahrnehmen – daß er die
Wahrnehmung bilde für das Licht
marturia
ist gewiß in der Grundbedeutung Zeugnis, Zeugenschaft, Bezeugung
der Wahrheit; aber was ist die Bezeugung des Lichtes? Licht ist dadurch
zu definieren,
daß es eine
sich selbst tragende Information, und das heißt zugleich: eine
sich selbst mitteilende Trägerwelle ist; bedarf es eines Zeugnisses
wie vor einem Gericht oder bei einem Notar? Es bedarf immerhin der Brechung,
Reflexion oder gar Spiegelung, sonst bleibt es unsichtbar, es sei denn,
der Betrachter würde unmittelbar geblendet. Ioannes ist der Hinweisende,
wie der Isenheimer
Altar es imaginiert. Es sollte vielleicht heißen: "dieser kam
um hinzuweisen, daß er hinweise auf das Licht"; oder "dieser kam
als Träger, als Repräsentant, als Vergegenwärtigung des
Lichtes" – aber was kann all diese Bedeutungen besser zusammenfassen als
die "Wahrnehmung" des Lichts, das eigentlich vor aller Wiederspiegelung
bereits sein eigener
Träger, Repräsentant und seine eigene Vergegenwärtigung
ist? Lieber noch möchten wir sagen "Wahr-Gebung" in Entsprechung zur
"Wahrnehmung" als dem Annehmen des Wahren, denn es geht bei der marturia
um die Instanz, die die Wahrnehmnung stiftet, ermöglicht, heranbildet.
Die beliebte Zeugnisablegerei möge in diesem Sinne aufgeschlossen
werden; aber zu einem bloßen breitbeinigen Behaupten (zu dem das
"Zeugnisablegen" in unseren Tagen verkommen ist) ist es nicht "Mensch geworden",
sondern zur Empfängnis des logos
und zur Versenkung in den logos
wurde es Mensch bzw. ging ein Mensch hervor.
hina pantes
pisteusôsin di autou
daß alle Versenkung finden sollen durch
ihn
pistis
– Vertrauen, bei Personen das verbindende Gefühl unbegrenzter
Gemeinsamkeit, bei Dingen die Versenkung des Empfindens in ihre Wahrheit.
Aber beim "Sohn des Menschen", beim Licht des logos,
geht es um etwas, das dem Menschen die Tür zur Unsterblichkeit aufschließt,
nicht um irgendein bloßes Vertrauen. Vertrauen im religiösen
Feld, in der Regel mit "Glauben" wiedergegeben, reicht so tief, daß
es eine liebende Verschmelzung mit dem inneren Lehrer, Lebensspender und
Todüberwinder bedeutet. Es ist zumindest eine grenzenlos vertrauende
Versenkung in in ihn, und Ioannes weist in Sprüchen und Bildern auf
das hin, worein der Schüler ("Jünger") sich versenken kann.
1:8 ouk
ên ekeinos to phôs
all hina marturêsêi
peri tou phôtos
nicht ging jener als das Licht selbst auf
– sondern daß er die Wahrnehmung bilde für das Licht
1:9 ên
to phôs to alêthinon ho phôtizei panta Anthrôpon
erchomenon
eis ton Kosmon
es war das Licht das wahre – das den ganzen
Menschen erleuchtet – hineinkommend in die Welt
erchomenon
– Die Doppeldeutigkeit – ist es das wahre Licht oder ist es
der Mensch, das oder der "hineinkommend in die Welt" ist? grammatisch wie
auch vom Sinn her ist beides möglich – ist in der Übersetzung
bewußt offengehalten.
1:10 en
tôi Kosmôi ên
kai ho Kosmos
di autou egeneto kai
ho Kosmos auton ouk egnô
in der Welt ging er auf – und die Welt ging
durch ihn hervor – und die Welt erkannte ihn nicht
Fortsetzung der Doppeldeutigkeit: Statt des neutrum, wie es auf phôs
zu beziehen wäre, masculinum: also der Mensch, der in die Welt hineingekommene;
aber es ist üblich, diesen Vers auf den logos
zu beziehen, als ob die Ioannes-Erwähnung nur ein ungefüger Einschub
wäre.
