J. an Hans:
... Hast
Du eventuell noch genauere Informationen zu scheinbaren Widersprüchen
in der Bibel?
Es gibt da so ein paar
Verse, die mich leicht überraschen. Ich zweifle kein bisschen an der
Wahrheit,
doch es ist interessant
und wichtig für mich, dass ich über scheinbare Ungereimtheiten
Bescheid weiß.
(Es könnte ja mal
sein, dass mich da jemand fragt).
Also falls du da mehr
Bescheid weißt, dann bin ich dir sehr dankbar über mehr Informationen.
Hier nun die Bibelstellen:
Matthäus
1,16 --- Lukas 3,23
Vater Josephs?
Markus
15,25 --- Johannes 19,14
Kreuzigung zur dritten Stunde oder nach der sechsten?
Apg.
9,7 --- Apg. 22,9
Paulus: ob die Männer das Licht sehen oder die Stimme hören?
Maleachi
3,4+6 (messianische Apokalypse:)
Speiseopfer und Strafe gelten
4.Mose
23,19 (Bileams
Segen:)
Gott lügt nicht
Hesekiel
24,14 (Strafe über
Jerusalem:) Strafe gilt
2.Mose
32,14 (Moses bittet,
Folge:)
Gottes bereut seine Strafe
1.
Mose 6,6
(vor der Sintflut:)
Gott bereut seine Schöpfung
Jona
3,10
(Ninive bekehrt sich, Folge:) Gott nimmt voll Reue die
Strafe zurück
Lieber J.,
. . . Die Evangelien gelten
als "inspiriert" vom Heiligen Geist, und mir gelten sie als Entfaltungen
des Auferstehungsleibes Christi, wo, wie ich im
letzten Rundbrief zu formulieren gewagt habe, in den Heilungen die
Auferstehungskräfte und in den Sprüchen die erweckenden Impulse
des SOHNES gespiegelt sind. Das "Ich" Jesu umfaßt alle Menschen,
anstatt ihnen bloß individuell entgegenzustehen; so spricht Jesus
von sich als dem "Menschensohn", als dem wahren Ich aller Menschen, das
in ihnen wirklich wird, wenn sie seinem Passionsweg nachfolgen und seine
Geburt in sich zulassen.
Nun geht die himmlische
Wahrheit durch den irdischen Tod hindurch, und so hat sie einen historischen
Durchkreuzungspunkt, der in Tod und Begräbnis Jesu fixiert ist; mit
der Auferstehung bricht allerdings ein anderes Wirklichkeitsprinzip durch:
das Leben selbst, die aus sich opfernder Hingabe bestehende Tätigkeit,
"Tathandlung", wie Fichte die Substanz des wahren Ich genannt hat. Das
Ich als Tätigkeit durchdringt alle Schichten der Persönlichkeit
und des Lebens: ausgehend von der Geistorientierung, die oberen Seelenschichten
durchleuchtend wie der Dämmerungsbeginn vor dem Morgen, die Wolken
des Gemütslebens entzündend, sich in die vegetativen Wälder,
Felder, Weiden hinabsenkend, die Teiche, Seen und Meere des Lebens durchglänzend,
den Körper bewegend, der in die Umgebung hinein wirkt -- in all dem
ist das Ich als Tätigkeit wirksam. Das wahre Ich allen Lebens ist
Christus, der in den miteinander kommunizierenden Einzel-Personen der Gemeinde
lebt wie ein Mensch im Zusammenwirken seiner körperlichen Organe (so
beschreibt es Paulus).
Die Bilder der Evangelien
sind wie Gefäße, die die Auferstehungskräfte und Erweckungsworte
dieser Schöpfungs- und Neuschöpfungs-Tathandlung aufnehmen: Sie
sind Imaginationen, sehr genaue Bildumsetzungen der geistigen Strukturen
des Auferstandenen. Es ist erstaunlich, wie
sehr sie trotz der verschiedenen Sichtweisen der vier Evangelisten übereinstimmen.
Aber da es eine sehr genaue Bilderschrift der Biographie Jesu ist, bleibt
die Frage zu beantworten: warum denn doch solche Unterschiede auftauchen,
wie Du sie genannt hast.
Es sind ja in der Tat Unterschiede,
und nicht immer lassen sie sich als "Abschreibfehler" wegwischen, etwa
von der Art, daß die
"sechste Stunde" bei Johannes eine Verschreibung von "dritte Stunde"
sei: "hektê" (bzw. da der Hauchlaut keine Entsprechung in den Papyri
hat: "ektê") bei Johannes aus "tritê" bei den Synoptikern.
