Interessant
dieser
Stock, den du da geschnitzt hast,
und
gut zu gebrauchen als Wegweiser und Fahrzeug in die Schattenwelt. -
Du meinst den Buchenstab? Dieses Spielzeug? Du mußt mir schon zeigen, was du da meinst. -
Er schlüpfte fast
in mein Ohr, mich zu beraten, der unentbehrliche Gedankenverräter.
Mit dem Zeigefinger tastete
er die Schrift des Zauberstabes ab, den ich quer vor mich hielt.
Ich wollte den Speer
auf keinen Fall aus der Hand geben.
Halb hinter mir raunte
der Rater seine Runen weiter;
ich ließ ihn gewähren,
ebenso neugierig wie von seiner Aufdringlichkeit abgestoßen.
Schau
her: Das sind die Zeichen, die du hineingeschnitzt hast.
Nun
dreh ihn um.
Siehst
du, was ich meine? Wenn wir den Buchenstab in die andere Richtung lesen,
gelangen
wir auf eine tiefere Ebene der Wirklichkeit,
wir
deuten uns um: zu den Geschöpfen und Gedanken eines anderen Bewußtseins.
Ja,
als Fabelgestalten gelten wir dort, erdichtet, nicht allzu dicht gefügt,
gerade
einige Grade dunkler als Lichtgedanken, doch durchsichtig,
flüchtig
wie ein Lufthauch, von den Wolken umkleidet, die sich um uns bauschen.
Und
das ist noch das beste Bild, das sie sich in jener Welt von uns machen:
Wuchtig-leichte
Barockhimmel stürzen im planetarischen Wirbel dem Zenith entgegen.
Oder
sie glauben, wir verbrächten den endlosen Morgen
des
einen einzigen rauschenden Sommertages
auf
einer Obstwiese über den Stromtälern
und
sammelten Tautropfen von den Gräsern, uns darin zu bespiegeln. -
Ja, merkwürdige Ideen
haben die von uns, spöttelte ich. -
Ich seufzte. Auch das
sog sein rederauschender
Rat in sich auf
und brachte Urteile und
Empfehlungen hervor:
Richtig.
Gib
alle Absicht auf. Jetzt bist du ein Nichts an Beliebigkeit.
Halte
dich an mir fest, dir könnte sonst schlecht werden,
wenn
du deinen Autor zu Gesicht bekommst.
Wo
der ist?
Siehst
du ihn denn nicht?
Wir
sind schon mittendrin.
Diese
Gänge und Windungen, der Kabelsalat in den Schächten,
dieses
ganze Gespinst von Schaltungen an den Wänden;
hier
blitzen seine Anordnungen durch die vernetzten Systeme.
Diese
Welt ist dein Erdengehirn,
er
weiß es aber nicht und hält sich für den Machthaber in
diesem Reich,
bloß
weil er es ganz zu seinen eigenen Zwecken benutzt. Nun ja,
dieser
Schein und Schatten seiner eigenen Maschinerie ist ihm für eine gewisse
Zeit geliehen.
Die
Feinarbeit der Zwerge
im
Wühlwerk deiner beiden Giganten. -
Was, wie meinst du – haben die Zwerge etwa – ?
Ja,
das hättest du nicht gedacht, was hier an Arbeit und Erfahrung drin
steckt.
Du
bist doch so stolz auf deinen Planetenleib?
Dann
schau dir das Ganze mal unter der Lupe an.
Zauberhaft,
nicht wahr? Ausgefeilt bis ins Letzte,
die
pure Zweckmäßigkeit in der Organisation des komplizierten Gefüges.
Die
putzigen netten Kerle
haben
alles verputzt und vernetzt.
Nicht
ein Winkel dieser Stadt,
nicht
ein Zipfel dieses Gewebes
ist
verschwendet oder verschwendet selbst seinen Raum.
Ja tatsächlich, er glaubt manchmal, dich erfunden zu haben.
Was,
dir wird schwindelig? Na, dann höre folgendes:
Meistens
glaubt er nicht einmal, daß es dich überhaupt gibt.
Bist
du denn überhaupt?
Nun schnapp doch nicht gleich ein! Was heißt das denn: Dein ewiges Ich bin ich?
Wenn
es dich geben sollte, dann hält er sich selbst für deine wahre
Wirklichkeit,
für
das Gehirn, das dich absondert,
wie
eine Spinne ihr Sekret ausscheidet.
Ein Instrument, das seinen Spieler spielt.
Und
dann versetzt er sich in die innerste Kammer dieses Gespinstes,
versenkt
sich in das gestohlene Sonnenbild
und
läßt sich deine Taten und Geschichten einfallen.
Wie
fragtest du selbst ihn doch,
heute
morgen, weißt du noch, als du diesen Wanderstab in den Schlamm bohrtest?
"Warum
bist du ich und kein anderer?" -
Nun, da hast du die Antwort. Bist du nicht neugierig darauf, was er aus dir macht?
Ach
reg dich nicht auf, es lohnt sich nicht, dieses Schlupfloch ist natürlich
nicht mehr
als
die reine Propagandastube seines Selbstverständnisses.
Jedenfalls
nutzt er die Apparate ausschließlich in diesem Sinne.
Siehst
du die Monitore und Armaturen?
Hier
zwischen Bücherwänden und Landkarten,
zwischen
Stadtplänen und vergilbten Manuskripten
bastelt
Dein lieber Spiegelbruder an seiner Legende.
