Hans Zimmermann, Görlitz : Materialien für Griechisch/ Latein : Christian Morgenstern : Horaz-Travestie
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Quintus Horatius Flaccus
Die zehn ersten der in Morgensterns Horatius travestitus aufgenommenen Oden (carmina) lat./dt.
I,1; 9; 11; 20; 23; 27; 32; 33;   II,3
in wortwörtlicher Übertragung (zum Vergleich von originalem Text und Travestie)
 
I,1     Maecenas, atavis edite regibus 
I,9     Vides ut alta stet nive candidum 
I,11   Tu ne quaesieris, scire nefas 
I,20   Vile potabis modicis Sabinum 
I,22   Integer vitae scelerisque purus 
I,23   Vitas hinuleo me similis, Chloe 
I,27   Natis in usum laetitiae scyphis 
I,32   Poscimur. Siquid vacui sub umbra 
I,33   Albi, ne doleas plus nimio inmitis 
  
II,3    Aequam memento rebus in arduis 
Maecenas, alter Könige Sohn 
Du siehst, wie im tiefen Schnee weiß dasteht   
Du frage nicht,       es zu wissen ist nicht gut 
Einfachen Sabinerwein wirst du trinken, aus schlichten 
Wer untadelig im Leben und von Verbrechen frei ist 
Du meidest mich, dem Hirschkkalb gleich, Chloe 
Mit den zum Zweck der Freude geschaffenen Bechern 
Man verlangt nach mir. Wenn etwas Müßiges im Schatten 
Albius leide nicht noch mehr, allzusehr denkend 
 
Ausgeglichen gedenke in harten Verhältnissen 
 
 
  I,1
Maecenas atavis  edite regibus  
o et praesidium et  dulce decus meum:  
sunt quos curriculo  pulvere Olympicum  
collegisse iuvat   metaque fervidis  
  
evitata rotis  palmaque nobilis  
terrarum dominos  evehit ad Deos  
hunc si mobilium  turba Quiritium  
certat tergeminis  tollere honoribus  
  
illum si proprio  condidit horreo  
quidquid de Libycis  verritur areis  
gaudentem patrios  findere sarculo  
agros Attalicis  condicionibus  
  
numquam demoveas, ut trabe Cypria   
Myrtoum pavidus  nauta secet mare.     
Luctantem Icariis  fluctibus Africum     
mercator metuens,  otium et oppidi     
     
laudat rura sui:  mox reficit rates     
quassas, indocilis  pauperiem pati.     
Est qui nec veteris  pocula Massici,     
nec partem solido  demere de die     
     
spernit; nunc viridi  membra sub arbuto     
stratus, nunc ad aquae  lene caput sacrae.     
Multos castra iuvat,  et lituo tubae     
permixtus sonitus,  bellaque matribus    

detestata. Manet  sub Jove frigido     
venator, tenerae  coniugis inmemor;     
seu visa est catulis  cerva fidelibus,     
seu rupit teretes  Marsus aper plagas.    

Me doctarum hederae  praemia frontium     
dis miscent superis:  me gelidum nemus     
Nympharumque leves  cum Satyris chori     
secernunt populo;  si neque tibias     

Euterpe cohibet,  nec Polyhymnia     
Lesboum refugit  tendere barbiton.     
Quod si me Lyricis  vatibus inseris,     
sublimi feriam  sidera vertice. 

Maecenas, alter Könige Sohn,    
o du mein Schutz und meine beglückende Zierde:     
Manche gibt's, die mit dem Rennwagen olympischen Staub     
aufzuschürfen erfreut; die die Wendesäule, mit glühenden     
     
Rädern vermieden, und der adelnde Palmzweig     
als Herren der Erde hinauffährt zu den Göttern.     
Den auch, wenn der unruhigen Römer Schar     
streitet, ihn zur dreifachen Ämterehre zu erheben;     
     
und jenen, wenn er in eigener Scheune anhäuft     
was von libyschen Tennen gefegt wird.     
Den, der sich daran freut, daheim mit der Hacke zu furchen     
den Acker, – selbst mit den Traumbedingungen des Attalos     
      
kannst du den nimmer bewegen, auf zyprischem Boot     
als verzagter Schiffer myrtoische Wogen zu schneiden.    
Der den mit ikarischen Fluten ringenden afrikanischen Sturm    
fürchtende Kaufmann, –  die Muße und der Heimatstadt  
    