Vielmehr
sind die Verschiedenheiten festzuhalten, obwohl gewiß schon viele
im 2.Jahrhundert durch Harmonisierungen der Evangelien verwischt wurden,
denn die Verschiedenheiten haben auch eine erkenntnisvertiefende Funktion.
Wie etwa durch unsere "verzwillingten" Sinne: Mit dem linken Auge nehmen
wir ein geringfügig anderes Bild wahr als mit dem rechten; mit dem
linken Ohr hören wir Klänge ein wenig früher oder später
als mit dem rechten. Das ermöglicht eine Wahrnehmungsart, über
die nur wenige höhere Säugetiere verfügen, und die nur der
Mensch ganz zu seinem Gegenstände-Unterscheiden benutzt, nämlich
die Raumtiefe! Es mag uns in der Welt "fangen", aber es ist ein unglaubliches
Naturgeschenk, die räumliche Tiefe, die Dreidimensionalität der
Welt durch diese Feindifferenz wahrnehmen zu dürfen!
Matthäus
1,16 : Lukas 3,23 Vater
Josephs
Iakôb
de egennêsen ton Iôsêph ton andra Marias
ex hês egennêthê Iêsous ho
legomenos Christos
Iacob
autem genuit Ioseph
virum Mariae
de qua natus est Iesus
qui vocatur Christus
Jakob aber zeugte
Joseph, den Mann Marias, von welcher geboren ist Jesus, der
da heißt der Gesalbte
kai
autos ên Iêsous archomenos hôsei
etôn triakonta
ôn hyios hôs enomizeto Iôsêph
tou Êli
et ipse Iesus erat incipiens quasi annorum triginta
ut putabatur filius Ioseph
qui fuit Heli
und Jesus begann etwa dreißig Jahre alt und war, wie man glaubte,
ein Sohn Josephs, des Sohnes des Êli
Nur zwei Evangelien haben
eine Geburtslegende, aber eine jeweils verschiedene, und so auch zwei Stammbäume
Jesu, aber verschiedene.
Beide sind in sich höchst
konsequent und auf ihre jeweilige Art höchst charakteristisch. Das
Lukas-Evangelium, das im
Tempel beginnt und im
Tempel endet, in dem die
Frauen und das
Gespräch eine gewissermaßen "hervortretende" Rolle spielen,
führt
die Abstammung Jesu über die sogenannte "priesterliche" Linie des
Hauses David, die von Nathan auszweigt. Das Matthäus-Evangelium,
wo die Weihnachtsgeschichte durch die
Träume Josephs hindurchläuft, immer in
Sprüchen des AT verankert, bereichert um die Erzählung
von den sterngeleiteten "Magiern" aus dem Osten (Persien), aus denen
die mittelalterliche Tradition dann drei "Könige" gemacht hat (ich
komme ja aus Köln, wo im Dom ihr Schrein steht), führt
den Stammbaum Jesu über die Königslinie des Hauses David, die
über Salomon auszweigt. Zarathustras
und Salomons
Weisheit im Jesusknaben des Matthäus-Evangeliums, die Unbefangenheit
der Hirten und der an
Krischna oder an die Geburt Buddhas erinnernde Himmel
voller Engel bei Lukas, das sind interessante Gegensätze. Beide
Seiten Jesu sind nicht wegzudenken: die der uralten Weisheit, in der sich
alle königliche Weisheit und Erfahrungs-Essenz der Menschen faßt,
als habe da einer alle menschlichen Leben mitdurchlaufen, alle Schmerzen,
Irrungen, Lernprägungen, Mitwisserschaften der individuellen Persönlichkeiten
einerseits, und eine naive Unbefangenheit, vorfahrenlos-neu, jungfräulich
geboren aus geradezu erfahrungsloser Reinheit andererseits. Der älteste
aller Menschen -- der jüngste aller Menschen: durch
diese beiden Augen öffnet sich in der Taufe die Tiefe des Himmels
und der Geist steigt dem Schauenden in Gestalt einer Taube hinab, um "auf
ihm zu bleiben".
Markus 15,25
: Johannes 19,14 Kreuzigung
zur dritten Stunde oder nach der sechsten
ên
de hôra tritê
kai estaurôsan auton
erat
autem hora tertia
et crucifixerunt eum.
Und
es war die dritte Stunde und sie kreuzigten ihn.
ên
de paraskeuê tou pascha
hôra ên hôs ektê
kai legei tois Ioudaiois
ide ho basileus hymôn
erat
autem parasceve Paschae hora quasi
sexta
et dicit Iudaeis
ecce rex vester
Es war aber der Rüsttag
zu Pascha um die sechste Stunde und er spricht zu den Juden: Sieh, euer
König!
