Nein, es darf wohl auch
heißen: Warum bist du?
Und warum bist du du
und nicht ich?
Oder bist du ich, mein
lieber Leser?
Wo ich mich lese, keimt
zwischen uns zumindest diese Frage,
dieses Rätsel, zu
schlicht, es zu lösen,
der Zauber der Fremdheit.
Aber schon in mir, zwischen
mir und mir
finde ich diesen Keimling:
Wie bin ich noch der,
der vorhin fragte?
Wie Blatt um Blatt im
Sproß,
wie Hinsicht um Hinsicht
sich entfaltet im Spiegel der Frage,
wie Wort um Wort seine
Silben entbirgt aus der suchenden Formulierung,
aufbrechende Häute,
Hüllen, Blattscheiden nach außen gewendet,
wie Vergangenheiten,
die den Keimling noch dicht umschließen wollten,
ältere hinausdrängten,
nun jüngeren Gegenwarten weichen, neue Ereignisse freigeben,
wenn sie sich von der
Achse abspreizen,
und andere brechen hervor,
frisches Grün,
zart, zärtlich,
blütenhaft -
bin ich überhaupt?
Ist denn der Keimpunkt
Blatt?
Ist die Quelle das Wasser?
Ist das Jetzt schon die
Zeit? Ist es an der Zeit vielleicht?
Was ist Zeit. Ein ganzer
Baum sprießender Knospen und aufgefächerter Blätterbüschel
entbiegt, entbirgt sich,
entfedert dieser – dieser Sehnsucht – diesem -
mmmh, ich weiß
nicht, was das ist, was sich durch meine Brust bäumt,
mit den Hufen meines
Herzschlags an der Woge der Melodie entlangbrandet,
hart an der Flügelkante
des weit gespannten, weit gespannten – ich weiß nicht – bin ich?
Wovon war ich aufgewacht?
Musik füllte meinen
Schlaf.
Darin schwamm ich, trieb
in ihrem Element und wurde von ihrer Spannung getrieben,
bis ich aus dem Traumgewoge
auftauchte
und im Nachklang der
Substanz, aus der ich eben noch bestand, bemerkte:
Da war Musik, ich selbst
war durch und durch Musik,
harmonisch tönendes
Gewoge,
sich darsingendes Leben.
Das war angeschwollen,
immer lauter,
bis sich tosend die Welle
brach im Moment des Aufwachens
und der ganze Schwall
meines Mich-in-mir
sich schlagartig verwandelte
und seine unerträgliche
Spannung auflöste -
zu einer lieblichen Erinnerung,
dem Nachglanz einer Stimme.
Da glänzte sie auf,
die Flußnymphe,
zog Schleifen durch die
Schlieren und plätscherte dahin
in der Arabeske der verblassenden,
verklingenden Seelenbrandung. Ein nettes Spiel.
Eine zweite, eine dritte
Stimme gesellten sich dazu,
während ich gähnte,
mich räkelte,
mir die Augen wischte.
Ich bog den Rücken
gegen den Stamm, an den ich gelehnt saß,
ließ die Beine
über den Hauptast baumeln
und blinzelte in das
waldgroße Ungetüm von Grün und Licht über mir.
bis der Umbruch im Moment
des Aufwachens
mit einem Schlage diese
endlos heraufbrechende Harmonie,
dieses selbstgenügsam
aus sich und in sich lebende Es,
als einen bloßen
Auftakt erwies,
der sich anfangslos aus
den Tiefen des Traumozeans in die Gegenwart spannte
und durch die Brechung
an der Gegenwart erst
als Vorläufigkeit,
Vorhalt und Vorbehalt erkennbar wurde.
Aber das wußte ich
noch nicht damals,
als ich mir den Stab
aus dem Baum schnitt,
an dem ich noch den ganzen
sommerrauschenden Tag schnitzte,
voller Gedanken, voller
Pläne und Überlegungen,
bis ich über dem
Einritzen der Buchstaben einschlief
und dann zu einer neuen
Tonart
erwachte.