Felder lobt der: repariert bald die Planken,     
die lädierten, unbelehrbar, Armut zu ertragen.     
Es gibt den, der weder die Becher alten Massikerweins     
noch einen Teil vom festgefügten Tagesablauf wegzunehmen     
     
verschmäht; bald die Glieder unter grünem Erdbeerbaum     
ausgestreckt, bald am sanften Quell heiligen Wassers.     
Viele erfreut das Militärlager und der mit Zinken     
vermischte Trompetenklang und Krieg, der von den Müttern     
      
verfluchte. Es verbleibt im kalten Wetter    
der Jäger, indem er seine zärtliche Gattin vergißt;     
sei es, daß seine munteren Hunde eine Hirschkuh erblickten,     
sei es, daß ein Marsischer Eber die gewundenen Netze zerriß.     
     
Mich versetzen die Efeu-Preise für gelehrte Stirnen     
unter die hohen Götter: mich sondern der kühle Hain    
und die leichten Tänze der Nymphen mit den Satyrn     
vom Volke ab; solange weder die Flöten     
     
Euterpe hemmt, noch Polyhymnia     
sich davor ziert, die Leier der Sappho zu spannen.     
Wenn also du mich den lyrischen Sängern einreihst,     
werde ich mit erhabenem Scheitel die Sterne berühren. 
 
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I,9
    Vides ut alta stet nive candidum     
    Soracte, nec iam sustineant onus    
      silvae laborantes, geluque     
      flumina constiterint acuto:  
         
    Dissolve frigus ligna super foco     
    large reponens, atque benignius     
      deprome quadrimum Sabina,     
      o Thaliarche, merum diota.  
       
    Permitte divis cetera: qui simul     
    stravere ventos aequore fervido    
      deproeliantes, nec cupressi     
      nec veteres agitantur orni.  
       
    Quid sit futurum cras fuge quaerere, et     
    quem fors dierum cumque dabit lucro     
      adpone, nec dulces amores     
      sperne puer neque tu choreas,   
       
    donec virenti canities abest     
    morosa. Nunc et campus et areae     
      lenesque sub noctem susurri     
      composita repetantur hora;   
         
    nunc et latentis proditor intimo     
    gratus puellae risus ab angulo,     
      pignusque dereptum lacertis     
      aut digito male pertinaci.  
       
    Du siehst, wie im tiefen Schnee weiß dasteht     
    der Soracte, und wie nicht mehr die Last aushalten     
      die Wälder voll Mühsal, und vom Frost     
      die Flüsse erstarrt sind, vom scharfen: 
         
    Löse die Kälte, indem du Hölzer auf dem Ofen     
    reichlich nachlegst, und noch freigebiger     
      bring hervor den vierjährigen Sabiner,     
      o Thaliarch, den Wein aus dem Zweihenkelkrug! 
         
    Überlaß den Göttern den Rest: die zugleich     
    hinstreckten die Winde, die auf dem brodelnden Meer     
      kämpften, und die Zypressen regen sich     
      nicht mehr noch die alten Eschen. 
          
    Was morgen sein werde, vermeide zu fragen, und     
    jeden der Tage, den das Schicksal dir gibt, dem Gewinn     
      rechne ihn zu, und weder die süße Liebe     
      verschmäh, Junge, noch die Tänze, 
         
    solang dem Grünenden die Gräue noch fern ist,     
    die schrullige. Jetzt sollen der Platz und die Gefilde     
      und leises Flüstern in der Nacht     
      wiederkehren zu vereinbarter Stunde; 
         
    jetzt auch des Verborgenen Verräter im Geheimen,     
    der erwünschte: des Mädchens Lachen im Versteck,     
      und das Pfand, geraubt ihren Armen     
      oder dem Finger, der nur schwach sich sträubte.  
       