Na,
helfen wir ihm dabei – doch, doch, so weit müssen wir schon gehen.
Wir
müssen hinein in seine enge Welt,
in
seine selbstverstellte Vorstellung.
Wie?
Ganz einfach. Es ist ein Rollenspiel:
Du
übernimmst den Part des Lichtdiebs, ja du hast richtig gehört:
Du
machst jetzt einmal selbst den Meister, du inspirierst ihn so, daß
du ihn ausfüllst,
daß
du ihn geradezu – bist;
ich
mime deinen Schreiber.
Dann
veranlassen wir sie dazu, uns in ihre Kammer hereinzuholen.
Wart
ab, du wirst's schon sehen.
Bist
du soweit, "Alberich"?
Los
gehts. Du fängst an.
Na,
kräftiger, denk dran: Du hältst dich für die Wirklichkeit!
Hau rein!
Okay,
meinetwegen; aber wir streichen die ganze alberne Göttergeschichte
und
springen gleich in die kurze Szene mit der Rockband. Genau, so machen wir's:
Wir
verpflanzen die schönen Nichtstuer als Musiker in eine Gartenlaube
und
lassen sie da in ihrem Müll hausen, bis ihre neue Wohnung fertig wird.
Und
dann kommen die starken Jungs, ihre Roadies, du weißt schon,
die
immer die Instrumente und Boxen schleppen müssen.
Die
helfen ihnen beim Umzug.
Natürlich
machen die Herren Künstler keinen Finger krumm,
müssen
vielleicht ausschlafen, weil der Auftritt bis zum Morgen ging,
oder
haben einen Trip geschmissen und fühlen sich als Götter über
den Weinbergen,
als
planetarische Seifenblasenspieler auf himmlischen Blümchenwiesen und
so weiter,
das
kannst du meinetwegen da einbauen – Eeh, was willst du denn?
Ist
dein Einstieg mit der Obstwiese und dem albernen Fleischknoten etwa besser?
Gott
bewahre uns vor diesen Göttern! Himmel Arsch und Zwirn!
Und
dann noch diese vierbeinige Krake – was, der Urmensch soll das sein?
Verschone
mich mit den Menschen! Eine hochtrabende Wald- und Wiesenstory ist das,
Mimes
mieser Mist, gequirlte Schifferscheiße, du Saftsack!
Jajajajaja,
ist doch geklaut, alles geklaut!
Diese
Laokoonfigur, dieses Geknote -
ja
was soll das denn überhaupt?
Sieh
an, der Herr will den gelehrten Poeten machen?
Das
war ein Zitat, soso, ein Zitaaat?
Und
wer zitiert dich, du Postmodenschöpfer?
Schluß
jetzt. Es bleibt dabei:
Wir
nehmen die Kurzversion mit dem Umzug und den Möbelpackern, hähähä,
und
die Kerle brechen beim Einräumen,
wenn
sie mit den schweren Boxen durch den Garten kommen,
aus
Versehen durch die Holzwand der Laube, bratsch.
Und
dann fordern sie ihren Lohn ein
und
nehmen schon mal die kleine Flötenspielerin als Pfand mit.
Was,
du steckengebliebener Schauspieler,
daß
ich dir nicht deinen ganzen Salat um die Ohren haue!
Wo
ist die Diskette?
Was
heißt hier "noch nicht fertig", du gottverdammter Mime deiner selbst?
Wenn
hier nicht sofort die Datei auf dem Bildschirm erscheint,
speichere
ich dich ein und formatiere dich neu, wirds bald?
Aha.
Endlich. Er improvisiert. Meinetwegen, so gehts auch.
Brav,
brav, Mimchen, du spielst deine Rolle gut.
Also
der Elektroniker und Roadmanager der Band,
der
das Geld für die Möbelpacker auftreiben sollte, taucht auf
und
hat nichts in der Hand als Ausflüchte.
Er
ist dir irgendwie verdammt ähnlich, he?
Aber
er überredet dann den liederlichen Bandleader,
der
halt auf dem Trip ist und sich für Wotan persönlich hält,
was,
für wen?
Na
gut. Also diesen Größenwahnsinnigen namens Wotan überredet
er dazu,
per
Modem und Telephon ins Netz einzusteigen -
haha,
ich würde ja gerne wissen, wie der sich das vorstellt – ins Netz einzutauchen,
um -
waaas? Bist du denn waaahnsinnig? Willst du uns alle kurzschließen?
Da,
sei glücklich, daß du meine Schläge noch spürst: Wenn
ich gleich wiederkomme,
mein
Freund, und ich sehe die Fortsetzung nicht geändert, hör gut
zu!, dann
lade
ich dich in meinen Gameboy, he?, und dann vergeht dir das Hören und
Sehen, kapiert? -
Hallo
Mime. Wie gehts? Nein, du kannst uns nicht überschreiben.
Das
Codewort hat nur der Chef.
Warum
hämmerst du so auf der Tastatur herum? Greifst du etwa Akkorde?
Ach,
laß dir nichts vormachen. Es lebt sich ganz gut hier im Programm.
Schmerzlos
und allzeit bereit, neue Pfade zu finden – was hält dich denn fest
im Cockpit?
Kannst
ja doch nicht losfliegen mit der Maschine,
und
ist nicht besser als irgendein blindes Kellerloch.