Dieser Umbruch des Grundtones,
dieses Aufwachen hinein
in die liebliche Spiegellinie der drei Gespielinnen,
gab mir zu denken.
Hatten wir alles auf
einen bloßen Vorhalt gegründet,
auf die
Naturgesetzlichkeit des Selbstverständlichen,
und hatten den eigentlichen,
den tieferliegenden Grund
unserer willentlich tätigen
Deutungskraft verkannt?
Ob ich nun also die Zeichen,
die ich dem Speer eingeritzt hatte, ändern mußte?
Doch sah ich: je nachdem,
wie ich den Stab hielt,
ließen sich die
Motive verschieden lesen:
Die melodische Reihe vom
stumpfen Ende zur Spitze hinauf
erwies den Speer als
Achse
eines kristallhell aufsteigenden
Durdreiklangs;
doch
bedrohliches Moll
sträubte sich nun
gegen die kristalline Klarheit,
wenn ich den Stab von
der Spitze zum stumpfen Ende zurück las.
Diese Lesart war allerdings
seltsam; es kostete eine besondere Aufmerksamkeit,
dem Naturgang der strahlenden
Ewigkeit entgegenzuarbeiten
und ihre Ursachenstufung
von Schritt zu Schritt
eigensinnig, eigentätig,
eigenmächtig
auf tiefere Gründe
hin auszuloten,
zu verzeitlichen,
umzudeuten.
Vorsichtig neigte ich
den Speer gegen die Strömung, tauchte ihn mit der Spitze ein,
kam hier in Ufernähe
aber schnell bis in den Schlick zwischen den glitschigen Felsen hinab,
wo ich eine dunkle Spur
aufwirbelte.
Mein düsterer Spiegelzwilling da unten, sag mir mal, warum bin ich ich und nicht du?
Krümme dich nur,
verforme dich, verlier dich,
gleich bist du wieder
da und mußt mir Rede stehn:
Warum bist du ich und
kein anderer?
Und wenn du mir tausendmal
erzählen willst, tief sei der Brunnen der Vergangenheit,
siehst du – ein bißchen
gestochert mit meinem Speer,
und schon zeigt sich,
wie ergründlich die Strömung hier noch ist. Dann wohl eher -
die Gegenwart,
der Brunnen der Zukunft,
vergangenheitsumschlossen.
Bewußtsein, von
Erinnerung umkammert.
Zeit,
durch Raum sich beschreibend,
im Raum sich zum Leib
schließend,
mit der Entwicklungsschrift
des Raumes in meinem Leib versiegelt.
Nein, nicht in dir, du leibloser Bruder.
Schau mich an:
Es mag wohl mit diesem
Leib zusammenhängen,
daß ich mich nicht
als Ich in allen anderen, im anderen Du fühle,
daß ich mich als
Mitte in einem zu Himmelrund und Horizont gebogenen Raum finde,
den die Schwingen meiner
Sinne auf ihre je eigene Weise durchpflügen,
in Dingen und Geschehnissen
durchkreuzen,
in Taten und Erinnerungen
gliedern.
Meine Sinne durchlesen
den Raum,
lesen die Entwicklung
aus seinem Schriftengezweig,
lesen die geschichteten,
geschieferten Blätter und lassen den Blick zuweilen,
wo sie geheftet, gebunden,
aufgefächert unter dem Daumen vorbeirauschen,
in die Achse des Buchrückens
dringen, aus dessen Dunkel sie aufglänzen.
Spielereien, gewiß,
eines morgenmüden Lesers, Träume.
Aber aus meinem Schlaf
brechen sie auf,
dort sind sie gebunden,
das ist der Buchrücken
der ganzen geschichteten,
geschieferten Geschichte.
Schlaf bin ich,
ein dem wachen Bewußtsein
aufgeblätterter Schlaf,
mich zu lesen.
Leib bin ich,
ein den träumenden
Sinnen versiegelter Leib,
mich zu vergessen.
Zeit bin ich,
eine der schlafenden
Zukunft vergangene Zeit,
mich wieder zu erinnern.
