Bilder dieser Art bieten
die Evangelien in eigentümlicher Dichte. Zum einen die Gleichnisse,
bei denen besonders deutlich ist, daß die Bilder nicht unbedingt
aufgelöst werden müssen, sondern unmittelbar auf die Seelen der
Hörer wirken und Organe in den Untergründen des Bewußtseins
dazu heranbilden können, den Keim der Auferstehung in sich aufzunehmen.
Zum andern die "Zeichen" (sêmeia"), die meistens Krankenheilungen
beschreiben, aber oft auch ihre heilende Wirkung innerhalb der Seele des
Hörers in andere Bilder verpacken, wie bei der Hochzeit zu Kana oder
bei den beiden Brotausteilungen, deren zweite der Text unten auch wiedergibt.
"Zeichen" sind ohnehin Rätsel,
Aufgabenstellungen für einen meditierenden, in Abgeschlossenheit betenden
Schüler. Ob die Organe zur Aufnahme des Heiles sich herausbilden bei
dem Schüler, wird gelegentlich vom Meister überprüft, z.B.
bei den Blindenheilungen, bei den Rückfragen an Schüler wie Nikodemos,
Nathanael, Petros, die zwölf – siehe unten.
Sauerteig der Pharisaier
und Brot (deutlich ausgelegt in Joh 6,48-60) sollen sie unterscheiden;
die zwölf, die ihrem Lehrer ein Boot zur Verfügung stellen, auf
dem es hin- und hergeht zwischen den traumêaften Imaginationen der
Nachtwelt und den Diskussionen der Tagwelt – sie haben nur ein Brot mit,
das Verständnis der beiden Brotverteilungs-Zeichen soll ihnen aber
die Sorge lösen.
Wie sind diese beiden Brotverteilungszeichen
und das Einsammeln der Brocken in 12 oder 7 Körben also zu verstehen?
Text: Euangeleion kata Markon, Kapitel 8,1-21
1. En ekeinais tais hêmerais palin pollou
ochlou ontos kai mê echontôn ti phagôsin,
In jenen Tagen, als wieder viel Volk da war
und die Leute nichts zu essen hatten,
proskalesamenos tous mathêtas legei autois:
rief er die Schüler zu sich und sprach
zu ihnen:
2. Splannchnizomai epi to ochlon,
Es geht mir durchs Herz mit dem Volk,
hoti êdê hêmerai treis prosmenousin
moi kai ouk echousin ti phagôsin;
da sie schon drei Tage bei mir ausharren und
haben nichts zu essen;
3. kai ean apolysô autous nêsteis
eis oikon autôn, eklythêsontai en têi hodôi;
und wenn ich sie ungesättigt nach Hause
entließe, würden sie auf dem Weg entkräftet werden,
kai tines autôn apo makrothen eisin.
und manche von ihnen sind von weit her.
4. Kai apetkrithêsan autôi
hoi mathêtai autou hoti
Und es antworteten ihm seine Schüler:
pothen toutous dynêsetai tis hôde
chortasai artôn ep' erêmias?
Woher wird diese Leute jemand derart sättigen
können: mit Brot in der Wüste?!
5. Kai êrôta autous: posous echete
artous? hoi de eipan: hepta.
Und er fragte sie: Wieviel Brote habt ihr?
Sie sagten: Sieben.
6. Kai parangellei tôi ochlôi
anapesein epi tês gês;
Und er ließ dem Volk weitersagen, sie
sollten sich auf die Erde niederlassen;
kai labôn tous hepta artous eucharistêsas
eklasen
und er nahm die sieben Brote, dankte und brach
sie,
kai edidou tois mathêtais autou hina
paratithôsin, kai parethêkan tôi ochlôi.
und gab sie seinen Schülern, daß
sie vorlegen sollten, und sie legten sie dem Volke vor.
7. Kai eichon ichthydia oliga; kai eulogêsas
auta eipen kai tauta paratithenai.