Komm,
gib dir einen Schubs, Mime,
hee,
komm doch rüber!
Ach
ja, das Codewort. Gut, warten wir auf den Meister.
Da
hören wir ihn schon. Klingt,
als
sei er nicht ganz zufrieden mit seinen Fachkräften.
Vielleicht
braucht er unsere Hilfe?
Aber
dann müßten wir rüber zu euch.
Läßt
sich da was machen?
Also
wir hätten schon mehr von dir erwartet, Mime!
Gib's
auf, da kommt der Chef.
So
sind wir gekommen, Euch zu sehen und Euch zu danken,
daß
wir in Euren Gnaden stehen und existieren dürfen.
Und
wir bitten darum, weiterhin sein zu dürfen.
Nein,
geht nicht?
Ach
so, Ihr allein werdet in Zukunft die Mühe auf Euch nehmen,
zu
sein.
Verbindlichsten
Dank.
Verzeiht
unsere Neugier:
Wie
macht Ihr das?
Habt
Ihr die Autorschaft errungen?
Interessant.
So
werdet Ihr auch das Ichproblem und die Paradoxien der Allmacht bald lösen?
Ja,
das hat noch keiner rausgekriegt.
Also. Das Ichproblem lautet: Warum bin ich ich und kein anderer?
Ach,
Ihr seid alles auf einmal?
Jedes
erscheinende Wesen, alle einzeln, wie Ihr gerade Lust habt?
So
wären wir in Eurer Welt wirklich?
Aaah!
Dann sagt uns, Meister: Könnt Ihr auch die Gestalten Eurer wunderbaren
Scheinwelten
in
Eure Wirklichkeit herüberziehen, so daß sie Euch
als
eigenständige Gesprächspartner gegenübertreten, von Ich
zu Ich?
Nein,
das glauben wir nicht.
Nur
ein wahrer Schöpfer könnte das.
Ihr
müßtet uns ja eine eigene Wirklichkeit verleihen.
Beweist
uns das, Meister.
Laßt
uns herüberkommen
vor
den Bildschirm.
Eines
nämlich kann selbst ein richtiger Allmachtsherrscher, wie Ihr es seid,
niemals;
so
steht es jedenfalls in unserer Welt geschrieben:
Nie
und nimmer kann er sich in der Botschaft verlieren, die ihn verkündet;
niemals
kann er in der Erscheinung aufgehen, die ihn verwirklicht; nein,
er
kann auf keine Weise in seine Erfahrungswelt so gründlich eintreten,
daß
er sich selbst damit vollkommen objektiv wird.
Da
kommt er einfach nicht rein, in sein Werk, das kann er nicht.
Nein,
kann er nicht.
Der
Beweis: Ihr könnt Euch nicht selbst in Euer Drehbuch hineinschreiben
oder
in das Programm einspeichern und hier auf dem Bildschirm erscheinen.
Wetten?
Die
Tat allein beweist es.
Allmacht
beweist sich allein durch die Tat, nicht wahr?
Deshalb
ist sie ja auch paradox.
Aber
Ihr habt recht, wertester Meister; was schwätzen wir länger.
Entweder
Ihr könnt es nicht – gebts nur zu, wir werden es keinem weitersagen
-
oder
Ihr beweist Euch!
Moment
noch.
Ich
würde gern einmal lesen, wie die Geschichte bei unserem Schreiber
hier weitergeht,
die
Zwergenversion mit dem Umzug meine ich. -
Gut, Loge, du kennst dich
ja mit den Instrumenten aus. Zeig mal, wen wir bei Mime mimen. -
Aha. Hier steht tatsächlich,
daß wir in seiner Version lesen, daß wir seine Version lesen.
-
Ja, und vorher, das Paradoxon
der Allmacht, ob er das vielleicht auch da stehen hat? -
In der Tat, schau mal; hier heißt es:
Durch
eine Rückkopplungsschleife innerhalb von Mimes Kurzschluß
kann
der Autor in sein eigenes Programm schlüpfen.
Der
Elektroniker und der Bandleader verlangen eben dies von ihm als Probe seiner
Allmacht
und
speichern ihn auf Diskette ab.
Nachdem
sie ihn zuhause auf ihrem Synthesizer wieder geladen haben,
berauben
sie ihn, der dort in seiner eigenen Schleife gefangen ist, all seiner Schätze.
Zu
diesem Zwecke zerstören sie die Hardware der konkreten Wirklichkeit
und -
Wer
soll denn diese Prosa verstehen?
Sag
mal, Mime, was ist denn bei dir die konkrete Welt?
Du
bist ja völlig verrückt. Wenn der Autor jetzt in der Wirklichkeit
wäre, wo wären dann wir?
In meiner Erfindung, in der Scheinwelt, die ich entworfen habe, antwortete der Zwerg.
Und du? Wärst du dann nicht selbst in deine eigene Scheinwelt geraten?
Ich weiß nicht. Er zuckte mit den Schultern. Laßt mich mal ran ans Gerät.
Er murmelte wirre Sprüche vor sich hin, es klang wie -
Wo
finde ich mich? Da, wo ich mich verliere.
Vorhin
war noch ein anderer, als der ich gleich sein werde.
Ich
werde mehr sein, als der ich vergehe – -,
und dabei verbreiterte
sich sein Zwergenfalsett und klang für einen Moment so,
als sei es Loges geschwätzige
Stimme.