 
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I,11
Tu ne quaesieris,       scire nefas,     
            quem mihi, quem tibi     
finem di dederint,       Leuconoe,     
            nec Babylonios     
temptaris numeros.    Ut melius,     
            quidquid erit, pati,     
seu plures hiemes      seu tribuit     
            Iupiter ultimam,    
quae nunc oppositis   debilitat     
             pumicibus mare     
Tyrrhenum: sapias,   vina liques,     
             et spatio brevi     
spem longam reseces. Dum loquimur,     
             fugerit invida     
aetas: carpe diem,     quam minimum     
             credula postero! 
Du frage nicht,                         es zu wissen ist nicht gut,    
               welches Ende mir, welches dir    
die Götter geben werden,        Leuconoe,    
               und du sollst auch nicht Babylonische    
Orakelspiele versuchen.          Wieviel besser,    
               was auch immer sein wird, zuzulassen,    
sei es, daß noch viele Winter,  sei es daß Iupiter     
               uns den letzten zuerteilt hat,    
der jetzt an widerstrebenden    bricht    
               an Klippen das Meer,    
das Tyrrhenische: Sei weise!   Läutere den Wein,    
               und mit kurzer Erwartungsfrist    
schneide die lange Hoffnung zurück! Schon während wir reden,    
               ist neidisch entflohen    
die Zeit: Pflücke den Tag,        so wenig wie möglich    
               glaubend dem folgenden! 
 
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I,20
    Vile potabis modicis Sabinum    
    cantharis, Graeca quod ego ipse testa    
    conditum levi, datus in theatro   
      cum tibi plausus,  
      
    clare Maecenas eques, ut paterni    
    fluminis ripae simul et iocosa    
    redderet laudes tibi Vaticani   
      montis imago.  
      
    Caecub' et praelo domitam Caleno    
    tu bibes uvam: mea nec Falernae    
    temperant vites neque Formiani    
      pocula colles. 
    Einfachen Sabinerwein wirst du trinken, aus schlichten  
    Krügen, den ich selbst in einem griechischem Gefäß  
    verschlossen verpichte, als dir im Theater  
      Beifall gespendet wurde, 
      
    gerühmter Maecenas, Ritter: daß des heimatlichen  
    Flusses Ufer und zugleich auch lachend  
    zurückgab das Lob dir des vatikanischen  
      Hügels Echo. 
      
    Caecuberwein und in der Kelter gepreßten, in der von Cales,  
    wirst du trinken die Traube; doch weder Falerner- 
    Reben füllen mir noch Formianische  
      Hochlagen meine Becher. 
 
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I,22
    Integer vitae scelerisque purus    
    non eget Mauris iaculis nequ' arcu,    
    nec venenatis gravida sagittis,    
      Fusce, pharetra,   
        
    sive per Syrtes iter aestuosas,    
    sive facturus per inhospitalem    
    Caucasum vel quae loca fabulosus    
      lambit Hydaspes.   
        
    Namque me silva lupus in Sabina,    
    dum meam canto Lalagen et ultra    
    terminum curis vagor expeditis,    
      fugit inermem,  
        
    quale portentum neque militaris    
    Daunias latis alit aesculetis,    
    nec Iubae tellus generat, leonum    
      arida nutrix   
        
    Pone me pigris ubi nulla campis    
    arbor aestiva recreatur aura,    
    quod latus mundi nebulae malusque    
      Iuppiter urget;   
      
    pone sub curru nimium propinqui    
    solis, in terra domibus negata:    
    Dulce ridentem Lalagen amabo,    
      dulce loquentem. 
    Wer untadelig im Leben und von Verbrechen frei ist,  
    bedarf keiner maurischen Speere noch des Bogens,  
    noch schwer von giftigen Pfeilen,  
      Fuscus, des Köchers – 
      
    sei es, daß er durch die Syrten den Weg, durch die sengenden,  
    sei es, daß er ihn nehmen will durch den ungastlichen  
    Kaukasus oder zu den Orten, die der sagenumwobene  
      Hydaspes beleckt. 
      