Und sie hatten einige Fischlein; und er segnete
ebendiese und sagte, sie sollten auch das vorlegen.
8. Kai ephagon kai echortasthêsan, kai
êran perisseumata klasmatôn, hepta spyridas;
Und sie aßen und sättigten sich,
und sie hoben die Überreste der Brocken auf: sieben Körbe;
9. êsan de hôs tetrakischilioi;
kai apelysen autous.
es waren etwa viertausend; und er entließ
sie.
10. Kai euthys embas eis to ploion meta tôn
mathêtôn autou êlthen eis ta merê Dalmanoutha;
Und sofort stieg er in das Boot und kam mit
seinen Schülern in die Gegend von Dalmanoutha;
11. kai exêlthon hoi Pharisaioi kai êrxanto
syzêtein autôi,
und es kamen die Pharisaier heraus und begannen,
zusammen mit ihm Untersuchungen anzustellen,
zêtountes par' autou sêmeion apo
tou ouranou, perazontes auton.
wobei sie von ihm ein Himmelszeichen suchten,
um Ihn zu prüfen.
12. Kai anastenaxas tôi pneumati
autou legei: ti hê genea hautê zêtei sêmeion?
Und er stöhnte auf in seinem Geiste und
sprach: Was sucht diese Generation ein Zeichen?
Amên legô hymin, ei dothêsetai
têi geneâi tautêi sêmeion.
Amen ich sage euch: Wenn dieser Generation
ein Zeichen gegeben werden wird ...!
13. Kai apheis autous palin embas apêlthen
eis to peran.
Und er ließ sie hinter sich, stieg wieder
ein und ging fort zum anderen Ufer.
14. Kai epelathonto labein artous, kai ei mê
hena arton ouk eichon meth' heautôn en tôi ploiôi.
Und sie vergaßen, Brote zu nehmen, und
außer einem Brot hatten sie nichts mit sich in dem Boot.
15. Kai diestelleto autois legôn:
Und er zeigte ihnen Unterscheidungen mit den
Worten:
horate, blepete apo tês zymês tôn
Pharisaiôn kai tês zymês Hêrôdou.
Seht hin, hütet euch vor dem Sauerteig
der Pharisaier und vor dem Sauerteig des Herodes!
16. Kai dielogizonto pros allêlous hoti
artous ouk echousin.
Und sie diskutierten miteinander, daß
sie keine Brote hätten.
17. Kai gnous legei autois: ti dialogizesthe
hoti artous ouk echete?
Und da er es wußte, sprach er zu ihnen:
Was diskutiert ihr miteinander, daß ihr kein Brot hättet?
Oupô noeite oude synhiete? pepôrômenên
echete tên kardian hymôn?
Wißt ihr es noch nicht und begreift
ihr es nicht? Habt ihr ein verhärtetes Herz in euch?
18. ophthalmous echontes ou blepete, kai ôta
echontes ouk akouete?
Ihr habt Augen und seht nicht, und habt Ohren
und hört nicht?
19. Kai ou mnêmoneuete, hote tous pente
artous eklasa eis tous pentakischilious,
Und ihr ruft euch nicht ins Bewußtsein:
als ich die fünf Brote brach für die fünftausend,
posous kophinous klasmatôn plêreis
êrate? Legousin autôi: dôdeka.
wieviel Körbe voll von Brocken ihr da
aufhobt? Sie antworteten ihm: Zwölf.
20. Hote tous hepta eis tous tetrakis-chilious,
- als die sieben für die viermal-tausend,
posôn spyridôn plêrômata
klasmatôn êrate? kai legousin: hepta.
wieviel Körbe gefüllt mit Brocken
ihr da aufhobt? Und sie sagten: Sieben.
21. Kai elegen autois: oupô synhiete?
Und er fragte sie: Begreift ihr noch immer
nicht?