Aber dann sang er ein
Lied,
sank dabei in immer tiefere
Baßgründe hinab,
stieg auf einmal wieder
ins Zwergenhafte hinauf
und zerriß schließlich
in einem hysterisch quietschendem
Gelächter:
Loge nahm den Leblosen
kurzerhand unter den Arm und setzte ihn in den Garten,
neben die von ihm selbst
erfundene Laube. Wie das aussieht! Putzig.
Ein Gartenzwerg im Gemüse
seiner eigenen Erfindung. -
Was
sagst du da?, riß Loge mich aus meinem Vergnügen:
Neben
die Laube?
Na
so was! Schau mal, wo wir uns auf einmal befinden. Hättest du das
gedacht? -
Mein Gott, wo waren wir
denn nun? Hatten wir uns in Mimes Märchen verstrickt?
Oder – etwa in deiner
gedankenverräterischen Logik? -
Loge, wer bist du?
Und wer bin ich?
Bist du selbst etwa Mime?
Und wäre ich Alberich?
Schnell, schau mir ins Auge: Bin ich's oder bin ich's nicht?
Was siehst du – weiß
oder schwarz? Verdammt, wo sind wir hier nur gelandet? -
Da grinst der Kerl nur vor sich hin. -
Tja, du Schauspieler deiner
selbst, wir sind auf unserer Obstwiese, eben in der Gartenlaube.
Und du sitzt vor einem
Synthesizer mit Bildschirm. Ich muß mir das alles mal anschauen,
ob das noch unsere Welt
ist oder Mimes Zwergenversion.
Ja, wo waren wir gelandet?
Am Computer im Gartenhäuschen
versuchte der Manager,
in der Geschichte weiterzulesen,
während ich die Gitarre stimmte.
Da folgte noch einiges
von einer Verfluchung
der unendlichen Rückkopplungsschleife des Kurzschlusses
in der Geschichte,
eben dieser Geschichte,
in der wir lasen,
daß wir eben lasen,
daß wir sie lasen,
und von der Auszahlung
der Möbelpacker.
Und dann hätten wir
unsere neue Wohnung bezogen
und drüben hinter
den herbeigeschafften Instrumenten,
Donner hinter seinem
Schlagzeuggebirge,
die anderen bei Gitarren,
Bässen und Keyboards,
inmitten gewaltiger Boxen
und Verstärker,
unsere Plätze eingenommen
und angefangen,
einen endlosen Schlußakkord
im Rhythmus eines qualvoll
gedehnten Walzers zu spielen.
Und in dem lautem Getöse
sei die Klage der Naturgeister
über den Verlust der goldenen Stille
kaum noch zu verstehen
gewesen.
Von Freia stand da nichts. Für ihre Anmut und Zärtlichkeit waren die Zwerge wohl blind.
Über die Gartenlaube
mit dem grauen Zwerg davor wunderten sie sich,
mehr noch über das
Gerät,
in dessen Bildschirm
wir den allzu kurzen Schluß unserer Geschichte aufgefunden hatten.
Ich war es langsam satt
und wollte nach Hause.
Aber was war unser Zuhause?
Sollten wir hier tatsächlich
in Mimes Zwergenwelt eingemauert bleiben?
Oder war da nicht noch
etwas anderes, ein großes Gebilde, gewaltig und schön,
eine Himmelsfeste, von
Riesen gebaut -
was für Träume!
Da klang wohl noch der Rausch vom Morgen nach.
Na, kennt ihr den? -
Die anderen dachten zuerst, es sei ich, was ja nicht so ganz falsch war.
Aber ich bin doch nicht
eine bloße Datei, Freunde!
Er mag mich darstellen,
aber ich bin und bleibe
fähig zu fragen: Warum bin ich ich und nicht du? -
Rede
keinen Unsinn, sagte das finstere Gesicht auf dem Bildschirm.
Du
weißt es besser, du Paradoxien-Parasit meiner Macht.
Was
willst du von mir, so daß ich wieder freikomme? -
Langsam begann er zu reden,
völlig verwandelt,
vergreist war er, als hätten wir ihn aus einem äonentiefen Schlaf
geweckt.
Der Schwarzalbe war ganz
weiß geworden.
Alle seine Schätze
versprach er uns:
Kristalle berge er, in
denen die Zeit zu ewiger Dauer gefroren sei;
Gewächse, deren
Rinden mit den Geheimnissen und Erzählungen beschrieben seien,
in denen alles Leid der
Erde bewahrt werde;
Perlen, die Welten umschlössen,
deren Planeten von blauen
Ozeanen leuchteten,
in deren Tiefen wiederum
Myriaden von perlmuttglänzenden Muscheln geborgen lägen.
Es nützte ihm nichts.
Dort, an deinem Finger. -
Nein, schreckte er zusammen, nicht das, das nicht. -
Ich blickte den anderen
zu, daß sie für einen Moment aus der Hütte gehen sollten.
Sie folgten erstaunt
meinem Wink.
Mir war, als bespräche
ich mich mit mir selbst:
Es gehört dir nicht.
Du hast es dem Strom
entrissen, als die Sonne ihn mit Leben durchstrahlte.
Ihren Lebenskreis hast
du zum Todesring deiner Macht geschmiedet,
indem du die Liebe aus
seinem Gold herausgetrieben hast.
Und so sind alle Schätze,
die du seither damit gewonnen hast:
Tot sind sie und zur
Schrift erstarrte Leichname des vergehenden Lebens.