Die Sonne kam kurz durch
die Wolken,
zeichnete zwischen dem
Schattenspiel des lichten Gezweigs nun auch Scheibchen
und tausende von raumlosen
Glanzpunkten in die unruhigen Oberflächen des Stroms -
und ja, da, sieh hin, da glänzten sie auf, hast du sie gesehn? -
fischsilbern, die drei
Nixen,
und umflossen den düsteren
Leiblosen mit meinem Gesicht da unten,
ja sie bogen ihre Kreise
zuweilen durch ihn hindurch, oder wie kann man das beschreiben?
Entweder sah ich ihm
ins schwankende Auge,
oder ich sah sie,
die meine Aufmerksamkeit
durch perlmuttschimmernde Lichtmomente an sich zogen, -
ich konnte zunächst
nicht beides zugleich sehen.
Es brauchte einige Übung,
bis mir das gelang,
zumal die Sonne noch
nicht deutlich genug entschleiert war.
Endlich verselbständigte
er sich, der Alb, und versuchte die schlanken Fischlein zu greifen,
als hätte ich nicht
schon selbst Mühe gehabt,
ihren Tiefenschimmer
und meinen oberflächlichen Spiegel
zusammenzuschauen.
Es war eine Lust, sie
zu beobachten. Wasser und Licht läßt sich eben nicht festhalten.
Sie streiften ihn, brachten
ihn mit ihrem Schleifen und Schlingern zum Zerfließen,
verdoppelten, verdreifachten
ihn nach allen Regeln der Kunst.
Ich wandte mich lächelnd
ab,
damit er im symmetrischen
Gegenzug auch in die Tiefe schauen konnte, ihnen nach,
wenn sie mit ihm in der
wilddunklen Strömung Verstecken spielten.
Himmelrund und Horizont
sind meine Welt, in die Weiten zu wandern mit meinem Sinn.
Alles atmete die volle
Wärme,
der Strom glitzerte wieder
in Tausenden nadelfeiner Lichtpunkte,
und in der Mitte des
glänzenden Bandes, das zwischen den Hängen hervorkam
und breit an meinem Baumsitz
vorbeiglitt,
sammelte sich das Licht
in einem fast ebenso gleißenden Feuer,
wie hoch darüber
in den glühenden Wolkenrändern
nahe der Unschaubaren.
Ja, ihr Spiegelbild flammte
nun auch in der Tiefe auf, reinstes Gold.
Alles, wie im Himmel
also auch auf Erden,
war ein einziger sommerrauschender
Tag.
Dann wurde es Nacht,
eine Nacht, in der die
Geliebte mir von innen her aufging -
warum bin ich ich
und zugleich in allen
anderen dich,
aller im Schlaf Erwachten
Ich? -,
nicht minder hell als
am Tag unserer heftigen Hochzeit,
und niemals mehr ging
die Sonne mir unter.
Ich muß eine Klappe
über diesem Auge tragen,
damit ich euch nicht
mit ihrem freundlich schmerzenden Lächeln
blende.
Und wie du ja bereits
ganz richtig vermutest, war eben das der gleiche Moment,
in dem mein Spiegelbruder
unten das reinste Gold der Stromestiefe entriß,
den Spiegelglanz des
himmlischen Auges auf Erden.
Er raffte es blitzschnell
an sich
und verschwand damit
in die frostigglühenden
Klüfte
der grellsten Finsternis.
Hier trafen wir uns immer,
hier grüßte
ich jeden Morgen die Freunde,
schlug die Handflächen
mit Donner,
vollführte ein kurzes
Tänzchen mit den anderen,
küßte die
süße Freia auf die blühenden Augen,
scherzte mit Froh, umarmte
Fricka, meine stolze Braut,
und wirbelte mit ihr
über den Hügel dahin.
Jeden Morgen der langen
Tage,
den endlos sich entfaltenden
Morgen des einen einzigen sommerrauschenden Tages,
pflegten wir uns im Tau
der Wiese zu erfrischen,
Juwelen von den Gräsern
zu sammeln,
Tropfenwelten, in die
wir uns hineinsahen.