Daniel Ich möchte berichten, was die antwortwilligen Antworten ergeben haben: Das
Brot ist, wie das Johannesevangelium ja auch zum ersten Zeichen angibt,
das Brot des Lebens selbst, der sich selbst austeilende Meister, Christus.
Alle,
die eine Deutung vorschlagen (und nicht schlicht behaupten, es sei kein
Rätsel, ohne eben dies genauer zu begründen), sehen die beiden
Zeichen als sakramentale Selbstausteilung Christi in universaler Reichweite
und Geltung, allen Raum und alle Zeit durchdringend, eine durch die Menschen
geführte kosmische Eucharistie.
2. das ist ja die Frage, was der Meister zu verstehen geben will; wir können es nicht schon voraussetzen.
Daniel grusz, hansz |
- Beim Abendmahl war es der Gottessohn, der sagte: Solches tut, so oft ihr zusammenkommt. - Bei der Taufe war es die Stimme Gottes, die sagte: Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hoeren. - Bei der Versiegelung waren es die Feuerzungen, die das unmittelbare Einwirken der goettlichen Kraft bezeugten. Alle diese Legitimationen sind Beweise fuer das goettliche Eingreifen, das sich aus dem menschlichen Bereich heraushebt.
Die
beiden Zeichen scheinen eher die ganze Raumfülle der Christus-Austeilung
(bis in die zwölf Stämme von Abrahams sternenreichen Nachkommenschaft,
bis in die zwölf Sternkreiszeichen hinaus, mit denen schon die Brote
- Attribut der Jungfrau – und die beiden Fische harmonieren) und die ganze
Zeitenfülle (durch alle sieben Zeitenkreise hindurch) dieser Weltennahrung
aus-zu-bildern. In beiden fällen geht es durch die Menschen hindurch,
und in den Gesamtraum und durch die Gesamtzeit hindurch sammeln sich nur
die Reste dieses großen Wurfes.
grusz, hansz |
Als Germanist finde ich Dein Problem recht interessant, obwohl wie mein Kollege Carsten schon festgestellt hat, ist es nicht der Kern des christlichen Glaubens.
Einzelne Bestandteile sind symbolisch deutbar. Da Jesus in V. 21 fragt: "Begreift ihr immer noch nicht?" Die Menge der zusammenpassenden Symbole könnten einen allegorischen Sinn vermuten lassen. These: 1. Die gebrochenen Brote stellen symbolisch den Leib Christi dar.
"Vier" wird über die Syzygienlehre in der Regel auf die Haupthimmelsrichtungen (Windrichtungen) und zugleich auf die Tageszeiten, Jahreszeiten (im Bild der vier Hauptsternkreiszeichen Stier-Löwe-Adler (statt Skorpion) und Engel (mit Menschenantlitz für Wassermann), also auch auf die vier Evangelien-Aspekte des Auferstandenen, und auf die (in der antiken Medizin) vier Säfte und Charaktere des Leiblich-Seelischen bezogen, vor allem aber auch auf die vier Reiche des Mineralischen, Pflanzlichen, Tierischen und Menschlichen – einfach: auf die Erde selbst in ihrer kreuzphörmigen Viererordnung. "Sieben"
ist die Zahl der Zeitenkreise. In antiker Auffassung bildet die Zeit Kreise,
in denen Geburt und Tod zusammengeschlossen sind; nicht nur die Leben der
Menschen, sondern auch die Leben der großen Kulturen (Weltreiche)
und der Erde, z.B. in den Verwandlungen der Apokalypse.