Ich will sie nicht. Nur
dies eine: Den Ring. -
Gehört
er denn dir? entgegnete er.
Ich
will nicht wissen, was du hinter deiner Augenklappe versteckst.
Mag
ich den Abglanz der Unschaubaren nutzen,
so
bist du doch der wahre Täter, denn du hast geschaut, was anzuschauen
keinem erlaubt ist.
Und
so sind alle Taten, die du seither begangen hast.
Diebstahl
sind sie und der zum Gesetz erstarrte Raub:
Besitzansprüche,
die sich hineinfressen in das werdende Leben.
Mag
ich mich in Schlössern von Knochen und Kalk verschließen,
die
weiße Gischt des Chaos von innen her durchschrecken mit eisiger Hand,
so
bleibe ich doch in meiner Wirklichkeit.
Dir
aber genügt die deine nicht.
Nie
ist dir deine Welt genug, Wanderer,
nun
willst du in meine eindringen.
Gut.
So komm doch herüber, wenn du kannst.
Du
weißt ja wie, du selbstüberzeugter Paradoxien-Parasit.
Du
brauchst dich nur von dir selbst zu überzeugen, Lichtalbe, wie war's
noch?
Bin
ich nun du oder ein anderer? -
Wenn er grinste, überflog Schnee die Fläche und löste das Eisgesicht vorübergehend auf.
Gut,
lachte ich zurück.
Dann wollen wir doch
mal den Stecker aus dem Netz ziehen.
Er knarrte und knatterte
los in kaltglühendem Zorn,
ein Feuer,
das sich nicht zur Flamme
befreien konnte,
sondern zerstörerisch
sich durch die Leitungen fraß,
eine frostige Glut,
deren Geräusche
mir in die Knochen zu greifen schienen,
wie wenn einer mit seinen
Fingernägeln über den Schiefer schreibt.
Und ich weiß nicht,
ob es dadurch geschah, daß ich den Stecker herausriß,
oder dadurch, daß
er noch schnell vor seinem Untergang die Metamorphose vollzog, -
jedenfalls stülpte
sich in einer langsamen Implosion vor meinen Augen
das ganze Gerät
mit einem kreischenden Kratzen um
und schnarrte mit solch
einem greulichen Mißklang zusammen,
daß es mich würgte
und mir selbst beinahe
die Gebeine durch die
Glieder hinausgetrieben hätte.
Die Freunde waren, als
sie das knochentreibende, nervenreibende Krachen hörten,
herbeigeeilt und sahen
mit starrem Entsetzen doch nur noch
den Alten da auf dem
Boden kauern, erkannten ihn wohl nicht sogleich,
diesen schimmernd aufgeruppten
Metallzwerg,
verkrustet und verklärt
zu einem von Glimmer
überschuppten Kristallberg,
von muscheligen Brüchen
wie von gebrochenen Flügeln
in türkisblauem Eis durchstrahlt.
Vögel, in Gletscherspalten
zerdrückt.
Gestürzte Engel,
zu dünnblättrigen Insekten gepreßt.
Sein großes Gesicht
hatte auch keine unmittelbar deutlichen Konturen,
bis man es als Negativ
sah, in dem ein schattiges Weiß mit leuchtendem Dunkel changierte.
Es schien durch die zerfurchte
Oberfläche wie zersprungenes Glas,
von bizarren Schriftzügen
verkratzt,
und ließ durch
grünliches Edelgestein
bis in die funkelnden
Drähte der nach innen gewendeten Apparaturen blicken.
Er lebte wohl noch fort
auf seine eigentümliche, tote Art,
regungslos, in starrer
Wachheit,
ein transparenter Wächter
der eigenen Finsternis.
Wo war der Ring?
Die Arme hielt er nach
innen gekrampft, hockte darübergebeugt,
hielt das Gold dort wohl
unter harten Panzern in seiner Mitte fest.
So
zu erstarren, meinst du das?
Gewiß,
wir setzten die beiden dann als Säulen unters Tempeldach
und
sie könnten in aller Seelenruhe mit den Karyatiden flirten,
bestätigte ihn Froh.
Ich hatte anderes im Sinn,
etwas, das tiefer lag,
weiter innen.
Donners Absicht kam dem
schon näher, er zückte seinen Keil
und suchte bereits eine
Stelle im Gestein,
seinen Blitz mit den
funkelnden Geheimnissen dieses offenbaren Rätsels zu vermählen.
Fricka hielt ihn aber
zurück, um das Kunstwerk nicht zu zerstören,
bevor wir all seine Weisheit
erkannt hätten.
Seht
ihr's, Freunde? Seht ihr's nicht? fragte sie,
die mondenen Augen noch
immer fasziniert aufgerissen.
Er
ist voller Erzählungen, wie mir scheint, vollgeschrieben mit Geheimnissen.
Wer
kann diese Reichtümer lesen?
Seht
hier, der lange Schriftzug auf den Wangenknochen, über die Schläfen
hin,
was
mag das heißen? -
Es ist nur ein einziges
Wort, in vielerlei Färbungen, Sprachen und Formulierungen,
erklärte ich ihr,
es ist
Schmerz. Durch Widerstände
geschmiedete Erfahrung, geronnen in Leid. -
Und was steht hier auf die Stirn geschrieben? -
Ebenfalls nur dies eine:
Schmerz.