Umgekehrte Planeten waren
sie, voll der seltsamsten Geschichten,
tauchte man in sie ein
und stülpte ihre blaue Mitte zum umspannenden Himmel aus.
Donner liebte die tigerschwefelgoldenen
Meere im Streifenspiel und Streit der orangenen
mit den fahlgelben Bänderungen
ihrer stürmischen Oberflächen,
und er zog aus ihnen
Reißzahn und Zündstoff für seine Waffe.
Die liebliche Freia freute
sich wie ein Kind an den besonders großen und klaren Lichtperlen,
ausgereiften Glanzfrüchten,
die sie, bevor sie von den Halmen abfederten,
gerade noch auffing,
um ihre Augen damit zu waschen.
Froh beobachtete mit absichtslosem
Wohlgefallen die regenbogenbunten Spiele,
Fricka genoß ihr
Bild in der milchig durchblauten Mondfülle
der rundgespannten Spiegelwelten.
Fröhliche Nichtstuer
seid ihr.
Untätig und schön.
Sie sahen mich erstaunt
an,
begriffen auch nicht
gleich, warum ich das linke Auge verdeckt hielt.
Fricka kam mir zur Hilfe
und verband mich mit einem Stoffstreifen ihres Kleides.
Ich brauchte ihr nichts
zu erklären,
sie blickte in das verbliebene,
schaute durch mein spöttisches Lächeln hindurch,
und ich glaube, sie verstand
meinen Triumph -
sie verstand ihn als
Schuld.
Leben
wir hier nicht in deiner Seifenblase, entgegneten die anderen,
in
dieser zähen Suppe?
Aus
welchem Kessel hast du diesen bitteren Met geschöpft!
So
dicht wird das alles hier, daß man kaum mehr hindurchsehen kann.
Was
für ein Stoff daraus wächst, verhornt und verhärtet, ja
spröde:
wie
er unter unseren Schritten splittert und verstäubt zu -
wie
nennst du es? – Erde.
Diese
Ruinen deiner Gigantenkämpfe,
Gefängnisse
der Besiegten,
diese
schwarzbedruckten öligen Blättermassen,
übersät
von dem Mikado deiner Buchenstäbe -
welche
Frucht hast du dir nur gewählt,
was
für ein Planet
umschließt
uns hier? -
Ich kannte die Freunde. Sie wollten mir zeigen, daß ich heute etwas spät käme.
Gefällt
euch die Wirklichkeit nicht?
Um
die Albträume abzustreifen, mußten wir aufwachen,
zutage
treten, ans Licht.
Als Made in den Zwischenweltennischen
fettzuwerden, war das dein Ziel, Froh?
Hier erst, im Tanz über
die Schwere, erfährst du deine Leichtigkeit.
Hier, Freia, aus der
engen Verpuppung geschlüpft, flatterst du über die Blüten.
Brich die Felsen mit
deinen Blitzen,
sprich dich nur aus,
Donner,
das ist deine Welt,
eure ist das, nicht meine.
-
Donner setzte grollend
Frickas stumme Vorwürfe fort:
Die
Giganten entläßt du aus der Haft,
nur
ihre eigene Schwere bindet sie an dieses massige Ungetüm von einem
Planeten.
Wenigstens
das haben sie uns voraus: Sie wühlen durch das Gestein,
greifen,
was sie umgreift, packen mit Kraft, was sie umpackt hielt.
Es
ist ihnen eine Lust, und mir, sage ich dir, wird es eine Lust sein,
diese
Maulwürfe wieder dahin zu treten, wo sie -
Nicht doch. Ich legte
die Hand auf seine Schulter. Laß sie arbeiten, dann staut sich
ihre Energie nicht so
gefährlich auf. Oder sollen wir etwa selbst Hand anlegen?
Ob gern oder nicht gern
- sie sind vertraglich gebunden. -
Wir,
Bruder, wir sind vertraglich gebunden,
wir
sind es, die in ihrer Schuld stehen.
Und
womit bezahlen wir sie, wenn sie fertig werden mit der elenden Umräumerei?