    Denn auch vor mir ist im Sabinerwald der Wolf,  
    während ich meine Lalage besang und über  
    die Grenze streifte, von Sorgen frei,  
      geflohen, vor dem waffenlosen, 
      
    ein Ungeheuer, wie es weder die kriegerische  
    Daunias nährt in weiten Eichenwäldern,  
    noch die Erde Jubas, der Löwen  
      wüstentrockene Amme. 
      
    Setze mich aus, wo auf brachen Feldern kein  
    Baum sich erneuert in sommerlicher Luft,  
    an die Seite der Welt, die Nebel und schlechtes  
      Wetter bedrängen; 
      
    setze mich unter den Wagen der allzu nahen  
    Sonne, in das Land, das der Besiedlung verwehrt ist:  
    In die süß lachende Lalage werde ich verliebt sein, 
      in die süß plaudernde. 
 
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I,23
    Vitas hinuleo me similis, Chloe,   
    quaerenti pavidam montibus aviis   
      matrem non sine vano   
      aurar' et siluae metu. 
      
    Nam seu mobilibus veris inhorruit   
    adventus foliis, seu virides rubum  
      dimovere lacertae   
      et cord' et genibus tremit. 
      
    Atqui non ego te tigris ut aspera   
    Gaetulusve leo frangere persequor:   
      Tandem desine matrem   
      tempestiva sequi viro. 
    Du meidest mich, dem Hirschkkalb gleich, Chloe,  
    das da sucht in unwegsamen Bergen seine ängstliche  
      Mutter, nicht ohne grundlos  
      sich vor Winden und Wald zu fürchten. 
      
    Denn sei es, daß es vor den raschelnden Blätter erschreckt 
    der Frühlingsankunft, sei es, daß grün durchs Brombeeregeranke  
      hindurchschlüpften die Eidechsen:  
      im Herzen wie auch in den Knien zittert es. 
      
    Aber nicht ich wie ein Tiger, ein ungemütlicher,  
    oder wie ein gätulischer Löwe verfolge dich, dich zu reißen!  
      Höre endlich auf, der Mutter  
      zu folgen, du, reif für den Mann! 
 
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I,27
    Natis in usum laetitiae scyphis   
    pugnare Thracum est: tollite barbarum  
      morem, verecundumque Bacchum   
      sanguineis prohibete rixis. 
      
    Vino et lucernis Medus acinaces   
    inmane quantum discrepat: inpium  
      lenite clamorem, sodales,   
      et cubito remanete presso. 
      
    Vultis severi me quoque sumere   
    partem Falerni? Dicat Opuntiae  
      frater Megillae, quo beatus   
      volnere, qua pereat sagitta. 
      
    Cessat voluntas? Non alia bibam   
    mercede. Quae te cumque domat Venus,  
      non erubescendis adurit   
      ignibus, ingenuoque semper  
      
    Amore peccas. Quidquid habes, age,   
    depone tutis auribus. A miser,  
      quanta laboras in Charybdi,   
      digne puer meliore flamma! 
      
    Quae saga, quis te solvere Thessalis   
    Magus venenis, quis poterit deus?  
      Vix inligatum te triformi   
      Pegasus expediet Chimaera. 
    Mit den zum Zweck der Freude geschaffenen Bechern  
    zu kämpfen ist Thrakerart: Macht Schluß mit Barbaren-   
      Sitte; den scheuen Bacchus  
      bewahrt vor blutigen Streitereien! 
      
    Zu Wein und Lichtern der medische Dolch –  
    schrecklich, was für ein Mißklang: das lästerliche,  
      dämpft es ab, das Geschrei, Freunde,  
      und auf dem Polster bleibt liegen, dem gedrückten. 
      
    Ihr wollt, daß vom feurigen auch ich nehme  
    meinen Teil, vom Falerner? Es berichte der Opuntierin  
      Megilla Bruder, von was für einer Wunde  
      er selig ist, von was für einem Pfeil er vergeht! 
      