Das war mir, ehrlich gesagt,
noch nie aufgefallen, aber das entspricht der verschiedenen Charakterisierung
der Passion bei den Synoptikern
und bei Johannes.
Nun sind "Stunden" bei bloßer Schätzung des Sonnenstandes normalerweise
nichts Genaues, aber die sechste Stunde ist doch ausnahmsweise etwas überaus
Genaues, da es die Zeit ist, wo die Sonne im Zenith steht. Bei Johannes
ist es der Augenblick des Pilatusspruchs: "Siehe,
der Mensch!" (oder: "Siehe, ein Mensch!"), noch in der Stadt, noch
vor dem Kreuzweg. Höchst verschieden sind sogar die "letzten Worte"
des Gekreuzigten.
Ich selbst halte den Johannesbericht
für den konkretesten Augenzeugenbericht, denn so
schreibt es ja der "Bezeugende", wie eine Unterschrift unter einem Dokument,
wo er den Lanzenstich und das "Blut und Wasser" erwähnt.
Frühchristliche und
von dort aus weitergeführt mittelalterliche Tradition, die sich bis
ins Görlitzer Heilige Grab fortsetzt, parallelisiert den Karfreitag
mit dem sechsten Schöpfungstag, so z.B. die spätantike "Schatzhöhle":
"In
der ersten Stunde des Freitags bildete Gott den Adam aus Staub;
und
in der ersten Stunde des Freitags empfing der Messias Speichel von den
Kindern Adam's.
In
der zweiten Stunde Freitags versammelten sich die wilden Tiere und Vieh
und Vögel bei Adam,
und
er gab ihnen Namen, während sie ihr Haupt vor ihm beugten;
und
in der zweiten Stunde Freitags scharten sich die Juden wider den Messias,
indem
ihre Zähne gegen ihn knirschten, nach dem Worte des frommen David:
'grosse
Farren haben mich umgeben; fette Ochsen haben mich umringet'.
In
der dritten Stunde Freitags wurde die Krone der Glorie auf das Haupt Adam's
gesetzt;
und
in der dritten Stunde Freitags wurde die Dornenkrone auf das Haupt des
Messias gesetzt.
Drei
Stunden war Adam im Paradies, indem er in Glorie glänzte;
und
drei Stunden war der Messias im Richthause, indem er mit Geisseln gepeitscht
wurde.
In
der sechsten Stunde stieg Heva auf den Baum der Gebotesübertretung;
und
in der sechsten Stunde stieg der Messias an's Kreuz, den Baum des Lebens.
In
der sechsten Stunde gab Heva dem Adam die Frucht der Bitterkeit des Todes;
und
in der sechsten Stunde gab die ungerechte Gemeinde dem Messias Essig und
Galle.
Drei
Stunden war Adam unter dem Baume seiner Scham entblösst;
und
drei Stunden war der Messias am Stamm des Kreuzes nackend.
Und
von der rechten Seite Adam's ging Heva hervor, die Mutter, deren
Kind sterblich war;
und
von der rechten Seite des Messias ging die Taufe aus, die Mutter, deren
Kinder unsterblich sind.
An
einem Freitag sündigten Adam und Heva;
und
an einem Freitag wurde ihre Sünde vergeben.
An
einem Freitag starben Adam und Heva;
und
an einem Freitag lebten sie wider.
An
einem Freitag bekam der Tod Gewalt über sie;
und
an einem Freitag wurden sie von seiner Herrschaft erlösst.
...
In
der neunten Stunde des Freitags stieg Adam hernieder zum flachen Lande
von der Höhe des Paradieses;
und
Freitags in der neunten Stunde stieg der Messias von der Höhe des
Kreuzes hinab
zu
den unteren Örtern der Erde, zu denen, die im Staub lagen."
Soweit ein Zitat aus dem
Schlußkapiteln der "Schatzhöhle". Offensichtlich wird dem eher
der Johannesbericht
("sechste Stunde") als die Synoptikerberichte zugrundegelegt.
Apg. 9,7 --- Apg. 22,9 Paulus:
ob die Männer das Licht sehen oder die Stimme hören
Die Apostelgeschichte
ist im Unterschied zu den Evangelien ein historisch-erzählender
Text. Allerdings wird an diesen beiden Stellen (durch den Mund des Schreibers
Lukas einerseits und des erlebenden Subjekts Paulus andererseits) ein übersinnliches
Erlebnis geschildert, eine nachpfingstliche Christuserfahrung. Dennoch
gilt hier weniger die "räumliche Tiefe durch Aspekt-Differenzen"
wie bei den Evangelien, als vielmehr beschreibende Genauigkeit.