Ja,
dein Manager, dieser Irrwisch, der hat sich dünne gemacht. Sagte,
er wolle dich suchen.
Sie
haben übrigens, als du fort warst, ihren Besuch angekündigt.
Ja
doch, sie wollen über ihren Lohn verhandeln. Mach dich auf etwas gefaßt.
-
Ich liebe die spannenden
Momente,
das Gesurr der Libellen,
das Flattern der Fahnen
im Sturm.
Mein Herz bleibt ruhig.
Ja, kommt nur. -
Nein, das Beben kam nicht
aus dem Löwengeraune des Wetternden:
Die Erde zitterte ja
nach seinen Worten weiter, surrte, flatterte, rollte, schrie auf vor Not,
erbrach endlich und -
spie die beiden Scheusale aus, uns vor die Füße.
Die anderen zogen sich
unter die Obstbäume zurück; ich blieb vor dem Durchbruch stehen,
wo der Auswurf dieser
zwei unförmigen Gliedmaßen- und Verdauungssysteme
unsere Spielwiese verdarb.
Zuerst
einmal Guten Tag, belehrte mich der eine.
Grüßgott,
Siiiiie! dröhnte der andere mit
höhnischer Dehnung. -
Kunstpause.
Nun? -
Sie
wissen, Meister, daß es nicht nur der Gruß ist, den Sie uns
schuldig bleiben?
Und
der Respekt, Siiiiie?
Heute
ist Zahltag. -
Der Tag ist lang, gähnte ich. -
Er
könnte bald enden, lächelte rosig die eine der beiden
Schweinehälften
und drehte sich gemütlich
zur anderen: Siehst du's?
Sein
eines Auge schläft ja schon. Haha.
Wachen
Sie lieber noch einmal auf, Meister, aufgepaßt:
Der
Lohn ist die hübsche Tochter dort. So stehts im Vertrag. -
Sie zeigten mit ihren
ungewaschenen Pranken auf unser Mädchen, auf die kleine Freia,
die rot wurde und sich
vergeblich hinter den anderen zu verbergen suchte.
Bitte bleib ruhig, Donner,
später, später – dann -
Welcher Vertrag. Wo steht
das geschrieben? versuchte ich sie hinzuhalten.
Seit wann könnt
ihr denn lesen! -
Hörst
du den, Fasolt?
Da
stemmen wir die Kellergewölbe,
richten
die Säulen seiner Gebirge auf,
treiben
Bilder in die Höhlenwände
und
geben mit all dem seinem Gedächtnis Struktur und Schrift,
und
da fragt er uns, seit wann wir denn lesen können.
Raten
Sie mal, Meister, von wem wir's gelernt haben. -
Und wo soll das geschrieben
stehen,
daß unsere Tochter
der Lohn sei?
Ihr seid ja völlig
von Sinnen! -
Was
denn anderes haben wir in Ihre Erdenwohnung gemeißelt, werter Bauherr,
als
Ihre Gesetze?
Sagt
nicht jeder Stein,
daß
derjenige, der in Arbeit entsagt und entbehrt und verzichtet,
eben
das als Lohn erhalten soll,
dem
er entsagt, das er entbehrt, darauf er verzichtet im Schweiße seines
Fleißes?
Wozu
denn sonst müht er sich? -
Um Erkenntnis zu gewinnen
aus dem Eigenwert seiner Arbeit, belehrte ich sie
und hielt ihnen den Speer
entgegen.
Sie lachten nur über
das kindische Schnitzwerk
und wollten es mir schon
zerknicken,
da stieß ich den
Schaft in den Grund;
Donner regte sich ein
wenig,
sie erstarrten für
eine kurze, eine allzu kurze Zeit.
Ich suchte Zeit zu gewinnen:
Ihr müßt schon
auf meinen Geschäftsführer warten,
der hat das Scheckheft.
-
Was,
Scheckheft? Sag mal, Fafner, will der uns vertrösten?
Da
plackten wir uns, es ward Abend und Morgen, ein Tag, wie's geschrieben
steht,
und
der kommt uns mit seinen ungedeckten Schecks?