1:11 eis
ta Idia êlthen kai
hoi Idioi auton ou parelabon
in sein Eigenwesen kam er hinein – und die
Eigenwesen begriffen ihn nicht
idios
– meint hier natürlich noch nicht "Idiot", sondern "eigen"
(als masc.Sg. "Prisatperson"); hier zuerst neutrum Plural, "das Eigene";
dann aber sogleich masculinum Plural, also Individuen mit eigener Innenwelt,
PrisatheitsSphäre, Selbständigkeit.
1:12 hosoi
de elabon auton edôken
autois Exousian Tekna
Theou genesthai
die ihn aber empfingen – denen gab er die
Handlungsquelle als Kinder Gottes geboren zu werden
denen die sich in seinen Namen versenken
1:13 hoi
ouk ex haimatôn oude
ek thelêmatos sarkos
die nicht aus Blut – noch aus der Wollust
des empfindenden Leibes
noch aus der Wollust des Mannes – sondern aus
Gott geboren sind
1:14 kai
ho Logos sarx egeneto kai
eskênôsen en hêmin
und der Sinn ging als empfindender Leib hervor
und wohnte in uns
sarx
– wer
bei der üblichen Übersetzung dieses Wortes nicht an den "Metzger
seines Vertrauens" denkt, an Ladentheken mit zurechtgeschnittenen Muskelstücken
zum Verzehr, der mag dieses Wort weiterhin mit "Fleisch" übersetzen.
Aber was ist denn gemeint? In der Tat gibt es keinen geschlossenen deutschen
Ausdruck für das hebräische "bâshâr", das
die Septuaginta mit sarx
und die Vulgata mit caro
wiederzugeben pflegt – z.B.in Sätzen von solch surrealem Charme
wie: "Alles Fleisch lobe den Herrn". Der Begriff meint die Empfindungsfähigkeit
unserer konkreten Leiblichkeit bzw. (schon wegen der Abstraktionsfeindlichkeit
des Hebräischen) den Leib selbst als empfindungsdurchdrungenes Organ
des Täters, Sprechers, Hörers, des Menschen; und viel kürzer
als "empfindender Leib" kann ich es nicht wiedergeben.
und wir schauten seinen Glanz – einen Glanz
wie eines vom Vater all-ein Geborenen – voll der
Anmut und Wahrheit
doxa
– alles, was von einem geistbegabten Wesen ausstrahlt: die Lehre
des Lehrenden, die Erscheinung des sich Zeigenden, das Licht des Offenbarers,
der Glanz einer glänzenden Genialität.
monogenês
– einziggeboren ist der Sohn nicht mit Ausschluß anderer
Söhne, zumal er die Sohnschaft weitervermittelt an die "Kinder
Gottes" und in biblischen Versen auch von "Söhnen
Gottes" im Plural die Rede ist, sondern in dem Sinne, daß er
als Vermittler dieser Gotteskindschaft eben den ewigen Geburtsprozeß
dieser exousia
in eins zusammenfaßt, bündelt, integriert, aus-führt. Die
Einzigkeit beruht auf der Durchdringung der Gottheit mit Sinn, wie sie
in den ersten beiden Versen des Prologs zirkuliert.
1:15 Iôannês
marturei peri autou kai
kekragen legôn
Ioannes bildet die Wahrnehmung für ihn
und hat es ausgerufen mit dem Spruch:
dieser war den ich angesagt habe
der nach mir kommend mich überschritten hat
– weil er mir vorausging
1:16 hoti
ek tou Plêrômatos autou hêmeis pantes elabomen kai
Charin anti
Charitos
weil wir alle aus seiner Fülle Anmut
um Anmut empfingen
1:17 hoti
ho nomos dia Môuseôs edothê
weil zwar das Gesetz durch Mose gegeben wurde
die Anmut und die Wahrheit aber durch Jesus den
Gesalbten hervorging
1:18 Theon
oudeis heôraken pôpote
keiner hat Gott je geschaut
der all-ein geborene Sohn – der da aufgeht – in
das Herz des Vaters hinein
jener legte ihn aus-führlich dar
exêgêsato
– führte aus, legte dar, vor allem aber: legte ihn aus.
Der Sinn entbirgt die väterlichen Archtypen durch Taten. Darin eingeschlossen
sind die Auslegungen
der schriftlichen Archetypen des Mose-Gesetzes und der Propheten durch
den Erfüllenden: Sie belegen ihn, machen ihn sichtbar, wahrnehmbar.
Sie – so der alte Sprachgebrauch – "zeugen
für ihn".