Ich sehe am Text der ersten
Stelle (9,7) im Unterschied zur zweiten, daß man die Interpunktion
anders setzen kann (antike Texte haben ja keine Interpunktion, keine Kommata
usw.!):
Statt "akouontes men tês phônês,
mêdena de theôrountes"
("hörend zwar von der Stimme, nichts aber schauend") --
"akouontes men tês phônês mêdena,
de theôrountes";
dann heißt es:
"hörend zwar von der Stimme nichts, aber schauend"
Dagegen (um die Probleme
nicht wegzuwischen) spricht leider, daß "de"
("aber") in der Regel nachgestellt wird, genauso wie das "men"
("zwar") des Vordersatzes, mit dem es korreliert.
Die Paulusrede hat meiner
Einschätzung nach das Passendere, indem sie den individuellen "An-Spruch"
bei dem erlebenden Paulus beläßt, wie es bei solchem "Stimmenhören"
eher gegeben ist.
Genesis
6,6:
waj-jinnâchäm
JHWH kij-°âshâh
'ät-hâ-'âdâm
bâ- 'âräz
kai enethymêthê ho theos hoti epoiêsen
ton anthrôpon
epi tês gês
poenituit eum
quod
hominem fecisset in terra
Und es reute
JHWH, daß er gebildet hatte den Menschen
auf Erden
waj-jite°azzeb
'äl- libbow.
kai
dienoêthê.
et
tactus dolore
cordis intrinsecus
und er ergrimmte in seinem
Herzen.
Danke, J., und sehr gut!
ganz ausgezeichnet, daß Du Dir dieses Hauptproblem aller protestantischen
Theologie stellst (oder "Dich ihm stellst"); aber es ist ja wirklich ein
spannendes Problem, hin- und herkreuzend zwischen vielen Stellen innerhalb
des AT, schon innerhalb der Prophetensprüche, und dann auch zwischen
AT und NT. Paulus
ist darin der Lehrmeister, ein wahrer Rabbi, indem er in seinen Argumentationsfolgen
den mit absoluter Konsequenz strafenden Gott als dissonante Anfangsspannung
darstellt, "das Gesetz", und kein Mensch kann bestehen; und dann diese
Dissonanz, mit der er stets ringt, in der er mit sich ringt, in der er
"mit dem Mann (dem Engel) ringt" wie Jakob=Israel, durch Christus auflöst,
der diese Dissonanz leiblich durchmacht, um sie in eine sinnvolle Melodie
zu überführen, wo sie erst ihre harmonisch sinnige Deutung bekommt.
Nein, es ist natürlich
nicht erst ein lutherisches oder protestantisches Problem, sondern die
Hauptfrage in dem Text, den ich gerade netz-ediere und übersetze,
wie du im Rundbrief lesen konntest, in Anselms
"Cur Deus homo", "Warum Gott Mensch geworden ist". Anselm sieht die
Lösung darin, daß die "Strafe" eben wegen Gottes Würde
und absoluter Konsequenz nicht weg-begnadigt werden kann, obwohl gerade
der Mensch den Schaden nicht aus eigenen Kräften wiedergutmachen kann,
den er in die Schöpfung gerissen hat: die Ursünde hat eine geradezu
göttliche Gewalt, sie bringt ja den Tod; daß aber Gott, indem
er Mensch wird, die Schuld und Strafe auf sich nehmen kann. Das ist uns
fast schon zu vertraut, in dieser Form stammt es aber von Anselm eben aus
dieser bedeutenden theologischen Schrift (um 1100).
Ich selbst möchte noch
weiter gehen, tiefer in den Menschen hinein, zumal Anselms großartiges
Konzept etwas verstandesmäßig-Trockenes, Juristisches an sich
hat. Ich schaue auf die
farbenkräftige Erlebnisqualität gerade der Prophetensprüche,
der sprachgewaltigen Gewitter, das reinigende Durchkämmen der Seelen-Atmosphären,
Sturm und frische Luft: Die (scheinbaren) Zornesausbrüche JHWHs und
ihre bis ins Unendliche des Willens den Seelenraum durchstrahlende Konsequenz
und Strenge kündigen das Aufwachen des reinen Ichs an, das sich erst
noch indirekt "zeigt", wie die Sonne vor ihrem Aufgang in den Wolken,
in der Morgenröte:
dann aber ist es selbst gegenwärtig, "Ich bin der ich bin", unmittelbar
von
Angesicht zu Angesicht: das wahre Ich des Ganzen, eintauchend in die
Menschenseele, Wachbewußtsein, frisch hervorglänzend durch die
blind-hypnotisierte Träumerei. Jene helle Wahrheit putzt alle Egoismen,
die Schein-Iche und Seelenpervertierungen hinweg, die ansonsten die Menschen
von innen her treiben, diese Folgen des Sündenfalls und des um den
Ego-Focus gekrümmten Individualbewußtseins. Denn jenes wahre
Ich, "das alle Menschen
erleuchtet", besteht aus einem geradlinigen Opfersinn, vor dem die
Machtspielchen und Selbstbezogenheiten der Menschen keinen Bestand haben.