Bei Jakob Böhme heißt es, das die Welt umfassende Licht der Gottheit zentriere sich nach innen hin zur Sonne (von der die sichtbare Sonne ein Abbild ist). Ähnlich
bei der zweiten Brotverteilung: verteilt durch die Zwölf an alle Bereiche
der Erde werden alle gesättigt, ja es bleiben Reste noch für
alle Zeitenkreise. Und auch hier verliert sich die Sättigung nicht
im Grenzenlosen der Zeitdauer, sondern wird in den Körben zurückgebracht
zum Austeiler, dem Wesen, das alle Zeit umfaßt, Geburt aus dem Tod
erzeugt und die Kreise zusammenschließt – in der jetzigen Mitte (!
nicht erst am fernen Ende zukunftswärts oder vergangenheitswärts).
a) Engel ("angeloi") als Boten, b) Engel in den archaischen Bildern des AT, c) Engel in der Engellehre des Dionysios Areopagites, die im Mittelalter galt. a) I.
Götterboten der Griechen sind
II. Götterboten der Römer: dieselben wie bei den Griechen, da sie alles von den Griechen übernehmen; aber auch eine allgemeine Vorstellung von "Genien", mehr an die Personen gebundenen Geistern, dargestellt als geflügelte Jünglinge, also recht ähnlich der mittelalterlichen und neuzeitlichen Engelvorstellung. III.
b) die
figürlichen Darstellungen von Cherubim
in Stiftshütte, Tempel und auf der Bundeslade sind sphinxartig und
erinnern besonders an die gemischten Lebewesen (Chimären nennt man
so etwas, wenn es außerhalb des Bibel vorkommt) der Apokalypsen (Zoon,
Zoa), manchmal mit "Tiere" übersetzt. Vier markante Eckpunkte des
Jahreskreises, also die Sternbilder mit den Gesichtern von Mensch-Löwe-Stier-Adler.
Engel habe in diesen archaischen Abbildungen also nicht notwendigerweise
ein Menschengesicht. Es ist aber zu beobachten, wie im Laufe der Entwicklung
das Menschenbild des Engels die mehr "tierischen" überwindet oder
in deren Mitte als ausgewogenstes und angemessenstes erscheint.
c) Dionysios
(oft "Pseudo-Dionysios", weil dieser Philosoph des 5./6.Jahrhunderts den
Namen des Gastgebers des Paulus in Athen benutzt) bietet eine großartige
Engellehre, die das ganze Mittelalter
prägt – vgl. Thomas von Aquin
über die Hierarchie der Engel – und
heute nur noch von den Anthroposophen vertreten wird. Ansätze finden
sich bereits in den eigentümlichen Begriffen und Unterscheidungen
der Paulusbriefe, wo auch die Zuordnung zu "Archonten" (gnostischer Begriff
für kosmische Mächte der Planetensphären)
- also der Welt der Finsternis – oder zu den Boten Gottes nicht immer völlig
klar ist.
Im keltischen Raum, wohl auch bei den im Keltengebiet siedelnden Germanen (und von ihnen weitergeführt) – gewiß auch sonst weltweit – ist die Verlebendigung der sinnlichen Natur sehr beliebt, dieser shakespearesche "Sommernachtstraum" von Elfen und Trollen, von Zwergen und Riesen, wo Drachen getötet werden müssen (das kennen alle Religionen – eine wichtige Götter- oder Engel-Funktion), um "die Jungfrau" zu befreien, wo alte Weise weiterhelfen, wo verführende Schönheiten sich über, zwischen, neben Kobolden und Boshaftigkeiten tummeln. "Lichterflügelvollgeschwirrte Räume". Ein ernsthaftes Kapitel wären "Todesengel", Ankündiger des Todes und führer ins Totenreich. Beeindruckend der zweite Akt von Richard Wagners "Walküre", das Zentrum des Werkes. Oder der Tod in dem kleinen Gedicht von Matthias Claudius, das von Schubert so wunderbar zu einem großen Streichquartett ausgestaltet worden ist, oder in Hugo von Hofmannsthals Frühwerk. Vielleicht klingt bei diesen der Novalisspruch an:
Du bist der Tod und machst uns erst gesund!" Viel
Freude beim Durchsuchen, Vergleichen, Werten und Erkennen,
|
Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohn Hochzeit machte.