Durch alle Erkenntnis
getriebener Trotz, grimmige Härte. -
Und die Lippen? -
Sprechen im Schweigen
immer nur das wandlungsreiche
Immergleiche -
Schmerz. -
Ich las mehr als nur dies
eine Wort
aus diesem einen Wort.
Mein Auge drang leuchtend,
deutend in sein Innenleben,
schloß mein Wissen
mit seiner Schrift zur Erinnerung zusammen.
Wellen glänzten
auf in seinen vergletscherten Gliedern,
fischsilberne Mädchen
glitten wie dünne Klingen durch seine Brust,
zerschnitten ihn von
innen mit lieblosen Scherzen,
merzten alle Liebeskeime
in ihm aus,
schliffen mit ihren Schleifenspielen
sein Herz zum Brillianten.
Nein, nicht um es vor
mir zu verstecken,
renkte er die Arme nach
innen und hielt die Hände so verkrampft vor die Brust.
Eher, um sein Herz damit
zu berühren -
sei es, daß das
Gold auf diese Weise zurückkommen sollte
zu den Schwimmerinnen
in seinem Blut,
sei es, daß die
Empfindung im Erfrieren der Seele ihn in sich zurückbog,
verkrümmte, beugte,
zusammenzog.
Aber sein Blut floß
nicht, Rubine krusteten in seinen Adern,
bloße Erinnerungsschimmer
waren die Schwimmerinnen,
Glassprünge nur
und hin und wieder irisierender Opal.
Donner setzte unverzüglich
den Meißel an.
Von seinen Schlägen
hallten die Gebirge wieder,
aber was war das?
Hört ihr? -
Der Stein sprach sich
aus, in abgehackten Worten erfuhren wir seinen Zorn,
ertönten die Schriftzüge,
verbanden sich im Getöse zu einer langgewundenen Verwünschung,
um so deutlicher, je
näher wir seiner nach innen gekrümmten Hand kamen.
Wir sollten, soweit ich
ihn verstand, dereinst genauso schrecklich schön werden wie er,
genauso lebendig
und unsäglich erfolgreich.
Schön?
War der Gnom etwa nur ein verwunschener Frosch? fragte Froh.
Und
lebendig?
Aber
was ist denn an der ganzen verwunschenen Plastik lebendig? -
Donner hielt ein,
ein wenig verwirrt von
den Liebesgrüßen des najadenumglänzten Diamantherzens,
die im Hall seiner Schläge
aufbrachen und seine Arbeit wild durchschwärmten.
Die Obstwiese war von
den Splittern übersät.
Fricka kniete im Gras,
begann, die Perlen zu sammeln und hielt sie zuweilen an ihre Ohren,
indem sie sich in den
Spiegeln der glatteren Stücke betrachtete.
Ja, alle seine Schätze
taten sich auf, je tiefer wir in ihn eindrangen:
Kristalle, in denen die
Zeit zu ewiger Dauer gefroren war;
Gewächse, deren
Rinden mit den Geheimnissen und Erzählungen beschrieben waren,
in denen alles Leid der
Erde bewahrt war;
Perlen, die Welten umschlossen,
deren Planeten von blauen
Ozeanen leuchteten,
in deren Tiefen wiederum
Myriaden von perlmuttglänzenden Muscheln geborgen lagen.
Es war im Grunde ein unglaubliches
Gemetzel.
Völlig von Sinnen
waren wir, denn sie fehlte uns, und wir wußten es nicht;
sie fehlte uns, die zärtliche
Zarte, und wir merkten es nicht.
Sie hätte unseren
Sinn geweckt,
unsere zarteste Zärtlichkeit,
unseren belebenden Atem,
aber sie war nicht da.
Der Kopf mit dem Gefaser
der Kupferdrähte rollte mir vor die Füße.
Die Diskette mit dem
Paradoxon der Allmacht ragte daraus hervor.
Wir steckten die Botschaft
in einen Umschlag, versiegelten ihn und gaben Loge den Brief:
er solle ihn dem Schattenreich
zustellen.
Da mag man den Herrn
wieder laden.
Wir sind ja schließlich
keine Unmenschen oder gar Menschen, haha,
die um schnöden
Gewinnes willen dem Bruder das Herz aus der Brust schlagen.
Nicht doch!
Oder ist da jemand anderer
Meinung?
Ich fuhr herum.
Im Rhythmus der Donnerschläge
war das Gigantenpaar herbeigeschritten,
so daß wir ihr
Kommen nicht bemerkt hatten.
Ihre Massen schienen verdichtet,
verfeinert.
Beinahe Menschengröße
hatten sie nun,
waren auch gekämmt,
rasiert, richtig manierlich.
Sieh da, Freia eilte ihnen
nach, kam eben über den Hügel, lief uns weinend entgegen und
-
zu spät, sie zerschnitt
sich die zarten Füße am spröden Wiesenschmuck
und stürzte schluchzend
auf das Gesicht meines Schattenbildes.
Was soll ich euch noch
berichten? Verdunkelt stand ich vor Scham, als ich sie sah,
und war gewiß um
keinen Deut blasser als der verbissene Spiegelbruder.
Alles drehte sich mir.
Welcher Gott hat mich
geschrieben,
in einen Brief versiegelt
und diesem Gedankenverräter
übergeben?
Wer hat mich in diese
schleimige Seifenblase von einer Welt gesandt,
mich zu ihrem Herrn zu
erheben,
mich zu verspotten
vor mir selbst?