In dieser Morgenröte, diesem Sonnenaufgang
geht der purpurne
Zorn der Gerechtigkeit und Reinigung oft voraus ("Siehe,
ich sende meinen Engel vor dir her"), Rot hellt sich dann aber auf
zu orangenem Gold, zu fröhlichem Gelb in schlafenstiefem Blau, --
und die da aufgeht ist dann reine Wahrheit, Wärme austeilend, Pflanzen
hervorlockend aus den Schatten der Erde, Nahrung spendend, Lebenslust blinzelnd,
die Sinne weckend mit geistiger Klarheit, mit Licht,
Licht, Licht!
"Wache auf, der du schläfst
und stehe auf von den Toten:
so wird dich der Christus erleuchten!"
(Epheser 5,14)
Liebe Grüße über
den Äquator hin!,
Hans
Anhang:
14.
Rundbrief 2006: Anselm, Cur Deus homo
. . .
Über Anselms juridischen Ansatz möchte ich heute, wenige Tage
später, in denen es mich innerlich bewegt hat, auch noch in anderer
Richtung hinausgehen:
Die Jesusworte in den Evangelien
betonen meines Erachtens nicht so sehr die Straf-Aspekte der Passion
(und in der Tat sind uns Menschen das Leiden
und Sterben als Folge physisch-konzentrierter Nervensysteme und individualisierender
Bewußtseinsgenüsse keineswegs durch den, der
"alle Sünden der Welt trägt" weggenommen worden), -- sondern
vielmehr das Opfer als eine extreme Metamorphose des "Menschensohnes"
von der dinglichen Außenwelt in die tätigkeitssubstantielle
Innenwelt hinein, als eine Wandlung in den Menschen hinein, die von dort
aus, von innen her, eben den Menschen aus dem Tode neu hervorvorbringt,
neu zur Geburt bringt.
Christus
opfert sich leiblich in die Erde, in die Menschen hinein, um in deren
Seele (und in ihrer, der Erde, Allerfahrungs-Schatz)
sonnenhaft als deren wahres
Ich aufzugehen: Und so ist dieses opfernde Sich-Hineingeben, dieses hingebungsvolle
Hineinsterben, dann das bewußte Aufleben und Sichrealisieren, dieser
im Menschen aufquellende selbst-schöpferische Akt, doch eher ein Ernährungs-Vorgang
als eine stellvertretende Strafübernahme. Eine Transsubstantiation
wie bei aller Verwandlung unserer Nahrung in Leibessubstanz und Bewegungsenergie,
in sinnliche Sättigung und bewußte Konzentrationskraft.
Und auch eher ein medizinischer
Heilungsakt denn eine vergeltende Verletzung; oder, wenn doch gilt "er
trug unsere Strieme" (Jesaja 53,5): Übernahme der Verletzung
durch den heilenden Arzt,
um sie im Ozean seiner gesunden Frische wegzuspülen, aufzulösen,
eben zu heilen; aber vor allem doch Übergabe der heilenden und erweckenden
Kräfte in den Kranken hinein, Wasser für den Durstigen, das
ihm von innen quillt, Brot für den Hungrigen (und nicht etwa stellvertretendes
Fasten zum Tode!), Wein
für die Glanzlosen (auf daß sie zu findigen Dichtern
werden) . . .
So deuten es nicht erst
Novalis ("Hymne" in
den "Geistlichen Liedern"), Wagner
(Parsifal) und Papa Ratzi ("bene dixit benedictus" in der Sonntagspredigt
zum Weltjugendtag in Köln), sondern vor allem das Evangelium
des "Jüngers den Jesus liebte" im 6. Kapitel und der Erinnerungs-Ritus
des Abendmahls, in dem sich das hocherhobene Brot durch die Jahrhunderte,
die Jahrtausende langsam zu einer sonnenrund, mondrund weißen Oblate
verfeinert hat. Ich habe den Eindruck: es ist gerade diese Verfeinerung,
die uns nährt --
grusz,
hansz