Da
habe ich ganz andere Freuden im Sinn gehabt, als ich die Karyatiden formte,
die
schlanken Jungfräulein aus fleischigem Marmor, und – weißt du
noch? -
die
Glieder der Himmlischen, wie sie sich durch die fliegenden Wolkengewänder
anfühlten?
Die
Felsenbilder lieben den festen Griff, sie erwärmen sich unter unseren
Händen,
fast
leben sie auf.
Aber
wir sind ja schließlich nicht aus Stein,
sonst
könnten wir die Säulenmädchen mitnehmen und genießen,
die
wir für die luftigen Herren gebildet haben,
und
uns an dem Schauspiel schadlos halten, wenn der ganze Tempelbau zusammenbricht.
-
Fasolt,
du alter Spinner, fiel ihm unwirsch der andere ins Wort,
meinst
du denn tatsächlich, das würde mir genügen?
Was
soll das Geschwafel. Wir nehmen uns unseren Lohn und gehen. -
Er stapfte schon los;
ich versuchte, noch auf
Mängel der Ausführung hinzuweisen:
Halt, nicht so, noch
lange nicht!
Nicht vor der Fertigstellung
des ganzen Gebäudes.
Ihr müßt noch
die Fenster öffnen, damit das Licht eindringen und die Figuren beleben
kann.
Und vor allem:
Ihr müßt noch
die Türen bauen. -
Die Türen? -
Es ist ja keine Art, so durch den Rasen zu steigen. -
Betreten verboten, was? lachten die beiden und begannen, über die Blumen zu stiefeln.
He, wo wollt ihr hin?
-
Nicht einmal wir, selbst
wir nicht hätten je gewagt, uns an den Früchten zu vergehen,
die dort halbheimlich
und verlockend durch das Laub glänzten und uns zur Gewähr dienten,
daß noch, bevor
der Farbenduft dieser hingetuschten Welt verwehen werde,
neue Möglichkeiten
der Schöpfung herangereift sein würden.
Aber Donner hielt schon
ihre emporgereckten Schlangenarme in seinen Händen fest,
stand in der Symmetrieachse
zwischen ihnen, zog sie herab und begann,
die gummiweichen Tatwerkzeuge
miteinander zu verknoten.
Da griffen sie mit ihren
freien Armen seine Beine, versuchten ihn auseinanderzureißen;
er trat auf ihre äußeren
Füße, von der Achse der Gruppe aus gesehen,
sie stellten ihre inneren
wiederum auf seine – verloren damit aber den Halt.
Er konnte nun auch ihre
anderen beiden Arme wie Eidechsen von seinen Schenkeln ablesen
und verknotete sie gleichfalls,
so daß sie nun Rücken an Rücken gebunden standen,
sich gegenseitig emporhoben
und, sieh da,
elastisch übereinanderrollten
und auf diese Weise begannen, sich radschlagend zu trollen.
Willst
du nicht Menschen aus ihnen machen? fragte Froh.
Man
könnte sie zu Mann und Frau auseinanderschneiden.
Der
eine müßte allerdings noch ein wenig verändert werden.
-
Keine
schlechte Idee;
das
könnte sie dazu veranlassen, ihre Lüste und festen Griffe an
sich gegenseitig zu üben,
um
einander in Liebe zu ergänzen,
antwortete Donner und
holte den ungeschlachten Urmenschen zurück,
indem er ihn umgekehrt
hielt,
so daß seine vier
Krakenbeine sich vergeblich in der Luft abmühten,
den planetarischen Ball
durchs All zu treten.
Der da wie aus dem Nichts
aufgetaucht war und mit offenem Mund dastand,
das war ein Manager und
Irrwisch
namens Loge.
Ist
das die neue Weltformel? Ein Rätsel vielleicht:
Was
hat des Morgens vier Füße, am Mittag zwei
und
gegen Abend – mmh, vielleicht drei? -
Wir schauten einander an.
