Publius Ovidius NasoDie Lehren des Pythagoras über den Phönix
43 v.Chr. – 18 n.Chr.
Metamorphôseôn liber XV, 391-407:
Manche doch leiten aus anderer Quelle ab ihren Ursprung:
'Haec tamen ex aliis generis primordia ducunt,
una est, quae reparet seque ipsa reseminet, ales:
Assyrii Phoenica vocant; non fruge neque herbis,
sed turis lacrimis et suco vivit amomi.
Einen Vogel gibt es, der selbst sich erzeugt und erneuert.
Phoenix nennen Assyrier ihn. Er lebt nicht von Frucht und
Kräutern, sondern von Weihrauchtränen und Salben des Balsams.
haec ubi quinque suae conplevit saecula vitae, 395Hat dieser fünf Jahrhunderte seines Lebens erfüllt, dann
ilicis in ramis tremulaeque cacumine palmae
unguibus et puro nidum sibi construit ore,
baut er sich selbst mit den Klauen und reinem Schnabel ein Nest im
Eichengezweig oder auch im Wipfel der schwankenden Palme.
quo simul ac casias et nardi lenis aristasHat er Casia dort und die Ähren der schmiegsamen Narde,
quassaque cum fulva substravit cinnama murra,
se super inponit finitque in odoribus aevum. 400
gelbliche Myrrhe dazu und gestoßenen Zimt unterbreitet,
bettet er selbst sich darauf und verraucht in Düften sein Leben.
inde ferunt, totidem qui vivere debeat annos,Hier, so sagt man, entsteht aus dem Leib seines Vaters ein kleiner
corpore de patrio parvum phoenica renasci;
Phoenix, dem ebensoviel an Jahren zu leben bestimmt ist.
cum dedit huic aetas vires, onerique ferendo est,Hat sein Alter diesem die Kraft es zu tragen verliehen,
ponderibus nidi ramos levat arboris altae
fertque pius cunasque suas patriumque sepulcrum 405
perque leves auras Hyperionis urbe potitus
ante fores sacras Hyperionis aede reponit.
löst er des hohen Baumes Gezweig von der Last seines Nestes,
trägt seine Wiege – und das Grab seines Vaters – er fromm, und
wenn durch die flüchtige Luft er die Stadt Hyperions erreicht hat,
legt er am heiligen Tor des Hyperion-Tempels es nieder.
ich will iu künden umbe ir nar: si lebent von einem steine, des geslähte ist vil reine. hât ir des niht erkennet, der wirt iu hie genennet. er heizet lapsit exillîs. von des steines craft der fênîs verbrinnet, daz er ze aschen wirt: diu asche im aber leben birt. sus rêrt der fênîs mûze sîn unt gît dar nâch vil liehten schîn, daz er schoene wirt als ê. ouch wart nie menschen sô wê, swelhes tages ez den stein gesiht, die wochen mac ez sterben niht, diu aller schierest dar nâch gestêt. sîn varwe im nimmer ouch zergêt: man muoz im sölher varwe jehen, dâ mit ez hât den stein gesehen, ez sî maget oder man, als dô sîn bestiu zît huop an, saeh ez den stein zwei hundert jâr, im enwurde denne grâ sîn hâr. selhe craft dem menschen gît der stein, daz im vleisch unde bein jugent enpfaehet al sunder twâl. der stein ist ouch genant der grâl. |
ich will Euch künden, wovon sie sich nährt: Sie leben von einem Stein, dessen Art ist sehr rein. Habt Ihr den nicht gekannt, so wird der Euch hier genannt. Er heißet Lapsit Exillis. Von des Steines Kraft der Fenis verbrennt, daß er zu Asche wird: Die Asche ihm aber Leben gebiert. So durchläuft der Fenis die Mauser sein und gibt danach wieder hellichten Schein, daß er so schön wird wie vorher. Auch ward kein Mensch so krank, da er wenn er den Stein sieht, von dem Tag die Woche er nicht sterben mag, die gleich danach kommt, – ja, sieh: Seine blühende Haut verbleicht ihm nie: Man muß ihm die Hautfrische zugestehn, mit der er hat den Stein gesehn, gleich ob Frau oder Mann, mag sein, daß sein bestes Alter begann, sähe er nur den Stein für zweihundert Jahr, dann würde ihm nicht einmal grau sein Haar. Solche Kraft gibt dem Menschen der Stein, daß ihm sein Fleisch und Gebein sich verjüngt immer neu von Mal zu Mal. Der Stein wird auch genannt "der Gral". |