    Schwindet der Wille? Nicht will ich trinken für einen anderen  
    Lohn! Wie auch immer dich Venus zähmt,  
      nicht um zu erröten verbrennt sie dich  
      mit ihren Gluten, denn einer immerdar edlen 
      
    Liebe verfällst du. Was du auch hast, nur zu,  
    vertraue es sicheren Ohren! Ach, Unglücklicher,  
      wie sehr du dich abmühst im Charybdiswirbel,  
      wert, mein Junge, einer besseren Flamme! 
      
    Welche Hexe, wer könnte dich erlösen mit Thessalischen  
    Giften als Zauberer, welcher Gott könnte das?  
      Kaum wird dich, gebunden an die dreigestaltige  
      Chimaira, Pegasus entfesseln können! 
 
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I,32
    Poscimur. Siquid vacui sub umbra   
    lusimus tecum, quod et hunc in annum   
    vivat et plures, age, dic Latinum,  
      barbite, carmen, 
       
    Lesbio primum modulate civi:  
    Qui ferox bello tamen inter arma,   
    sive iactatam religarat udo  
      litore navim, 
       
    Liberum et Musas Veneremque et illi   
    semper haerentem puerum canebat,   
    et Lycum nigris oculis nigroque  
      crine decorum. 
       
    O decus Phoebi et dapibus supremi   
    grata testudo Jovis, o laborum   
    dulce lenimen, medicumque, salve  
      rite vocanti 
    Man verlangt nach mir. Wenn etwas Müßiges im Schatten  
    ich auf dir je gespielt, das noch bis zu diesem Jahre  
    lebt und weiter, – nun denn, sing auf Latein,  
      meine Lyra, das Lied! 
      
    Du, auf Lesbos zuerst gestimmt von einem Bürger,  
    der wild vom Kriege dennoch zwischen den Waffen  
    oder wenn er das gestrandete Schiff festgebunden hatte am  
      feuchten Gestade, 
      
    den Dionysos und die Musen, Venus auch und den ihr  
    immer anhängenden Jungen besang,  
    und Lykos mit schwarzen Augen und scharzem  
      Haar, den schönen. 
      
    O du Zierde des Phoebos, bei den Mählern des höchsten  
    Jupiter willkommene Laute, o du der Mühsal  
    süße Linderung und Arznei, sei mir gegrüßt  
      wenn ich dich in rechter Weise anrufe. 
 
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 I,33
Albi, ne doleas  plus nimio memor    
inmitis Glycerae  neu miserabiles    
decantes elegos  cur tibi iunior   
     laesa praeniteat fide.   
   
Insignem tenui  fronte Lycorida   
Cyri torret amor,  Cyrus in asperam   
declinat Pholoen:  Sed prius Apulis  
     iungentur capreae lupis,  
   
quam turpi Pholoe  peccet adultero.   
Sic visum Veneri,  cui placet inpares   
formas atque animos  sub iuga aenea  
     saevo mittere cum ioco.  
   
Ipsum me melior  cum peteret Venus   
grata detinuit  compede Myrtale   
libertina, fretis  acrior Hadriae  
     curvantis Calabros sinus. 
Albius, leide nicht noch mehr, allzusehr denkend   
an die grausame Glykera, auch nicht in mitleiderregenden   
Elegien besingend, warum dich ein Jüngerer   
     überstrahlt nach dem Treuebruch!   

Wunderschön mit ihrem schlanken Gesicht, Lykoris  
glüht in Liebe für Kyros – Kyros ist der spröden  
Pholoe zugewandt: Aber eher noch werden in Apulien  
     verkuppelt die Ziegen mit den Wölfen,  
  
als daß Pholoe einem häßlichen Ehebrecher verfiele.  
So schien es der Venus gut, der es gefiel, ungleiche  
Gestalten und Gemüter unter ein ehernes Joch  
     zu schicken mit grimmigem Witz.  
  
Mich selbst hat, als eine bessere Venus mich suchte,  
mit holder Fessel Myrtale festgehalten,  
die Freigelassene, heftiger als die Fluten der Adria,  
     die kalabrische Buchten aushöhlt. 

 
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II,3
    Aequam memento rebus in arduis   
    servare mentem, non secus in bonis  
      ab insolenti temperatam 
    laetitia, moriture Delli,   

    seu maestus omni tempore vixeris,   
    seu tu in remoto gramine per dies  

      festos reclinatum bearis 
    interiore nota Falerni.  