Laßt
mich die Scharade deuten, frotzelte er weiter:
Nicht
Jupiters Schwefelminen, nein, die Kräfte der Erde sind es, die den
Blitz erzeugen,
hält
nur das Wetter sie in gegensätzlicher Spannung und lädt sie auf,
bis daß der Blitz -
Bis
daß der Blitz dich treffe,
murmelte Donner und lud
die beiden etwas heftig ab,
noch immer kopfunter.
Brüllend, daß
die Bäume sich bogen und der Himmel vor Entsetzen erbleichte,
krümmten sich die
Riesenbrüder oben auseinander,
formten eine Doppelbrücke
und kamen schließlich
mit ihren Füßen zu Boden.
Es gelang ihnen, den Kranz
ihrer Rückenfessel soweit zu lockern,
daß sie nun auch
ihre Köpfe durch die Mitte nach oben hindurchpressen konnten,
und die Knoten ihrer
entsetzlich aus den Gelenken gedrehten Arme unter Qualen aufzulösen.
Was für eine Geburt, kommentierte der Schelm, Wollten die das etwa als Lohn? -
Na, seufzte ich und nahm sein Stichwort auf: Das wird ja höchste Zeit. Hast du's gefunden? -
Was gefunden? fragte er unbekümmert zurück.
Er brauchte wohl eine
Weile,
man mußte ihm nur
Zeit lassen, seine Rolle zu wechseln und die Verstellung aufzugeben.
Dann blieb noch immer
Überraschung genug.
Wir kamen allmählich
wieder hervor aus unserer Deckung,
während alles noch
wogte und rumpelte.
Donner, der kaum wieder
auf die Füße gekommen war,
versuchte den Entführern
einen grellen Gruß nachzusenden, aber es gelang nicht so recht;
ihm war noch schwindelig.
Nur einige Meteore funkten durch sein Zornesgewölk.
Es brauchte keine Kunstpausen
mehr, nur stockend kamen uns
die Worte und Gedanken
wieder.
Ist nicht Freia ihr Lohn? Sie sind doch gut bezahlt, oder nicht? grinste er. -
Nein, nein, nicht doch.
Das war nur ein vorläufiger Preis.
Denkst du denn wirklich,
junge Mädchen seien eine Ware,
die man gegen irgendeine
Leistung tauschen kann? -
Aber
ich soll die Leistung finden,
gegen
die man dein junges Mädchen tauschen kann?
Mein
Versprechen gegen dein Versprechen, nicht mehr!
korrigierte mich der Fuchs.
Ich
habe nur versprochen, mir größte Mühe zu geben,
einen
Ersatz für Freia zu finden, die du ihnen versprochen hast.
Und
das habe ich bis in die letzten Tiefen deines harten Planeten versucht,
alles
habe ich geprüft, bis ich völlig sicher war. Tja nun -
er zuckte die Schultern - aber -
Was aber? -
Mmmh - es ist eben so, wie du sagst. -
Wie bitte? -
Es
gibt keinen Ersatz für sie.
Oder
meinst du, deine Tochter sei "eine Ware,
die
man gegen irgendetwas in der Welt tauschen kann"?
Goldene
Worte, recht hast du! Ich habe überall gefragt, alles durchforscht,
und
niemanden habe ich gefunden, der etwas wüßte,
das
dem Wert deines Mädchens gleichkäme.
Nur
einer -
Was zögerst du? Schnell, sag's! -
Nur
einer
setzte
sein Liebstes zum Pfand,
und
den kennst du ja wohl recht gut.
Einen Spiegelzwilling
habe ich,
der wandte sich in die
Tiefe, als ich oben die Klarheit erblickte;
die ging mir seitdem
von innen her auf. -
Komm, raunte der Verständige,
der schlaue Flattergeist, der Zweideutige:
Jener
Albe, der das Gold aus dem Strom stahl,
ist
das nicht dein Gegenbild?
Komm
hinab mit mir, Lichtalberich, komm hinab,
wir
müssen ihn finden, denn Schwarzalberich hat Es, das Unsagbare, du
weißt -
du
allein faßt und kennst und weißt Es. -