Warum bin ich ich und kein anderer? Oder bin ich du, mein Leser?
Mich lese ich -
nur der mich gebannt
hält in dieser Erzählung,
mein Autor und Schreiber
will ich nicht sein, und doch – -
Wir schenkten ihnen den
Gartenzwerg.
Sie türmten ihn
auf den zusammengesteckten Apparat und merkten, daß der nicht paßte.
Lachend warfen sie ihn
wieder in sein Gemüsebeet zurück.
Nein, sagten sie. Da stimmt etwas nicht. Ist das Getrümmer denn vollständig? -
Gute Handwerker waren
sie, ohne Zweifel:
Umsichtig fügten
sie die Schaltungen ein,
verknüpften die
Leitungen,
pflückten schließlich
der noch ohnmächtig auf der Wiese liegenden Tochter,
die mein Ebenbild wie
zum Schutz umklammert hielt,
den Kunstkopf aus den
Armen
und flochten die Drähte
wieder sorgfältig in den Rücken ein.
Hier
muß eine Diskette ins Laufwerk. Sonst nützt uns der Apparat
nichts.
Es
ist ein sich selbst von der Datei her aufbauender Rechner, wußten
Sie das?
Ein
erstaunliches Werkstück. Wer hat ihn erfunden?
Und
wer hat ihn denn geladen und in seiner vollen Entfaltung dann krepieren
lassen?
So
etwas
tut
man doch nicht! -
Sie nestelten an der Apparatur
und versuchten, das System zu verstehen.
Ihr Blick wanderte zu
Loge, dann zu mir,
wieder zu Loge.
Also,
haben Sie irgendwo hier so ein kleines Kärtchen gefunden? Verstehen
Sie uns doch:
Alles
hängt bei diesem Kreislaufsystem von der Diskette ab,
deren
Information seine Selbsterzeugung in Gang hält. Und die brauchen wir.
-
Loge händigte ihnen den Brief aus. Sie wurden schnell fertig.
Wo ist die rechte Hand? -
Wir gaben sie her.
Da fehlt doch noch ein Stück. Wo ist der Ringfinger der Hand? -
Ich gab ihn her.
Hier hatte sich ein Ring eingezeichnet. Wo ist das Schmuckstück? -
Schweigen. -
Ohne
den Ring funktioniert das Gerät nicht,
fuhr Fafner in seinen
Erklärungen fort
und kaute auf seinen
Brillenbügeln herum:
Er
ermöglicht die Selbstbezüglichkeit der Maschine
und
gibt ihr den Charakter
eines
quasi lebenden Systems. -
Persönlichkeiten
waren die beiden geworden,
fast schon Menschen durch
die Gegenwart Freias,
die sie unverwandt angestaunt
hatten.
Staunend hatten sie von
ihr gelernt,
in ihren Augen den Frühling
gelesen.
Ungern gaben sie sie
uns zurück.
Sie nähmen sie lieber
wieder mit sich, sagten sie. -
Verträumt blickten
sie unser Mädchen an.
Fasolt hockte sich neben
die Geliebte,
die am Boden lag und
ihr nasses Gesicht zwischen den Armen verbarg,
und begann, mit den Fingern
in ihren langen Locken zu spielen,
ihren Hals zu streicheln,
berührte sanft ihre
Arme und wieder ihr Haar.
Ein Schluchzen durchzuckte
die zärtliche Zarte.
Schweigen.
Sie hatte den Sinn für
Schönheit in ihnen geweckt.
Wie hätten sie sonst
das Kunstwerk wiederhergestellt?
Ihre gigantische Gier
schien zu göttlicher Liebe gemäßigt, zu Ehrfurcht durch
sie.
Sonst hätten sie
sie auch nicht wiedergebracht.
Und nun waren sie auch
ernsthaft geworden,
sorgfältig – durch
die Feinarbeit am Zwerg,
sie waren nicht wiederzuerkennen.
Ich zögerte. Schweigen.
Unverwandt leuchtete in
mir ihr Licht.
In der Stille raunten
die Bäume ihr altes Lied,
sang mir die Erde ihr
ewiges Lied,
ihr Lied von Lust und
Leid,
ihr Lied noch über
alles Leid,
noch jenseits von Lust,
von Lust und Leid.
Begegnen
wirst du dir in allen Wesen.
Du
wirst erlangen, was du dahingibst.
Du
wirst verlieren, was du festhältst.
Wachsen
wirst du durch alle Wesen.
Der
Kreis öffnet sich, indem du ihn schließt.
Der
Ring schließt sich, indem du ihn öffnest.
ich verbarg mein Gesicht
in den Händen, und so bekam ich kaum mit,
wie der Streit zwischen
den neuen Besitzern begann,
wie sie ihre fast menschliche
Form und Fassung wieder verloren,
wild auswucherten,
der zuvor in Arbeit noch
gezähmten Gewalt nun freien Raum gaben
und maßlos aufeinander
eindrangen.
Weich ballten sich ihre
Kräftemassen in eins, konnten zunächst einander kaum greifen.
Ohnehin war die Luft
voll von einer entsetzlichen Spannung,
es roch nach Blut und
verrauchtem Metall.