    Quo pinus ingens albaque populus   
    umbram hospitalem consociare amant  

      ramis? Quid obliquo laborat 
    lympha fugax trepidare rivo?  

    Huc vina et unguenta et nimium breves   
    flores amoenae ferre iube rosae,  

      dum res et aetas et sororum 
    fila trium patiuntur atra.  

    Cedes coemptis saltibus et domo,   
    villaque, flavus quam Tiberis lavit,  

      cedes, et exstructis in altum 
    divitus potietur heres.  

    Divesne, prisco natus ab Inacho   
    nil interest an pauper et infima  

      de gente sub divo moreris; 
    victima nil miserantis Orci.  
       
    Omnes eodem cogimur, omnium   
    versatur urna serius ocius   
      sors exitura et nos in aeternum 
    exilium inpositura cumbae. 
    Ausgeglichen gedenke in harten Verhältnissen  
    zu bewahren den Sinn, nicht anders als du in glücklichen  
      vor ungewöhnlichem ihn gemäßigt bewahrtest, 
    vor  Entzücken, todgeweihter Dellius,  
      
    sei es, daß traurig du alle Zeit gelebt hast,  
    sei es, daß du auf entlegener Wiese an Tagen,  
      an festlichen, hingelagert beseligt bist 
    von einer Falernermarke aus dem tieferen Keller.  
      
    Wozu wohl die gewaltige Pinie und die weiße Pappel  
    sich zu gastlichem Schatten zu verbünden lieben mit  
      ihren Zweigen? Was müht sich durch die Windung 
    das Naß flüchtig zu sprudeln, durchs Bachbett?  
      
    Hierher laß Weine und Salben und die allzu kurzlebigen  
    Blüten der lieblichen Rose bringen,  
      solange Verhältnisse und Alter und der drei 
    Schwestern Fäden es dulden, die schwarzen.  
      
    Scheiden wirst du von gekauften Wäldern und vom Haus  
    und vom Landgut, das der gelbe Tiber bespült,  
      scheiden wirst du, und der in die Höhe aufgehäuften 
    Reichtümer wird sich dein Erbe bemächtigen.  
      
    Ob du reich bist, ob ein Sohn vom alten Inachos her –  
    es macht keinen Unterschied, oder ob arm und vom niedersten  
      Stande du unter freiem Himmel haust, 
    du Opfer des nichts bedauernden Orcus.  
      
    Wir alle werden zum gleichen gezwungen, bei allen  
    wendet sich das aus der Urne früher oder später  
      herausfallende Los, das uns dann fürs ewige 
    Exil hineinsetzen wird in den Kahn. 
 
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*       *       *       *       *
 Anhang:
 
              Eduard Mörike: Wispeliaden, "Sommersprossen" (1837):
                                          IXte Ode des Horace
 
    .Horatius ad / Thaliarchum  
    (Chansons, Livre I, od. 9) 
     
    Vides, ut alta stet nive candidum 
    Soracte, nec jam sustineant onus 
      sivae laborantes, geluque 
        flumina constiterint acuto.
      
    Dissolve frigus, ligna super foco 
    large reponens; atque benignius 
      deprome quadrimum Sabina, 
        o Thaliarche, merum diota.
  
    
 
    Des / Vtus Horazius Flakkus / aus Wenusia /  
    Ersten Buches der Oden / die Neunte  
      
    Schau, wie, an Altersweisheit ein Sokrates 
    Höchlings der Berg steht, und wie die Silphe sich, 
      Ihn untergrabend, umsonst abmühet, 
        Und die Gewässer wie Spießglas zwitzern!
     
    Wärme dich, Guter! stapple den Holzstoß auf, 
    Reichlich, nicht etwa über dem Sparherd bloß! 
      Und vielleicht ist Sabinchen* so gütig, 
        Uns, Daliarch, ein Quart Rein-Wein zu wismen.**
  * Wahrscheinlicherweise Horazens Gattin.  
** Die übrigen Verse blieben weg, weil ich sie nicht für antique halte.  
 
 
 
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