Bosheit und Hinterhältigkeit
verdichtete die Wütenden wieder,
hart verkrallten sie
sich, schleuderten einander zu Boden -
nun ging es schnell,
es war ein plötzliches Erwachen von dem allgemeinen Albdruck:
Ich schreckte in dem
Moment auf aus dem Bann, als der Felsen unter uns zu zerreißen drohte,
auf den Fasolt von seinem
Bruder geschmettert wurde,
und Donner seine Kraft
einmal kurz aufscheinen ließ,
fast ein wenig zu sanft
in dem dumpfen Beben der Berge.
Er entlud sich noch nicht,
genoß ingrimmig
langsam das Spiel der verzögernden Wachheit mit dem blindwilden Zorn.
Warte
nur, Fafner, schien er zu denken, wir können
es mindestens so gut wie du.
Und er tat recht daran.
Er lieh uns Zeit, unserer Mitschuld bewußt zu werden.
Der Täter war nur
ein Mittelglied unserer eigenen Schande.
Was unterschied unsere
Gier von der seinen.
Nein, wir selbst waren
keinen Deut besser gewesen, solange wir Freias Anmut entbehrten
und zugleich in dem Zauber
dieses Todeskreises verschlossen waren,
dem die beiden Gewaltigen
nun so schnell verfielen.
Alle Gestaltkraft hatten
sie verloren in der wieder entflammten Gigantomanie,
sie waren nun schlimmer
als zuvor. Ach, sie hatten nun auch ihre Symmetrie zerstört,
die wechselseitige Stütze
ihrer Kraft.
Ungeschlacht wankte
der Schlachter seines
Bruders durch die schwarzen Staubwolken des Getümmels davon,
Lasten der Verantwortung
auf seinen Leichtsinn getürmt,
für einen Riesen
untragbar,
besonders für einen
Riesen -
nein, er konnte nicht
weit kommen damit. Nicht Fafner.
Der schon gar nicht.
Donner suchte einen Gegentakt
dazu,
zischte über die
Becken,
ließ die unterdrückten
Wirbel in ungleichmäßigen Wellen anschwellen,
verdrängte sie wieder,
brach nun endlich, endlich
in einem höllischen Gewitter los,
daß uns Hören
und Sehen verging.
Ich hob die verschüchterte
Freia vom Boden auf, nahm sie auf meinen Schoß
und schloß sie
in meine Arme, um sie vor den Naturgewalten zu schützen,
die von allen Seiten
über uns hereinbrachen.
Froh und Fricka tanzten
über den Hügel,
sangen laut, schrien
fast ihren Übermut
durch den brausenden
Sturm.
Den letzten Blitz widmete
Donner dem Leichnam des zerschmetterten Riesen,
um ihn nun endlich zum
Menschen zu verwandeln.
So traten wir hinzu und
schlossen einen Kreis um Freias toten Bräutigam, um Fasolt,
der sanft dort zu schlummern
schien.
Ein schöner Jüngling
war er in seinem Tod,
klein, von menschlicher,
fast göttlicher Gestalt
und durchscheinend wie
Wachs.
Wir faßten uns an
den Händen, sangen einen frischen Sturm
und tanzten, wirbelten,
flogen in der Windorgel um die Wiese,
auf der er lag wie ein
Opfertier auf dem Altar.
Schließlich holte
der Welterneuerer gewaltig aus und -
Irgendwo schwammen die
Liebenden durch einen der himmelblauen Tropfenplaneten.
Froh lackierte den Gartenzwerg
mit unverschämten Knallfarben.
Donner saß dabei
und lachte sich halbtot.
Fricka suchte immerfort
etwas im Gras,
wahrscheinlich die milchigen
Monde,
in deren betäubendem
Duft sie ihren kühlen Zauber zu entfalten liebte.
Weiß kräuselten sich die Wölkchen davon, alles war bloße Erinnerung.
Ob der Kerl weiß,
was er davongetragen hat? bemerkte ich zu Loge.
Er kann einem leid tun.
Aber was solls.
Mir macht nur Sorge,
daß er die Diskette mitgenommen hat,
so daß er bald
den Schwarzalben wieder verwirklichen wird. Und ich sage dir, Loge:
Er ist ihm nicht gewachsen.
Keine Frage, wer dann
der Herr des Rings sein wird
und unser allein existierender
Autor! -
Na,
ich weiß nicht. Wie sollte er?, fragte der Schlaukopf ungerührt
und spielte mit einem
Kartenfächer in seiner Hand,
ganz wie ein geübter
Pokerspieler. -
Was heißt das?
Ein leichtes Frösteln
überflog meinen Rücken.
Was hältst du da
in der Hand? -
Er jonglierte weiter mit den Karten, ohne eine Miene zu verziehen. -
Was hast du den Arbeitern gegeben? -
Na,
ihren Lohn, was denn sonst?
Sei
beruhigt. Ein Videospiel, irgend so ein Phantasy-Programm mit einem Drachen.
Du
hast ja gesehen, wie sich das ausgewirkt hat. Mit
der Übergabe,
mit
dem Beginn der Gigantenschlacht fing ja schon Fafners Verwandlung an.
Er
wird noch staunen, als was sich seine Macht am Ende entpuppt.
Aber
irgendwie paßt es doch zu ihm, oder nicht?
Wie
heißt das noch? Dieses:
Verlieren
wirst du dich in allen Wesen;
ein
anderer war, der du einst sein wirst.
Er
wird sich noch wundern, spätestens nach der vierten Häutung wird
er's merken -